Der Atheismus erweist sich
nicht nur als ein religiöses Problem, sondern als eine menschliche
Unordnung, die sich nachteilig auf die Gesellschaft auswirkt. Ebenso
wird der Agnostizismus vor der Transzendenz, d.h. angesichts der Fragen
nach dem Guten und Bösen, nach der menschlichen Natur, nach dem
heutigen Leben und den letzten Zielen des Menschen zur Ursache des
gesellschaftlichen Zerfalls. Die Gesellschaft kann nicht ohne die
Kenntnis der menschlichen Seele existieren. Eine gegen diese
Lebensfragen gleichgültige Bevölkerung verliert ihre Fähigkeit, die
Schwierigkeiten des Lebens zu meistern. Ideologien können die
Lebensquellen und die Prinzipien, aus denen die menschlichen Werte
geschöpft sind, nicht erreichen. Könnte es sein, daß die Prinzipien,
welche die menschliche Seele betreffen, nicht christlich sind? Und wäre
es christlich, den Atheismus nicht zu verurteilen zugunsten derer, die
in einen solchen tödlichen Irrtum fallen?
Es ist ein Widerspruch, gesiegelt auf die Worte der Erklärung
"Dignitatis humanae" und nicht nur in diesem Dokument, sondern auch in
mehreren anderen des 2. Vatikanum - es ist der vorherr-schende Geist,
der auf allen Gebieten an der Tagesordnung ist und der die Handhabung
der Gegensätze erstrebt: Transzendenz und Immanenz, Wahrheit und
Evolution, Grundsätze und Meinungen, Glaube und Ideologie, Absolutes
und Relatives, Theozentrismus und Anthropozentrismus, Würde und Sünde,
Göttliches und Menschliches, Hierarchie und Demokratismus, Glaube und
Agnostizismus (oder sogar Atheismus), Stadt Gottes und Gegenkirche der
Welt.
Und diese Handhabung gegensätzlicher Begriffe wird sich in die Kirche
einschleichen, um die ganze Offenbarung neu zu interpretieren. In der
gesamten Offenbarung hat Gott, um zu loben oder zu tadeln, um zu
verzeihen oder zu verurteilen, die Betonung auf "glauben" gelegt.
Dieses Verb ist der Grund selbst für die Kirche und ihre Autorität.
Aber die Konziliaren gehen über den Atheismus hinaus: sie rechtfertigen
ihn. Die Betonung wäre auf die Würde der menschlichen Freiheit zu
legen; eine utopische Freiheit, die ein absolutes Prinzip wäre, ein
Zweck in sich selbst!
Johannes XXIII. sagt: "Jeder
hat das Recht, Gott nach der richtigen Norm des Gewissens zu verehren
und seine Religion im privaten und öffentlichen Leben zu bekennen"
(Pacem in terris, 14). Aber der Text (rectam conscienciae suae
normam) will sagen: nach der richtigen Norm seines eigenen Gewissens
oder vielmehr "nach den Normen seines eigenen richtigen
Gewissens". Auch Johannes XXIII. nimmt bezug auf dasselbe wie Leo
XIII. in seiner Enzyklika "Libertas" mit den Zitaten aus Laktanz: "Wir
erhalten das Dasein, um Gott, der es uns schenkt, die rechte, Ihm
zukommende Ehre zu erweisen, um ihn allein anzuerkennen und nur Ihm zu
folgen. Diese kindliche Frömmigkeit verbindet uns mit Gott und bindet
uns an Ihn, woher der Name Religion kommt. " Für Leo XIII. hat die
Freiheit ein Band: "Die wahre, der Kinder Gottes würdige Freiheit [ist]
geheiligt in seinem Blut".
Johannes XXIII. wirft jedoch die Frage auf: Wurde die Macht des Blutes
Jesu Christi, die in den Schlüsseln seines Stellvertreters ist, der
Kirche gegeben, um die Gewissen an die Wahrheit zu binden oder im
Gegenteil um die Menschen zu befreien, daß sie eine Wahrheit in ihren
Gewissen finden?
Erasmus war ein großer
Vorläufer der theologischen Öffnung, die uns hier beschäftigt mit
seinem Bekenntnis: "Jeder Mensch hat die Theologie in sich" (und ist
'inspiriert' und geleitet vom Geiste Christi), mag er Erdarbeiter oder
Weber sein. Der Schriftsteller Jacques Ploncard d'Assac spricht in
seinem Buch "L'Eglise occupée" (Ed. de Chiré, Vouille, 1972) von den
Folgen solcher Ideen bis in unsere Tage, ausgehend von dem Wort eines
Kölner Mönchs: "Erasmus hat die Eier gelegt, Luther wird sie
ausbrüten". Ein offensichtlicher Scherz über das, was das menschliche
Gewissen anregte, sich zu emanzipieren; dieses Mal jedoch wird es im
Namen des ordnenden Geistes Christi sein. Die in den vergangenen
Jahrhunderten aufgekommenen Ideen werden heute die Geisteshaltung der
Propheten der konziliaren Revolution formen.
Es gibt einen Satz, der uns hilft, solche Propheten zu erkennen: "Die
Kirche ist unnachgiebig in den Prinzipien, weil sie glaubt; tolerant in
der Praxis, weil sie liebt. Die Feinde der Kirche sind tolerant in den
Prinzipien, weil sie nicht glauben; intolerant in der Praxis, weil sie
nicht lieben" (P. Garrigou- Lagrange: "Dieu, son existence et sa
nature", Bd.II, S. 725).
Johannes XXIII. lanciert die erasmische Zweideutigkeit wieder in "Pacem
in terris", das als die in "Dignitatis humanae" am meisten zitierte
Quelle die Schlüsselidee dieser konziliaren Revision der Begriffe der
Menschenwürde und der religiösen Freiheit klar enthält. Hier ist sie
auf Lateinisch: "In hominis iuribus hoc quoque numerandum est, ut et
Deum, ad rectam conscientiae suae normam, venerari possit, et
religionem privatim publice profiteri "; d.h.: "Jeder hat das Recht,
Gott nach der richtigen Norm seines eigenen Gewissens zu verehren und
seine Religion öffentlich und privat zu bekennen" (AAS 55, 1963, S.
260).
Das ist die wieder angekurbelte Zweideutigkeit, denn man muß sich die
Frage stellen: Handelt es sich um die göttliche Norm, auf die sich das
richtige Gewissen stützt, oder aber um eine "recta norma" als Urteil
des autonomen eigenen Gewissens? Der Entwurf dies Zweideutigkeit des
Erasmus wurde in der Vergangenheit von der Kirche verurteilt. Heute
kommt sie wieder, lanciert von Johannes XXIII., um das konziliare
"aggiornamento" zu untermauern. Die Zweideutigkeit wird sich als
Deckmantel der Option von "Dignitatis humanae" für ein autonomes
Gewissen erweisen.
"Pacem in terris" und "Dignitatis humanae"
(...) Der Sinn von "Dignitatis humanae" ist der, den schon P. Rouquette
erfaßt hatte, der in "Etudes" (Juni 1963) schrieb: "Sie ist in der Tat
ein Ereignis, das für die Historiker der Zukunft einen Wendepunkt in
der Geschichte der Kirche bedeuten wird." (Mgr F. Spadafora, Tcc, S.
240 f.). "Dignitatis humanae" hat die heterodoxe Version der
Zweideutigkeiten von "Pacem in terris" wieder aufgenommen: "Jeder hat
das Recht, Gott nach der richtigen Norm des Gewissens zu verehren und
seine Religion im privaten und öffentlichen Leben zu bekennen " ( AAS
55, 1963, S. 260). Bezüglich dieser Formel Johannes' XXIII. in "Pacem
in terris" hat der Theologe P. Joseph de Sainte-Marie eine Ana-lyse
geschrieben, die posthum veröffentlicht wurde ("Courrier de Rome", Mai
1987; Itinéraires, Nr. 315, Juli-August 1987, S. 100): Es folgt eine
Zusammenfassung des letzteren Textes: "Laurentin bezeugt es ... «Dieses
Recht der Person», schreibt er, «ist keine Errungenschaft des Konzils»,
... diese Formel, «die zunächst unverändert übernommen worden war,
konnte nur um den Preis von Abschwächungen aufrecht erhalten werden.
Dennoch ist die Erklärung im ganzen genommen kein Rückzieher und
beinhaltet sogar gewisse Zweideutigkeiten, die absichtlich
aufrechterhalten worden waren». Das ist ein Geständnis, das man
sich merken muß. Laurentin sagt, von wem er es hat: P. Pavan (!) der
Theologe Johannes' XXIII., ("Libertà religiosa e Pubblici poteri",
Mailand, 1965, S. 357 (op. cit., S. 326). "Eine seltsame Art, die
Wahrheit zu lehren."
Diese zweideutige Formel "kann unter die Verurteilung des Liberalismus
durch Leo XIII. fallen", die gerade in der Enzyklika Libertas gemacht
wird, aus der hier eine Stelle zitiert wird. Sagen wir es, wie es
gesagt werden muß; ein derartiges Vorgehen ist intellektuell nicht
ehrlich. Sicher finden wir hier eine der «Zweideutigkeiten, die
absichtlich aufrechterhalten wurden», von denen Laurentin spricht. Es
nützt nichts, sich auf den Ausdruck «nach der richtigen Norm des
Gewissens» zu berufen, um zu sagen, es handele sich hier um die recht
verstandene religiöse Freiheit, denn auch da befinden wir uns vor einer
Zweideutigkeit. Jeder weiß nämlich, daß die katholische Sittenlehre für
jeden Menschen das Recht anerkennt und die Pflicht proklamiert, dem
«richtigen Gewissen», d.i. der "conscientia recta" zu folgen. Darunter
versteht man das Urteil eines nach den Regeln der Tugend der Klugheit
gebildeten und auf die Wahrheit ausgerichteten Gewissens. Diese
klassische Vorstellung findet man sogar in GS 16. Man verkündet die
'Würde' dieses richtigen Gewissens, die sogar ausgedehnt wird auf das
«unüberwindlich» irrige Gewissen, das einer Person, die in der
moralischen und praktischen Unmöglichkeit ist, sich von dem Irrtum zu
befreien, in dem sie sich befindet.
Das Gewissen verliert seine
Würde, wenn es dem Irrtum aus schuldiger Nachlässigkeit zustimmt. Die
Zweideutigkeit von "Pacem in terris" zeigt sich in der lateinischen
Fassung des Textes. Es wird darin in der Tat von der "rectam
conscienciae suae normam" gesprochen, d.h. von «der richtigen Norm
seines Gewissens». Muß man verstehen, es handele sich um die Norm des
"richtigen Gewissens" oder um jene "richtige Norm", die jedes Urteil
des Gewissens wäre?
Jeder wird es verstehen können, wie er will, und darin besteht
Zweideutigkeit. Jeder wird es also in dem Sinn auffassen, den er will,
aber die Enzyklika trägt eine innere Bewegung in sich selbst, die uns
sagt, in welchem Sinn ihr zufolge diese Freiheit zu verstehen
ist. Es ist der von Laurentin und P. Pavan sowie von den
Konzilsexperten der «religiösen Freiheit» verstandene Sinn. "Es ist der
Sinn, den schon P. Rouquette erfaßt hatte: "Pacem tin erris ist ein
Ereignis, das einen Wendepunkt in der Geschichte der Kirche bedeuten
wird" ("Etudes", 6/63, S. 405). Gewiß fährt er umnittelbar fort: "Keine
Änderung der Prinzipien einer auf die Offenbarung gegründeten
katholischen Anthropologie, aber die Einnahme einer neuen Haltung
gegenüber der modernen Welt". Nur das? Vielleicht konnte man das noch
nach "Pacem in terris" zugunsten der 'absichtlich aufrechterhaltenen
Zweideutigkeiten' sagen, aber nach "Dignitatis humanae", dem Titel der
Konzilserklärung, in der die Prinzipien selbst verändert wurden, ist
das nicht mehr möglich."
Von "Pacem in terris" zu "Dignitatis humanae"...
...ist die Kontinuität offensichtlich, die Texte zeigen es ebenso wie
die in der Sache unwiderlegbaren Zeugnisse Laurentins und Rouquttes.
Wir haben gesehen, wie der erstere sie hervorhebt. Hier ist das, was
der zweite in derselben Chronik vom Juni 1963 schrieb, das heißt
zwischen der ersten und der zweiten Session des Konzils: "Unter den aus
der Würde der menschlichen Person herkommenden Rechten legt die
Enzyklika den Nachduck auf das Recht einer freien Suche nach der
Wahrheit" (nicht einfach: Toleranz, sondern «freie Religionsausübung»),
und das wurde gesagt in einem sorgfätig unterhaltenen Durcheinander von
Plänen und Gesichtspunkten). "Die in dieser Sache von der Enzyklika
eingenommenen Standpunkte treffen sich mit denen, die das Sekretariat
für die Einheit in einem Entwurf des Schemas "De libertate religiosa"
vorschlägt. Kardinal Bea hat in einem Interview, von dem wir bereits
berichteten, deren Geist angegeben. Der Vergleich (zwischen dem Entwurf
des Schemas und der Nr. 3 von "Dignitatis humanae") spricht für sich
und erlaubt uns, in der Person von Kard. Bea den Urheber der zentralen
Textstelle der «Deklaration über die religiöse Freiheit» oder
wenigstens ihren Hauptinitiator zu identifizieren.
In beiden Fällen derselbe Sophismus, der darin besteht,
unberechtigterweise von der unleugbaren, einleuchtenden und
grundlegenden Behauptung der wesensmäßigen Freiheit des Glaubensaktes -
einer Freiheit, die macht, daß jeder Druck auf diesen Akt seine Natur
selbst zerstört - überzugehen zu der ganz und gar nicht einleuchtenden
und tatsächlich von der Kirche traditionell verurteilten Behauptung
einer ebenfalls wesensmäßigen und a priori unbegrenzten Freiheit in
Sachen der Religionsausübung, gleich welche es auch sei. Nicht, daß die
Kirche in der Praxis anderen Religionen als der ihrigen jedes Recht
öffentlicher Äußerung rundweg abspricht. Man weiß im Gegenteil, daß
ihre Toleranz auf diesem Gebiet immer großzügiger wurde.
"Pacem in terris" und das 2. Vatikanum gehen "so weit, selbst die
Prinzipien in Frage zu stellen. Gerade darin besteht die Neuheit und
das von den Konzilstexten aufgeworfene sehr ernste Problem: in jener
Behauptung eines in die menschliche Natur und in «die von Gott
aufgestellte Ordnung selbst» eingeschriebenen Rechts auf religiöse
Freiheit nach außen, eines Rechts, das sich einzig und allein durch die
Forderungen «der öffentlichen Ordnung» eingeschränkt sieht."
Notieren wir noch eine weitere Ähnlichkeit zwischen der Enzyklika
Johannes' XXIII. und der Erklärung des 2.Vatikanum, denn die Tatsache
ist von höchster Bedeutung: In beiden Fällen nämlich konnten diese
Texte, die so folgenschwer in der neueren Geschichte der Kirche waren
und es für die ihres Lehramts bleiben, nur infolge schwerer
Verfahrensfehler erscheinen. Was "Pacem in terris" betrifft, hier noch
einmal das Zeugnis von P. Rouquette: «Ich glaube aus guter Quelle zu
wissen, daß ihr Entwurf von Mgr. Pavan verfaßt wurde, dem Initiator der
Sozialen Wochen Italiens. Die Ausarbeitung wurde in großer Heimlichkeit
durchgeführt, der Text sollte dem Heiligen Offizium nicht vorgelegt
werden, dessen führende Personen aus ihrer Opposition gegen den
politischen Neutralismus des Papstes kein Geheimnis machen. So wollte
man verhindern, daß das Heilige Offizium die Veröffentlichung der
Enzyklika auf unbestimmte Zeit hinauszögerte, wie es bei 'Mater et
Magistra' geschehen war.»
Die Enzyklika "Pacem in terris" wurde ohne
Wissen des Heiligen Offiziums veröffentlicht, nachdem sie im Geheimen
verfaßt und bis zu ihrer Veröffentlichung aufbewahrt worden war von der
kleinen Expertengruppe - und pressure-groups - deren Werk sie war.
Etwas Analoges und noch viel Schwerwiegenderes ist bei "Dignitatis
humanae" geschehen. Die rechtmäßigen Anträge der Gruppe "Coetus
internationalis Patrum" (eine konservativ eingestellte Gruppe von
Konzilsvätern, zu denen u.a. Mgr. Sigaud, Erzbischof von Diamantina und
Mgr. Lefebvre gehörten; Anm.d.Red.), die ihre Einwände gegen den
Entwurf der Erklärung darlegten, wurden nicht gehört, sondern
zurückgewiesen. (Vgl. Rd T. Wiltgen, S. 243-247). Wie "Pacem in terris"
und noch mehr als sie wurde die Konzilserklärung veröffentlicht infolge
absichtlicher Verletzungen der Verfahrensregeln. Es war im ersten Fall
zumindest eine Forderung der Klugheit, die nicht beachtet wurde, im
zweiten war es ein striktes Recht, das verhöhnt wurde.
Folgen und Implikationen der Fälschung der Lehre
Eine Abhandlung "über die Folgen solcher von jenen pressure-groups und
auf jenen sehr undurchsichtigen Wegen der Kirche unter dem Deckmantel
der päpstlichen oder konziliaren Autoritat auferlegten Irrtümer ...
wäre endlos. Wir werden uns darauf beschränken, die wichtigsten
Kapitelüberschriften anzugeben, unter denen die Überlegung fortzusetzen
wäre."
1. Die erste Folge betrifft die
Autorität des Lehramts: Wenn die Kirche heute feierlich das Gegenteil
dessen lehrt, was sie bis 1963 gelehrt hat, hatte sie sich also vorher
geirrt, ist sie also fehlbar, und sie ist es heute ebenso wie
gestern. Welchen Grund hätte ich da, ihr heut mehr zu glauben als
gestern?
2. Die zweite Folge oder
Implikation ist folgende: Wenn sie heute das Naturrecht auf religiöse
Freiheit als absolutes Prinzip verkündet, spricht die
«Konzilserklärung» eine Massenverurteilung nicht nur über die vorherige
Lehre der Kirche aus, sondern auch über deren Art zu handeln, was nicht
mehr nur deren "potestas docendi" in Frage stellt, sondern auch den
Gebrauch der "potestas regendi". Jahrhunderte hindurch hätte die Kirche
ein grundlegendes Naturrecht der menschlichen Person nicht anerkannt
und sogar ausgehöhlt. Eine analoge Verurteilung aller Päpste der
letzten Jahrhunderte ist mitenthalten in der Negation der Rechte und
Befugnisse der bürgerlichen Gesellschaft auf religiösem Gebiet durch
das Konzil.
3. Schlimmer noch: Durch die
nicht nur «laizistische», sondern sehr «laizisierende» Auffassung, die
sie bietet, leugnet die Konzilserklärung die Rechte Christi über die
bürgerliche Gesellschaft, was nicht nur im Widerspruch steht zu der
ständigen Lehre der Kirche, sondern auch zu den grundlegendsten
Wahrheiten der christlichen Lehre über die Erlösung. Es liegt darin
eine Gottlosigkeit im eigentlichen Sinn des Wortes, vielleicht nicht
explizit, aber als unmittelbare Implikation.[...]
4. Um schließlich wieder auf
die Ebene der natürlichen Ordnung herabzusteigen, diese ungehörige und
falsche Trennung zwischen dem, was die geoffenbarte Religion betrifft,
und der Ordnung der bürgerlichen Gesellschaft, führt zur totalen
Zerstörung der Grundlagen dieser Ordnung selbst. Letztendlich werden
die hier aufgestellten Prinzipien zu einer Überhöhung des Staates als
höchste und letzte Realität führen. Ist nicht er es letzten Endes, der
über die Erfordernisse der «öffentlichen Ordnung» entscheiden wird, in
deren Namen er ermächtigt sein wird, «die religiöse Freiheit»
gesetzlich zu regeln? Man spricht sehr wohl von einer «objektiven
sittlichen Ordnung» (Nr. 7), um diese Rechte der Zivilgewalt zu
begründen. Worin wird aber diese Ordnung selbst gegründet sein von dem
Augen-blick an, in dem man dem Staat keinerlei Pflicht gegen die
Religion als solche und gegen die geoffenbarte Religion im besonderen
zuerkennt?"
Worauf wird nach "Dignitatis humanae" die neue öffentliche Ordnung gegründet sein?
Die Katholiken dürfen keinen Zweifel haben: Die auf die Gerechtigkeit
gegründete öffentliche Ordnung und der folgerichtige äußere Zwang zum
Respekt vor der Gerechtigkeit stehen in Verbindung mit einer absoluten
Unterwerfung unter die Autorität Gottes und treten in Erscheinung im
objektiven Gesetz, das hinsichtlich des Guten und der Wahrheit auf die
Grundsätze der gesunden Vernunft gegründet ist. Das Gegenteil, d.h.,
daß die Gerechtigkeit verpflichtet sei, demjenigen Straffreiheit
zuzusichern, der ihre eigenen Normen verletzt, ist falsch.
Auszüge aus "Libertas":
"Sollte darum von irgendeiner Gewalt
eine Bestimmung getroffen werden, die den Gesetzen der gesunden
Vernunft widerspräche und dem Gemeinwesen schädlich wäre, so hätte sie
keinerlei Gesetzeskraft: denn sie wäre dann keine Richtschnur der
Gerechtigkeit, und sie würde die Menschen dem Guten, für das die
Gesellschaft da ist, entfremden. Die Notwendigkeit des Gehorsams
gegenüber einer höchsten und ewigen Vernunft, welche nichts anderes ist
als die Autorität Gottes, der gebietet und -verbietet, ist daher
zugleich mit dem Wesen der menschlichen Freiheit gegeben: es gilt dies
ebenso für die Menschen als Einzelne wie in ihrem Zusammenschluß zur
Gesellschaft; es gilt dies für jene, die befehlen, ebenso gut wie für
die, welche gehorchen. Und weit entfernt, daß durch diese höchst
gerechte Oberherrlichkeit Gottes die Freiheit aufgehoben oder irgendwie
geschmälert würde, findet diese vielmehr in ihr ihren Schutz und ihre
Vollendung. Darin besteht ja die wahre Vollendung aller Wesen: daß sie
nach ihrem Ziele streben und es erreichen. Das höchste Ziel aber, dem
die menschliche Freiheit entgegenstreben soll, ist Gott." (aus der
Enzyklika "Libertas" von Papst Leo XIII. über die Unvereinbarkeit von
Kirche und Liberalismus.)
Die Erklärung "Dignitatis humanae" jedoch sagt, daß die Menschen
"verpflichtet sind, der Wahrheit anzuhängen, sobald sie sie erkennen,
und ihr ganzes Leben nach den Forderungen dieser Wahrheit
auszurichten." Nun können die Menschen dieser Verpflichtung in einer
ihrer eigenen Natur angemessenen Weise nur nachkommen, wenn sie über
die psychologische Freiheit hinaus die Freiheit von jedem äußeren Zwang
besitzen. Das Recht auf religiöse Freiheit ist also nicht in einer
subjektiven Verfassung der Person, sondern in ihrer Natur selbst
begründet. Deshalb besteht das Recht auf diese Freiheit selbst bei
denen fort, die der Verpflichtung, die Wahrheit zu suchen und ihr
anzuhängen, nicht nachkommen; seine Ausübung darf nicht behindert
werden, sobald gerechte öffentliche Ordnung besteht.
Es ist klar, daß "Dignitatis humanae" die religiöse Freiheit nicht nur
für die Anhänger anderer Religionen fordert, sondern für alle Menschen.
Also auch für die, welche keine Religion annehmen, und für die, welche
die Existenz Gottes leugnen und seiner Kirche die Stirn bieten. Auch
sie haben nach "Dignitatis humanae" das Naturrecht, ihre Gottlosigkeit
und ihre Irrtümer zu bekennen und zu verbreiten. Man versteht nicht,
wie diese Idee, von der man sagt, sie sei auf die Natur des Menschen
gegründet, übereinstimmen kann mit dem Wesen des menschlichen Geistes,
der von seinem Schöpfer für die Wahrheit erschaffen wurde, und, um in
einer nach der Gerechtigkeit gebildeten und mit der ganzen katholischen
Tradition übereinstimmenden Sozialordnung zusammenzuwohnen. Zum
Beispiel: Wenn jemand öffentlich einen Glaubenssatz leugnet, sagen wir
beim Unterrichten in einer Schule, würde er es mit vollem Recht tun,
die Katholiken können ihn also nur zum Dialog einladen. Vatikanum II
wird den Dialog über das Wort Gottes eröffnen, ausgehend von einem
"neuen Zustand des Gewissens".
Schlußfolgerung
Auf wunderbare Weise offenbart sich die Vorsehung, welche die Bosheit
der Mächtigen zuschanden macht und bewirkt, daß den Kindern Gottes das
Brot der Wahrheit zurückgegeben wird. Ihnen obliegt es daher, es
aufzunehmen, um dann von den Dächern herab und gegen jeden
Opportunismus das Eingreifen Gottes durch Maria in unsere Zeit zu
bezeugen. Dieses Eingreifen stellt sich nicht über die Entscheidungen
der wahren Stellvertreter Jesu Christi, aber es geschieht, um ihnen bei
der Verteidigung des gefährdeten Glaubens zu helfen, weil geschrieben
steht, daß sogar am Heiligen Ort sich das verheerende "Geheimnis der
Bosheit" zeigen werde.
Das Geheimnis von Fatima schließt die Prophezeiung ein, welche die
Muttergottes gebracht hat, um ihren Kindern zu helfen, die
entsetzlichen Übel unserer Zeit zu überwinden. Zwei Fakten markieren
seine Geschichte:
1. die Schwierigkeit, eine solche Hilfe anzunehmen, z.Z. Benedikts XV., Pius' XI. und Pius' XII.
2. die Versuche, sie zu verdunkeln,
von der Zensur Johannes' XXIII. an bis zu ihrer Bearbeitung auf die
Person Johannes Pauls II.
Zwischen den beiden Fakten ist die Vision des Geheimnisses angesiedelt,
d.h. des Ereignisses, das für den Glauben verheerender war als die
beiden Weltkriege: die Opferung des Papstes und der katholischen
Zeugen, die 1960 klarer werden sollte. Und da das erste Faktum mit dem
Tode Pius XII. im Jahre 1958 endet, kann man sagen, daß die Opferung
Folge des ersten Faktums und unmittelbare Ursache des zweiten ist. Mit
anderen Worten: Weil er die Warnungen und die Hilfe der Botschaft von
Fatima nicht gebührend angenommen hatte, hat sich der Papst
'beseitigt', und es traten Leute an die Stelle, welche die Kirche
verändern und die Worte des Geheimnisses selbst verdrehen wollten. Eine
solche päpstliche (Selbst)'Enthauptung' war bereits im August 1931 in
einer Mitteilung an Lucia von Fatima vom Herrn vorhergesagt worden:
"Teile meinen Dienern mit, daß, weil sie dem Beispiel des Königs von
Frankreich gefolgt sind im Hinauszögern der Ausführung meiner
Forderung, sie ihm ins Unglück folgen werden" (Dokumente über Fatima
von P. Joaquim Alonso).
Jedenfalls ist der radikale Bruch zwischen der Lehre des katholischen
Papsttums und der Konzilskirche eine historische Tatsache, die auch von
jemandem festgestellt werden kann, der nicht an Fatima glaubt. (...) Es
ist daher dringend notwendig, daß die Katholiken, die sich bewußt sind,
daß die Zerstörung unserer heiligen Religion zu dem heutigen ungeheuren
gesellschaftlichen Verfall geführt hat, davon Zeugnis ablegen.
(zitiert nach: KYRIE ELEISON Nr. 3 vom Juli/Sept. 2002, S. 33 ff.)
|