54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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3. My Time with His Excellency, Archbishop Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
4. Ma rencontre avec S.E. Mgr. Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
5. Mi encuentro con Su Excelentísimo y Reverendísimo Arzobispo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
6. Il mio incontro con S.E. l´Arcivescovo Pierre Martin Ngô-dinh-Thuc
7. DECLARATIO
Kirche in Not: Hört ihre Schreie
 
Kirche in Not: Hört ihre Schreie

Gewalt gegen Frauen - schlimmste Übergriffe gegen christliche Frauen - Michelle Clark ist US-amerikanische Menschen- und Frauenrechtsexpertin und lehrt an der „Elllot School of International Affairs" in Washington. Jetzt tritt sie als Co-Autorin einer von "Kirche in Not" herausgegebenen Dokumentation über zunehmende Gewalt an christlichen Frauen in vielen Ländern der Erde auf. "Hört ihre Schreie. Entführung, Zwangskonversion und sexuelle Ausbeutung christlicher Frauen und Mädchen" heißt die Fallstudie in der Christinnen aus Ägypten, Syrien, Irak, Pakistan und Nigeria über ihr Schicksal berichten. Andre Stiefenhofer von "Kirche in Not" Deutschland hat darüber mit Michelle Clark gesprochen.

A St: Ist die Gewalt gegen christliche Frauen ein verhältnismäßig neues Phänomen oder hat es die Öffentlichkeit bislang nur zu wenig beachtet?
Michelle Clark: Das ist leider kein neues Phänomen. Aber die Attacken auf Christinnen haben zugenommen - und ja, es hat mit Religion zu tun. Es gibt Hinweise darauf, dass diese Übergriffe sehr genau geplant werden. Sie haben Methode. Es werden mehr Fälle registriert. Aber es gibt auch eine hohe Dunkelziffer. Der Bericht von "Kirche in Not" dokumentiert einige dieser bekannten Fälle stellvertretend für viele andere.
A St: Die Mehrheit der Täter sind radikale Islamisten. Ist die Gewalt an Christinnen eine Strategie, um ihre Familien zu zerreißen?
Michelle Clark: Es zerreißt nicht nur Familien. Gewalt gegen Christinnen ist eine Waffe im Zermürbungskrieg gegen religiöse Minderheiten. Das hat auch mit der Struktur des islamischen Rechts zu tun. Wenn eine christliche Frau zur Konversion gezwungen wird oder mit einem Muslim verheiratet wird, ist es für sie unmöglich, wieder ihren christlichen Glauben anzunehmen - selbst wenn sie sich befreien kann oder aus der Ehe entlassen wird. Wenn die Frau Kinder hat, werden die Kinder für immer Muslime bleiben. Eine wachsende Zielgruppe, die wir dokumentieren konnten, sind Mütter mit ihren Kindern. Man nimmt nicht nur eine Person aus der christlichen Volksgruppe heraus, sondern eine Mutter und mit ihr die Nachkommen.
A St: Wie kam es zu Ihrer Mitwirkung der Dokumentation "Hört ihre Schreie" von "Kirche in Not"?
Michelle Clark: Ich habe mich in meiner beruflichen Laufbahn auf internationale Menschenrechte und Frauenrechte konzentriert. Ich habe besonders mit jungen Mädchen gearbeitet, die durch politische, religiöse oder andere Umstände traumatisiert wurden. Ein Kollege bat mich um Unterstützung, um mehr über das Schicksal koptischer Christinnen in Ägypten zu erfahren. Ich habe dort Frauen getroffen, die entführt, zwangsverheiratet und zur Konversion gezwungen worden waren. Bislang gab es darüber nur einzelne Erzählungen, aber keine wissenschaftliche Aufarbeitung. Meine Begegnungen sind dann in zwei Berichte eingeflossen, die auch in Ausschüssen des US-Kongresses aufgegriffen wurden. Das hat der Situation der Christinnen in Ägypten mehr Sichtbarkeit gegeben.
A St: Können Sie uns einige spezifische Fälle nennen, mit denen sie zu tun hatten?
Michelle Clark: Was mich bei meinen Recherchen sehr berührt hat, war der Einsatz der Väter für ihre verschleppten Töchter. Ein Mann erzählte mir, er habe eines Tages einen anonymen Anruf erhalten: "Pass auf deine Tochter auf, wir beobachten euch!" Der Mann wusste, dass das nicht nur eine leere Drohung ist. Er hat daraufhin seine Tochter sogar aus der Schule genommen und sie nicht mehr allein aus dem Haus gelassen. Zwei oder drei Wochen nach dem Anruf bat die Tochter ihre Mutter, sie doch zum Markt gehen zu lassen. Der war nur ein paar hundert Meter von ihrem Haus entfernt. Seitdem wurde die Tochter nicht mehr gesehen. Der Familienvater hat mehrfach Anrufe von den Entführern erhalten. Er hat Mitschnitte gemacht und ist zur Polizei gegangen. Aber nichts ist passiert. Er hat keinerlei Unterstützung erhalten.
A St: Aber sie haben nicht nur Fälle aufgedeckt, in denen Mädchen verschleppt wurden. Manchmal wurde diese auch unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in die Hände der Täter getrieben.
Michelle Clark: Es gibt verschiedene Fälle von jungen Christinnen, die aus zerrütteten Familien kommen. Das Mädchen hat eine Freundin aus der muslimischen Nachbarschaft, die sagt zu ihr: "Mein Bruder mag dich, er würde dich gern öfter treffen." Darauf beginnt das Mädchen eine Beziehung. Doch manchmal führt sie auch in eine Falle: Der Mann lädt das Mädchen zu sich nach Hause ein. Dort wird sie missbraucht. Dieser Missbrauch katapultiert den Fall auf eine ganz andere Ebene: Wenn die junge Frau aus einem konservativen Elternhaus kommt, gilt sie als unehrenhaft und kann nicht mehr nach Hause zurückkehren. Oder die Frau wird missbraucht und zu einer Eheschließung und dem damit verbundenen Glaubenswechsel gezwungen. Was für sie mit einer schönen Beziehung begonnen hat, wird zum Albtraum. Dieses "Loverboy-Phänomen" ist gut untersucht und dokumentiert.
A St: Der Bericht "Hört ihre Schreie" von "Kirche in Not" stellt fest, dass über verschleppte und zwangsverheiratete Frauen zu wenig berichtet wird. Das ist überraschend angesichts der Sensibilität für Geschlechter-Fragen. Woher kommt diese Zurückhaltung?
Michelle Clark: Ich denke, ein Grund dafür ist, dass es um Religion geht. Zudem sind beim westlichen Feminismus Religion und Emanzipation nicht immer die harmonischsten und verständnisvollsten Partner. Auch gibt es eine Neigung, sich mit Urteilen gegenüber anderen Religionen und Kulturen zurückzuhalten. Da ist die Ablehnung sehr schnell, und es ist schwierig, dem mit Beweisen beizukommen.

Buch: HÖRT IHRE SCHREIE Entführung, Zwangskonversion und sexuelle Ausbeutung christlicher Frauen und Mädchen
40 Seiten, kostenlos beziehbar bei KIRCHE IN NOT, Lorenzonistr.62, 81545 München  
(aus: Fatima ruft 1/2022, Nr. 256)
 
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