PREDIGT AM FESTE DER ERSCHEINUNG DES HERRN
vom
hl. Petrus Chrysologus
(aus: "Bibliothek der Kirchenväter" Bd.43, München 1923, S.34o-344; aus dem Lateinischen übers. von Dr. G. Böhmer)
Anmerkung:
Der hl. Petrus Chrysologus war von ca. 433 - 449 Bischof von Ravenna.
Gegen Ende seines Lebens verließ er seine Bischofsstadt und starb um
das Jahr 45o in Imola, seiner Geburtsstadt. Mit dem hl. Leo I., Papst
von 44o - 461 stand er in enger Beziehung. Wann die vorliegende Predigt
entstanden ist, läßt sich nicht genau ermitteln. Man nimmt an, daß er
sie als Bischof von Ravenna gehalten hat.
***
Wenn auch schon in dem Geheimnis der Menschwerdung des Herrn selbst
jeden Augenblick die Anzeichen seiner Gottheit hervorleuchten, so
bekundet und offenbart doch gerade das heutige Fest in vielfacher
Weise, daß wahrhaft Gott in menschlichem Leibe erschienen sei.
Niemals sollte die stets in Dunkelheit gehüllte sterbliche Welt aus
Unwissenheit wieder verlieren, was sie zu erhalten und zu besitzen
einzig und allein der Gnade verdankt. Denn derjenige, welcher für uns
geboren werden wollte, wollte unter uns nicht unerkannt bleiben;
deshalb offenbarte er sich uns so deutlich, damit nicht das große
Geheimnis der Liebe werde zum Anlaß eines großen Irrtums.
Heute findet der Weise aus dem Morgenlande den, welchen er suchte in
seinem Glänze am Sternenhimmel, weinend in der Wiege. Heute bewundert
der Magier offen den in Windeln, den er verborgen in den Sternen lange
geduldig schaute. Heute überdenkt der Weise in tiefem Staunen das, was
er sieht: wie nämlich in der Erde der Himmel, im Himmel die Erde, in
Gott der Mensch, in dem Menschen Gott, der vom ganzen Weltall nicht
erfaßt werden kann (vgl. 8 Kön. 8,27), in einem so kleinen Körper
verschlossen sein könne. Und weil der Weise solches zu ergründen,
solches zu erfassen nicht vermag, fällt er gleich anbetend nieder. Denn
er sieht, daß so hell nicht leuchten am Himmel die Sterne, der Mond,
die Sonne, wie er glänzen sieht das Fleisch auf der Erde (Anm.d.Übers.:
dieser Ausdruck soll nur die Wirklichkeit des menschlichen Leibes
Christi besonders hervorheben.). Er sieht in einem und demselben Körper
der Gottheit und der Menschheit Vereinigung geschehen. Sofort beugt er
sich gläubig vor seinem Gott, erkennt ihn als König, sieht im Geiste
ihn schon sterbend aus Liebe zum Menschengeschlecht, und mit bangem
Gemute erwägt er, wie es geschehen sollte, daß Gott sterbe, daß der
getötet würde, der dem Leben wiedergegeben war. Und so läßt der Magier
davon ab, das durch seine Kunst zu erforschen, was er durch Kunst nicht
finden kann. Und weil er erkennt, daß er am himmel lange genug mit den
irrenden Sternen geirrt habe, frohlockt er nun, daß er auf Erden durch
die Leitung eines einzigen Sternes zu Gott gelangt sei.
Der Weise erkennt, daß alles, was am Himmel geschaut wird, auch wenn es
dem menschlichen Auge noch so klar ist, doch mit einem tiefen Geheimnis
verhüllt ist. Und jetzt, wo er sieht, bekennt er durch die
geheimnisvollen Geschenke, daß er glaubt und nicht mehr zweifelt: durch
den Weihrauch bekennt er seine Gottheit, durch das Gold sein Königtum,
durch die Myrrhe den sterblichen Menschen. Mit Weihrauch verehrt er
Gott, mit Gold den König, um durch reichen Liebesdienst den wieder zu
versöhnen, wider den er durch vorwitzigen und falschen Sternendienst
sich vergangen und versündigt hatte. So erfüllt er jene Prophezeiung,
welche viele auf den Eunuchen aus Äthiopien beziehen wollen: "Äthiopien
wird zuerst seine Hände zu Gott erheben". (Ps. 67,32) Es sieht der
Magier Christus und erhebt vor dem Juden seine Hände; denn in demselben
Augenblicke, als der Jude frevelhaft Christus dem Herodes auslieferte,
bekannte ihn der Weise durch seine Geschenke als Gott. Darum ward auch
der Heide, der der letzte war, auf den ersten Platz erhoben (vgl. Luk.
14,lo); denn durch den Glauben der Magier empfing die
Glaubensgeneigtheit der Heiden ihre Weihe, die Glaubenshärte der Juden
ihre Schande.
Heute geschah es auch, daß Christus in das Bett des Jordans stieg, um
die Sünde der Welt abzuwaschen. Daß er dazu erschienen war, bezeugt
Johannes, indem er spricht: "Sehet das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die
Sünden der Welt!" (Joh. 1,29) Heute also hält in seiner Hand der Knecht
den Herrn, der Mensch Gott, Johannes Christus, er hält ihn, um
Verzeihung zu erlangen, nicht zu erteilen.
Heute erfüllt sich das Wort: "Die Stimme des Herrn erschallt über den
Wassern!" (Ps. 28,3) Welche Stimme? "Dieser ist mein geliebter Sohn, an
dem ich mein Wohlgefallen habe." (Matth. 3,17) Darum'ferscholl heute
die Stimme Gottes über den Wassern, damit Gott der Vater selbst, der
Zeuge seines Sohnes, durch sein dreifaches Zeugnis die Wahrheit der
Abkunft seines Sohnes beweise: 'Dieser ist mein geliebter Sohn'". Denn
ein anderer war nicht da, der hiervon Zeugnis geben konnte. Das Zeugnis
des Vaters duldet keines Zuschauers Gegenwart, göttliche Zeugung duldet
keinen Zeugen, die Gottheit läßt sich nicht von außen her erkennen, wie
der Sohn selbst sagt: "Niemand kennt den Sohn als der Vater, und
niemand kennt den Vater als der Sohn." (Matth. 11,27)
Heute schwebt auch der Hl. Geist über den Wassern in Gestalt einer
Taube, damit, gleichwie jene Taube NoÎs verkündet hatte, daß die Flut
gewichen sei (Gen. 8,11), durch die Erscheinung dieser Taube erkannt
würde, daß der ewige Schiffbruch der Welt beendet sei. Denn diese Taube
trug nicht wie jene nur einen Zweig des alten Ölbaumes herbei, sondern
sie goß die ganze Fülle des neuen Salböls aus auf das Haupt des neuen
Stammvaters, damit in Erfüllung ging, was der Prophet gesagt hatte:
"Darum hat dich Gott, dein Gott, mit dem Öle der Freudegesalbt vor
deinen Genossen."(Ps 44,8)
"Heute erschallt Gott über den Wassern." Ganz mit Recht "über den
Wassern" und nicht "unter den Wassern", weil Christus der Taufe nicht
unterworfen war, sondern herrschte über die Sakramente.
Heute "läßt der Gott der Herrlichkeit den Donner erdröhnen". (Ps. 28,3)
Wenn also der Vater vom Himmel niederdonnern läßt, wenn der Sohn in des
Jordans Wogen steigt, wenn der Hl. Geist in leiblicher Gestalt von der
Höhe erscheint: wie kommt es, daß dieser Jordan, der doch einst bei dem
Nahen der Bundeslade zurückwich (vgl. Jos. 3,15-17) nun nicht
zurückbebt vor der Gegenwart der vollen Dreieinigkeit Gottes? Warum?
Wer der Liebe dient, hört auf, ein Sklave der Furcht zu sein! Hier
wirkt die göttliche Dreifaltigkeit nur Gnade; nur lautere Liebe
enthalten ihre Worte; dort aber züchtigt Gott die Elemente, um seine
Diener zu erziehen zur Furcht. Mitten unter diesem gewaltigen Ereignis
steht Johannes unerschüttert da; denn der kann der Furcht nicht dienen,
welcher, wie der Engel bezeugt, ganz zur Gottesliebe geboren ist. (Vgl.
Luk. 1,16)
Heute machte Christus durch die Verwandlung des Wassers in Wein (Joh.
2,1-11) den Anfang seiner himmlischen Wunderzeichen, damit er, wie ihn
der Vater durch seine Stimme als Sohn bestätigt hatte, auch selbst sich
durch Wunderwerke als Gott erweise, damit er, der die Elemente
verwandeln kann, sich erweise als den Urheber derselben, daß er, der
Übernatürliches zu wirken vermag, die Natur selbst geschaffen habe. In
Wein verwandelt er das Wasser, damit so in der Kraft der Gottheit
erstarken möge die Schwäche unserer Natur. Denn der, welcher fünf Brote
durch stetes Brechen und durch geheimnisvollen Zuwachs zur Sättigung
von fünftausend Menschen verteilen und vermehren konnte (vgl. Matth.
14,13-22), hatte auch Macht, zur Hochzeitsfeier die Weinkrüge mit
allmählicher Vermehrung zu füllen und sie unausschöpfbar zu machen.
Doch das Wasser sollte auch noch verwandelt werden in sein
geheimnisvolles Blut, damit Christus den aus dem Gefäß seines Leibes
Trinkenden den echten Becher darreichen konnte, auf daß erfüllt würde,
was der Prophet gesagt hatte: "Und mein berauschender Becher, wie
herrlich ist er!" (Ps. 22,5)
In dreifacher Weise wird heute also die Gottheit Christi bestätigt:
durch die Geschenke der Weisen, durch das Zeugnis des Vaters, durch die
Verwandlung des Wassers in Wein, weil nach dem Ausspruch der Schrift
jede Sache auf dem Zeugnis von dreien beruht, da sie sagt: "Auf der
Aussage zweier oder dreier Zeugen soll jede Sache feststehen." (Matth.
18,16)
Weil uns nun die Festfeier selbst zum Tische des Herrn, zum
Freudentrunke jenes Kelches hinzutreten mahnt, so genügt es, den
reichen Strom der Rede abzuschließen mit dem kurzen Wort: Durch unseren
Herrn, Jesus Christus, der da lebt und regiert jetzt und allzeit und in
Ewigkeit. Amen.
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ROSENKRANZGEBET: JEDEN DONNERSTAG UM 19 UHR IN ST. MICHAEL - WESTENDSTR. 19 - MÜNCHEN. |