"ICH WILL DIR ZEIGEN, WAS HERNACH GESCHEHEN SOLL." (Apok. 4,1)
von Hermann Schrott
IV. Folge: "Seht, ich sage euch alles voraus." (Mk 13,23)
Weit verbreitet ist auch die Ansicht, über die Zukunft der Welt lasse sich gar nichts sagen, es hänge ja alles vom freien Willen des Menschen ab, dessen Entscheidungen Gott erst abwarten müsse. Sie wollen zwar die in der Hl. Schrift enthaltenen Prophezeiungen anerkennen, meinen aber, es sei alles bedingt prophezeit und treffe vielleicht gar nicht ein. Es sei deshalb völlig überflüssig, sich damit näher zu befassen. Sie übersehen dabei freilich, daß es für Gott nur Gegenwart gibt, er also auch die freien Handlungen des Menschen mit unfehlbarer Sicherheit (von uns aus gesehen: voraus)sieht und daß die Propheten an dieser Sicht, wie sie Gott von der Welt hat, während ihrer Entrückung in gewisser, freilich nur ganz beschränkter Weise beteiligt werden. So wird Apok. 4,1 dem Apostel Johannes etwa gesagt: "Komm hier herauf und ich will dir zeigen, was hernach geschehen soll." Um aber irgendwelche allgemeine Warnungen nach Art von Bußpredigern verkünden zu können, ist es nicht nötig, vorher im Geist in den Himmel "heraufzukommen", sondern es genügt, eine Kanzel zu besteigen.
Daß das, was uns die Hl. Schrift über die Endzeit mitteilt, von größter Bedeutung ist, geht ganz klar aus Worten Christi hervor wie etwa: "Seht zu, daß euch niemand irreführt ... Habt acht, laßt euch dadurch nicht erschrecken. Das muß so kommen, aber das Ende ist damit noch nicht da (Mt 24,4-6) ... Seid also auf der Hut! Seht, ich sage euch alles voraus (Mk. 13,23) ... Dies habe ich euch gesagt, damit ihr nicht irre werdet ... Ich sage euch das, damit, wenn jene Stunde kommt, ihr daran denkt, daß ich es euch vorhergesagt habe (Joh 16,1-4).
Der hl. Cyrill von Jerusalem fügt seiner Darlegung der Lehre vom Antichrist (Cat XV,18) eigens noch eine Mahnung hinzu, die Zeichen des Antichrist nicht nur selbst gut im Gedächtnis zu behalten, sondern sie auch seinen Kindern sowie denen, denen man Katechismusunterricht erteilt, mitzuteilen, damit sie nicht den falschen für den wahren Christus halten werden. In welchem Katechismus findet man heute noch auch nur eine Silbe über den Antichrist? Wo bleibt da die Rückkehr zur Urkirche?
Ganz vergessen wird gewöhnlich auch die Tatsache, daß nicht nur das Alte Testament, sondern auch das Neue Testament mit einem prophetischen Buch abschließt. Sagt man also, die Botschaft Christi sei bereits ein für allemal abgeschlossen, dann geht es nicht an, die Apokalypse dabei auszuklammern. Der hl. Beda beginnt deshalb seine Erklärung der Apokalypse mit dem Satz: "Um die Verkündiger des Glaubens gegen die Widerwärtigkeiten der Welt zu stärken, mußte geoffenbart werden, wie sich die von den Aposteln gegründete Kirche ausbreiten und wie sie schließlich zur Vollendung gelangen soll."
Der hl. Augustinus (De civ. Dei XX, 8) glaubt, daß am Ende der Welt sich noch mancher Ungläubige bekehren wird, wenn er sieht, wie die in der Hl. Schrift enthaltenen Prophezeiungen in Erfüllung gehen werden.
Die Beschäftigung mit der Eschatologie hat also nicht aus reiner Neugierde zu geachehen und darf auch nicht als Huldigung an einen Fatalismus aufgefaßt werden, sondern vielmehr ist die Kenntnis der letzten Dinge der Welt zur Befestigung und Stärkung des Glaubens sowie zur Orientierung in den Bedrängnissen der Endzeit unbedingt notwendig.
Die heutige Amtskirche begründet beispielsweise viele der sog. Reformen, die in der Tradition keinerlei Stütze finden, mit einem neuen Pfingsten, das unter Johannes XXIII. ausgebrochen sei, als dieser einmal die Fenster des Vatikans geöffnet habe. Da ist es doch von Bedeutung zu wissen, ob, wie und wann die Kirche in der Endzeit dergleichen zu erwarten hat. Neuerdings mehren sich auch Berichte über Privatoffenbarungen, die an mehr oder weniger dubiose "Seher" ergangen sein sollen. Da solche Offenbarungen aber im Einklang mit der traditionellen Lehre der Kirche stehen müssen, ist es erforderlich, diese Lehre zu kennen, um eventuell wahre Botschaften von bestimmt falschen mit Sicherheit unterscheiden zu können. Bei den möglicherweise echten Botschaften können im übrigen zur traditionellen Glaubensverkündigung allenfalls noch konkrete Einzelheiten hinzukommen. Wir wären wahrlich in einer ziemlich trostlosen Lage, wären wir auf die Echtheit dieser oder jener Privatoffenbarung angewiesen, um die Zeichen der Zeit deuten zu können.
Es gibt auch Übereifrige, die absichtlich die traditionelle Eschatologie verdrehen, weil sie sich durch sie daran gehindert fühlen, die Welt möglichst bald untergehen lassen zu können. Vor solchen Hysterikern warnt uns der hl. Paulus im 2. Brief an die Thessalonicher, wenn er sagt: "Wir bitten euch aber, Brüder, was die Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus ... betrifft, laßt euch nicht gleich aus der Fassung bringen und in Furcht jagen, weder durch einen Geist noch durch Berufung auf ein Wort oder einen Brief von uns, als ob der Tag des Herrn nahe bevorstehe. Laßt euch von niemand und auf keine Weise täuschen!" Und er erinnert sie dann daran, was vorher noch geschehen muß.
Man redet heute gerne von Ökumenismus, ist aber in Wirklichkeit von wahrer ökumenischer Gesinnung weiter entfernt denn je. Das merkt man beispielsweise am Verhalten den Juden gegenüber. Aus dem Römerbrief wissen wir zwar, daß sich ein großer Teil von ihnen in der Endzeit bekehren wird, aber dennoch hat man das, was wir mit ihnen gemeinsam haben, nämlich das Alte Testament sowie die Lehre vom kommenden messianischen Reich völlig fallen gelassen. Und dies obwohl Christus ausdrücklich vom Alten Testament gesagt hat, es könne nicht aufgehoben werden (Joh. 10,35) und obwohl die Urkirche die Propheten nicht nur gewaltsam allegorisch auf die Kirche, sondern auch ganz wörtlich auf die Endzeit und das kommende Reich Christi ausgelegt hat. Es ist nun einmal nicht besonders sinnvoll, von einem Juden zu verlangen, er solle seine Messiashoffnung begraben, der Messias sei schon dagewesen. Vielmehr müßte man im Gespräch mit Juden von der uns gemeinsamen Erwartung des kommenden messianischen Reichs ausgehen, dann verschiedene Vorstellungen von demselben auszugleichen versuchen, was durchaus möglich ist, und dann erst sollte man die Sprache auf den leidenden Gottesknecht bringen, den die Propheten ja auch verkündet haben. Bevor der Messias sein ewiges Reich aufrichten konnte, mußte er den Tod besiegen - so hatten es die Propheten verkündet. ("Mußte nicht Christus dies leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen?" Lk 24,26) Während wir also zunächst nach rückwärts blicken und auf Grund des 1. Kommens Christi auch an das 2. glauben sollten, ist es bei den Juden genau umgekehrt. Sie blicken nach vorwärts und hoffen fest auf das (2.) Kommen Christi und können erst auf diesem Umweg zum vollen Verständnis der Propheten kommen, aus denen ganz deutlich eine zweifache Ankunft hervorgeht. Als Musterbeispiel hierfür muß man die Bekehrung des hl. Paulus ansehen: zuerst mußte ihm Christus in seiner Herrlichkeit entgegentreten, erst dann konnte er an den Gekreuzigten glauben. Eine Bekehrung der Juden in größerem Ausmaß setzt also ein unmittelbares Eingreifen Gottes voraus.
Daß die Juden Elias als Vorläufer des Messias auf Grund des Propheten Malachias erwarten und daß es unbedingt notwendig ist, zu wissen, was die Kirche hierüber lehrt, sei nur am Rande erwähnt. Unsere Schriftgelehrten entblöden sich bekanntlich nicht, den "großen, furchtbaren Tag" (Mal. 4,5) auf die 1. Ankunft Christi zu beziehen! Dem 2 Kommen Christi stehen sie genauso verständnislos gegenüber wie die ungläubigen Juden dem 1. Kommen Christi.
Da die Juden den als Mensch erscheinenden Antichrist zum großen Teil als ihren lang ersehnten Messias begrüßen werden, ist es natürlich von größter Bedeutung, sie vor ihm zu warnen. Aus der Sicherheit, mit der wir Christen den Antichrist vorhersagen konnten, werden dann doch viele schwankend werden. Nachdem die Juden einst zur Strafe zerstreut, nun aber wieder in Palästina gesammelt wurden, werden sie in nicht allzu ferner Zukunft unerbittlich vor die Wahl gestellt werden, welchem Christus sie folgen wollen. Auf dem Konzil hätte sich eine einmalige Gelegenheit geboten, die Lehre vom Antichrist richtiggehend breitzutreten, was doch viele unter den Juden nachdenklich gemacht hätte und was ganz im Sinne eines echten Ökumenismus gewesen wäre. Aber die Schlagworte "Wiedervereinigung im Glauben" und "Rückkehr zur Urkirche" werden bei uns nun einmal nur dazu mißbraucht, um für den Abfall von der Wahrheit einen Vorwand zu haben!
(Fortsetzung folgt)
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