54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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1. Mitteilungen der Redaktion
2. Meine Begegnung mit S.E. Erzbischof Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
3. My Time with His Excellency, Archbishop Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
4. Ma rencontre avec S.E. Mgr. Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
5. Mi encuentro con Su Excelentísimo y Reverendísimo Arzobispo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
6. Il mio incontro con S.E. l´Arcivescovo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
7. DECLARATIO
Motiv einer neuen Erziehung
 
Motiv einer neuen Erziehung -
über den hl. Don Giovanni Bosco



von

Franz Dilger

Bosco gehört zu den religiös und naturhaft, Liebenden. Seine Neigung geht nicht auf ästhetische Jugendblüte; auch läßt sie sich nicht ohne weiteres mit Pestalozzis sozialer Leidenschaft identifizieren, vielmehr möchte man sie als eine glückliche Synthese von religiöser Inbrunst, welche in jedem Körper die göttliche Seele aufleuchten sieht,  und von strukturmäßiger Verwandtschaft mit dem Knabentum bezeichnen. Bosco ist Knabe in seinem Gemüt und Heiliger in seinem Wollen. Das ist die Formel, die ihn wohl am treuesten umschreibt. So wird denn das Wunder möglich, daß da einer liebt mit der Sensibilität und Gefühlsdichte der Frau, und trotzdem durch alle Nadelstiche der Wirklichkeit nie verletzt, nie enttäuscht, nie ermüdet wird. Das muß auch den Gefühlsärmsten, den Vergeßlichsten überzeugen und ihm einen Stachel zurücklassen für immer. So sehen wir mit teurem Geld gedungene Mörder, welche einst nur vorübergehend den Blick Boscos gefühlt haben, vor dem Manne ihrer Jugend in die Knie sinken und ihm die Waffe ausliefern. Unverletzliche Liebe! Sie läßt sich nicht mehr aus Anlage, Struktur, aus Neigung und Trieb erklären. Hier handelt es sich um blutig ernste Leistung, aus einem Pflichtbewußtsein entsprungen, das im Worte Gottes verankert ist. Bosco glaubt an Himmel und Hölle in krasser Konkretheit. Er glaubt an die ewig verantwortliche Entscheidung des Menschen so oder so. Aber ebenso lebendig ist er überzeugt von der Wirklichkeit der Communio sanctorum, vom schicksalshaften Eintreten des einen für den andern; er weiß, daß es ihm gegeben ist eine Knabenseele ewig zu retten durch leidenschaftliche Bemühung, durch selbstvergessenste Liebenswürdigkeit und Anpassung an jugendliche Eigenart. Dieser Ernst des Mannes, der tagsüber ein toller Spielkamerad ist, mag seiner Liebe zum durchschlagenden, unbesieglichen Erfolg verholfen haben. Bosco war diese Haltung so selbstverständlich, natürlich, daß sie ihm wohl in ihrer Bedeutung nicht voll bewußt geworden ist. Fragte man ihn, woher sein Erfolg stamme, so mochte er neben der Liebensbemühung gerne auf die Mittel der katholischen Religion hinweisen: Meßopfer, Kommunion, Beichte. Man hat sich von dieser Bemerkung leicht täuschen lassen, als ob damit alles erklärt wäre. Nun ist es aber Sitte, in allen Anstalten, Internaten und Instituten katholischen Bekenntnisses, sehr ausgiebig von diesen Mitteln Gebrauch zu machen. Tägliche Messe, wöchentliche Beichte gehören meistenteils zur Tagesordnung.

Boscos religiöser Erfolg hat sich aber in betrüblicher Weise nicht eingestellt.  Im Gegenteil machten sich Übersättigung und Überdruß, teils auch skeptisch kritische Stimmung bemerkbar. - Wie mag es zu dieser religiösen Degoutierung kommen? Hat man sich Begnadung vielleicht allzusehr als physiko-automatischen Vorgang gedacht, der man mit trockener Belehrung jederzeit den Weg bereiten kann? Begnadung ist mit quantitativ operierender Sakramentspraxis nicht zu vollziehen. Sie ist einmal Gottes Sache. Es wird aber leicht übersehen, daß sie nicht nur an das Signum des Sakramentes gebunden ist, sondern auch an die Wertvermittlung durch erlebbare Menschen. Wie ist das gemeint? - Ein Kind nimmt seine, gewöhnlich für das ganze Leben entscheidenden religiösen Eindrücke in der Familie auf. Spielen dabei die Worte, welche die Mutter über göttliche Dinge spricht, eine wesentliche Rolle? Nicht so sehr. Sonst vermöchte auch ein Katechet einem religiös vernachlässigten Kinde dasselbe Kapital mitzugeben, was bekanntlich nicht der Fall ist.

Daß aber ein höchst werthaltiger, ein höchst geliebter Mensch, von dessen Neigung das Kind lebt, als ein religiös Ergriffener erscheint, so Gottes Wirklichkeit im subjektiv wertigsten Menschen aufleuchtet, nämlich in der Mutter, das bewirkt in der Seele des Kindes das unauslöschliche Stigma des Religiösen. In dermaßen affizierter Seele ist der Grund für jene feinste Entscheidung Gott gegenüber gelegt, nun vermag das Sakramentum ex opere operatum zu wirken, die innere Quelle ist entsiegelt, Gott wird durch den geliebten Menschen erfahren, so daß die Liebe überspringen kann auf ein Objekt, das nirgends gegenständlicher erlebt wird als nur im Bilde des religiös ergriffenen und zugleich geliebten Menschen. Welche Mutter aber wäre so ergriffen vom Göttlichen wie Bosco, der Heilige? So wird er, der alle von Buben heiß begehrte Qualitäten verkörpert, zum Medium, in dem Gott für Buben erfahrbar gemacht ist. Nun sind sie innerlich bereit, nun kann er sie in der Stille des Beichtsakramentes empfangen, sie werden ihm alle Winkel der Seele entfalten; nun genügt ein Wort, um sie am Mahle des Herrn zu sehen, das Wesentliche ist schon geleistet, der Inhalt ist gegeben, Gott ist - in Bosco - beglückend erfahren. So basiert denn sein Erfolg letzten Endes auf Religion, auf liebenswürdig vermittelter Religion. Sein Erfolg hinwiederum im Religiösen selbst erschließt sich als intuitives Werterlebnis am hochsympathischen, religiös ergriffenen Menschen. (aus Franz Dilger: "Giovanni Bosco" Olten 1946, S. 136 ff.)
 
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