54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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1. ÜBER DEN KATHOLISCHEN WIDERSTAND
2. LEBEN IN APOKALYPTISCHER ZEIT
3. EIN ERSCHÜTTERNDES SAMISDAT-DOKUMENT
4. Die Wahrheit über die Don-Bosco-Schule der Priesterbruderschaft St. Pius X.
5. OFFENER BRIEF VON MGR. GU…RARD DES LAURIERS
6. BERICHT AUS BRÜSSEL
7. IST MGR. LEFEBVRE EIN GÜLTIG GEWEIHTER BISCHOF?
8. FRONTWECHSEL
9. NOBIS QUOQUE PECCATORIBUS - AUCH UNS SÜNDERN
10. VOM 'RECHTEN' ÖKUMENISMUS
11. MARGINALIEN ZUM LUTHER-JAHR
12. DIE ZERSTÖRUNG DER HL. MESSE IM SOG. 'N.O.M.'
13. NACHRICHTEN, NACHRICHTEN, NACHRICHTEN...
14. MITTEILUNGEN DER REDAKTION
ÜBER DEN KATHOLISCHEN WIDERSTAND
 
ÜBER DEN KATHOLISCHEN WIDERSTAND GEGEN DEN MODERNISMUS UND DIE FRAGE DER BISCHOFSGEWALT IN DER KIRCHE

von
Alvaro Ramirez Arandigoyen
(aus: FIDELIDAD A LA SANTA IGLESIA Nr. XVIII vom 15.8.83; übers. v. Heinrich Beckmann)


An
S. Exzellenz
Mgr. Moisés Carmona
Iglesia de la Divina Providencia
A C A P U L C O / G r o . - MEXIKO

Exzellenz!
Buenos Aires, den 30. April 1983

(...) Nach dem Vorhergesagten komme ich jetzt zu einem anderen Thema und zwar streng doktrinären Charakters, das einmal gebührend abgeklärt werden sollte.

Bevor ich Ihnen schrieb, führte mein Interesse an dieser Frage zu einem Schriftverkehr mit Mgr. Guerard des Lauriers und anderen wichtigen Personen des katholischen Widerstandes. Die Antworten, die ich erhielt, enthalten Überlegungen, die mir für verschiedene Fragen Licht spendeten, aber dennoch muß ich sagen, daß sie den wesentlichen Fragenkomplex der bischöflichen Vollmachten und ihrer Bedeutung im Rahmen der Kirche nur am Rande berühren.

Diese Frage stellt sich heute wie folgt: nach der Meinung gewisser Widerstandskreise sind die von Mgr. Ngo-dinh-Thuc gespendeten Weihen schismatisch, weil nicht vollzogen gemäß den geltenden kirchlichen Vorschriften, d.h. den Dispositionen des von Benedikt XV. bestätigten Kirchenrechts. Dieses verlangt für die Bischofswahl die Ernennung durch den römischen Pontifex und fixiert die Maßnahmen bei Verletzung der Vorschriften. (Es wird vorausgesetzt, daß das neue vom Gegen'Papst' Johannes Paul II. dekretierte Kirchenrecht hier nicht in Betracht gezogen wird.)

Meiner Meinung nach müßten, um darauf zu antworten, drei Punkte abgeklärt werden:

1. die Natur der Jurisdiktionsgewalt des röm. Pontifex,

2. die Natur der Bischofsgewalt in der Kirche,

3. die Verhaltensweise, wie sie die gegenwärtige religiöse Lage in der Welt gebietet.

Jeder der drei Punkte soll nachstehend kurz erläutert werden, denn m.E. müßten die katholischen Widerstandskreise hier überlegtere und gründlichere Studien betreiben, da es sich darum handelt, in die Tiefe zu gehen und die Angelegenheit wirklich seriös voranzutreiben.

Man beachte, daß in verschiedenen mit Rom unierten orientalischen Kirchen die Erwählung des Bischofs dem Patriarchen zusteht und nicht dem römischen Pontifex oder unter beiden aufgeteilt ist. Zum anderen hängt die Wahl des Bischofs von Rom selbst keineswegs vom Bischof von Rom ab, d.h. daß ein Papst zu Lebzeiten nicht seinen Nachfolger bestimmen kann.

1. DIE NATUR DER JURISDIKTIONSGEWALT DES RÖMISCHEN PAPSTES

In der katholischen Kirche werden zwei Arten von Vollmachten oder Gewalten unterschieden: Potestas ordinis (Weihegewalt) und Potestas jurisdictionis (Rechtsprechungsgewalt) Die Weihegewalt erstreckt sich auf die Vollmacht, die heiligen Mysterien zu feiern, die Sakramente zu spenden, was dem Priestertum entspricht, und in Ausübung absoluter Fülle den Bischöfen.

Die Jurisdiktionsgewalt ist die Gewalt, die Kirche zu regieren (Recht zu sprechen), wobei die universale Rechtssprechung dem Bischof von Rom zusteht, die örtliche Rechtssprechung den Bischöfen zukommt - in Verbindung mit dem römischen Pontifex. Die Weihegewalt richtet sich nach unabänderlichen göttlichen Gesetzen. Die Jurisdiktionsgewalt dagegen richtet sich nach menschlichen Gesetzen - sie sind vor dem Gewissen unter Sünde verbindlich -, sind aber veränderlich nach dem Willen der Kirche.

Das Konzil von Trient lehrt, daß man die Weihegewalt durch das WeiheSakrament mittels eines eigenen Ritus erhält und die Jurisdiktionsgewalt durch Beauftragung seitens des römischen Pontifex. Nach dem römischen Pontificale hat der vom weihenden Bischof befragte Kandidat darauf zu antworten, ob die erforderlichen apostolischen Briefe vorliegen.

Angesichts dieser Überlegungen müssen wir uns vor Augen halten, daß der Primat des Papstes - des Bischofs von Rom -, der die universale Jurisdiktion einschließt wie auch die Unfehlbarkeit, ein Privileg ist, das von der Tradition anerkannt und definiert ist für den Bischof von Rom als Nachfolger des hl. Petrus und Stellvertreter Christi. Aber im streng sakramentalen Sinne der Kirche als Verwalterin der heiligen Hysterien besitzt der Bischof von Rom keine größere Amtsgewalt als der Rest der Bischöfe als Nachfolger der Apostel.

Was die Verfahren der Wahl angeht, so haben diese im Laufe der Geschichte gewechselt, so wie auch die (rein) kirchlichen humanen und veränderbaren Gesetze sich gewandelt haben. Die schließlich vom hl. Pius X. kodifizierte Form der Wahl war das Resultat einer langen Entwicklung, zu deren Beginn es dem Volk und den Geistlichen (von Rom) zustand, ihren Bischof zu wählen. Auch müssen wir an die Rolle erinnern, die weltliche Autoritäten dabei spielten. So war es z.B. dem Vetorecht, das der Kaiser des hl. Römischen Reiches besaß und von dem zum letzten Mal im Jahre 1903 Gebrauch gemacht wurde, zu verdanken, daß Kaiser Franz Joseph in Ausübung dieses Rechtes es verhinderte, daß der von den Bischöfen bereits gewählte Freimaurer Rampolla den Stuhl Petri bestieg.

Es ist also klar, daß dem Bischof von Rom die universale Jurisdiktion für die Wahl aller Bischöfe der lokalen Jurisdiktion zusteht. Aber diese Wahl ist keineswegs wesentlich für die Übermittlung der bischöflichen Weihegewalt im sakramentalen Sinne. Immerhin begeht der Bischof, der neue Bischöfe ohne erforderliches apostolisches Mandat weiht, einen illegitimen Weiheakt, illegitime Weihen und eine äußerst schwere Sünde, die vom kanonischen Recht mit der Exkommunikation bestraft wird. Aber diese Ungesetzlichkeit berührt keineswegs den inneren Wert und die sakramentale Gültigkeit, da den Bischof eine sakramentale Machtbefugnis kennzeichnet, eine geheimnisvolle, vollgültige und absolute Gewalt, die der des Bischofs von Rom weder nachsteht, noch von ihm stammt, noch wesentlich durch ihn bedingt sein kann.

2. DIE NATUR DER BISCHOFSGEWALT IN DER KIRCHE

Aus dem Vorhergesagten erhellt, daß der Bischofsweihe in der Kirche die absolute Fülle und absolute Vollkommenheit der Weihegewalt zukommt. Es versteht sich demnach, daß sich die Streitigkeiten über die von Mgr. Ngo-dinh-Thuc vollzogenen Bischofsweihen lediglich auf die Frage der Gesetzlichkeit beziehen können. Nacn gesunder Lehre kann niemand verkennen, daß die von Mgr. Ngo-dinh-Thuc gespendeten Sakramente gültig sind, d.h. also daß die heugeweihten Bischöfe mittels des angemessenen Ritus die Vollgewalt des Priestertums erhielten, die sie in den Rang von Nachfolgern der Apostel erhob. Dem ist notwendigerweise so, da die Weihegewalt als solche nicht von der Jurisdiktionsgewalt abhängig ist. Um was es sich hier handeln kann, ist lediglich die Feststellung, ob die von Mgr. Thuc vollzogenen Weihen illegitim sind (wobei sie in diesem Fall, weil ohne kanonische Briefe, schismatisch sind) oder ob sie doch legitim vollzogen sind angesichts der gegenwärtigen Situation der Kirche.

Wir haben freilich von der Grundvoraussetzung auszugehen, daß der Römische Stuhl juridisch vakant ist, faktisch okkupiert von einer Anzahl von Gegen-'Päpsten', die die Häresie des II. Vat. Konzils stützen. Es versteht sich, daß diejenigen, die dies nicht akzeptieren, die Konsekrationen von Mgr. Thuc als schismatisch betrachten, da es für sie einen legitimen Papst gibt, dessen universale Jurisdiktion nicht respektiert wurde.

Die Klärung dieser Streitfrage ist außerordentlich wichtig in Bezug auf diejenigen, die den Hl. Stuhl für unbesetzt halten, aber dennoch die Weihen von Mgr. Thuc als schismatisch ansehen, weil es eben kein Schreiben (Mandatum) eines Papstes gab. Für sie ist hinsichtlich der Weihe von Bischöfen nichts zu machen, solange es nicht wieder einen Papst gibt.

Eine Lösung des Disputes ist wichtig, denn wir wissen alle, daß der Hl. Stuhl nicht nur momentan vakant ist - wegen des Todes eines Papstes oder sonst eines zufälligen Umstandes -, sondern weil wir vor einer sehr spezifischen Situation stehen, in der sich die Vakanz aus der Häresie herleitet und in der es keinen vernünftigen Grund für die Annahme gibt, die historischen Gegebenheiten würden sich schnell und leicht lösen. Abgesehen von den konkreten Weihen von Mgr. Ngo-dinh-Thuc und der dadurch bedingten Unruhemomente ist es unerläßlich, doktrinär folgende Frage zu ventilieren: Darf angesichts einer Situation wie der unsrigen ein katholischer Bischof unter Umgehung der kanonischen Vorschriften weihen?

Ich meine, die Antwort hierauf steht in gewissem Sinne schon im Katechismus. Wir wissen alle, daß in schwerer und dringlicher Notsituation ein Sakrament ohne Rücksicht auf die für normale Umstände stipulierten Vorschriften gespendet werden kann. Geist und Gnade sind es, die Gesetz und Buchstaben Daseinsberechtigung geben, und nicht umgekehrt. Das ist ein profundes evangelisches Prinzip und begründet eines der wichtigsten Unterscheidungskriterien zwischen Christentum und Judentum. Ich führe lediglich einige der hauptsächlichsten Fälle an Fälle, die übrigens zur elementaren Lehre gehören:

- Im Falle ernsthafter Todesgefahr kann die Taufe durch jeden Mann oder bei dessen Versagen durch jede Frau gespendet werden, soweit die substantiell rituellen Formeln angewandt werden (Ausgießen von Wasser über den Kopf des Täuflings mit den Worten: "Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes". Und das ist vollauf gültig und keineswegs illegitim.

- Auch können und müssen in Todesgefahr durch jedweden Geistlichen die Lossprechung von den Sünden und die hl. Ölung administriert werden, auch wenn dieser die kanonischen Lizenzen für den Normalfall nicht besitzt, selbst wenn dieser in den Laienstand zurückversetzt oder von der Kirche exkommuniziert ist, denn seine priesterliche Gewalt ist ewig und unverletzlich und hängt nicht ab von den menschlich-kirchlichen Gesetzen, die in der Kirche herrschen. Die Notspendung dieser Sakramente in diesem Sinne ist nicht unerlaubt, sondern vielmehr geboten.

- Ein ähnliches Kriterium gilt für die Eheschließung in den Fällen, in denen das Aufsuchen eines Priesters für eine außergewöhnlich lange Zeit nicht möglich ist. Unter dieser Voraussetzung und angesichts der Tatsache, daß sakramental die Spender identisch mit den Eheschließenden sind, darf der Ehewille als legitim angesehen werden, da die eheliche Vereinigung und die Fortpflanzung auf Erden göttlichen Auftrags sind, der nicht durch die Unvollziehbarkeit der kirchlichen Gesetze menschlicher Natur aufgehoben werden kann. Auch hier handelt es sich zweifelsfrei nicht um Unerlaubtheit.

WENN DAS SCHAF AM SONNTAG IN DEN BRUNNEN FÄLLT, MUSS MAN ES HERAUSHOLEN! DENN DER MENSCH IST NICHT FÜR DAS GESETZ, SONDERN DAS GESETZ FÜR DEN MENSCHEN!

Für das Weihesakrament gilt ein gleiches. Alle Traditionalisten akzeptieren bedenkenlos, daß Mgr. Lefebvre die Gelegenheit ergriff und sich darauf verlegte, Priester zu weihen, ohne sich an die päpstliche Lizenz zu halten; denn angesichts der modernistischen Krise und des Versagens der Hierarchie drängte sich der Notstand auf,der den Fortbestand des katholischen Priestertums verlangt.

Aus welchem Motiv sollten die gleichen Argumente nicht gleichzeitig gelten - und das mit größerer Vehemenz -, wenn es sich um den Bischofsstand handelt? Hier ist die Dringlichkeit unendlich viel gravierender und unübergehbar, da es sich um das Überleben der Kirche selbst handelt. Denn wenn die Weitergabe der Bischofswürde aufhört, d.h. das apostolisch-hierarchische System zu Ende geht, hört das Leben der Kirche auf Erden auf.

Das Argument, man müsse warten und beten, daß Gott seine Kirche wie durch ein Wunder 'errette', scheint uns, und das muß klar gesagt werden, pharisäisch, messianisch und judaisierend. Es ist zudem ein der Tradition fremder Weg, denn nach dem katholischen Glauben sichert die Tradition das Fortleben der Kirche. Das wirkliche Wunder dieser Zeit liegt im Sakrament, das die göttliche Gnade vermittelt. Das ist der Fall bei der Vollgestalt des Priestertums und der apostolischen Sukzession. Worauf es in erster Linie ankommt, ist, sich Klarheit zu verschaffen über die wahrhafte Natur der Bischofsgewalt in der Kirche.

Unser Herr Jesus Christus errichtete seine monarchisch konstituierte Kirche mit Petrus an der Spitze. Aber die Gewalt Petri besteht darin, die universale Kirche zu lenken ("potestas jurisdictionis") und in der oberhirtlichen Unfehlbarkeit. Keineswegs darf die Machtvollkommenheit Petri verwechselt werden mit einer Art von sakraler Gewalt höherer Natur als die der Bischöfe, die die apostolische Tradition, d.h. die Kirche selbst verewigen. So ist im streng sakramentalen Sinne der Papst ein Bischof mehr, eben der Bischof von Rom, der zu seinem Bischofsamt noch mit dem Privileg der universellen Jurisdiktion und der doktrinären Unfehlbarkeit ausgestattet ist, falls er ex cathedra über Angelegenheiten des Glaubens und der Moral Entscheidungen trifft. Dies ist der rechte Gang der Dinge.

Die Leugnung oder Minimalisierung dieser Wahrheiten entstammt den Ausweitungen der Papolatrie der letzten kirchlichen Jahrhunderte, die ihrerseits zurückgehen auf die häretischen Lehraussagen des Juden Lainez (Superior der Gesellschaft Jesu) auf dem Konzil von Trient, wonach der Papst sozusagen ein Alles in der Kirche ist und er inklusive die Kirche selbst darstelle.

Wenn auch das Konzil von Trient diese Irrtümer nicht akzeptierte, so haben sie sich doch im Laufe der letzten Jahrhunderte mit zunehmender Stärke verbreitet und sind zum Quellgrund der schwachsinnigen Mentalität so mancher 'Traditionalisten1 geworden, die Mücken seihen und ein Kamel durchsickern lassen. Was sind nun die Bischöfe in der Kirche?

Die Antwort gibt wiederum der Katechismus. Jedoch sehen wenige hier klar. Die Bischöfe sind die Nachfolger der Apostel. Ihre Existenzweise ist durch die apostolische Natur der Kirche bestimmt, sie ist ein existenzieller Bestandteil von ihr. Von dieser apostolischen Natur, durch die Bischofsweihe übertragen, hängt das Überleben der Kirche ab, einer Kirche, die im tiefsten Sinne ein Sakrament ist. Das will sagen, daß die Kirche reelle göttliche Vergegenwärtigung in der Welt ist, Vergegenwärtigung der göttlichen Gnade, die sie mittels der Sakramente spendet.

Diese Themen müssen von den Katholiken des Widerstandes gründlich studiert und gebührend vertieft werden, wo es sich darum handelt, die modernistische Häresie zu bekämpfen und die Absicht besteht, ihr in ihrer ganzen Tragweite auf den Leib zu rücken. Dazu gehört auch der falsche papolatristische Traditionalismus.

3. DIE DURCH DIE GEGENWÄRTIGE RELIGIÖSE SITUATION GEBOTENEN VERHALTENSWEISEN

Wir denken, wenn zugegeben wird, daß die gegenwärtige Lage der Kirche so ist, wie wir sie einleitend in unserem zitierten Manifest beschrieben haben, mit einem vakanten Hl. Stuhl, besetzt von einer Reihe von Gegen'Päpsten', und einem universellen Episkopat in häretischer Einheit mit dem II. Vat. Konzil - was zum anderen heißt, daß diese Bischofsstühle ebenfalls unbesetzt sind -, daß dann in wenigen Jahren die römische, hierarchische und sichtbare Kirche vom Erdboden verschwunden sein wird, verschlungen von der Häresie. Dieser Gefahr kann nur und muß begegnet werden durch eine volle Ausübung der "potestas ordinis" seitens der katholischen Bischöfe, die in der Welt bleiben, falls sie überhaupt verbleiben.

Wenn es das ist, was sichtlicherweise und im Prinzip Mgr. Ngo-dinh-Thuc getan haben sollte, so dürfte dies unter dem Gesichtspunkt des katholischen Glaubens niemals zu einem Streitfall werden.

Wir wissen nicht, ob Mgr. Ngo-dinh-Thuc ein solcher 'Heiliger' ist wie Mgr. Lefebvre. Auch wissen wir nicht, ob die Bewegung, die die von ihm vollzogenen Weihen ausgelöst hat, sich in neue extravagante Linien oder sektiererische Halluzinationen abzweigen kann, wie es in Palmar geschah. Ich für meine Person hoffe und vertraue, daß dem nicht so sein wird und begründe mein Vertrauen auf den Entwicklungsgang, wie Sie, Mgr. Carmona, ihn verkörpern.

Es kann immerhin für niemand zweifelhaft sein, daß ein katholischer Bischof in der gegenwärtigen Situation seine Amtsmacht auszuüben hat. Wachsen und Verfall des kirchlichen Lebens in der Welt stehen jeweils im Zusammenhang mit der Helle und dem Dunkel des apostolischen Lichtes.

Man irrt sich gewaltig, wenn man das Thema auf die Heiligkeit im Sinne einer subjektiv ethischen Haltung im Geiste der 'devotio moderna1 verengen will. Was über diese hinaus interessiert, ist die objektive Heiligkeit der Kirche, die sich lediglich sakramental ausgießt mittels der voll ausgeübten bischöflichen Vollmachten. Eine Kurve des kirchlichen Verfalls der letzten Jahrhunderte bezeugt, daß er immer dann eintritt, wenn die Bischöfe aufhören, ihre Machtbefugnisse auszuüben. Die heiligen bischöflichen Gewalten, empfangen von den Aposteln und fortgeführt durch die Tradition, sind göttlichen Rechtes.

Und hier stellen wir uns die Frage, die sich der römischen und apostolischen Kirche in unserer geschichtlichen Stunde der heutigen Krise und weltweiten Apostasie sich zu ihrer Lösung aufdrängt: Es besteht kein Zweifel, daß es dem römischen Pontifex (Bischof von Rom) durch die heilige Tradition zusteht, die Bischofssitze gemäß seinem Eigenrecht der universalen Jurisdiktion zu besetzen. Das ist unbestreitbar und soll nicht angetastet werden.

Aber: Gehen im Falle einer längeren römischen Vakanz die Bischöfe als Nachfolger der Apostel der bischöflichen Gewalt verlustig, die Kirche fortzusetzen?

Verlieren sie die "potestas generandi" (die Macht des geistigen Zeugens, des geistigen Hervorbringens; Anm.d.Red.), neue lokale Kirchengemeinden zu gründen, eine Gewalt, die die Apostel hatten und in vollem Maße in der alten Kirche ausübten? War dies eine außerordentliche Gewalt, die den Aposteln zustand und nur ihnen und zwar unter Vorbehalt des Primats Petri, die dann später erlosch? (Dann wären die Bischöfe eine Art von reduzierten Apostel-Nachfolger. Hätte dann der Jude Lainez doch recht?)

Sowohl die "potestas ordinis" als auch die "potestas generandi" sind göttlichen Rechts. Und in einer normalen Kirchenregierung, wie wir sie bis zu Pius XII. kannten, findet sich dies alles geordnet, harmonisiert und kontrolliert im Kirchenrecht, wenn auch kein Zweifel besteht, daß die Bischöfe der damaligen Zeit als Erben der modernen Revolution und als moderne Menschen fast vollständig das tiefe Bewußtsein für die apostolische Natur ihres Ranges verloren hatten. Dies erklärt auch die traurige Rolle, die die sog. 'traditionalistischen' Bischöfe auf dem II. Vat. Konzil spielten: erkrankt an Papolatrie flüchteten sie unter die Fittiche des Gegen'Papstes' Montini, der ihnen lügnerisch versprach, im gegebenen Augenblick die rechte Lehre zu retten. Das Resultat war, daß die Bischöfe - Nachfolger der Apostel - ihre Vollmacht nicht ausübten und die Kirche in das Dunkel der modernistischen Häresie stürzten.

Es ist eine elementare Wahrheit, die nicht laut genug gesagt werden kann, daß die heilige katholische, sichtbare und hierarchische Kirche sich nicht allein auf Petrus gründet, sondern auf Petrus und die in der Gemeinschaft des Glaubens an Jesus Christus vereinten Apostel.

So besteht nach göttlichem Recht für einen in der Welt gläubig gebliebenen Bischof eine Gewissenspflicht unter Androhung, sein Heil zu verlieren, seine apostolischen Vollmachten ohne Abstriche voll und ganz auszuüben, um so die Kirche Christi fortzuführen. Der Bischof, der so verfährt, wie auch die neuen, von ihm geweihten Bischöfe wären gewiß nicht befugt, den Bischof von Rom zu wählen, denn dieses Recht steht der Lokalkirche Roms zu, die heute rechtswidrig durch eine Irrlehre usurpiert ist. Auch sind sie nicht befugt, die von den Irrlehrern der ganzen Welt usurpierten Bischofssitze zu besetzen, jedoch steht es ihnen in Übereinstimmung mit der Tradition zu, neue Kirchen zu gründen und sie mit den erforderlichen Amtsvollmachten auszustatten.*) Es steht ihnen ferner zu, und dies in Übereinstimmung mit der klaren katholischen und orthodoxen Tradition, sich zu Synoden oder lokalen Konzilien zu versammeln, um Häresien zu verurteilen und die Kirche zu lenken, alles so, wie es einst die Apostel taten - so lange, bis der Stuhl Petri wieder für die wahre Kirche zurückerobert ist. Nichts steht im Wege, auch einen Patriarchen zu wählen.

Was diese Bischöfe unter keinen Umständen tun dürften, wäre, einen neuen Papst zu wählen, auch nicht irgendeine Art Sekte zu gründen und auch nicht, sich eine universelle Jurisdiktion in der Form der Gründung eines modernen religiösen Ordens anzuzeigen, was jedweden apostolischen Sinnes entbehrte (wie Lefebvre es tut). Was sie zu tun hätten, ist einfach dies: zu handeln, wie die Apostel es taten - und nichts anderes.

Hochwürdigster Herr Bischof (Carmona), mit diesen kurzen Ausführungen erlaube ich mir, Ihnen einen Anhalt zum Nachdenken zu geben - zum Wohl des Glaubens und der heiligen Kirche.

Die Tradition der Kirche ist sehr reich an Institutionen, Gesetzen und Gebräuchen, die mit voller Legitimität heutzutage im Zeitalter der Katakomben, zu denen wir verurteilt sind, wiederbelebt werden können. Wichtig ist es, bis in die letzten Konsequenzen hinein das unveränderliche, göttliche Recht zu respektieren,als es auch zu verstehen, das kirchlich-menschliche Recht gebührend anzupassen und zu aktualisieren, um es in den Dienst des Glaubens zu stellen.

Heute - wie stets - haben wir die immer festere Überzeugung, daß die Pforten der Hölle die Kirche nicht überwinden. Wenn diese auch auf ein Minimum ihrer Sichtbarkeit reduziert ist, so wird sie doch ihre Gegenwärtigkeit in der Welt bis an das Ende der Zeiten behalten. Wenn wir daran nicht zweifeln und demütig den Prinzipien der Tradition anhängen, frei von Sektierertum, Messianismus und Wundersucht, dann wird in uns die Gnade des Allerhöchsten durch Seinen Sohn Jesus Christus den belebenden Geist anzünden - und die Kirche wird niemals zugrunde gehen.

Möge die heiligste Mutter Gottes, Maria - Königin des Himmels und auch unsere
Herrscherin - für uns bitten, damit unser Glaube nicht wanke.

Ich bitte um Ihr Gebet

In Jesus und Maria
(gez.:) Alvaro Ramirez Arandigoyen

Adresse:
"Ediciones Fidelidad", Casilla de Correo (Postfach) 4224 C Central,
1000 - Buenos Aires, Argentinien.


*) Anm.d.Red.:
Hier wird zum ersten Mal versucht, Pflichten, Vollmachten und Rechte der durch Mgr. Ngo-dinh-Thuc geweihten Bischöfe zu definieren. Dieses Thema wird uns auch in der Zukunft weiter beschäftigen. Es wird kontrovers geführt, um so die stichhaltigen Argumente herauszufiltern. Inzwischen hat Mgr. Guérard des Lauriers eine Erklärung veröffentlicht, die auch zu diesem Thema Stellung bezieht und deren erster Teil inzwischen in den SAKA-Informationen vom Jan. 1984 erschienen ist. Wir werden diese Erklärung auch in EINSICHT veröffentlichen. Wir werden uns auch bemühen, Autoren zu finden, die Auskunft geben können über die Papstwahl als solche, über ihre mögliche Durchführung unter heutigen Umständen. Dabei werden die von Herrn Ramirez gemachten Vorschläge noch einmal zu prüfen sein.


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