DER GREUEL DER VERWÜSTUNG
von H.H. Pater Joseph ESF (aus: Fort d.l . Foi, 52; übers. v. Dr. A. Kocher)
Der Advent ist dazu da, daß wir uns im Glauben, in Frömmigkeit und Liebe auf die erste Ankunft unseres göttlichen Erlösers in dieser Welt vorbereiten. Die Kirche will aber auch, daß wir uns seine zweite Ankunft am Ende der Zeiten vor Augen führen: Er wird als ruhmvoller König mit großer Macht und Herrlichkeit erscheinen, um die Lebenden und die Toten zu richten. Die zweite Ankunft der Gerechtigkeit unseres Herren müssen wir voller Hoffnung erwatten, indem wir darauf bedacht sind, daß in unserem Herzen das Licht Christi leuchte, daß wir die Finsternis verwerfen
Die Wiederkunft Christi wird plötzlich wie ein Blitz erfolgen sodaß viele in ihren Sünden überrascht werden und keine Zeit mehr finden, um Buße zu tun. Wir sind aber ermahnt worden, stets bereit zu sein. Unser göttlicher Meister hat uns viele Zeichen für deine nahe Wiederkunft gegeben: "Vom Feigenbaum lernt dieses Gleichnis: Wenn seine Zweige weich werden und Blätter treiben, so wißt ihr, der Sommer ist nahe. So sollt ihr auch, wenn ihr dies alles seht, wissen, daß es vor der Tür steht". (Mt XXIV,32)
Als Vorzeichen der zweiten Wiederkunft hatte Jesus angegeben: Wenn man von Krieg und Kriegsgerüchten redet, wenn Krankheiten auftreten, Hungersnot herrscht, Erdbeben und heftige Verfolgungen gegen die Kirche geführt werden, wenn falsche Propheten aufstehen, um eine große Zahl zu verführen, wenn bei vielen die Liebe erkaltet, Christus sagt auch, daß nur gerettet werde, wer bis zum Ende ausharrt. Nach seiner Erklärung, daß vorher das Evangelium auf der ganzen Welt verkündet würde als Zeugnis für alle Völker, nach dessen Verkündigung erst die Vollendung erfolge, gab er als Zeichen für das endgültige Unheil: "Der Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte" - "Wenn ihr an heiliger Stätite den Greuel der Verwüstung seht, von dem der Prophet Daniel gesprochen hat - wer es liest, der gebe acht" (Mt XXIV,15).
Der Prophet Daniel hat wirklich den Greuel der Verwüstung vorausgesagt für drei verschiedene, weit auseinanderliegende Epochen:
1. für die Zeit der Verfolgung durch Antiochus (Dan VIII,13; XI,31); 2. für die Zeit der Belagerung und Zerstörung Jerusalems (Dan.XIX,27); 3. für die Zeit des Antichristen und das Ende der Welt (Dan XII,11).
Die Ereignisse des Alten Testaments sind als Vorzeichen für jene des Neuen Testaments zu bewerten: Das ganze AT ist auf das Neue Test, hingeordnet, wie ein Bild auf die Wirklichkeit. Das AT ist Vorbild für das NT, das mit der zweiten Ankunft des Herrn' endet. Der Greuel der Verwüstung, der als Zeichen für die zweite Ankunft gegeben wird, hat sein Vorbild in jenem, der stattfand im Tempel bei der Verfolgung durch Antiochus und hernach bei der Belagerung von Jerusalem.
zu 1. Bezüglich des 'Greuels der Verwüstung" zur Zeit der Verfolgung durch Antiochus schreibt Kard. Billot SJ.: "Er bestand im wesentlichen im völligen Verbote des Gottesdienstes, und namentlich des ewigen Opfers. Es wurde ersetzt durch einen sakrilegischen Kult und durch Götzendienst, und durch die Umwandlung des Heiligtums in einen Ort der Prostitution und der Ausschweifung. Das geschah um 16o vor unserer Zeitrechnung. Es dauerte aber kaum 3-4 Jahre, da war der Tempel wieder gereinigt, und der Gottesdienst wurde wieder in alter Form hergestellt". (Billot, "La Parousie" 192o, S.1 l0. )
zu 2. über die "Greuel der Verwüstung" zur Zeit der Belagerung und Zerstörung Jerusalems schreibt Kardinal Billot: "Dieser bestand in einer unerhörten Entheiligung während etwa vier Jahren, vor und während der Belagerung. Der Tempel wurde zum Theater von den sog. Zelatoren, den letzten Repräsentanten der Synagoge, dem Hohenpriester und dem Sanhedrin umfunktioniert. Denn in den Tempel, in seine Hallen, bis ins Heiligtum hinein, hatten sie sich zurückgezogen als ihre letzte Zuflucht. Hier, gleichsam von den Furien der Hölle angetrieben, begingen sie ihre Verbrechen, worüber ein Josephus schreibt, daß, wenn die Römer noch länger gezögert hätten, als Vollstrecker der göttlichen Rache, die Erde sich geöffnet hätte, um Tempel und Stadt zu verschlingen. Ja das Feuer wäre erneut vom Himmel gefallen, um ein Volk zu verschlingen, das tausendmal verbrecherischer und gottloser war als jenes von Sodom und Gomorra."
"Der Greuel der Verwüstung, welchen Daniel für die Zeit der Belagerung vorausgesagt hatte, steht im vollen Gegensatz zu dem eben genannten: Er war nicht das Werk eines Verfolgers, sondern das Werk der Priester des entheiligten Heiligtums, jener berufenen Wärter seiner Heiligkeit und Majestät. Und aus diesem Unterschied ergeben sich alle anderen. Unter Antiochus wurde der Kult verboten, Götzen eingeführt, was selbst die Zelatoren verabscheuten. Hier aber war kein Ende der Verwüstung vorauszusehen, keine Verfolgung, die Gott erlaubte oder verhängte, um das Volk zu prüfen und zu reinigen. Das ist der letzte Wutangriff der Synagoge, um den Fluch und eine unheilbare Verwüstung herabzubeschwören. Es heißt: Und der Greuel der Verwüstung wird im Tempel sein,und die Verwüstung wird bis zum Ende dauern (Dan. IX,27)" (Billot S. 113f)
zu 3. Im Kap.XII. seiner Prophezeiungen spricht der Prophet Daniel vom Greuel der Verwüstung an hl. Stätte zur Zeit des Antichrists und am Ende der Welt. Was Daniel besonders hervorhebt für die Zeit des Antichrists und des Endes der Welt, erklärt Billot, das ist die endzeitliche Verfolgung der Kirche, für welche jene des Antiochus lediglich ein schwaches Vorbild abgibt. Dann schreitet der Erzengel Michael zum Kampfe gegen Satan und den Antichrist, seinen Helfer. Diese endzeitliche Verfolgung bezeichnet Daniel als,"eine beispiellose Zeit der Not, wie sie die Geschichte nicht kennt" (Dan. XII,1).
Ebenfalls auf diese schreckliche Verfolgung macht uns der Prophet aufmerksam, wenn er fragt: "Wann nehmen diese gewaltigen Dinge ihr Ende?" Und man antwortet ihm: "In einer Zeit, zwei Zeiten und einer halben Zeit; und wenn die Kraft des heiligen Volkes vollständig gebrochen sein wird, dann wird sich alles vollziehen." Aber Daniel versichert, daß er dies gehört habe, ohne es zu verstehen" er verlangt nach genaueren Einzelheiten, zuletzt bekommt er die Antwort, woraufhin . das Buch schließt.
"Geh Daniel", sagte der Engel, "denn verschlossen und versiegelt sind die Aussprüche bis zur bestimmten Zeit. Viele werden ausgeschieden,andere werden geläutert werden, und sie werden sich im Feuer bewähren, aber die Frevler werden Frevel begehen, und keiner von ihnen wird zur Erkenntnis kommen. Doch die Einsichtigen werden Erkenntnis erlangen. Von der Zeit aber, da das beständige Opfer abgeschafft und der Greuel zur Verwüstung wird, vergehen tausendzweihundertundneunzig Tage. Selig wer ausharrt und das Ende von tausenddreihundertundfünfunddreißig Tagen erreicht! Du aber wirst zu dem dir bestimmten Ende gelangen und ruhen, doch am Ende der Tage zu deinem Lose auferstehen" (Dan.XII, 8-13).
Trotz der Dunkelheit, in welche die Prophezeiung Daniels bezüglich der Greuel der Verwüstung zur Zeit des Antichrists eingehüllt ist, wissen wir (mit Kardinal Billot) sicher:
1. Die im 12. Kapitel von Daniel angekündigte Krise wird von Gott verhängt werden als Mittel der Reinigung für die letzte christliche Generation.
2. Wir wissen außerdem, daß zur Zeit der schrecklichen Verfolgung jegliche Ausübung der wahren Religion verboten ist, und daß infolgedessen der Gottesdienst aufhören wird, wenigstens öffentlich und bei Tageslicht: seit der Zeit, da das ewige Opfer aufgehört haben wird. Das ist die Wiederholung dessen, was bei Daniel VIII,13 und XI,31 in bezug auf die Verfolgung durch Antiochus gesagt wird, aber mit folgen dem wesentlichen Unterschied: es ist nun weder vom Tempel die Rede noch vom Heiligtum. Das ewige Opfer, um das es sich hier handelt, ist also das Opfer des neuen Bundes! Dieses folgte auf jenes des Moses, das morgens und abends im Tempel zu Jerusalem dargebracht wurde. Unvergleichlich damit ist das juge Sacrificium: es wird Tag und Nacht dargebracht, ununterbrochen und überall. Es ist dieses, kurz gesagt, das Opfer unserer Altäre, das in jenen schrecklichen Tagen überall verboten und untersagt sein wird.(außer in der Dunkelheit, im Verborgenen oder in den Katakomben). Es wird sonst überall unterbrochen sein.
3. Wir wissen auch, daß zur selben Zeit der Greuel der Verwüstung aufgerichtet wird. Aber was bedeutet diesmal der Greuel der Verwüstung? Jedenfalls etwas Analoges zu dem, was unter Antiochus geschah als der Tempel dem Jupiter geweiht wurde, beschmutzt durch Unreinheiten und Profanationen: also weltweite Verfolgung unter dem Antichrist. Aber was noch? Eine neue Art monströser Idolatrie im unseren Tempeln, die nun Tempel dar menschlichen Vergottung, der "Vernunft"-Gottheit, des immanenten Gottes der Welt geworden sind. Er wird triumphieren nach so vielen Anstrengungen des Freigeistes: etwas Teuflisches, aus der Freimaurerei geboren, das sich ans Licht stellt, an die Stelle der nun gestürzten Tabernakel Unsres Herrn Jesus Christus. Es herrscht die Anbetung von Fleisch und Blut, wie es schon zur Zeit der Revolution geschehen ist.
Das sind die Gedankengänge eines berühmten Theologen über den Greuel der Verwüstung, die zugleich Zeichen der nahen Ankunft unseres Herrn sind. Kardinal Billot geht metr auf den Gesichtspunkt der Verfolgung am Ende der Welt ein, für welchen die Verfolgung des Antiochus ein Vorbild darstellt.
Es scheint, daß dieser Greuel der Verwüstung für das Ende der Welt bereits das Todeswerk vollführt. Denn der wahre Gottesdienst ist überall profaniert, des Glanzes beraubt, vollkommen verwüstet. Die öffentliche Feier des ewigen Opfers, d.h. des erneuerten Kreuzesopfers auf unsern Altären, ist überall abgeschafft und verboten, d.h. praktisch unterbrochen. Die tradit. hl. katholische Messe ist im unseren Kirchen abgeschafft worden durch einen abgefallenen Papst. Er hat sie ersetzt durch einen häretischen sakrilegischen Ritus, unter Beifall der Kirchenfeinde, zum Kummer der treu gebliebenen Priester.
Es ist erwiesen, daß diese zerstörerische Verwüstung des wahren Glaubens im neuen Meßritus besteht, ungesetztlieh aufgezwungen mit unversöhnlicher Verfolgung, unter der Laien und Priester zu leiden haben. Apostatische Autorität! Titus hat Tempel und Stadt zerstört, nicht als Verfolger des Gottesvolkes, er tat es als Vollstrecker der göttlichen Rache. Die wirklichen Verfolger des Gottesvolkes waren die Priester, die im Hause Gottes scheußliche Taten vollführten, gegen die Tugend des Glaubens, des Gehorsams, der Keuschheit, der Armut und Demut.
Genauso geht es heute zu: Unsere Heiligtümer werden besudelt, durch Gottlosigkeit, Ungehorsam gegenüber Gott, geübt durch die Priester, welche die Getreuen verfolgen. Es ist nicht zu leugnen, daß der erste Verfolger der Kirche der heutige Hohepriester ist. Verblendung der katholischen Massen, die aus Gehorsam die neue Religion annehmen, bedeutet eine Züchtigung Gottes, die klar vorausgesagt ist. Lies den Brief des hl. Paulus an die Thessalonicher: "Deswegen schickt ihnen Gott Illusionen, derart wirksamen Charakters, daß sie der Lüge Glauben schenken."
Darüber sagt der hl. Augustinus: "Jene werden verführt, die es verdienen: weil sie die Wahrheit nicht liebten, um gerettet zu werden". Man kann beifügen :"Deswegen wird ihnen Gott Illusionen schicken, damit sie der Lüge Glauben schenken". Gott wird sie tatsächlich schikken; denn er wird dem Teufel erlauben, alle möglichen Werke zu tun. Er wird es erlauben als gerechte Züchtigung, obschon der Antichrist ungerecht und pervers handelt. |