54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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1. Mitteilungen der Redaktion
2. Meine Begegnung mit S.E. Erzbischof Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
3. My Time with His Excellency, Archbishop Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
4. Ma rencontre avec S.E. Mgr. Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
5. Mi encuentro con Su Excelentísimo y Reverendísimo Arzobispo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
6. Il mio incontro con S.E. l´Arcivescovo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
7. DECLARATIO
Was ist die hypostatische Union?
 
Was ist die hypostatische Union?
Wie kann Jesus gleichzeitig Gott und Mensch sein?


von
Anselm von Canterbury

„Die Frage lautet nunmehr, wie kann Gott Mensch werden? Denn die göttliche und die menschliche Natur können sich nicht eine in die andere verwandeln, so daß die göttliche zur menschlichen, oder die menschliche zu göttlichen würde; und sie lassen sich auch nicht so vermengen, daß eine neue dritte aus beiden hervorginge, die dann weder ganz göttlich, noch ganz menschlich wäre. Überhaupt würde ja, wenn das geschehen könnte, daß die eine in die andere aufginge, entweder nur Gott und kein Mensch, oder nur mehr der Mensch und kein Gott übrig bleiben. Oder falls sie so vermengt würden, daß aus den beiden verstümmelten eine dritte Natur hervorginge (wie von zwei Tierindividuen verschiedener Arten, einem Männchen und Weibchen, ein drittes geboren wird, das weder die ganze Natur des Vaters, noch die der Mutter hat, sondern eine aus beiden gemischte dritte); so wäre diese weder Gott, noch Mensch. Der Gott-Mensch, bei welchem wir göttliche und menschliche Natur fordern, kann folglich nicht entstehen durch Verwandlung der einen Natur in die andere; auch nicht durch eine verstümmelte Vermengung beider zu einer dritten, weil all das entweder unmöglich, oder, wenn möglich, bedeutungslos wäre für das, was wir verlangen. Sollten aber auch die beiden Gesamtnaturen auf irgend eine Art etwa in der Weise verbunden werden, daß doch ein Anderer – Mensch und wieder ein Anderer – Gott wäre und folglich nicht der Nämliche Gott wäre, welcher Mensch ist; so können unmöglich die beiden leisten, was zu leisten unerläßlich. Denn Gott wird es nicht leisten, weil er es nicht zu leisten braucht; der Mensch aber wird es nicht leisten, weil er es nicht zu leisten vermag; damit das also der Gott-Mensch leiste, wird es notwendig sein, daß er ebenso wohl vollkommen Gott, als auch vollkommen Mensch sei, indem er eine Genugtuung vollbringt, welche nur er vollbringen kann – als wahrer Gott; und zugleich vollbringen soll – als wahrer Mensch. Während mithin ein Gott-Mensch ge-funden werden muß – unbeschadet der Vollständigkeit beider Naturen –, tut es doch nicht minder not, daß die beiden vollständigen Naturen in Einer Person sich begegnen, sowie der Leib und die vernünftige Seele in Einem Menschen zusammentreffen, da es nur auf diesem Wege möglich, daß ein- und derselbe vollkommener Gott und vollkommener Mensch sei.“ (Anselm von Canterbury: Cur deus homo – Warum Gott Mensch geworden, 2. Buch 7. Kap., Regensburg, Rom, New York, Cincinnati 1902)

Es erübriget nunmehr, zu untersuchen, woher und wie Gott menschliche Natur annehmen werde. Denn entweder wird er sie von Adam nehmen, oder er wird einen neuen Menschen schaffen, gerade so wie er den Adam nicht aus einem andern Menschen gestaltet hat. Allein wenn er den neuen Menschen nicht aus Adams Geschlecht macht, so wird er nicht zu jenem Geschlecht gehören, das aus Adam geboren worden; er wird mithin auch nicht für dasselbe Genugthuung leisten dürfen, weil er nicht aus demselben geboren sein wird. Denn so gut es Rechtens ist, daß für die Schuld des Menschen der Mensch Genugthuung leiste; ist es geboten, daß der Sühnende derselbe sei, wie der Sündigende oder wenigstens des nämlichen Geschlechtes; ansonst weder Adam, noch dessen Geschlecht Genugthuung für sich leisten wird. Gleichwie daher von Adam und Eva die Sünde auf alle Menschen übergegangen ist, so mag kein anderer für die Sünden der Menschen Genugthuung leisten, außer diese selbst oder wer aus ihnen hervorgeht. Und nachdem sie selbst hiezu unvermögend sind, wird derjenige, welcher hiezu vermögend ist, wenigstens aus ihrer Nachkommenschaft genommen sein müssen. Noch mehr: Gleichwie Adam und sein ganzes Geschlecht durch sich Bestand gehabt hätte, ohne Beihilfe eines andern Geschöpfes, im Falle es nicht gesündigt hätte; so folgt notwendig, daß, wenn dasselbe Geschlecht von seinem Falle wiederum aufsteht, es durch sich aufstehe und wieder erhoben werde. Durch wen es nun immer in seinen Zustand zurückgeführt werden mag, jedenfalls wir es durch denjenigen seinen Bestand haben, durch den es in den früheren Zustand neuerdings eintritt. Gott hat auch, als er die menschliche Natur ursprünglich in Adam allein schuf und die Frau, damit die Menschen in beiden Geschlechtern sich vervielfältigten, nur aus Jenem nehmen wollte, klar gezeigt, daß er nur aus Adam habe machen wollen, was er an menschlichen Wesen überhaupt hervorbringen wollte. Würde daher Adams Geschlecht durch einen Menschen wieder erhoben, welcher nicht desselben Geschlechtes wäre, so würde dieses nicht in jene frühere Würde, welche es inne haben sollte, falls Adam nicht sündigte, und eben darum auch nicht vollständig zurückversetzt und Gottes Absicht würde unverwirklicht zu bleiben scheinen – was zwei Unzukömmlichkeiten in sich schlösse: und darum ist es nötig, das aus Adam der Mensch genommen werde, durch welchen wiederhergestellt werden soll das Geschlecht des Adam.  (a.a.O. 8. Kap.)

Die Doktrin der hypostatischen Union ist ein Versuch zu erklären, wie Jesus zur selben Zeit zugleich Gott und Mensch sein kann. Letztlich können wir diese Doktrin jedoch nicht völlig verstehen. Es ist für uns unmöglich, vollkommen zu verstehen, wie Gott wirkt. Als menschliche Lebewesen mit begrenztem Verstand sollten wir nicht erwarten, den unendlichen Gott völlig verstehen zu können. Jesus ist der Sohn Gottes, weil Er durch den Heiligen Geist empfangen wurde (Lukas 1,35). Das bedeutet aber nicht, dass der Sohn nicht existierte, bevor Er empfangen wurde. Der Sohn hat immer existiert (Johannes 8,58; 10,30). Als Er empfangen wurde, wurde Er zusätzlich zu seinem Dasein als Gott ein Mensch (Johannes 1,1.14). Jesus ist beides: Gott und Mensch. Der Sohn ist immer Gott gewesen, aber Er wurde erst Mensch, als Er durch Maria empfangen wurde. Der Sohn wurde Mensch, damit Er sich mit unseren Nöten identifizieren konnte (Hebräer 2,17) und, was noch wichtiger ist, damit Er am Kreuz als Bezahlung für unsere Sünden sterben konnte (Philipper 2,5-11). Insgesamt gesehen lehrt die hypostatische Union, dass Gott zugleich ganz Gott und ganz Mensch ist, dass es weder eine Vermischung noch eine Abschwächung beider Naturen gibt, dass Er für immer eine geeinte Person ist.

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Der Kirchenvater Gregor von Nazianz

formuliert in seiner dritten theologischen Rede von 379: „Er wurde als Mensch getauft, aber er vergab als Gott Sünden – nicht weil er selbst Reinigungsriten brauchte, sondern um das Element des Wassers zu heiligen. Er wurde als Mann versucht, und überwand als Gott. Ja, er fordert uns auf, frohen Muts zu sein, denn er hat die Welt überwunden. Er hungerte, aber er speiste Tausende. Ja, er ist das Brot, das Leben gibt und das vom Himmel kommt. Er dürstete, aber er rief, wer da dürstet, der komme zu mir und trinke. Ja, er versprach, dass Quellen lebendigen Wassers aus denen strömen, die glauben. Er war müde, aber er ist die Erquickung derer, die müde und beladen sind. Er zahlt die Tempelsteuer, aber mit einer Münze aus einem Fisch. Ja er ist der König derer, die sie verlangten. […] Er betet, aber er erhört auch Gebete. Er weint, aber er trocknet Tränen. Er wird verraten für nur dreißig Silberstücke, aber er erlöst die Welt für einen hohen Preis, denn der Preis war sein eigenes Blut. Als Lamm wird er zur Schlachtbank geführt, aber er ist der Hirte von Israel und jetzt auch von der ganzen Welt. […] Er stirbt, aber er gibt Leben und zerstört den Tod durch seinen Tod. Er ist begraben, aber ist wieder auferstanden.“
 
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