Anhang II
Die Erscheinung der hochheiligen Jungfrau auf dem Berg von La Salette am 19. September 1846
veröffentlicht durch die Hirtin von La Salette mit dem Imprimatur des Bischofs von Lecce.
(Die Anmerkungen, die man hier auf jeder Seite findet und die einen
Kommentar bilden, der dem Bericht der Hirtin folgt, sind aus der Hand
eines ausgezeichneten Priesters, der die Ehre hatte, Melanie zu kennen
und während ihrer letzten Lebensjahre ihr Seelenführer zu sein.)
"Nun, meine Kinder, ihr werdet es zu meinem ganzen Volk gelangen lassen."
I.
Am 18. September, dem Tag vor der heiligen Erscheinung der heiligen
Jungfrau, war ich wie gewöhnlich allein beim Hüten der vier Kühe meines
Herrn. Gegen elf Uhr morgens sah ich einen kleinen Jungen auf mich
zukommen. Bei dessen Anblick erschrak ich, weil es mir schien, daß
jedermann wissen müsse, daß ich jede Art von Gesellschaft floh. Dieses
Kind näherte sich mir und sagte: "Kleine, ich komme mit dir, ich bin
auch von Corps." Bei diesen Worten ließ kam bald mein schlechtes
Naturell zum Vorschein, und, indem ich einige Schritte zurück machte,
sagte ich: "Ich will niemand, ich will allein bleiben." Dann entfernte
ich mich, aber dieses Kind folgte mir*), indem es zu mir sagte: "Geh,
laß mich bei dir bleiben, mein Herr hat mir gesagt, meine Kühe mit den
deinigen zu hüten, ich bin von Corps." Ich entfernte mich von ihm,
indem ich ihm ein Zeichen machte, daß ich niemand wollte, und nachdem
ich mich entfernt hatte, setzte ich mich auf den Rasen. Dort führte ich
eine Unterhaltung mit den kleinen Blümchen des lieben Gottes.
Einen Augenblick danach blicke ich hinter mich und finde Maximin ganz
nahe hinter mir sitzen. Er sagt mir sogleich: "Behalt mich bei dir, ich
werde sehr brav sein." **) Aber mein schlechte Veranlagung nahm keine
Vernunft an. Ich stehe überstürzt auf und fliehe ein wenig weiter, ohne
ihm etwas zu sagen, und mache mich wieder daran, mit den Blumen des
lieben Gottes zu spielen... Einen Augenblick später war Maximin wieder
da, um mir zu sagen, daß er sehr artig sein werde, daß er nicht reden
werde, aber er langweile sich so alleine, und sein Herr habe ihn zu mir
geschickt, usw. usw. Diesmal hatte ich Mitleid mit ihm. Ich machte ihm
ein Zeichen, sich hinzusetzen, und ich spielte weiter mit den kleinen
Blumen des lieben Gottes.
Maximin brach bald das Schweigen, er fing an zu lachen (ich glaube, daß
er sich über mich lustig machte). Ich betrachte ihn und da sagt er zu
mir: "Laß uns was anstellen, machen wir ein Spiel". Ich antwortete ihm
nichts, denn ich war so unwissend, daß ich keine Ahnung hatte, wie man
mit einer anderen Person spielte, da ich stets allein gewesen war. Ich
hatte meine Freude allein mit den Blumen, und Maximin, der mir ganz
nahe kam, lachte nur und sagte, die Blumen hätten keine Ohren, un mich
zu hören, und daß wir zusammen spielen sollten. Aber ich hatte keine
Lust zu dem Spiel, das er mir zu machen vorschlug. Indessen fing ich
an, mit ihm zu sprechen, und er sagte mir, daß die zehn Tage, die er
bei seinem Herrn zubringen sollte, bald zu Ende gingen, und daß er dann
nach Corps zu seinem Vater gehen werde, usw.
Während er mit mir sprach, hörte man die Glocke von La Salette, sie
läutete den Engel des Herrn. Ich machte Maximin ein Zeichen, seine
Seele zu Gott zu erheben. Er entblößte sein Haupt und beobachtete einen
Augenblick Stillschweigen. Dann sagte ich zu ihm: "Willst du essen?" -
"Ja", sagte er mir, "los!" Wir setzten uns. Ich holte aus meinem Beutel
meinen Vorrat, den mir meine Leute mitgegeben hatte, und meiner
Gewohnheit gemäß machte ich, ehe ich mein kleines rundes Brot anbrach,
mit der Spitze meines Messers ein Kreuz über mein Brot und in die Mitte
ein ganz kleines Loch und sagte dabei: "Wenn der Teufel da ist, soll er
herausgehen, und wenn der liebe Gott drin ist, soll er drin bleiben",
und schnell bedeckte ich das kleine Loch wieder. Maximin stand mit
lautem Lachausbruch auf und gab meinem Brot mit dem Fuß einen solchen
Tritt, daß es meinen Händen entwischte und bis zum Fuß des Berges
rollte und verschwand.
Ich hatte noch ein Stück Brot, wir aßen es zusammen; dann machten wir
ein Spiel. Dann, da ich verstand, daß Maximin etwas essen müsse ***),
zeigte ich ihm einen Platz auf dem Berg, wo er kleine Beeren finden
würde. Ich hieß ihn sie essen, was er sogleich tat. Er ißt davon und
bringt seinen Hut voll davon mit. Am Abend gehen wir zusammen den Berg
hinunter, und wir versprechen uns, wiederzukommen, un unsere Kühe zu
hüten.
Am nächsten Tag, dem 19. September +) befinde ich mich mit Maximin auf
dem Weg. Wir stiegen den Berg hinan, zusammen. Ich fand, daß Maximin
sehr lieb war, sehr einfach, und daß er gern von allem sprach, wovon
ich auch sprechen wollte. Er war ebenfalls sehr nachgiebig, beharrte
nicht auf seinen Vorstellungen. Er war nur ein wenig neugierig; denn
wenn ich mich von ihm entfernte, lief er mir, so bald ich stehen blieb,
schnell nach, un zu sehen, was ich tat, und um zu hören, was ich mit
den Blumen des lieben Gottes redete. Und wenn er nicht rechtzeitig
eintraf, fragte er mich, was ich gesagt hatte. Maximin sagte mir, ich
solle ihn ein Spiel lehren. Der Morgen war schon vorgeschritten. Ich
sagte ihm, er möge Blumen pflücken, und das "Paradies" zu machen. ++)
Wir machten uns beide an die Arbeit. Wir hatten bald eine Menge Blumen
von verschiedenen Farben. Das Aveläuten aus dem Dorf ließ sich hören;
denn der Himmel war klar, es gab keine Wolken. Nachdem wir mit dem
lieben Gott gesprochen hatten, so wie wir es verstanden, sagt ich zu
Maximin, daß wir unsere Kühe auf eine kleine Hochebene bei dem kleinen
Bach führen müßten, wo es Steine gäbe, un das "Paradies" zu bauen. Wir
trieben unsere Kühe an besagten Platz, und dann nahmen wir unsere
kleine Mahlzeit ein. Danach machten wir uns daran, Steine
herbeizutragen und unser kleines Haus zu bauen, das aus einem
Erdgeschoß bestand, das sozusagen unsere Wohnung war; darüber dann ein
Stockwerk, das nach uns das "Paradies" darstellte.
Dieses Stockwerk war ganz geschmückt mit Blumen von verschiedenen
Farben, mit Kränzen, die an Blumenstielen aufgehängt waren. Dieses
"Paradies" wr mit einem einzigen großen Stein abgedeckt, den wir wieder
mit Blumen bedeckt hatten. Wir hatten auch überall umher Kränze
aufgehängt. Als das "Paradies" fertig war, bewachten wir es. Schlaf
überfiel uns. Wir entfernten uns etwa zwei Schritte von dort und
schliefen auf dem Rasen ein. Die schöne Dame setzte sich auf unser
"Paradies", ohne es zu zerstören. +++)
Anmerkungen:
*) Melanie war damals vierzehn Jahre und zehn Monate alt, aber weder
groß noch kräftig, sie schien kaum zehn Jahre zu sein. Sie war von sehr
scheuem Temperament, und ihre langen Dienstjahre bei Fremden sowie die
geringe Zärtlichkeit ihrer Mutter, die sie niemals liebgehabt hatte,
hatten nicht dazu beigetragen, diesen charakterlichen Mangel zu
beheben. Aber das fromme Kind, das der Himmel schon lange vor 1846
besucht hatte, suchte hauptsächlich die Einsamkeit auf, um mehr mit
Gott vereinigt zu sein. Ihr "liebenswürdiger Bruder" hatte ihr gesagt:
"Meine Schwester, fliehe den Lärm der Welt, liebe die Zurückgezogenheit
und die Sammlung, halte dein Herz beim Kreuz und das Kreuz in deinem
Herzen; Jesus Christus sei deine einzige Beschäftigung. Liebe die
Stille, und du wirst die Stimme Gottes vom Himmel hören, der dir zum
Herzen sprechen wird. Schließ mit niemandem eine Verbindung, und Gott
wird dein Alles sein."
**) Maximin war erst elf Jahre und sah wenigstens drei Jahre jünger
aus. Er war niemals in Dienst gewesen, jemand hatte seinen Vater,
Stellmacher in Corps, gebeten, er möge während acht Tagen einen kranken
Hirten vertreten. Der Vater hatte sich zuerst widersetzt, indem er
sagte, Mémin, ein Wildfang wie er war, würde die Kühe eher in den
Abgrund weiden lassen. Er hatte nur auf das Versprechen hin
nachgegeben, daß immer jemand dabei sei, um ihn zu beaufsichtigen.
'Mémin' war ebenso unbefangen wie lebhaft, neugierig und schelmisch.
"Behalte mich, ich werde sehr brav sein", welche Einfalt! Aber das war
Ausgelassenheit und ständige Unruhe. Obgleich er sehr intelligent war,
war er so unaufmerksam, daß sein Vater drei Jahre Mühe gehabt hatte,
ihm das "Vater unser" und das "Gegrüßet seist du Maria" beizubringen.
Er nannte ihn seiinen "Unschuldsengel". Melanie konnte nicht
Französisch noch verstand sie es. Maximin sprach es nicht, aber er
verstand einige Worte.
***) Anstatt den Wildfang zu schelten, der mit einem raschen Fußtritt
das erste Brot, ein kleines Brot, an den Fuß des Berges hatte rollen
lassen, teilt sie nicht nur das zweite mit ihm, sondern denkt nur an
das Bedürfnis zu essen, das er haben muß, und denkt nicht an sich
selbst. Die Verzichte, die Bußen, die dieses schmächtige Kind sich seit
Jahren auferlegt und die sie ihr ganzes Leben lang fortgeführt hat,
sind mehr als mannhaft gewesen, sie sind wunderbar gewesen.
+) In diesem Jahr fiel der 19. September auf den Vortag vom Fest
Unserer lieben Frau von den sieben Schmerzen, dessen erste Vesper die
Kirche zur gleichen Stunde wie die Erscheinung betet. Die Rede der
heiligen Jungfrau, ihr Kleid, ihre Tränen, der Weg, den sie geht, der
genau die Windungen jenes des Kai vari enberges beschreibt; all das
stand in Beziehung zu diesem Fest, damit wir nicht zweifeln, daß unsere
Auflehnungen gegen Gott und die Kirche die sieben Schwerter sind, die
am Fuß des Kreuzes ihr Herz durchbohrt haben.
++) Der Wildfang, dessen ganze Zeit in Corps dahinging mit Spielen
seines Alters, largweilte sich wie am Vortag und verlangt wieder zu
spielen. Die Hirtin, die sich niemals damit vergnügt hat, lehrt ihn
also das "Paradies" zu machen. Maria hat ihre beiden lieben Kinder -
von so entgegengesetztem Charakter - zusammengebracht; und die Hand
ihrer Vorsehung auf eine so natürliche Art den "Unschuldsengel" auf den
Berg zu führen verstanden, daß der Hirt, der vertreten add morgen
wieder genesen sein wird, un seinen Dienst wieder aufzunehmen, mit
gewinnender Einfalt sagen wird: "Was habe ich doch für ein Unglück
gehabt! - Wieso? - Ich bin krank geworden, sonst hätte ich die heilige
Jungfrau gesehen! Ich bin es, den Mémin vertreten hat! Ach, Herr, ohne
diese Krankheit hätte ich die heilige Jungfrau gesehen." - Der junge
Mann war sanft, still und fromm. Aber die heilige Jungfrau benötigte
einen guten Gedankenlosen wie Maximin, der nichts in der Erscheinung
sah, der sich nicht einmal selbst bemerkte.
+++) Weil noch nicht die Rede von der "schönen Dame" war, betont
Melanies Eifer diesen besonderen Umstand, un ihre Bewunderung für die
Güte der heiligen Jungfrau festzustellen, die so bezeugte, daß sie ihre
kleine Ruhepause gebilligt hatte.
II.
Als ich erwacht war und unsere Kühe nicht sah, rief ich Maximin, und
ich stieg die kleine Anhöhe hinan. Als ich von dort aus sah, daß unsere
Kühe still am Boden lagen, stieg ich wieder hinunter, und Maximin war
im Begriff hinaufzusteigen, als ich plötzlich ein schönes Licht sah,
glänzender als die Sonne; und kaum habe ich diese Worte sagen können:
"Maximin, siehst du dort unten? Ach, mein Gott!" Zur gleichen Zeit
lasse ich den Stock fallen, den ich in der Hand hielt. Ich weiß nicht,
was in diesem Augenblick in mir an Köstlichem vorging, aber ich fühlte
mich angezogen, ich fühlte eine große Ehrfurcht voller Liebe, und mein
Herz hätte schneller laufen mögen als ich. *) Ich betrachtete dieses
Licht sehr fest, das unbeweglich war, und - so, als ob es sich geöffnet
hätte - bemerkte ich ein anderes Licht, noch viel glänzender, welches
in Bewegung war, und in diesem Licht eine sehr schöne Dame, die auf
unserem "Paradies" saß, den Kopf in den Händen haltend. Diese schöne
Dame stand auf, hat ihre Arme teilweise gekreuzt und, indem sie uns
anblickte, gesagt: "Kommt näher, Kinder, habt keine Angst. Ich bin
hier, um euch eine große Botschaft mitzuteilen." Diese milden und
sanften Worte ließen mich ihr entgegenfliegen, mein Herz hätte sich für
immer an sie halten mögen. Ganz nahe bei der schönen Dame angekommen,
rechts von ihr stehend, fing sie die Rede an, und Tränen begannen aus
ihren schönen Augen zu fließen:
"Wenn mein Volk sich nicht unterwerfen will, bin ich gezwungen, die
Hand meines Sohnes fallen zu lassen. Sie ist aber schwer und so
drückend, daß ich sie nicht mehr zurückhalten kann. Wie lange leide ich
schon für euch! Wenn ich will, daß mein Sohn euch nicht aufgibt, bin
ich gezwungen, ihn unaufhörlich zu bitten. Und ihr, ihr macht euch
nichts daraus. Ihr könnt beten und tun, was ihr wollt, niemals könnt
ihr die Mühe wiedergutmachen, die ich für euch auf mich genommen habe.
Ich habe euch sechs Tage zum Arbeiten gegeben, den siebten habe ich mit
vorbehalten, und man will ihn mir nicht zugestehen. **) Das macht den
Arm meines Sohnes so schwer. Jene, die die Karren lenken, können nicht
fluchen, ohneden Namen meines Sohnes dabei zu gebrauchen. Dies sind die
beiden Dinge, die den Arm meines Sohnes beschweren: ***) Wenn die Ernte
verdirbt, geschieht es nur euretwegen. Ich habe es euch letztes Jahr an
den Kartoffeln sehen lassen, ihr habt euch nichts daraus gemacht, im
Gegenteil! Wenn ihr verfaulte gefunden habt, habt ihr geflucht und den
Namen meines Sohnes lästerlich gebraucht. Sie werden weiter verderben.
An Weihnachten wird es keine mehr geben."
Hier versuchte ich das Wort 'Kartoffeln' zu begreifen. Ich glaubte, daß
es Äpfel bedeuten würde. Die schöne und gute Dame, die meine Gedanken
erriet, antwortete so: "ihr versteht mich nicht, Kinder? Ich werde es
euch anders sagen. - Die Übersetzung ins Französische lautet
folgendermaßen: Wenn die Ernte verdirbt, bedeutet euch das nichts. Ich
habe euch im vergangenen Jahr die Kartoffeln sehen lassen, und ihr habt
euch nichts daraus gemacht. Im Gegenteil! wenn ihr verdorbene gefunden
habt, habt ihr geflucht und dabei den Namen meines Sohnes mißbraucht.
Sie werden weiter faulen, und an Weihnachten wird es keine mehr geben.
Wenn ihr Getreide habt, braucht ihr keines zu säen. Alles, was ihr sät,
werden die Tiere fressen, und das, welches aufgeht, wird in Staub
zerfallen, wenn ihr es ernten wollt. Es wird eine große Hungersnot
kommen. Ehe die Hungersnot kommt, werden die kleinen Kinder unter
sieben Jahren von einem Zittern befallen werden und in den Händen
derjenigen sterben, die sie tragen. Die andern werden durch den Hunger
Buße tun. Die Nüsse werden schlecht werden, die Trauben verfaulen.
****)" - Hier blieb die schöne Dame, die mich entzückte, einen
Augenblick, ohne etwas verlauten zu lassen. Ich sah indessen, daß sie
weiter ihre liebenswürdigen Lippen bewegte als ob sie spräche. Maximin
erhielt also sein Geheimnis. Dann wandte sich die hochheilige Jungfrau
zu mir, sprach zu mir und teilte mir ein Geheimnis auf Französisch mit.
Hier ist dieses Geheimnis ganz, so wie sie es mir gegeben hat:
Anmerkungen:
*) Das erste Gefühl Maximins, der niemals vorher eine Erscheinung
gehabt hatte, und der glaubte, Melanie habe Angst, war anders. "Los",
sagte er, "nimm deinen Stock", und den seinigen schwingend: "wenn sie
uns anfaßt, werde ich ihr einen ordentlichen Schlag versetzen!" - Schon
hatte sich, das Licht geöffnet: Melanie erkannte sogleich die heilige
Jungfrau und wurde von Furcht, fast von Schrecken erfaßt, die heilige
Jungfrau so weinen zu sehen, die sie immer nur in der Seligkeit
erblickt hatte.
**) Die heilige Jungfrau spricht hier im Namen Gottes, und der
lebendige Christus, den sie auf ihrem Herzen trägt, sprach zur gleichen
Zeit diese Worte aus.
***) Ohne die Beobachtung des Sonntags kann es kein religiöses Leben
geben. Seit fünfzehn Jahrhunderten wiederholte Tertullian diese Worte
den Gläubigen seiner Zeit: "Ohne den Sonntag kann es keine Christen
geben. Non est christianus sine domenica". Unter den Fragen, die von
den Verfolgern an die Märtyrer gerichtet wurden, unterschied man vor
allem diese: "Beobachtet ihr den Sonntag?", und wenn ihre Antwort
zustimmend war, reichte das aus, man erkannte daran sozusagen das ganze
Christentum. Aber die heilige Jungfrau wirft ihrem Volk ein zweites,
noch schlimmeres Verbrechen vor als die Entweihung des Sonntags: das
ist die Gotteslästerung. Wenn jeder Mund nicht nur nicht mehr betet,
sondern flucht; wenn ein ganzes Volk wie das in Frankreich nicht nur
vergißt, Gott zu ehren, sondern ihn beschimpft und verleugnet, welche
Züchtigungen verdient es dann? "Dies sind die beiden Dinge, die den Arm
meines Sohnes so schwer machen."
****) Diese Drohungen waren bedingt: "Wenn mein Volk sich nicht
unterwerfen will". Die Bekehrungsbewegung, die nach der Erscheinung
einsetzte, war nicht hinreichend: der größte Teil hat sich
buchstabengetreu erfüllt. Die heilige Jungfrau hatte gesagt, daß die
Kartoffel weiter verderben würden und daß es zu Weihnachten keine mehr
gäbe. So starben vom Beginn des Winters die armen Leute im Gebirge vor
Hunger, sie hatten keine Kartoffel mehr zu essen. So warb in ganz
Frankreich und im Ausland, hauptsächlich aber in Irland. Alle Zeitungen
von London vom 21 . Januar 1847 berichteten: "Allein der festgestellte
Verlust durch die Meißernte in Irland kann auf zwölf Millionen Pfund
Sterling geschätzt werden, das sind 3oo Millionen Franken." (GAZETTE DU
MIDI vom 28.1.1847) Da diese Hungersnot mehrere Jahre andauerte, sank
die Bevölkerungszahl der Insel 1866/67 von acht auf fünf Millionen.
Diese drei Millionen Iren verhungerten oder wanderten aus. - Sie hatte
gesagt, daß das Getreide von den Tieren (Schädlingen) gefressen und zu
Staub zerfallen werde. Nun, die Krankheit des "pietin" brach 1851 aus
und verursachte in Europa gewaltige Verluste. Dies schrieb ein
Korrespondent des UNIVERS über dieses Getreidekrankheit in der Nr.15
vom 15. Juli 1856: "Ich habe die Hohlräume oder die vertrockneten
Strohhalme geöffnet. Die einen umschlossen keine Körner; diese sind
zweifellos jene, die zuerst befallen wurden und als die Keime kaun
entwickelt waren. Die andern umschlossen dünne und vertrocknete Körner,
in denen nichts gedieh. Das sind die, welche später befallen wurden. In
den einen wie den andern haben sich in Gestalt von gelbem Pulver kleine
Würmchen befunden, die zweifelsohn all diese Verheerungen verursacht
haben. Jeder kann heute die gleiche Erscheinung feststellen: es genügt,
sich auf das erste beste Getreidefeld zu begeben, einige Ähren in die
Hand zu nehmen, die Blütenkrone zu öffnen, die am Grunde mit einem
schwarzen Fleck bezeichnet ist, und man wird die winzigen Tierchen
wimmeln sehen." - Sie hat gesagt, es werde eine große Hungersnot
kommen, und die Menschen würden durch Hunger Buße tun. Nun, 1854/55
verkaufte man in Frankreich zu 55 bis 6o Frs. je hundert Kilogramm.
Nach dar in CONSTITUTIONNEL und dem UNIVERS von 1856 veröffentlichten
Statistik hätte die Teuerung der Lebensmittel in den zwei Jahren 1854
und 1855 den Tod von zweihundertfünfzigtausend Menschen in Frankreich
herbeigeführt, und von mehr als einer Millionen in ganz Europa nach den
anderen Zeitungen. Und UNIVERS fügt am 12. Dezember 1856 hinzu: "Unter
diesem Euphemismus 'Infolge der Teuerung Verstorbene' muß man lesen:
Gestorben an Hunger und Elend. Man kennt die Jahreszahl von 1856 nicht,
aber die Ursache ist nicht verschwunden." - In Spanien kaufte die
Regierung Getreide für Millionen von Realen, um die Hungersnot zu
vermeiden. In Polen waren die Lebensmittel 1856 so teuer, daß der
Kaiser von Rußland die Bezüge der Beamten um ein Drittel erhöhte. - Sie
hatte gesagt, daß vor der Hungersnot die kleinen Kinder von einem
Zittern erfaßt und in den Händen derjenigen, die sie hielten, sterben
würden. Nun, 1847 fing die Verwirklichung dieser Drohung mit einer
großen Klein-Kindersterblichkeit im Kanton Corps an. 1854 starben in
Frankreich fünfundsiebzigtausend Kinder unter sieben Jahren am
Schweißfieber. Ein eisiges Frösteln erfaßte sie, dem ein Zittern
folgte, das nach zwei Stunden des Leidens zum Tode führte. - Sie hatte
gesagt, daß die Nüsse schlecht würden. Nun, ein Bericht, der 1852 an
das Innenministerium gerichtet wurde, hat festgehalten, daß die
Erkrankung der Nußbäume im vergangenen Jahr die Ernte im Lyonnais,
Beaujolais und Isère vernichtet habe, und daß dies ein Elend für diese
Gebiete, deren Nußernte eine der Haupteinnahmen darstellt, bedeutete. -
Sie hatte gesagt, daß die Trauben faulen. Nun, diese Geißel hält noch
an. Seit fast sechzig Jahren faulen die Trauben. - Genügt die Erfüllung
allein der der öffentlich prophezeiten Drohungen nicht, daß man sagen
sollte: "Wenn La Salette kein Glaubensartikel ist, ist es ein
Gegenstand der Glaubwürdigkeit. Und La Salette ist kein Dogma, aber es
ist eine ungeheure Gnade, die man nicht genug genutzt hat? - Beim
Erläutern und Meditieren des Geheimnisses, Vers für Vers, werden wir
sehen, daß die prophetischen Drohungen, zahlreicher und viel ernster
als die der öffentlichen Rede, sich bis auf den heutigen Tag erfüllt
haben. Das ist die besondere göttliche Fackel, denn Prophezeiung ist
nur Gott möglich. Es ist einsichtig, daß es über die Macht des
Geschöpfes ist, ferne Ereignisse nur zu lenken, aber noch mehr, sie mit
Gewißheit vorauszusagen, wenn ihre Ursachen noch gar nicht bestdien. -
Die große Erscheinung von La Salette ist von allen Fackeln erhellt
worden. Drei Jahre und einige Monate danach bezeugte der Pfarrer Michel
Perrin, der die Wallfahrt verwaltete, mit Unterlagen in der Hand, mehr
als zweihundetfünfzig Heilungen, erlangt durch die Anrufung Unsrer
lieben Frau von La Salette. Die Quelle, die nur bei der Schneeschmelze
floß oder nach starken Regengüssen, nun, seitdem allen Dürrenzeiten
widersteht, ist ein dauerndes Wunder. Göttliche Fackel: die Verhöre,
denen man die Kinder unterwarf. War es nicht wunderbar, zwei Kinder zu
sehen, die tags zuvor nicht französisch sprachen, eine lange Rede
vortrugen, ohne zu verstehen, und sich gewandt in dieser Sprache
ausdrücken. "Die spitzfindigen Fragen erschreckten sie nicht, die
verfänglichen Sätze brachten sie nicht aus der Ruhe, sie entgingen
allen Fallen mit Hilfe von klaren und stichhaltigen Antworten.
Gegenübergestellt oder getrennt, ihre Darstellungen stimmten überein,
ergänzten sich verstärkten sich. Und dies hinsichtlich bedeutungsloser
Einzelheiten. Die Theologen haben sich besiegt erklärt, die
Rechtsgelehrten und Wissenschaftler, zunächst von äußerster Kühnheit,
fürchteten bald, darin zu klar zu sehen. Nach einem dieser Verhöre
sagte man zu Melanie: "Mein Kind, ist es dir nicht langweilig, so oft
die gleichen Dinge zu wiederholen?" - "Nein, mein Herr." - "Das muß
dich aber doch langweilen, vor allem, wenn man dir Fragen stellt, die
dich verlegen machen?" - "Mein Herr, man hat mir niemals Fragen
gestellt, die mich verlegen machen." - Schweigen und Erstaunen. Die
ganze Zuhörerschaft betrachtet sich, und jeder ist verlegen, sich so
vergebens Mühe gemacht zu haben. - Der Pfarrer Dupanloup, der Bischof
von Orleans, gestanden ein, von zwei Kindern geschlagen worden zu sein.
"Man muß bemerken", schrieb er am 11. Juli 1848, "daß niemals
Angeklagte vor Gericht standen, verfolgt mit Fragen über ein
Verbrechen, wie diese beiden armen Landkinder es seit zwei Jahren sind,
über diese Vision, die sie erzählen. Auf oft im voraus vorbereitete,
manchmal lang und verfänglich überlegte Einwände haben sie immer
schnelle, kurze, klare genaue, unwiderlegbare Antworten entgegnet. Man
spürt, daß sie ganz unfähig solcher Geistesgegenwart wären, wenn das
nicht die Wahrheit wäre. Man hat gesehen, wie sie zun Ort der
Erscheinung oder ihres Betruges geführt wurde - so wie man Übeltäter zu
ihrem Tatort führt. Weder die ernstesten noch die ausgezeichnetesten
Persönlichkeiten machten sie unsicher, noch erschreckten sie Drohungen
und Beleidigungen, noch ließen sie Sdneicheleien und Güte sie
nachgeben, noch die längsten Verhöre ermüden. Auch die häufige
Wiederholung all dieser Prüfungen findet sie in keinem Widerspruch, sei
es jede einzelne in sich, oder bei der einen im Vergleich mit einer
anderen."- Diese übernatürliche Hilfe hat ein ganzes Leben gedauert. -
Ein gelehrter Theologieprofessor und sein Freund, Pfarrer einer großen
Stadt waren mit einem Dutzend vorbereiteter und im voraus studierter
Einwände nach La Salette gekommen, um sie Maximin vorzutragen, wenn er
aus seiner Bude herauskäme, um auf Bitten von Pilgern, die ihn den
Missionaren vorzogen, den Bericht des Wunders zu liefern. Als Maximin
seine Darlegung beendet hatte, legte ihm der Professor den ersten
Einwand vor. Maximin beschränkte sich darauf zu sagen: "Gehen Sie zun
zweiten über"; in gleicher Weise reagierte er beim zweiten, dritten,
vierten und fünften Einwand. Maximin antwortete dann mit einigen
Worten; er ließ die fünf Einwände zusammenstürzen, und dieser Sturz zog
den Zusammenbruch der sieben anderen nach sich. Als sie das sahen,
sagte der Professor und der Pfarrer, selbst zu uns, denn wir standen
auf ihrer Seite: "Dieser junge Mann ist immer in seiner Sendung; die
heilige Jungfrau hilft ihm, heute wie in den ersten Tagen, das ist uns
einleuchtend. Kein Theologe, und sei er der gelehrteste der Welt, hätte
eine solche Meisterleistung vollbringen können. All das ist sicherlich
übernatürlich. Er hat uns das Wunder besser bewiesen als man es durch
die Stärksten Argumente hätte tun können. (Amédé Nicolas) Alle diese
Zeichen sind sozusagen nichts gegenüber den Wundern der Gnade, die in
den Seelen gewirkt werden. Die Sünder bekehren, sie zu Jesus
zurückführen, dies ist das Ziel der Erscheinung von La Salette und das
war auch die Wirkung überall, wo sie verstanden wurde. War es nicht
wunderbar zu sehen, wie sich auf den Bericht der Kinder hin Massen
wieder bekehrten, die sie zunächst mit größtem Vorbehalt und oft mit
Verachtung aufgenommen hatte Vom ersten Jahr an erfolgte eine
Umwandlung im Kanton Corps, eine gänzliche. Mar. hörte dort nicht nur
kein Fluchwort mehr, man sah dort sonntags nicht nur niemanden mehr an
Sonntagen arbeiten, sondern alle besuchten die Kirche, und seit 1847
hielten alle ihre Ostern. So kamen in Corps auf eine Bevölkerung von
1800 Einwohnern keine dreißig Personen, die diese wichtige Pflicht
nicht erfüllten. - Aber wozu sich verbreiten über diese himmlischen
Zeichen, wenn jeder eine höhere Autorität feststellen kann, diejenige
der heiligen Kirche. Wenn La Salette kein Glaubensartikel ist, so ist
es doch ein Artikel der Glaubwürdigkeit; wenn es kein Dogma ist, so ist
es eine Gnade, die man nicht genug genutzt hat.
III.
1. Melanie, was ich dir jetzt sagen werde, wird nicht immer ein Geheimnis sein, du wirst es 1858 veröffentlichen können. *)
2. Die Priester, Diener meines Sohnes, die Priester sind durch ihr
schlechtes Leben, durch ihre Ehrfurchtslosigkeit und den Mangel an
Frömmigkeit bei der Feier der heiligen Geheimnisse, durch die Liebe zun
Geld, zur Ehre und Vergnügungen, die Priester sind Kloaken der
Unreinigkeit geworden. Ja, die Priester fordern die Bestrafung heraus,
und die hängt über ihren Häuptern. Unheil den Priestern und
gottgeweihten Personen, die durch ihre Untreue und ihr schlechtes Leben
meinen Sohn auf's neue kreuzigen! Die Sünden der gottgeweihten Personen
schreien zun Himmel und rufen nach Rache, und die Rache ist schon vor
ihren Türen, denn es findet sich niemand, der un Erbarmen und
Verzeihung für das Volk fleht: es gibt keine hochherzigen (großmütigen;
Anm.d.Red.) Seelen mehr, es gibt niemand, der würdig wäre, dem Ewigen
das unbefleckte Opfer zugunsten der Welt anzubieten.
3. Gott wird zuschlagen auf eine Weise, ohne Beispiel.
4. Unheil den Bewohnern der Erde! Gott wird Seinen Zorn ausschhöpfen,
und niemand wird so vielen vereinten Übeln entgehen können.
5. Die Obern, die Führer des Volkes Gottes haben das Gebet und die Buße
vernachlässigt, und der Teufel hat ihre Einsicht verdunkelt. Sie sind
jene irrenden Sterne geworden, die der alte Teufel mit seinem Schwanz
ziehen wird, um sie umkommen zu lassen. Gott wird der alten Schlange
erlauben, ihre Heerscharen unter die Herrschenden, in alle
Gesellschaften, in alle Familien zu schicken, man wird körperliche und
moralische Peinen erdulden. Gott wird die Menschen sich selbst
überlassen und wird Züchtigungen schikken, die während mehr als
fünfundzwanzig Jahren aufeinander folgen.
6. Die Gesellschaft steht am Vorabend der schrecklichsten Geißeln und
der größten Ereignisse; man muß erwarten, von einer eisernen Zuchtrute
beherrscht zu werden und den Zorneskelch Gottes zu trinken.
7. Der Stellvertreter meines Sohnes, der oberste Bischof, Pius IX.,
soll nach 1850 nicht mehr von Rom weggehen. Aber er soll fest und
großmütig sein, er soll mit den Waffen des Glaubens und der Liebe
kämpfen; ich werde mit ihm sein.
8. Er soll Napoleon mißtrauen, sein Herz ist doppelzüngig, und wenn er
gleichzeitig Papst und Kaiser sein will, wird Gott sich von ihm
zurückziehen. Er ist jener Adler, der immer höher fliegen will, aber in
das Schwert stürzen wird, dessen er sich bedienen wollte, un die Völker
zu zwingen, sich zu erheben.
9. Italien wird für seinen Ehrgeiz bestraft werden, daß es das Joch des
Herrn aller Herren abschütteln wollte! Auch es wird dem Krieg
ausgeliefert werden, das Blut wird nach allen Seiten fließen. Die
Kirchen werden geschlossen oder entweiht werden; die Priester, die
Ordensleute werden verjagt, oder man bringt sie um auf eine grausame
Weise. Etliche werden vom Glauben abfallen, und die Zahl der Priester
und Ordensleute, die sich von der wahren Religion trennen werden, wird
groß sein; unter diesen Personen werden sogar Bischöfe sein.
10. Der Papst soll sich vor den Wundertätern hüten, denn die Zeit ist
gekommen, daß die erstaunlichsten Wunder auf der Erde und in den Lüften
stattfinden.
11. Im Jahre 1864 wird Luzifer mit einer großen Zahl von Dämonen aus
der Hölle losgelassen; sie werden den Glauben nach und nach abschaffen,
sogar bei den gottgeweihten Personen. Sie werden sie verblenden auf
eine solche Weise, daß ohne eine besondere Gnade diese Leute den Geist
dieser bösen Engel annähmen. Mehrere religiöse Häuser werden ganz vom
Glauben abfallen und werden viele Seelen verloren gehen lassen.
12. Die schlechten Bücher werden auf Erden überhand nehmen, und die
Geister der Finsternis werden überall eine Lockerung in allem
verbreiten, was den Dienst Gottes angeht: sie werden eine große Macht
über die Natur haben. Es wird Kirchen geben, die diesen Geistern
dienen. Personen werden durch diese bösen Geister von einem Ort zun
andern gebracht werden, und selbst Priester, weil sie nicht vom Gut des
Evangeliums geleitet werden, das einen Geist der Menschlichkeit, der
Liebe und des Eifers für Gottes Ehre beinhaltet. Man wird Tote und
Gerechte auferstehen lassen (d.h., daß diese Toten die Gestalt der
gerechten Seelen annehmen, die auf der Erde gelebt haben, um die
Menschen besser zu verführen; diese sogenannten wiedererstandenen
Toten, die nichts anderes sind als der Teufel unter diesen Gestalten,
werden ein anderes Evangelium bringen, das im Gegensatz zu dem des
wahren Jesus Christus steht und in dem die Existenz des Himmels
geleugnet wird, ja auch, daß Seelen verdammt werden **). Alle diese
Seelen werden erscheinen als ob sie mit ihren Körpern vereinigt wären.
Es werden an allen Orten außerordentliche Wunder geschehen, weil der
wahre Glaube erloschen ist und das falsche Licht die Welt erhellt.
Unheil über die Kirchenfürsten, die sich nur damit beschäftigt haben,
Reichtümer über Richtümer aufzuhäufen, über ihre Autorität wachten und
mit Stolz regierten.
13. Der Statthalter meines Sohnes wird viel zu leiden haben, weil eine
Zeitlang die Kirche großen Verfolgungen ausgesetzt sein wird. Das wird
die Zeit der Finsternis sein. Die Kirche wird eine schreckliche Krise
durchmachen.
14. Da der heilige Gottesglaube in Vergessenheit geraten sein wird,
wird jeder einzelne sich selbst führen und seinesgleichen überlegen
sein wollen. Man wird die bürgerlichen und kirchlichen Obrigkeiten
abschaffen, jede Ordnung und jede Gerechtigkeit werden mit Füßen
getreten werden: man wird nur Menschenmord, Haß, Eifersucht, Lüge und
Zwietracht sehen, ohne Liebe zun Vaterland und zur Familie.
15. Der Heilige Vater wird viel leiden. Ich werde bis zum Ende mit ihm sein, un sein Opfer anzunehmen.
16. Die Bösen werden mehrmals nach seinem Leben trachten, ohne seinem
Leben schaden zu können. Aber weder er noch sein Nachfolger werden den
Triumph der Kirche Gottes sehen.
17. Die weltlichen Regierungen werden nur alle eine Absicht haben,
nämlich jeden religiösen Grundsatz abzuschaffen und verschwinden zu
lassen, um Platz zu machen für den Materialismus, den Atheismus, den
Spiritismus und alle Arten von Lastern.
18. Im Jahre 1865 wird man den Greuel an heiligen Stätten sehen. In den
Klöstern werden die Blumen der Kirche verfault sein, und der Teufel
wird sich zun König der Herzen machen. Mögen jene, die an der Spitze
religiöser Gemeinschaften stehen, auf der Hut sein vor denjenigen
Personen, die sie aufnehmen wollen, weil der Teufel jede Bosheit
anwenden wird, un in die religiösen Orden Leute einzuschleusen, die der
Sünde ergeben sind. Denn die Ausschweifungen und die Liebe zu
fleischlichen Genüssen werden auf der ganzen Erde verbreitet sein.
19. Frankreich, Italien, Spanien und England werden im Krieg sein, das
Blut wird in den Straßen fließen. Der Franzose wird sich mit dem
Franzosen schlagen, der Italiener mit dem Italiener. Dann wird es einen
allgemeinen Krieg geben, der fürchterlich sein wird. Eine Zeitlang wird
Gott sich nicht mehr an Frankreich und Italien erinnern, weil das
Evangelium Jesu Christi nicht mehr bekannt ist. Die Bösen werden ihre
ganze Bosheit entfalten. Man wird sich gegeaseitig töten, sich
schlachten bis in die Häuser hinein.
20. Beim ersten Schlag seines blitzenden Schwertes werden die Berge und
die Erde erzittern vor Schrecken, weil die Ausschweifungen und die
Verbrechen der Menschen das Gewölbe des Himmels durchdringen. Paris
wird niedergebrannt, und Marseille von Erdbeben verschlungen werden.
Man wird glauben, daß alles verloren sei. Man wird nur Menschenmorden
sehen und nur Waffenlärm hören und Fluchen. Die Gerechten werden viel
leiden: ihre Gebete, ihre Buße und ihre Tränen werden zum Himmel
emporsteigen, und das ganze Volk Gottes wird um Verzeihung und Erbarmen
bitten und um meine Hilfe und Vermittlung rufen. Dann wird Jesus
Christus durch einen Akt seiner Gerechtigkeit und seines großen
Erbarmens für die Gerechten Seinen Engeln befehlen, daß alle Feinde zu
Tode gebracht werden. Plötzlich werden die Verfolger der Kirche Jesu
Christi und alle der Sünde ergebenen Menschen umkommen, und die Erde
wird wie eine Einöde werden. Dann wird Friede werden, die Versöhnung
Gottes mit den Menschen. Jesus Christus wird anerkannt, angebetet und
verherrlicht werden; die Liebe wird überall blühen. Die neuen Könige
werden der rechte Arm der heiligen Kirche sein, die stark, demütig,
fromm, arm, eifrig und Nachahmerin der Tugenden Jesu Christi sein wird.
Das Evangelium wird überall gepredigt werden, und die Menschen werden
große Fortschritte im Glauben machen, weil Einheit sein wird unter den
Arbeitern Jesu Christi und die Menschen in der Ehrfurcht Gottes leben
werden.
21. Dieser Friede unter den Menschen wird nicht lange dauern:
fünfundzwanzig Jahre überreicher Ernte wird die Menschen vergessen
lassen, daß ihre Sünden die Ursache aller Übel sind, die auf die Erde
kommen.
22. Ein Vorläufer des Antichrists mit seinen Truppen aus mehreren
Nationen wird gegen den wahren Christus, den einzigen Retter der Welt,
kämpfen. Er wird viel Blut vergießen, er möchte den Gottesdienst
vernichten, un sich selbst als Gott ansehen zu lassen.
23. Die Erde wird mit allen Arten von Wunden geschlagen werden -
abgesehen von der Pest und der Hungersnot, die allgemein sein werden -:
es wird Kriege geben bis zun letzten Krieg, der dann von den zehn
Königen des Antichrist geführt werden wird, welche Könige alle die
gleiche Absicht haben werden und die einzigen sein werden, die die Welt
beherrschen. Bevor das eintrifft, wird es eine Art falschen Frieden
geben in der Welt: man wird nur darauf sinnen, sich zu vergnügen. Die
Schlechten werden sich allen Arten der Sünde hingeben. Aber die Kinder
der heiligen Kirche, die Kinder des Glaubens, meine wahren Nachahmer,
werden wachsen in der Liebe zu Gott und in den Tugenden, die mir die
teuersten sind. Glücklich die demütigen Seelen, vom Heiligen Geist
geführt! Ich werde mit ihnen kämpfen, bis sie zum Vollalter gelangen.
24. Die Natur verlangt Rache für die Menschen, und sie zittert vor
Schrecken in der Erwartung dessen, was die von Verbrechen beschmutzte
Erde treffen wird.
25. Zittert, Erde, und ihr, die ihr Gelübde zun Dienste Jesu Christi
abgelegt habt, aber innerlich euch selbst anbetet, zittert; denn Gott
wird euch seinen Feinden überliefern, weil die heiligen Stätten in
Verderbnis sind: viele Klöster sind nicht mehr Häuser Gottes, sondern
Weiden des Asmodeus und der Seinen.
26. Während dieser Zeit wird der Antichrist von einer jüdischen
Ordensfrau geboren werden, von einer falschen Jungfrau, die mit der
alten Schlange, dem Meister der Unreinheit Verbindung haben wird; sein
Vater wird Bischof sein. Bei der Geburt wird er Verwünschungen
ausstoßen. Er wird Zähne haben. Mit einem Wort: er wird der
fleischgewordene Teufel sein. Er wird schreckliche Schreie ausstoßen,
er wird Wunder tun, er wird sich nur von Unreinheit nähren. Er wird
Brüder haben, die, obgleich sie nicht wie er fleischgewordene Teufel
sind, doch Kinder des Übels sind. Mit zwölf Jahren werden sie sich
bemerkbar machen durch ihre gewaltigen Siege, die sie erringen. Bald
werden sie an der Spitze von Heeren stehen, denen Legionen der Hölle
beistehen.
27. Die Jahreszeiten werden geändert sein. Die Erde wird nur schlechte
Früchte tragen, die Gestirne werden ihre regelmäßigen Bahnen verlassen,
der Mond wird nur ein schwaches rötliches Licht widerstrahlen, das
Wasser und das Feuer werden dem Erdball zuckende Bewegungen mitteilen
und furchtbare Erdbeben, die Berge, Städte versinken lassen...
28. Rom wird den Glauben verlieren und der Sitz des Antichrists werden.
29. Die Dämonen der Luft werden mit dem Antichrist große Wunderzeichen
tun auf der Erde und in den Lüften, und die Menschen werden mehr und
mehr verdorben werden. Gott wird für seine treuen Diener und die
Menschen guten Willens Sorge tragen. Das Evangelium wird überall
gepredigt werden, alle Völker und Nationen werden Kenntnis von der
Wahrheit haben!
30. Ich richte einen dringenden Aufruf an die Erde: Ich rufe die wahren
Jünger des lebendigen und in den Himmeln regierenden Gottes auf, ich
rufe die wahren Nachahmer des menschgewordenen Christus auf, des
einzigen Retters der Menschen; ich rufe meine Kinder, meine wahren
Untergebenen, jene, die mir gegeben sind, damit ich sie zu meinem
göttlichen Sohne führe, diejenigen, die ich auf meinen Armen trage,
jene, die von meinem Geist gelebt haben. Endlich rufe ich die Apostel
der letzten Zeiten, die treuen Jünger Jesu Christi, die in der
Verachtung der Welt und ihrer selbst gelebt haben, in Armut und Demut,
in Verachtung und Stillschweigen, in Gebet und Abtötung, in Keuschheit
und Vereinigung mit Gott, in Leiden und unbekannt vor der Welt. Es ist
Zeit, daß sie hinausgehen und die Welt erleuchten. Geht und zeigt euch
als meine geliebten Kinder. Ich bin mit euch und in euch, wenn euer
Glaube das Licht ist, das euch in diesen Tagen des Unheils erleuchtet.
Euer Eifer soll euch hungern lassen nach dem Ruhm und der Ehre Jesu
Christi. Kämpft Kinder, Kinder des Lichts, ihr kleine Schar, die ihr
seht! Das ist die Zeit der Zeiten, das Ende der Enden.
31. Die Kirche wird verdunkelt, die Welt wird in Verwirrung sein, aber
Enoch und Elias, vom Geist Gottes erfüllt, werden mit der Kraft Gottes
predigen, und die Menschen guten Willens werden an Gott glauben und
viele Seelen werden getröstet werden. Sie werden große Fortschritte
durch die Kraft des Heiligen Geistes machen und die teuflischen
Irrtümer des Antichrists verurteilen.
32. Wehe den Bewohnern der Erde! Es wird blutige Kriege und Hungersnöte
geben, Pestseuchen und ansteckende Krankheiten. Es wird schrecklichen
Hagelregen von Tieren geben, Donner, der die Städte erschüttern,
Erdbeben, die Länder verschlingen werden. Man wird Stimmen in den
Lüften hören. Man wird sich die Köpfe an die Mauern schlagen. Sie
werden den Tod herbeirufen, und andererseits wird der Tod ihnen Qualen
bereiten. Das Blut wird von allen Seiten fließen. "Wer wird siegen
können, wenn Gott die Zeit der Heimsuchung nicht abkürzt?" Durch das
Blut, die Tränen und die Gebete der Gerechten wird Gott sich erweichen
lassen. Enoch und Elias werden getötet werden. Das heidnische Rom wird
verschwinden. Feuer wird vom Himmel fallen und drei Städte vernichten.
Das ganze Universum wird mit Schrecken geschlagen werden, und viele
werden sich verführen lassen, weil sie den wahren Christus, der unter
ihnen lebte, nicht angebetet haben. Es ist Zeit, die Sonne verfinstert
sich, der Glaube allein wird leben.
33. Die Zeit ist da: der Abgrund öffnet sich. Da ist der König der
Könige der Finsternis. Da ist das Tier mit seinem Gefolge, das sich
Retter der Welt nennt. Es wird sich mit Stolz in die Lüfte erheben, um
bis zun Himmel aufzusteigen. Es wird vom Atem des hl. Erzengel Michael
erstickt werden: es wird fallen, und die Erde, die seit drei Tagen in
dauernden Ausbrüchen sein wird, öffnet ihren Feuerschlund: es wird für
immer mit den seinen in die ewigen Abgründe der Hölle gestürzt werden.
Wasser und Feuer werden die Erde reinigen und alle Werke des
Menschenstolzes verzehren, und alles wird erneuert. Gott wird gedient
werden, Er wird verherrlicht werden.
Anmerkungen:
*) Wunderbarer Aufschub: Die heilige Jungfrau wollte, daß Melanie ihr
Geheimnis löse gleich nach Ihrer Erscheinung in Lourdes am 11.2.1858.
Es ist erstaunlich, daß niemand dies bemerkt zu haben scheint. (Anm.
Leon Bloy)
**) Anm. in Klammer von Melanie.
IV.
Dann gab mir die heilige Jungfrau, auch in Französisch, die Regel für
einen neuen religiösen Orden. Nachdem sie mir die Regel für den neuen
religiösen Orden gegeben hatte, nahm die heilige Jungfrau das Gespräch
so wieder auf: "Wenn sie sich bekehren, werden sich die Steine und
Felsen in Getreide verwandeln und die Kartoffeln werden sich über die
Länder ausgesät finden. - Betet ihr wohl eure Gebete, meine Kinder?"
Wir antworteten beide: "Oh, nein, Madame, nicht viel!" - "Ach, meine
Kinder, das muß man wohl tun, abends und morgens. Wenn ihr nicht mehr
könnt, sagt ein Vater unser und ein Ave Maria, und wenn ihr Zeit habt
und mehr tun könnt, betet mehr. Es gehen nur einige der ein wenig
betagten Frauen zur Messe, die anderen arbeiten den ganzen Sommer am
Sonntag; und im Winter, wenn sie nicht wissen, was sie tun sollen,
gehen sie nur zur Messe, un sich über die Religion lustig zumachen. In
der Fastenzeit laufen sie wie die Hunde in die Metzgerei." *) - "Habt
ihr nicht verdorbenes Getreide gesehen, meine Kinder?" - Wir haben
beide geantwortet: "Oh nein, Madame!"
Die heilige Jungfrau wandte sich an Maximin: "Aber du, mein Kind, du
mußt solches schon einmal gesehen haben in Coin **) mit deinem Vater.
Der Besitzer des Grundstückes sagte zu deinem Vater: 'Schauen Sie nur,
wie das Getreide verdirbt.' Ihr ginget dorthin. Dein Vater nahm zwei
oder drei Ähren in die Hand, rieb sie und sie zerfielen zu Staub. Dann,
während ihr zurückgingt - ihr wart nicht mehr als eine halbe Stunde von
Corps entfernt, gab dir dein Vater ein Stück Brot und sagte: 'Nimm,
mein Kind, iß dieses Jahr, ich weiß nicht, wer im nächsten Jahr essen
wird, wenn das Getreide so verdirbt wie dieses.'"
Maximin antwortete: "Das ist wirklich wahr, Madame, ich dachte nicht
mehr daran." - Die heiligste Jungfrau hat ihre Rede auf Französisch
beendet: "Nun, meine Kinder, ihr werdet dies meinem ganzen Volk
mitteilen."
Die sehr schöne Dame überschritt den Bach, und zwei Schritte vom Bach,
ohne sich zu uns umzuwenden, zu uns, die wir ihr folgten - weil sie uns
anzog durch ihren Glanz und noch mehr durch ihre Güte, die mich
berauschte, die mein Herz schmelzen zu lassen schien, sagte sie uns
noch: "Also, meine Kinder, ihr werdet es meinem ganzen Volke
mitteilen." ***)
Dann schritt sie weiter bis zu dem Ort, wohin ich gestiegen war, um zu
sehen, wo meine Kühe waren. Ihre Füße berührten nur die Spitzen des
Grases, ohne sie umzubiegen. Angekommen auf der kleinen Anhöhe, blieb
die Dame stehen, und schnell stellte ich mich vor sie, un sie gut, gut
zu sehen, und un zu versuchen zu erfahren, welchen Weg sie
wahrscheinlich nehmen würde; denn so war es mit mir: ich hatte sowohl
meine Kühe als auch meine Dienstherren vergessen, in deren Dienst ich
stand. Ich hatte mich für immer und ohne Vorbehalt meiner Dame
verbunden; ja, ich wollte sie niemals, niemals verlassen; ich folgte
ihr ohne Hintergedanken und mit der Bereitschaft, ihr zu dienen, so
lange ich lebte. Bei meiner Dame glaubte ich das Paradies vergessen zu
haben; ich hatte nur noch den Gedanken, ihr in allem gut zu dienen: und
ich glaubte, daß ich alles hätte tun können, was Sie mir zu tun gesagt
hätte: denn es schien mir, daß Sie viel Macht habe. Sie betrachtete
mich mit einer zärtlichen Güte, die mich anzog zu Ihr: ich hätte mich
mit geschlossenen Augen in Ihre Arme werfen mögen. Sie hat sich
unmerklich von der Erde erhoben zu einer Höhe von ungefähr einem Meter
und mehr. Dann, so einen ganz kleinen Augenblick in der Luft schwebend,
betrachtete meine schöne Dame den Himmel, dann die Erde zu Ihrer
Rechten und Linken, darauf betrachtete Sie mich mit so milden,
liebevollen und guten Augen, daß ich glaubte, Sie zöge mich in Ihr
Inneres, und es schien mir, daß mein Herz sich dem Ihrigen öffne.
Und während mein Herz in einer süßen Weite dahinschmolz, verschwand
meine gute Dame nach und nach: es schien mir, daß sich das Licht in
dieser Bewegung verstärke oder sich wohl un die heiligste Jungfrau
verdichte, um mich daran zu hindern, Sie noch länger zu sehen. So nahm
das Licht die Stelle der Körperteile ein, die meinen Augen
entschwanden. Oder es schien wohl, daß der Körper von meiner Dame sich
in Licht verwandle, indem er verschwand. So erhob sich das Licht in
Kugel form langsam nach rechts. +)
Ich kann nicht sagen, ob der Umfang des Lichts abnahm in dem Maße wie
es abhob, oder ob es wohl die Entfernung war, die machte, daß ich das
Licht abnehmen sah in dem Maße, wie es emporstieg: das, was ich weiß,
ist, daß ich mit dem Kopf und den Augen auf das Licht gerichtet stehen
blieb, selbst als das Licht, das sich immer weiter entfernte und an
Stärke abnahm, schließlich verschwand.
Meine Augen lösten sich vom Himmel, ich blickte un mich, sah Maximin,
der mich betrachtete, und sagte zu ihm: "Mémin, das muß der liebe Gott
meines Vaters ++) sein oder die heilige Jungfrau, oder irgendeine große
Heilige". Und Maximin warf den Arm in die Luft und sagte: "Ach, wenn
ich das gewußt hätte!"
Anmerkungen:
*) Die reinste Jungfrau bedient sich eines sehr starken Wortes, um
verständlich zu machen, daß sie an einem einzelnen Beispiel der
Unbeherrschtheit die häßliche Wunde der Sinnlichkeit geißeln will. Da
sie diese Wunden den Augen der Kinder nicht enthüllen will, deutet sie
sie uns genügend an, weil nicht nur in der Sprache der Heiligen
Schrift, sondern in allen Sprachen das Wort 'Hund' die Sünder,
bezeichnet, die ihre Schande nicht verbergen.
**) Coin = Ecke, ist der Name eines Landstrichs in einiger Entfernung von Corps gelegen.
***) Die heilige Jungfrau bezeigt die Wichtigkeit, die sie ihrer
Unterweisung beimißt. Sie ist gekommen, um uns zurückzuführen zur
Beobabhtung des Gesetzes Gottes "im Geist und in der Wahrheit". Sie hat
in ihrer Rede die Lehren ihres Sohnes so gut zusammengefaßt, daß es
unmöglich ist, von einer Gelegenheit zu reden, die für Christen,
Ordensleute und Geistliche nützlich ist, ohne - gewollt oder ungewollt
- in das zurückzufallen, was sie soeben gesagt hat. Daher, nachdem sie
wie ihr Sohn angefangen hat "Poenitemini" (Mark. 1,15) "Bekehrt euch!",
schließt sie wie Er: "Docete omnes gentes" (Matth. 28,19): "Ihr werdet
es meinem ganzen Volke mitteilen." Diese letzten Worte wiederholt sie.
Ein Herrscher wiederholt keinen Befehl, den er soeben gegeben hat; aber
sie ließ die Kinder verstehen, daß es sich beim erstenmal um den Teil
Ihrer Rede handelte, die sofort veröffentlicht werden sollte, und das
zweite Mal um die Geheimnisse.
+) Maximin: "Wir sahen nichts mehr, als daß sich eine Feuerkugel erhob
und in den Himmel eindrang. In unserer kindlichen Sprache haben wir
diese Kugel die zweite Sonne genannt. Unsere Blicke wurden lange auf
die Stelle hingezogen, wohin die leuchtende Kugel entschwunden war. Ich
kann hier die Begeisterung nicht schildern, in der wir uns befanden.
Ich spreche nur von mir: ich weiß sehr wohl, daß ich ganz außer mir
war, daß das ganze organische System in meiner Person angehalten war.
Als wir wieder zu uns kamen, betrachteten Melanie und ich uns ohne ein
einziges Wort sprechen zu können, und wir richteten die Augen bald gen
Himmel, bald auf unsere Füße und un uns her, bald mit dem Blick
fragend, was uns alle ungab. Wir schienen die leuchtende Person zu
suchen, die ich nicht mehr gesehen habe."
++) Das ist eine Stelle, die sicher vielen Lesern unbedeutend
erschienen ist. Melanie, die die schöne Dame für den "lieben Gott"
hält! Welch ein Stil! Welch einzigartiger Einfall, uns auf diese Art,
mitten in dem offiziellen Bericht des großen Geschehens, diese
kindliche, um nicht zu sagen: kindische Bemerkung zu machen! War es, um
den Bericht zu erheitern, durch die Angleichung an Maximin mit seiner
Gewohnheit schalkhafter Schlagfertigkeit?... Wahrhaftig, diese kleine
Zeile ist wohl unbedeutend! Für diejenigen, die das Glück hatten, die fromme Erzählerin persönlich
zu kennen, ist diese unbedeutende Zeile eine der reizvollsten des
Berichts. Sie läßt die Erinnerung an sie wieder lebendig werden,- sie
erinnert an einen ihrer zartesten Charaktere, ebenso bewundernswert in
der Wirklichkeit wie geneigt zur Zurückgezogenheit und der
Unbekanntheit. "Memin, das muß der liebe Gott meines Vaters sein." Erscheint er euch
nicht unbedeutend, dieser Satz, findet ihr ihn nicht auch ein wenig
anstößig! Wenn ihr euch an jene Anspielung erinnert, die wir
Gelegenheit hatten zu machen gegenüber den so vielfältigen himmlischen
Erscheinungen, mit denen die frühe Kindheit Melanies begnadet war? Wie?
Seit ungefähr zehn Jahren lebte sie in fast beständiger Vertrautheit
mit Jener, die sie ihre "Mutter" nannte; und an jenem Tage, dem 19.
September erkannte sie sie nicht wieder! Sie täuscht sich so gründlich!
Sie hält sie für den "lieben Gott meines Vaters"! Worüber macht man
sich hier lustig? Ist es nicht eher eine Frechheit als nur ein
"unbedeutender Satz"? Wir, die wir die Freude hatten, Melanie näher gestanden zu sein, uns
erfüllt dieser Satz, den sie sich erinnert zu Maximin gesagt zu haben,
mit Heiterkeit. Wir sehen sie an jenem Tag so wie wir sie immer gekannt
haben.
Sie machte sich sicher nicht lustig über Maximin, nicht mehr, als sie
sich gegen Ende ihres Lebens über mich lustig machte, als sie mich
glauben ließ, es sei aus Unachtsamkeit, Gleichgültigkeit, Faulheit oder
Wunderlichkeit, wenn sie ein oder zwei Tage in der Woche zu spät oder
überhaupt nicht zur gewohnten Stunde zur Kirche kam. Ich hätte niemals
das Geheimnis erfahren, wenn ich nicht an einem Tag ihrer
vermeintlichen Abwesenheit unvorhergesehen zu ihr gekommen wäre, ohne
daß sie Zeit gehabt hätte, den materiellen Beweis ihrer blutenden
Wundmale verschwinden zu lassen. Ich mißbrauchte meine vorgeschützte
Autorität. Sie mußte sich erklären. Und gegen ihren Willen, gedrängt
durch meine Fragen, gestand sie mir, daß unser gekreuzigter Herr, der
ihr erschien, sie an den Leiden Seiner Passion teilnehmen ließ. Und
alles, was man eines Tages von ihr wissen wird, wird auf ähnliche Weise
gewonnen werden, deren Kenntnis davon ebenso überraschen.
O, wie schön war die Demut in dieser Seele, die durch den
"liebenswürdigen Bruder" geformt worden war! Er ist es, der diese Seele
das "Geheimnis des Königs" gelehrt hat, die schwierige Kunst, "das
Geheimnis des Königs zu verbergen"! Diese Ergießungen göttlicher
Innigkeit, man mußte sie jedem fremden Blick entziehen, und man würde
sagen, daß alle Arbeit ihres äußeren Lebens darin bestand, sie zu
verbergen. Eine Seele, die in fast ununterbrochener Verbindung steht
mit der übernatürlichen Welt, und die das niemand merken lassen soll!
Eine Seele, die in der Schule Dessen steht, der alles weiß und der
alles nicht wissen soll!... Sie hatte das gute Mittel gewählt, sie
stellte sich, wie aus Instinkt, auf die Ebene derer, die mit ihr
sprachen.
Ich bin in dieser Hinsicht Zeuge gewesen von wahrhaft überwältigenden
Dingen, und die Stunde wird vielleicht kommen, davon zu erzählen... Am
19. September war sie ein Kind, und sie sprach mit Maximin, wie ein
Kind gesprochen hätte.... Das ist ihr so natürlich, daß sie nicht
einmal merkt, daß sie die schönste aller Tugenden ins Werk setzt: ganz
einfach, ohne es zu ahnen, sie übt sie, sie ist ganz von ihr eingehüllt
in aller Öffentlichkeit; denn wann man einen Bericht wie den ihrigen
veröffentlicht, ist man wohl inmitten der Menge. Aber was liegt ihr
daran? Sie denkt nicht daran! Und sie schreibt den 'unbedeutenden'
Satz: "Das muß der liebe Gott meines Vaters sein."
Am Abend dieses großen Tages sieht ihre Dienstherrin sie im
Pferdestall, aufgelöst in Tränen. Die Tränen, die sie vor Maximin
zurückgehalten hat, sie wird sie wohl noch zu unterdrücken wissen,
nachdem sie bemerken wird, daß sie nicht allein ist. Sie soll nur im
geheimen weinen über diese Dinge, von denen sie ergriffen ist. Was
liegt schließlich daran, ob sie Tränen vergießt oder nicht? Man wird
sie erwähnen, und das ist alles: keiner denkt daran, zu fragen "Warum?"
Sie wehrt alle Neugier ab mit dem kindlichen Satz über den "lieben Gott
meines Vaters".
Ich drückte mich gerade schlecht aus, als ich sagte, daß Melanie sich
auf die Ebene ihrer Umgebung begab. Könnte man in diesen Worten etwas
von stolzer Herablassung sehen, die sie veranlaßte, nicht ohne
Verachtung "sich derart herabzulassen"? Nein, nicht sie ist es, die
sich auf diese Ebene herabließ. Sie brauchte nur sie selbst zu sein. Es
ist der 'liebenswürdige" Freund, der das alles tat.
Unter seinen Händen braucht sich die demütige Seele nur bereit zu
halten: Und das war so einfach, daß niemand daran dachte, sich darüber
zu wundern. Unser Herr schafft sich so Seelen, die nur für Ihn schöne
Blumen in Seinem "geschlossenen Garten" sind. Verschwindet die Hirtin
genug in diesem langen Bericht, oder ist sie immerhin doch ewig in
Szene...!
Die Stunde, die ich mit Ungeduld erwarte, wird kommen, un alle diese
Schleier zu lüften. "Opera Dei revelare honorificun est." ("Die
Großtaten Gottes zu enthüllen ist ehrenwert.") Für den Augenblick möge
es uns genügen, sie zu bewundern, ohne sie zu verstehen zu suchen,
diese göttlichen Vorsichtsmaßnahmen. Unser Herr liebte diese Seele so
sehr, daß Er sie für sich und nur für sich wollte. Und sie, indem sie
sich unterwarf, gefügig und schlicht, allen Forderungen des himmlischen
Freundes! Nehmt sie zwei Jahre nach der Erscheinung! Die Schriftsteller
haben uns gleich gesagt, daß man ihr bis zum Alter von siebzehn Jahren
- trotz der Anstrengungen der Ordensschwestern von Corps - nur sehr
wenig beibringen konnte, um sie zur ersten Heiligen Kommunion gehen zu
lassen, und daß sie nicht das Alphabet lernen konnte. Damit sie lesen
lerne, lehrten sie sie nicht mit lauter Stimme den Wortlaut des
Katechismus: wenn du lesen kannst, wirst du es in diesem Buch lernen
und die erste heilige Kommunion empfangen. Hier bietet sich ihnen eine
passende Gelegenheit eines gescheiten Kommentars zu dem Text: "Quae
stulta sunt mundi elegit De us ut confundat sapientes". ("Das Törichte
dieser Welt erwählt Gott, im die Weisen zu beschämen.") Es ist immerhin
hart für ein junges Mädchen als dumm zu gelten bis zu einem solchen
Grad! Die Lehren der Ewigen Weisheit in Person zu erhalten, in dieser
Schule gebildet worden zu sein, und vor dem
Erst-Kommunion-Prüfungsausschuß den Text des Katechismus aufsagen zu
müssen!... Man hat nicht bemerkt, daß sie ganz plötzlich, ohne daß sie
selbst es feststellte, sich ebenso wohl unterrichtet fand wie ihre
Gefährtinnen... Ihr Alter von 17 Jahren wird alles erklären: es ist
ganz natürlich, daß ein junges Mädchen von siebzehn Jahren, welches
tatsächlich am Abend zuvor völlig unwissend ist, am nächsten Tag lesen
kann! Niemand wundert sich darüber. Und man konnte endlich sehen, wie
dieses lange Zeit geistig beschränkte Kind Platz nahm in den Reihen
elfjähriger Kommunionkinder. Die ganze Pfarrei von Corps war überzeugt,
daß sie zun erstenmal kommunizierte ... Wie wohl verbarg der
"liebenswürdige Freund" Sein Geheimnis... Nein, die "kleine Schwester"
begab sich nicht auf die Ebene ihrer Umgebung: Er war es, der sie aus
Liebe, durch "Bewahrung" sehr hoch über diese Ebene erhob.
V.
Am Abend des 19. September zogen wir uns ein wenig früher als sonst
zurück. Bei meinen Dienstleuten angekommen, beschäftigte ich mich
damit, meine Kühe anzubinden und im Stall alles in Ordnung zu bringen.
Ich war noch nicht fertig, als meine Hausherrin weinend zu mir kam und
mir sagte: "Warum, mein Kind, kommst du nicht zu mir, um mir zu sagen,
was dir auf dem Berg begegnet ist?" (Maximin, der seine Herrschaft, die
noch nicht von der Arbeit zurückgekehrt war, nicht gefunden hatte, war
zu der meinigen gekommen und hatte alles erzählt, was er gesehen und
gehört hatte.) Ich antwortete ihr: "Ich wollte es Ihnen wohl sagen,
aber ich wollte vorher meine Arbeit beenden." Einen Augenblick später
begab ich mich ins Haus, und meine Herrin sagte mir: "Erzähle, was du
gesehen hast; der Schäfer de Bruite - das war der Beiname von Peter
Seime, dem Herrn von Maximin - hat mir alles erzählt."
Ich beginne, und ungefähr nach der Hälfte meines Berichtes kamen die
Herrschaften von ihren Feldern; meine Herrin, die weinte, als sie die
Klagen und Drohungen unserer liebevollen Mutter hörte, sagte: "Ach, ihr
wolltet morgen das Getreide einholen! Laßt das ja sein, kommt, um zu
hören, was heute diesem Kind und dem Hirtenjungen von Seime passiert
ist." Und indem sie sich zu mir wendete, sagte sie: "Fang noch einmal
an mit allem, was du mir gesagt hast." Ich fange wieder an, und als ich
geendet hatte, sagte mein Herr: "Das ist die heilige Jungfrau oder doch
eine große Heilige, die vom lieben Gott gekommen ist. Aber das ist so
gut, als ob der liebe Gott selbst gekommen wäre. Man muß alles tun, was
diese Heilige gesagt hat. Wie werdet ihr es anfangen, um das ihrem
ganzen Volk mitzuteilen?" Ich antwortete ihm: "Sie werden mir sagen,
wie ich es anfangen muß, und ich werde es tun." Dann fügte er hinzu -
und sah dabei seine Mutter, seine Frau und seinen Bruder an -: "Man muß
es bedenken." Danach ging jeder seinen Angelegenheiten nach.
Es war nach dem Abendessen. Maximin und seine Herrschaft kamen zu der
meinigen, um zu erzählen, was Maximin ihnen berichtet hatte, und un zu
erfahren, was zu tun sei: "Denn", sagten sie, "es scheint uns, daß es
die heilige Jungfrau ist, die vom lieben Gott gesandt worden ist: die
Worte, die Sie gesprochen hat, machen es glaubhaft. Und vielleicht
werden diese Kinder die ganze Welt durchlaufen, um die ganze Welt
wissen zu lassen, daß man Gottes Gebote beobachten muß, andernfalls
werde großes Unheil über uns kommen." Nach einem Augenblick des
Schweigens wandte sich mein Herr an Maximin und mich und sagte: "Wißt
ihr, was ihr tun sollt, meine Kinder? Morgen steht ihr früh auf, geht
zum Herrn Pfarrer und erzählt ihm alles, was ihr gesehen und gehört
habt. Sagt ihm genau, wie sich die Sache abgespielt hat; er wird euch
sagen, was ihr tun müßt."
Am 20. September, dem Tag nach der Erscheinung, brach ich mit Maximin
zu früher Stunde auf. Am Pfarrhaus angelangt, klopfte ich an die Tür.
Die Haushälterin vom Herrn Pfarrer öffnete und fragte, was wir wollten.
Ich antwortete ihr auf Französisch (ich, die ich es niemals gesprochen
hatte): "Wir möchten mit dem Herrn Pfarrnr sprechen." - "Und was wollt
ihr ihm sagen?" fragte sie uns. - "Wir wollen ihm sagen, Fräulein, daß
wir gestern auf den Berg von Baisses gegangen sind, un unsere Kühe zu
hüten, und nachdem wir gevespert hatten..." usw. usw. Wir erzählten ihr
ein gutes Stück der Rede der heiligen Jungfrau. Da läutete die
Kirchenglocke, das war das letzte Zeichen zur heiligen Messe. Der Herr
Pfarrer Perrin von La Salette, der mitgehört hatte, öffnete lärmend die
Tür: er weinte, er schlug sich an die Brust, er sagte: "Meine Kinder,
wir sind verloren. Der liebe Gott wird uns bestrafen. Ach, mein Gott,
das ist die Heilige Jungfrau, die euch erschienen isti" Und er ging
weg, un die heilige Messe zu lesen. Wir schauten ihm nach - ich,
Maximin und die Haushälterin. Dann hat Maximin gesagt: "Ich, ich gehe
weiter zu meinem Vater nach Corps." Und wir trennten uns.
Da ich von meinem Herrn nicht den Auftrag erhalten hatte, gleich
zurückzukehren, nachdem ich mit dem Herrn Pfarrer gesprochen hätte,
glaubte ich, nicht schlecht daran zu tun, wenn ich der Messe beiwohnen
würde. Ich ging also zur Kirche. Der Herr Pfarrer wendet sich zun Volk
und versucht, seinen Pfarrkindern von der Erscheinung zu erzählen, die
am Vorabend stattgefunden hatte auf einem der Berge und ermahnt sie,
nicht mehr am Sonntag zu arbeiten. Seine Stimme wurde von Schluchzen
unterbrochen, und das ganze Volk war ergriffen. Nach der heiligen Messe
ging ich zu meiner Herrschaft zurück. Herr Peylard, der noch heute
Bügermeister von La Salette ist, kam dahin, um mich über die Tatsachen
der Erscheinung zu befragen, und nachdem er sich von der Wahrheit
dessen, was ich ihm sagte, versichert hatte, ging er überzeugt fort.
Ich blieb weiter bei meinen Herrschaften in Dienst bis zun Fest
Allerheiligen. Dann wurde ich als Pensionärin zu den Schwestern von der
Vorsehung in meinem Land nach Corps gebracht.
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