Auf den polnischen Revoluzzer war Verlaß
von
Alexander Barti
(aus: Junge Freiheit vom 08. April 2005)
Von wegen stockkonservativ - in Wirklichkeit versuchte Johannes Paul II. der Kirche die Prinzipien von "1789" zu injizieren.
Johannes Paul II. war ein Popstar, wird in sämtlichen Nachrufen betont.
Man zählt fleißig auf, wie viele Länder er wie oft besuchte, daß die
Strecke soundso viel mal reichte, um den Mond zu umrunden, wie viele
Enzykliken er verfassen ließ und daß er sehr beliebt war bei den
Jugendlichen. In Erinnerung ist seine lockere Art, das Telegene, die
weltlichen Gedichte, sein Faible für Theater und Fußball und sein
Eintreten für Frieden und Menschenrechte.
Kein Nachruf vergißt vorsichtig zu erwähnen, daß dieser Papst auch eine
konservative Seite hatte. Von reaktionärer Starrsinnigkeit wird gar
gesprochen, die es ihm nicht ermöglichte, die Kirche Klarschiff zu
machen für die Zukunft. Weil er sich nicht in allen Bereichen vor dem
Zeitgeist verneigte. In drei wichtigen Bereichen blieb er dem
katholischen Glauben treu: Priester sind nur Männer, die Familie
besteht aus Mann, Frau und Kindern, sie entsteht mit dem Ehesakrament
und ohne Verhütungsmittel, und Abtreibung ist Mord. Diese Pfeiler waren
es, die ihn in den Augen der modernen Sozialingenieure als
Stockkonservativen erscheinen ließen.
Auch wenn die katholische Soziallehre zweifelsfrei Ausfluß der Dogmata
sind, haben sie in dem Gesamtwerk der Kirche - der mystischen Braut
Christi - eine untergeordnete Stellung. Viel wichtiger ist die Frage,
was der Mensch zu tun und zu lassen hat, um das ewige Heil zu erlangen.
Muß er an Christus glauben? Ganz bewußt? Muß er dazu Mitglied der
"einen heiligen katholischen und apostolischen Kirche" sein? Muß er
regelmäßig an Feiern teilnehmen? Gibt es Priester, die "mehr" können
als die Laien? Kann man Gott physisch begegnen - etwa in dem heiligen
Altarsakrament? In all diesen und vielen anderen Fragen dieser Art
hatte die Kirche jahrhundertelang kristallklare Antworten, es gab kein
Geschwafel, keine "Jeinerei" - das Ja war ein Ja und Nein ein Nein.
Sein Pontifikat war eine Zeit der Relativierung
Das Pontifikat von Johannes Paul II. war hingegen eine Zeit der
Relativierungen, der Entschärfung von Konturen. Er trat an, um das
Vermächtnis seiner Vorgänger Paul VI. und Johannes XXIII. zu vollenden.
Die Botschaft machte er durch seine Namenswahl umgehend publik. Die
Aufgabe war, der Kirche die Prinzipien von "1789" zu injizieren.
An dem Zweiten Vatikanischen Konzil in Rom Anfang der 1960er Jahre, das
zum unblutigen Sturm auf die Engelsburg werden sollte, hatte Karol
Wojtyla als junger Bischof aktiv mitgewirkt. Er war im Bilde. Seine
Auffassung von Gott und der Welt hatte sich an der "nouvelle théologie"
des Jesuiten Henri de Lubac SJ. orientiert, die sich wiederum um zwei
Kernthesen kristallisierte: Fortschritt und Relativismus. Mit von der
Partie waren der Jürgen Habermas der katholischen Kirche, der Theologe
Theilhard de Chardin, und natürlich der unverzichtbare Modernist Karl
Rahner.
Der Jesuitenpater Rahner brachte das Konzept des "anonymen
Christentums" ins Spiel, wonach praktisch jeder Mensch unbewußt Christ
ist und somit automatisch Anteil am Heil hat. Eine abenteuerliche
Konstruktion, die dem Neuen Testament Hohn spricht. Sie entbindet die
Kirche von der Missionstätigkeit, von jeder Art des Unterrichts, sie
fordert keine guten Taten mehr, keine Reue, sie kennt keine Sünde und
macht die Beichte überflüssig, wie auch den Priester und selbst den
Gläubigen. Grassierender Priestermangel? Immer weniger
Gottesdienstbesucher? Kein Wunder!
De Chardins theologische Wurzeln, die auch bei Wojtyla zum
früchtetragenden Baum werden sollten, liegen in noch bemerkenswerteren
Schichten. De Chardins evolutionistisches Schlüsselkonzept der
Noosphäre stammt von dem sowjetischen Kosmisten Wladimir Iwanowitsch
Wernadskij (1863-1945) und gehört damit zu den dämonischsten
Philosophien, die sich Menschen je ausgedacht ha-ben. Wernadskij, ein
Schüler des Begründers dieser Irrlehre, Nikolaj Fjodorowitsch Fjodorow
(1828-1903), unterrichtete Anfang der 1920er Jahre an der Pariser
Sorbonne unter anderem den Kumpel de Chardins, Eduard Le Roy, der den
Begriff "Noosphäre" erfand. Angeblich soll Le Roy auch Schüler Bergsons
gewesen sein. Damit sind es aber nur noch wenige Schritte bis zum
Hermetic Order of the Golden Dawn und der Hermetic Brotherhood of
Luxor. Alles Hirngespinste? Vielleicht - vielleicht aber auch nicht.
Politiker und Atheisten trauern aufrichtig um ihn
Unbestreitbar ist, daß Johannes Paul II. eine Reihe von medienwirksamen
Auftritten hatte, die nicht angetan waren, den katholischen Glauben zu
stärken. Er küßte den Koran, betete in der Moschee von Damaskus,
besuchte eine Synagoge in Rom, betete auch vor der Klagemauer in
Jerusalem und veranstaltete mit dem Gebetstreffen von Assisi, bei dem
sich alle möglichen Religionsführer "auf gleicher Augenhöhe"
austauschten, einen himmelschreienden Skandal.
Der jüngste Coup, der außerhalb theologisch interessierter Zirkel
praktisch nicht zur Kenntnis genommen wurde, bestand in der offiziellen
Anerkennung einer Messe ohne Wandlungsworte. Es handelt sich dabei um
das ostsyrische Hochgebet des Addai und Mari, daß nur vage
"Anspielungen" auf die für eine gültige Konsekration unerläßlichen
Wandlungsworte beinhaltet. Wenn diese Richtung von Rom weiter
beschritten wird, steht das gesamte katholische Priestertum und mit ihm
die Realpräsenz Gottes in der heiligen Hostie zur Disposition.
Progressisten bejubeln die Anerkennung bereits als endgültigen Bruch
mit der überkommenen "Wortmagie" am Altar, die den Weg frei mache zur
"vollen Einheit der Schwesternkirchen". Das UN-Weltparlament der
Religionen läßt grüßen.
Angesichts dieser noch lange nicht vollständigen Schreckensbilanz der
Ära Wojtyla ist es nicht verwunderlich, wenn sämtliche Politiker dieser
Welt den Tod des polnischen Revoluzzers aufrichtig beklagen. Auf ihn
war Verlaß. Anstatt den Kommunismus feierlich - wörtlich - zu
verurteilen und Rußland Maria zu weihen, wie es die Muttergottes von
Fatima gefordert hatte, traf er sich mit den Führern der
sozialistischen Terrorregime und lächelte sanft in die Kameras. Und:
Ist es nicht merkwürdig, wenn bekennende Atheisten, die aktiv an einer
Gesellschaft ohne Kirche und Gott arbeiten, um den trauern, der ihr
radikalster Feind sein sollte?
© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/05 08. April 2005
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