54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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5. Mi encuentro con Su Excelentísimo y Reverendísimo Arzobispo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
6. Il mio incontro con S.E. l´Arcivescovo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
7. DECLARATIO
Das ist eine Katastrophe
 
„Das ist eine Katastrophe“

aus: Junge Freiheit vom 15.4.2016


Eine verfehlte Einwanderungspolitik und Multikulti haben uns die Clan-Kriminalität beschert. In der aktuellen Asylkrise wiederholt Deutschland diese Fehler, warnt der Mi-
grationsforscher Ralph Ghadban; Interview mit Moritz Schwarz.

Moritz Schwarz: Herr Dr. Ghadban, welche Rolle spielt die Clan-Kriminalität in Deutschland?
Ralph Ghadban: In einigen deutschen Städten – Zentren sind Berlin, Bremen, Frankfurt, Essen – bereits eine große. Aber: Sie breitet sich immer weiter aus, inzwischen sogar auch aufs Land.
Schwarz: Warum?
Ghadban: Die Clans haben entdeckt, daß auch auf dem Land viel zu holen ist und daß die Bürger dort fast noch hilfloser sind als in den Städten.  
Schwarz: Nach Ihrer Schätzung gibt es in Deutschland etwa 30.000 Kriminelle, die in etwa einem Dutzend Clans organisiert sind.  
Ghadban: Ja, aber das sind Orientierungswerte. Die tatsächliche Zahl kann keiner zuverlässig erfassen.
Schwarz: Wieso konnten die Clans sich überhaupt in Deutschland festsetzen?
Ghadban: Weil Gesellschaft, Politik und Medien viele Fehler gemacht und lange weggeschaut haben. Ich hatte bereits vor Jahrzehnten als Sozialarbeiter des Diakonischen Werks mit diesen Leuten zu tun. Ich habe damals versucht, sie in die Gesellschaft zu integrieren. Es ist nicht gelungen. Ich habe gewarnt, die Integration dieser Leute würde viel mehr Anstrengung erfordern, als die anderer Einwanderer. Niemand hat auf mich gehört. Heute haben wir die Quittung.
Schwarz: Die Clans sind Folge mißlungener Integration?
Ghadban: Ja, die Familien, die heute die Clans bilden, kamen ursprünglich vor allem als Flüchtlinge ins Land.
Schwarz: Als Flüchtlinge?
Ghadban: Ja, und in ihrer Heimat waren die meisten normale Leute, denn dort sind alle Menschen in Clans organisiert, so daß dies keinen Vorteil bringt.
Schwarz: Was meinen Sie?
Ghadban: Das ist etwas, was normale Europäer nur schwer begreifen: Eine liberale Gesellschaft wie die deutsche und der liberale Rechtsstaat sind nicht darauf eingestellt, solchen Familienverbänden zu begegnen. Ihre mitgebrachte Clan-Struktur wird in einer individualisierten und offenen Gesellschaft wie der unseren plötzlich zum Vorteil. Sie verleiht ihnen einen Spielraum, den sie in ihrer Heimat, selbst wenn es dort nur einen schwachen Staat gibt, nicht haben, weil dort andere Clans sie begrenzen.  
Schwarz: Warum sind diese Clans effektiver als deutsche Kriminelle?
Ghadban: Deutsche Kriminelle verfügen nicht über diese Strukturen. Deutsche Kriminelle organisieren sich vielleicht in Banden, aber diese sind bei weitem nicht so schlag-kräftig wie die Familienclans. Auch kann man eine Bande unterwandern, einen Clan nicht. Wenn sich eine Großfamilie kriminalisiert, sind die deutsche Gesellschaft und der deutsche Staat eigentlich fast hilflos.
Schwarz: Woher kommen die Clans?
Ghadban: Es sind vor allem Libanesen, es gibt aber auch Türken, Kurden, Palästinenser und andere. Ja, es gibt einen Nachahmungseffekt. Andere Ethnien sehen den Erfolg und bauen ihre Familien auch entsprechend auf, eben weil es in Deutschland so viel zu holen gibt.
Schwarz: Warum fallen gerade die islamischen Clans, etwa die Miris in Bremen, so auf?
Ghadban: Weil sie brutaler sind. Das ist kulturell bedingt. Schauen Sie doch in die arabische Welt. Dort ist der Staat schon brutal – aber wenn er nicht da ist, sind die Gesellschaften noch viel brutaler. Drogenhandel, Prostitution – alles ist hierzulande vor allem in der Hand islamischer Clans; deutsche Kriminelle sind verdrängt. Und nun die Flüchtlinge: Die Strukturen, die da entstehen, sind ein idealer Nährboden, da sind die Clans voll dabei!
Schwarz: Was kann man dagegen tun?
Ghadban: Das, was man damals schon hätte tun müssen, als die heutigen Clan-Familien als Flüchtlinge kamen: sie integrieren! Ich sage, hätte man sie integriert, wären sie nicht kriminell geworden.
Schwarz: Warum hat das nicht funktioniert?
Ghadban: Pardon, aber schuld ist die deutsche Politik. Die libanesischen Bürgerkriegsflüchtlinge, die ab Mitte der siebziger Jahre kamen, waren nicht asylberechtigt, da sie ja nicht individuell verfolgt wurden. Dennoch wurden sie, wegen der Genfer Flüchtlingskonvention, nicht abgeschoben. Das hieß, sie durften bleiben, waren aber nur geduldet. Im Klartext: Sie hingen in der Luft. So haben sie sich, statt sich zu integrieren auf  ihre Familienstrukturen besonnen. Dann, Ende der achtziger Jahre, wurde ihr Aufenthalt zwar legalisiert – da war es aber zu spät, ihre Strukturen hatten sich verfestigt. Inzwischen hatten sie gemerkt, welche Vorteile diese Strukturen ihnen bringen – nun hatten sie kein Interesse mehr, sich zu integrieren.
Schwarz: Demnach wäre die CDU-Politik – Stichwort „Wir sind kein Einwanderungsland“ – schuld am Entstehen der Clans?
Ghadban: Nein, das war die SPD! Als diese Leute kamen, regierten die Sozialdemokraten. Erst 1982 übernahm die CDU/CSU in Bonn die Regierung.
Schwarz: Die allerdings diese Politik fortsetzte.
Ghadban: Stimmt.
Schwarz: Die richtige Antwort wäre die multikulturelle Politik der Grünen gewesen?
Ghadban: Nein, um Gottes willen! Die grüne Politik macht jetzt Frau Merkel – offene Grenzen! Ist das positiv?
Schwarz: Sagen Sie es uns.
Ghadban: Multikulti hat noch nirgendwo funktioniert, nirgendwo! Oder können Sie mir ein Gegenbeispiel nennen?
Schwarz: Helmut Schmidts Antwort war stets: Das autoritäre Singapur sei die einzige multikulturelle Gesellschaft, die funktioniert.
Ghadban: Nehmen wir die Definition des Soziologen Niklas Luhmann: Integration ist Partizipation an den Funktionen der Gesellschaft. Sprich: Je größer die Partizipation, desto größer die Integration. Und jede gelungene Integration tendiert zur Assimilation. Am Ende gibt es keine Unterschiede mehr – außer vielleicht der Hautfarbe. Aber selbst die gleicht sich bei Mischehen an. Multikulti aber ist das genaue Gegenteil von Assimilation. Verstehen Sie? Multikulti konserviert die Unterschiede, es verhindert Integration. In den neunziger Jahren hat sich Multikulti überall durchgesetzt. Vorher war die Bewahrung der abgeschotteten Einwanderer-Kulturen gewollt, weil diese ja einmal wieder nach Hause gehen sollten – nun war die Devise: „Respekt vor den Kulturen!“ Folge: Viele islamische Einwanderer haben erst begonnen, eine islamische Identität zu entwickeln, dann diese zu bewahren. Und was die Multikulti-Vertreter auch nicht bedacht haben: Inzwischen war aus der ethnischen Kultur eine religiöse geworden.
Schwarz: Was bedeutet?
Ghadban: Zum Beispiel, daß sich hierzulande Islamverbände gegründet haben. Als erster Dachverband entstand 1984 der „Islamrat“, dann 1994 der „Zentralrat der Muslime“ – und beide sind islamistisch orientiert. Sprich, beide sind alles andere als integrativ ausgerichtet, sondern pflegen gerade jene religiöse Identität, die ihre Selbstabgrenzung am stärksten betont! Das ist eine Art „Gegennationalismus“ zur deutschen Gesellschaft.
Schwarz: Das würden die Vertreter dieser Verbände wohl vehement zurückweisen.
Ghadban: Natürlich würden sie das. Aber dennoch ist es so. Heute haben die Deutschen eine „Willkommenskultur“ – im Grunde die Nachfolgepolitik von Multikulti. Aber wen heißen die Deutschen da willkommen? Potentielle Anhänger der Islamverbände!
Schwarz: Ist das nicht etwas einseitig?
Ghadban: Das ist die Realität. Wir erleben eine asymmetrische Entwicklung: Die Deutschen öffnen sich immer mehr, die Moslems wenden sich immer weiter ab. Das ist die Folge von Multikulti. Die geöffneten Arme ohne Bedingungen – das funktioniert nicht! Der Grundgedanke von Multikulti ist: „Alle Kulturen sind gleich.“ So etwas können Anthropologen und Ethnologen sagen, ja – nicht aber Soziologen und Politiker! Diese müssen vielmehr auf Regeln pochen! Wenn eine Kultur unseren Grundrechten widerspricht, muß sie bekämpft werden, bis sie klein beigibt! Die Deutschen realisieren in ihrem Willkommens-Irrsinn etwa nicht, daß viele Aspekte im Islam nach unseren Regeln strafbar sind. Die Polygamie oder die häusliche Gewalt etwa – um nur zwei Beispiele zu nennen. Ja, Multikulti hat einen Denkfehler, den viele Deutsche bis heute nicht begriffen haben.
Schwarz: Sie meinen, dazu gehören unsere Politiker?
Ghadban: Nehmen Sie etwa den Wunsch der deutschen Politik, unbedingt einen Ansprechpartner auf moslemischer Seite zu haben. Es gibt keinen! Statt dies zu verstehen und Schlüsse daraus zu ziehen und ihre Politik anzupassen, versuchen die deutschen Politiker, sich einen zu basteln. Absurd. So kommt es zu so einer realitätsfernen Veranstaltung wie der Islamkonferenz der Bundesregierung. Das ist der falsche Weg. Denn die Politiker pochen damit nicht mehr auf den Rechtsstaat, der auf jeden Fall durchgesetzt werden muß, sondern haben sich der multikulturellen Schiene angepaßt. Das ist, mit Verlaub, auf lange Sicht eine Katastrophe. Die Islamkonferenz gehört abgeschafft. Sie gehört nicht zum Rechtsstaat. Sie ist vielmehr dessen Perversion.  
Schwarz: Aber Moment, sind nicht doch alle Kulturen irgendwo gleich? So geht es zum Beispiel sowohl im Islam wie im Christentum um Gottgefälligkeit, moralisches Leben, religiösen Lebenssinn, Tod und Erlösung.
Ghadban: Ja, und dennoch ist diese Auffassung ein verhängnisvoller Irrsinn, den Multikulti hierzulande verbreitet hat. Nein, im Islam geht es um mehr als Sie da aufzählen. Der Islam will den Menschen nicht nur im Jenseits, er will ihn auch in diesem Leben erlösen! Deshalb gibt es die Scharia.
Schwarz: In christlichen Staaten gibt – oder gab – es ein christliches Sittengesetz.
Ghadban: Eben, das sind Sitten! Die ändern sich, werden vielleicht gar ganz abgeschafft. Das duldet der Islam nicht, denn das wäre ein Abfall vom Islam!
Schwarz: Islamreformer versuchen, den Islam eben in dieser Hinsicht zu erneuern.
Ghadban: Ja, nur haben sie bisher so gut wie keinen Erfolg damit. Eine Frage: Wie viele der siebenundfünfzig islamischen Staaten waren 1945 Scharia-Staaten?
Schwarz: Wie viele waren es?
Ghadban: Einer – Saudi-Arabien. Und was glauben Sie, wie viele sind es heute?
Schwarz: Sagen Sie es uns.
Ghadban: Heute sind es fünfzig! Also fast alle! Das ist die Richtung, in die es geht, keineswegs in Richtung Reform! Selbst die Länder, die der Westen befreit, wenden sich nicht ihm, sondern der Scharia zu. Afghanistan, Irak, Libyen – überall hält die Scharia Einzug. Selbst die Freie Syrische Armee – die „Verbündeten“ des Westens im syrischen Bürgerkrieg – ist inzwischen für einen Scharia-Staat, keineswegs nur die Islamisten des IS.
Schwarz: Also, welche Politik müssen wir machen?
Ghadban: Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, das heißt, man holt nur die Leute, die man braucht und die man integrieren kann. Und dafür gelten dann klare Regeln, an die sich die Einwanderer zu halten haben!
Schwarz: Das ist das, was die AfD fordert.
Ghadban: Diese Partei ist radikal, dennoch ist diese Forderung richtig. Und sie wird von anderen Parteien, wie der SPD und den Grünen, inzwischen unterstützt.
Schwarz: Welche Rolle spielt die Flüchtlingskrise?
Ghadban: Sie ist eine Katastrophe, Folge einer ganz unüberlegten Entscheidung von Frau Merkel. Denn sie stellt eine massive Migration ohne Plan dar: Millionen ins Land zu lassen, ohne ein Integrationskonzept – wahnwitzig! Abgesehen davon, daß die Kanzlerin dafür alle möglichen Gesetze gebrochen hat – Schengen, Dublin – und die deutsche Souveränität bedroht. Vor allem setzt ihre Politik auf zwei Größen, die sie gar nicht kontrollieren kann: die EU und die Türkei. Man muß sich einmal vergegenwärtigen, daß es die osteuropäischen Regierungen sind, die heute Deutschland beschützen, nicht die eigene Regierung! Die sammelt statt dessen Moralpunkte und läßt die Drecksarbeit andere machen. Ich finde das völlig amoralisch. Es ist das Gegenteil davon, Verantwortung zu übernehmen. Und die Grenzen zu öffnen und gleichzeitig die restriktiven Asylpakete zu verabschieden, ist der Gipfel des Unsinns. Das zeigt, daß die Politik es immer noch nicht begriffen hat: Entweder man sorgt dafür, daß die Leute gar nicht erst ins Land kommen, oder man integriert sie dann richtig! Grundfalsch ist es aber, sie – wie jetzt – ins Land zu lassen, dann aber Integrationshindernisse aufzubauen. Das alles zeigt: Die Regierung unseres Landes hat für eines der größten und potentiell bedrohlichsten Probleme unserer Zeit keinerlei Konzept. Ich sage nochmal: Das ist eine Katastrophe.

***

Dr. Ralph Ghadban, Jahrgang 1949, kam 1972 nach Deutschland. Er studierte Islamwissenschaft und Politologie, arbeitete als Sozialarbeiter beim Diakonischen Werk, war Mitglied beratender Gremien der Islamkonferenz der Bundesregierung und hatte Lehraufträge an der Evangelischen Hochschule Berlin. Heute ist er als Migrationsforscher tätig.

© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/16 / 15. April 2016
 
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