DER HL. ANDREAS BOBOLA
von
Eugen Golla
Im östlichen Teil des ehemaligen Königreiches Polen, zu dem auch
Litauen, Weißrußland sowie große Teile der Ukraine gehörten, wirkten im
17. Jahrhundert zwei Heilige, die den Märtyrertod durch orthodoxe
Christen erlitten. Der eine ist der griechisch-katholische Erzbischof
von Polozk, Josaphat Kunzewitsch, der andere der Jesuit Andreas Bobola,
der Apostel Litauens und Patron Polens. Letzterer entstammte einer
vornehmen, tiefreligiösen Familie, die der Gesellschaft Jesu besonders
eng verbunden war, die damals in Polen eine Zeit der Blüte erlebte,
indem sie nicht nur mit großem Erfolg an der sittlichen und religiösen
Erneuerung arbeitete, sondern auch bei der Union der schismatischen
Ruthenen mit der katholischen Kirche, die 1595 in Brest vollzogen
wurde, eifrig mitwirkte.
Andreas Bobola wurde auf einem Gut seiner Familie im Fürstentum
Sandomir 1592 geboren. Nach dem Besuch der Jesuitenschulen in Sandomir
und Wilna begann er 1611 bei der Gesellschaft Jesu sein Noviziat. Seine
Studien setzte er an den Kollegen zu Braunsberg (Ermeland) sowie
Pultawa fort. Besonders widmete er sich den griechischen Kirchenvätern.
Im Jahre 1624 - zwei Jahre nach seiner Priesterweihe - zum Prediger an
St. Kasimir in Wilna ernannt, bot sich ihm in dieser Stadt Gelegenheit,
seine Fähigkeiten als Seelsorger unter Beweis zu stellen. Daneben
leitete er auch die Marianische Kongregation. Er faszinierte nicht nur
durch seine eindringlichen Predigten, sondern nicht minder durch sein
sanftes und vornehmes Auftreten. Außerdem hatte er als Friedensstifter
Erfolg. Als die Pest in Wilna nacheinander viele Opfer forderte,
übernahm Pater Andreas mit großer Aufopferung die Pflege der
hinsiechenden Kranken. Als einziger von vier Patres und vier Brüdern,
die ebenfalls als Pfleger der Pestkranken eingesetzt waren, entging er
wie durch ein Wunder der Ansteckung.
Nach Ablegen der feierlichen Gelübde wurde Pater Andreas zum Rektor des
Kollegiums von Bobruisk in Weißrußland ernannt, wo er sich u.a wiederum
der Kranken annahm. Die letzten zwanzig Jahre seines Lebens wirkte er
in aufopferungsvoller Weise als Missionar in Weißrußland und Litauen.
Seine Meisterschaft im Predigen sowie sein großer Bekehrungseifer, der
an den des hl. Franz von Sales erinnert, bewirkten, daß sich mit der
Gnade Gottes viele Schismatiker bekehrten. Oft nur mit einem Stück
trockenen Brots im Beutel, wanderte er von Ort zu Ort, um sich mutig
mit den orthodox-schismatischen Christen auseinanderzusetzen, wobei ihm
die Kenntnis der griechischen Sprache und der orientalischen
Kirchenväter zugute kam. Geduldig ertrug er es, wenn Jugendliche ihm
auflauerten, um ihn mit Dreck zu bewerfen und haßerfüllt als
"Seelenjäger" zu beschimpfen. Große Schwierigkeiten bereitete das
Zusatndekommen der bereits erwähnten Union der Ruthenen mit der
katholischen Kirche, denn diejenigen, die im Schisma verharrten,
stachelten immer wieder Adel und Volk gegen die katholischen Priester
auf; einer der Höhepunkte in diesen Auseinanderset-zungen war die 1623
erfolgte Ermordung des Erzbischofs Josaphat.
Um 1655, als die Streitigkeiten mit den von Rußland unterstützten
Orthodoxen und Kosaken an Heftigkeit zunahm, erhielt Andreas die
dornenvolle Aufgabe, seine Missionstätigkeit auf das besonders
gefährdete Polesien zu konzentrieren, um dort der schwer bedrängten
katholischen Minderheit beizustehen. Polesien, die im südlichen
Weißrußland gelegene waldreiche und versumpfte Niederung des Pripjet,
war ein Gebiet, in welchem sich haßerfüllte Orthodoxe, aber auch
Sektierer und Banditen versteckten, um im Untergrund für die Abspaltung
von Polen und für den Anschluß an Rußland zu kämpfen.
Die Kosaken hatten sich 1648 mit ihrem Hetman Bogdan Chmelnizkij dem
Zaren unterworfen. Gesegnet vom Patriarchen von Konstantinopel und
unterstützt von den Mönchen vom Berge Athos, die den heiligen Krieg
ausgerufen hatten, brachten die von Chmelnizkij angeführten Kosaken
besonders der Gesellschaft Jesu schwere Verluste bei. Im Mai 1657
erorberte ein Kosakenheer die Stadt Pinsk, in deren Jesuitenkolleg
Bobola Schutz vor dem andringenden Reiterheer gesucht hatte, wußte er
doch, daß es deren vornehmlichster Auftrag war, sich seiner zu
bemächtigen. Durch Spionage erfuhren sie bald, daß er jedoch im
nahegelegenen Janow Zuflucht gesucht hatte. Sofort nach der Zelebration
der Messe halfen ihm die Bewohner Janows zu fliehen. Doch ein Trupp
Kosaken setzte ihm nach und zwang ihn, aus dem Fuhrwerk zu steigen. Da
kniete er nieder und begann zu beten; ein Arbeiter, der den
Kosaken Boblas Fluchtweg verraten hatte, bezeugte der Nachwelt
folgendes Ma-tyrium: Zuerst riß man ihm die Kleider vom Leibe und band
ihn an einen Baum, um ihn bis aufs Blut zu geißeln. Danach wurde er
zwischen zwei Reiter an einen Sattel gebunden und nach Janow gebracht,
wo der Bandenführer schon auf ihn wartete. Dessen Aufforderung, seinen
Glauben zu verleugnen, beantwortete Pater Bobola mit dem Versuch, seine
Henker zu bekehren, von denen einer ihm einen furchtbaren Säbelhieb
versetzte, der ihm das rechte Auge zerstörte. Danach wurde er in ein
Schlachthaus gezerrt, wo seine Peiniger ihr sadistisches Wüten bis zum
bitteren Ende fortsetzten. Mit der Spitze eines Dolches zogen sie ihm
zuerst einen großen Teil seiner Kopfhaut nach Art einer Tonsur ab; dann
brannten sie ihm die Hüften mit glühenden Kohlen und stießen ihm
Schilfrohre unter die Fingernägel, um ihnen das Aussehen von Krallen zu
geben. Schließlich schnitten sie dem Blutüberstömten Nase, Lippen und
Zunge ab und warfen ihn auf einen Dunghaufen. Zwei Stunden später
versetzte ein Brigant ihm, der noch atmete, den Todesstoß.
Nach vier Tagen wurde der Leichnam in einem Massengrab im
Jesuitenkollegium von Pinsk beigesetzt. Da im Laufe der nächsten
Jahrzehnte dieses Kollegium mehrmals geplündert und gebrandschatz
wurde, konnte man den Sarg des Martyrers später nicht mehr ausfindig
machen, zumal noch weitere Särge hinzugekommen waren.
Wilhelm Schamoni berichtet in dem Buch "Wunder sind Tatsachen", wie
1701 der Sarg nach mehrmaligem Erscheinen des Martyrers aufgefunden
wurde, der sich mit den Worten zu erkennen gab: "Ich bin Andreas
Bobola, euer von Kosaken für den Glauben getöteter Bruder. Sucht meinen
Leib, und nehmt ihn weg zwischen den anderen." Einleitend schreibt
Schamoni: "Im folgenden möchte ich aber doch eine Erscheinung bringen,
die meines Erachtens zudem etwas vorsichtiger über die sehr zahlreichen
Berichte von der Auffindung der sterblichen Überreste von Heiligen
denken läßt, die nach einer Erscheinung der betreffenden Heiligen
erfolgt sein soll. Diese Auffindungen werden von der modernen
Hagiographie verworfen, sicherlich in den weitaus meisten Fällen mit
Recht. Aber immer? Mir scheint, daß was in der Neuzeit in dem von mir
übersetzten Fall Wirklichkeit war, auch zu anderen Zeiten so gewesen
sein kann, und daß nicht ernstzunehmende Berichterstatter nur aus dem
Grund abgelehnt werden können, weil sie von Auffindungen nach Träumen
genau so sprechen, wie es die vielen Zeugen von der Auffindung des
Leibes des hl. Andreas Bobola tun."
Obwohl sich häufig Wunder an seinem Grab ereigneten, wobei besonders
die Tatsache, daß der Leib unverwest blieb - auch für die Schismatiker
ein Beweis seiner Heiligkeit - erfolgte die Seligsprechung erst 1853
durch Pius IX. Die Heiligsprechung nahm Pius XI. am 17. April 1938 vor.
Die hierfür zuständige Ritenkongregation hatte erklärt, ihr sei kaum
jemals ein Bericht über ein so grausames Martyrium vorgelegt worden.
Die Kirche feiert sein Fest am 16. Mai.
1808 wurde der noch unverweste Leichnam nach Polozk überführt. Zwar
verschonten 1812 Napoleons Soldaten bei der Plünderung des
Jesuitenkollegs das Grab des Heiligen, aber 1922 raubten die
Bolschewiken den Grabschmuck, mit dem der Sakrophag im Laufe der Zeit
von vielen Gläubigen ausgestattet worden war. Danach wurde der Sarg von
den Bolschewiken nach Moskau überführt, wo er in einem medizinischen
Museum 'ausgestellt' werden sollte. Aber schon 1923 gaben die Sowjets
den Sarg als Gegenleistung für erhaltene Hilfe (zur Linderung einer
Hungersnot) an die röm.-kath. Kirche zurück. Der Papst ließ ihn in Rom
in der Jesuitenkirche Il Gesu beisetzen. Viele Polen glauben, daß die
Rettung Polens bei der Invasion der Roen Arme im Jahre 1920 den
Fürbitten der Jungfrau Maria von Czenstochau und denen zum hl. Andreas
Bobola zu verdanken ist.
* * *
Quellenangabe:
Koch, Ludwig: "Jesuiten-Lexikon" Löwen 1962.
Schamoni, Wilhelm: "Wunder sind Tatsachen", Würzburg 1976.
Artikel: "Andreas Bobola" in Bibliotheca Sanctorum, Bd. 1, Rom 1961.
"Dictionnaire d'Histoire et de Geographie ecclesiastiques", Bd. 2, Paris 1914.
Stadler, Joh. Ev.: "Vollständiges Heiligenlexikon in alphabet. Ordnung", Bd. 1, Augsburg 1858.
"Vies des Saint", Bd. 5, Paris 1947.
Wetzer und Welte: "Kirchenlexikon", 2. Bd., Freiburg 1883. |