54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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Alles ist Gnade
 
Alles ist Gnade

Vor 60 Jahren am 5. Juli 1948 starb Georges Bernanos

von
Magdalena S. Gmehling

"Gott begehrt sein Geschöpf mit einem Verlangen, das wir uns nicht vorstellen können, ohne zu Staub zermalmt zu werden. Darum hat er dieses Verlangen in der Tiefe des sanften, leidenden Herzens Jesu Christi verborgen." Diese Worte schrieb Bernanos in seinem Todesjahr 1948, gezeichnet von schwerer Leberkrankheit. Er arbeitet an seinem letzten Werk, welches den inneren Lebensprozess des Dichters spiegelt. "Die Begnadete Angst" erscheint posthum 1949 (dt. 1951) als eine Gesprächsfolge in fünf Bildern. Das Schicksal der 1906 durch Papst Pius X. selig gesprochenen 16 Blutzeuginnen aus dem Karmel von Compìègne wurde immer wieder dargestellt (so beispielsweise auch durch Gertrud v. le Fort). Am 14. September 1792 werden die Klosterfrauen während der Wirren der französischen Revolution aus ihrem Konvent vertrieben. Sie enden alle am Schafott. In der nicht historischen Hauptgestalt, der jungen Blance de la Force, gewinnt das Grundmotiv der angleichenden Teilnahme an der heiligen Todesangst Christi, Gestalt. Begnadung durch Angst und im Sieg über diese, die Wiederherstellung der Ehre des Christen, dies ist Bernanos großes Thema.

In "Die Freude" (1928, dt. 1929) schreibt er "ln einem gewissen Sinn, sehen Sie, ist die Furcht dennoch eine Tochter Gottes, die in der Karfreitagsnacht freigekauft ward. Sie ist nicht schön anzuschaun. Gewiß nicht! Die einen verspotten, die anderen verfluchen sie, alle verzichten gerne auf sie ... Und dennoch, täuschen Sie sich nicht: in jedem Todeskampf steht sie zu Häupten des Sterbe-lagers; sie ist für den Menschen Mittlerin zu Gott." Diese Worte lieferten das Motto zu dem Film-manuskript "Die begnadete Angst".

Georges Bernanos wurde vor 120 Jahren am 20. Februar 1888 in der Rue Joubert, in Paris geboren. Der Vater Émile Bernanos, ein Lothringer, ist Möbelhändler, die Mutter, Hermance Moreau stammt aus einer Kleinbauernfamilie. Die wenigen Bilder zeigen sie als eine Frau mit flammendem Gesicht und brennenden Augen. Vieles verdankt Bernanos dieser geduldigen und tapferen, unerbittlichen und gebieterischen Mutter. Später wird man ihm bescheinigen, er habe seiner Kindheit stets die Treue gehalten, wie auch dem alten Haus im Dorfe Fressin in der Landschaft Artois. Dort spielen fast alle seiner Romane. Dort leben seine Gestalten.

Die Jugend verbringt der Dichter in verschiedenen kirchlichen Instituten, legt im Kollegium Sainte-Marie in Aire-sur-la Lys 1906 die Reifeprüfung ab, und beschließt seine Studien an der Sorbonne 1913 mit einer Lizentiatur in Literatur und Jurisprudenz. Alle wichtigen Autoren Balzac, Zola, Barbey d'Aurvilly, Walter Scott, Ernest Hello, Edouard Drumant, hat er gelesen. Sehr früh stürzt er sich in den politischen Kampf, schreibt für die Aktion Francaise, landet im Gefängnis, da er an einem Komplott, welches die Wiederherstellung der Monarchie in Portugal betreibt, teilnimmt. Er liebt - nach eigener Aussage - den Krawall. Mit Auszeichnung und auf persönlichen Wunsch dient er während des ersten Weltkriegs (1914-18) im 6. Dragoner-Regiment. Nächtelang liest er dort Leon Bloy. 1917 heiratet er Vincennes Jeanne Talbert d'Arc. Sie stammt in gerader Linie von einem Bruder der Jeanne d' Arc ab. Sein Freund, der Benediktinermönch Dom Besse, segnet die Ehe ein.

Priester von hoher Geistigkeit und Lauterkeit spielen im Leben und im Werk des Literaten eine entscheidende Rolle. Er weiß allerdings auch um deren Zwiespältigkeit, Schwäche, Feigheit, ja Verworfenheit. Dom Besse ist es schließlich, der Bernanos mit Robert-Vallery Radot bekannt macht. Dieser Schriftsteller und spätere Trappist, der auch Péguys Weg begleitete, erkennt sofort Bernanos außergewöhnliche Begabung. "Die Sonne Satans" (1926, dt. 1927), der erbitterte Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen, die Darstellung der natürlichen Gegenwart des Teufels, die in menschlichen Fehlern, Gleichgültigkeiten usw. Gestalt annimmt, wird ein durchschlagender Erfolg.

Bernanos, inzwischen ein führender Vertreter der "Renouveau Catholique", beschließt von seiner Feder zu leben und hängt die Tätigkeit als Versicherungsinspektor der Gesellschaft "La Nationale" an den Nagel. Unermüdlich arbeitet der Dichter. Sechs Kinder werden ihm zwischen 1918 und 1933 geboren. Er hält Vorträge, schreibt Essays, wallfahrtet nach Lourdes und La Salette. Schwer trifft ihn die Verurteilung der Aktion Francaise (1926) durch den Vatikan. Die Ehrenlegion weist er dreimal zurück (1927, 1938, 1946). Das "Tagebuch eines Landpfarrers" (1936, dt. 1936) schildert ein Inferno von Bosheit und Herzenshärte. Mit unerbittlichem Wirklichkeitssinn verdeutlicht der Dichter, Armut, Sünde, Krankheit und Verzweiflung. Still leidet der junge, unheilbar an Magenkrebs erkrankte Pfarrer, mit seiner Gemeinde. Er stirbt mit den Worten: "alles ist Gnade". In "Der Betrug" (1927, dt. 1929 ) wird die Doppelzüngigkeit, das Verbergen des wahren Wesens hinter einer Maske aufgezeigt. Eine Art Fortsetzung dieses Romans ist "Die Freude". Hier steht das Mädchen Chantal mit ihrer von dem greisen Abbé Chevance geprägten Haltung: "ich kann nur noch in Gott fallen" im Mittelpunkt. Sie will nicht ins Kloster ("Die Klöster sind keine Krankenhäuser, keine Zufluchts-stätten") und wird von dem russischen Chauffeur ihres Vaters ermordet. In dem Nachwort zu dem Nachtstück "Ein böser Traum" wird darauf hingewiesen, dass Bernanos einen seiner vielen Bettel-briefe an den Verleger mit "George Bernanos, einer der fruchtbarsten Schriftsteller seit Balzac" unterschreibt.

Die finanziellen Schwierigkeiten des Dichters sind dramatisch. 1930 stirbt die Mutter. Von Mai bis November 1932 verwickelt er sich in eine wütende Polemik gegen die Aktion Francaise. 1933 erleidet er den ersten von zwei schweren Motorradunfällen. Schließlich muss er mit dem Verleger ein Abkommen treffen, dass ihm ein seitenweiser Vorschuss auf fortlaufend abgelieferte Manuskripte ausbezahlt wird. Er geht mit seiner Familie auf die Balearen, wo das Leben billiger ist.

Bis 1937 lebt er in Palma de Mallorca, "Ich hätte von mir hören lassen sollen? Was? Ich hatte kein Geld, ich sorge mich je länger desto mehr um die Kinder, und meine arme Frau war am Ende ihrer Kraft - Seit langem schon. Ich schrieb fünf Seiten am Tag, ich erlitt den Ansturm meiner Gläubiger ... Was zum Teufel hätte man für mich tun können, außer mir die Ergebung in den Willen des lieben Gottes zu predigen ..." (Palma, 24. November 1934). Bernanos versucht sich mit dem schnell geschriebenen Kriminalroman "Ein Verbrechen" aus der Klemme zu ziehen. Der geheimnisvolle "Pfarrer" von Mégère (in Wahrheit die Mörderin) begeht schließlich mit seinem Ministranten Selbst-mord. Sechzig Franken bekommt der Dichter pro Seite. Unter solch trostlosen Umständen beginnt er das Gnadenbuch "Die tote Gemeinde" (1938, dt. 1946), welches er erst in Paraguay fertig stellen wird. Uns Heutigen erscheint eine seiner dort gemachten Aussagen fast prophetisch: "Die Stunde wird kommen, da auf den Trümmern dessen, was noch von den alten christlichen Ordnungen übrig blieb, eine neue Ordnung entstehen wird, die wahre Weltordnung: die Ordnung des Fürsten der Welt, des Fürsten, dessen Reich nur von dieser Welt ist."

Allen Ratschlägen zum Trotz verlässt Bernanos am 20. Juli 1938 Frankreich. Er versucht sein Glück in Paraguay und später in Brasilien. Kurz zuvor hat dem Mann der Rechten, dem Royalisten und Traditionalisten, sein polemisches Werk "Die großen Friedhöfe unter dem Mond" scharfe Gegnerschaft eingetragen. General de Gaulles fordert nach Kriegsende 1945 den großen Franzosen auf, in die Heimat zurückzukehren. Bernanos ist bereits sehr krank und erschöpft. Das Wiedersehen mit Frankreich ernüchtert. In zahlreichen Artikeln äußert er sein Missfallen über die vierte Republik. Schließlich geht er nach Tunesien. Dort stirbt der streitbare Dichter am 5. Juli 1948 im Amerikanischen Krankenhaus von Neuilly. "Sein entsetzlicher Auftrag war der Kampf mit Satan in all seinen Verhüllungen. Hier hat er diesen Kampf besiegelt - enttäuscht, aber nicht verbittert; ungerecht in manchen Fällen, aber aus dem Zorn der Liebe. Unsere Zeit wird einmal nicht mehr damit verteidigt werden können, dass ihr die Wahrheit nicht gesagt worden sei." (Reinhold Schneider 1950).

Bernanos selbst hat sein eigenes Grab gezeichnet und darauf eine Tafel angebracht, auf der steht: "Der Engel des Jüngsten Gerichtes wird gebeten, die Posaune kräftig zu blasen. Der Verstorbene ist schwerhörig."

***

Ergänzung von Jakob Knab:


Verehrter Leser!

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An einem Sonntag in der Adventszeit 1942 deutete Theodor Haecker bei einer Zusammenkunft die Bibelstelle vom Auftreten des Antichrist (2 Thess 2, 1-12). Diese apokalyptische Stelle im zweiten Brief an die Thessalonicher spricht vom „Abfall von Gott“, von „Menschen der Gesetzwidrigkeit“, vom „Sohn des Verderbens“, vom „Widersacher“, von der „geheimen Macht der Gesetzwidrigkeit“, von der „Kraft des Satans“ und von „Irrtum und Lüge“. Wir wissen über jenen Nachmittag durch Eugen Turnher, Haeckers Weggefährten, Bescheid: „Es war am zweiten oder dritten Adventsonntag des Jahres 1942, daß wir uns im Schreiber-Haus (München-Herzogpark) zu einer Teestunde versammelten. Die Frage kam dabei auf die Heraufkunft des Antichrist. Haecker, darauf vorbereitet, las zunächst die Bibelstelle (2 Thess 2, 1-12) vor und gab dann eine Deutung ganz im Sinne von John Henry Newman, aus dessen Buch er auch vorlas.“ (...)
 Bei Eugen Turnher hinterließ dieser denkwürdige Nachmittag im Advent 1942 einen tiefen Eindruck. Er schreibt: „Gegen diese eschatologische Deutung erhob sich allgemein die Meinung von uns ‚Jungen’, am klarsten bei Hans Scholl, dessen Protest mir noch in Erinnerung ist: ‚Der Antichrist kommt nicht erst, er ist schon da!’“  Hingegen suchte Haecker die eschatologische Differenz zu wahren, er identifizierte nicht einfachhin Hitler mit dem Antichristen.  Scholl freilich hielt an der Vorstellung fest, der „Dämon“  Adolf Hitler sei die perverse, apokalyptische Bestie.

(Literaturhinweis: Jakob Knab, "Verhindert das Weiterlaufen dieser atheistischen Kriegsmaschine!" : Religion als Leitlinie bei Hans Scholl; in: Detlef Bald (Hrsg.) Wider die Kriegsmaschinerie, Klartext-Verlag., Essen 2005, S. 52f.)


Mit freundlichen Grüßen
Jakob Knab
 
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