54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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1. ZUM MAI-MONAT
2. HYMNUS AUF DIE GOTTESMUTTER
3. MGR. LEFEBVRES BRIEF AN MGR. WOJTYLA MIT EINER STELLUNGNAHME DES H.H. GUÉRARD DES LAURIERS
4. DER BUMERANG
5. BRIEF AN EINE ZEITSCHRIFT
6. WENN ICH NICHT AN SEINEN HÄNDEN DAS MAL DER NÄGEL SEHE...
7. INSTAURARE OMNIA IN CHRISTO!
8. QUELLEN DER KIRCHENMUSIK
9. ÜBER DAS WESEN DER EHE
10. DIE KATHOLISCHE JUGENDARBEIT
11. HOLLÄNDISCHE KLÖSTER ALS SEX-KOMMUNEN
12. EINGESTÄNDNISSE DER REFORMER
13. ÜBER DIE 'MESSE' JOH. PAULS II. IN MEXIKO
14. 'BR0T'
15. PARADIES UND SÜNDENFALL
16. DIE LIBERALE NÄCHSTENLIEBE
17. ZUM FERNSEHINTERVIEW DES 'BISCHOFS' ERNST
18. MITTEILUNGEN DER REDAKTION
19. PAS DE FRANC-MAÇONNERIE DANS NOTRE EGLISE!
QUELLEN DER KIRCHENMUSIK
 
QUELLEN DER KIRCHENMUSIK

von
H.H. Dr.theol. Otto Katzer


Tief ergriffen lausche ich dem Gang der Synagogalmusik zu. Inbrünstige Sehnsucht nach dem Messias hebt sich zum Himmel empor, die zulet zt fast in einen Schrei der Verzweiflung mündet: M A R A N A T H A , unser Herr, komm!

"Der Engel Gabriel ward von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa mit Namen Nazareth zu einer Jungfrau, die verlobt war mit einem Manne namens Joseph, aus dem Hause Davids. Der Name der Jungfrau war Maria. Der Engel traf bei ihr ein und sprach: 'Sei gegrüßt, du Gnadenvolle! DER HERR IST MIT DIR! ( . . . ) Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Siehe du wirst empfangen und einen Sohn gebären. Dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und der Sohn des Allerhöchsten genannt werden. Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird herrschen über das Haus Jakob in Ewigkeit, und seines Reiches wird kein Ende sein. ( . . . ) Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten. Darum wird auch das Heilige, das aus dir geboren wird, Sohn Gottes genannt werden.' Da sprach Maria: 'Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort'" ( l ) UND DAS WORT IST FLEISCH GEWORDEN!

"Hirten hielten auf freiem Felde Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie. Und sie fürchteten sich sehr. Der Engel aber sprach zu ihnen: 'Fürchtet euch nicht! Seht, ich verkünde euch eine große Freude, die allem Volke zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, der Messias und Herr.' ( . . . ) Alsbald gesell e sich zu dem Engel eine große himmlische Heerschar, die Gott lobte und sang: 'Ehre ist Gott in der Höhe und auf Erden Friede den Menschen seiner Huld.'"(2) "Es gibt noch vieles andere, was Jesus getan hat. Wollte man das im einzelnen niederschreiben, so könnte, glaube ich, die ganze Welt die Bücher nicht fassen, die man schreiben müßte ! "(3) "0 ihr Unverständigen und von langsamer Fassungskraft, um alles zu glauben, was die Propheten verkündet haben! Mußte der Messias nicht dies leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen?"(4) "Als das Pfingstfest kam ( . . . ) alle wurden mit dem Heiligen Geiste erfüllt. Sie begannen in fremden Sprachen zu reden, wie der Heilige Geist ihnen das Wort dazu verlieh! " ( 5 ) "IM ANFANG WAR DAS WORT, UND DAS WORT WAR BEI
GOTT, UND DAS WORT WAR GOTT!

Bevor wir zu unserem eigentlichen Thema kommen, müssen einige Sachverhalte geklärt sein:

Im Worte ist das Leben in seinem ewigen Dreiklang des Guten, Wahren und Schönen. Es ist Licht der Menschen, das in der Finsternis des Lebens jeden Menschen erleuchtet. Es ist Quelle von allem erschaffenen Sein, welches, insofern es das ist, was es "ist" (das Schlechte ist Mangel, also ein NichtVorhandensein, des entsprechenden Guten!), den Dreiklang des Guten, Wahren und Schönen aufweist. Daß es nur wenige sind, die ihn vernehmen, ändert an der Tatsache nichts, wie auch die Pracht einer Wiese im Frühling nicht dadurch verloren geht, weil ein Blinder sie nicht sieht. Wir leben inmitten einer wunderbaren Symphonie der Schöpfung, welche uns jederzeit mit Freuden erfüllen würde und zum Preis an ihren Schöpfer anspornen möchte, wenn nur unser Sein stets im Dreiklang und auf den Dreiklang gestimmt bliebe. Erleben wir diese also nicht; dann ist es höchste Zeit, unser Gewissen zu ersorschen. Es kann auch sein, daß Gott uns auf die Probe stellt! Im Büchlein der ewigen Weisheit von Heinrich Seuse lesen wir die Worte: "Verberge ich mich und ziehe das Meine aus der (menschlichen) Seele ab, so wirst du erst inne, wer ich bin; wer aber bist du." Die Übertragung in die moderne Sprache raubt viel von der ursprünglichen Innigkeit: "Alle die wile liep" bi liebe ist, so enweis liep nit, wie liep liep ist, swenn aber liep von liep gescheidet, so emphindet erst liep, wie liep liep waz." - (Solange der Liebende mit dem Geliebten weilt, ermißt er dessen Liebe nicht; sind aber beide getrennt, so wird sich der Liebende erst des anderen Liebe bewußt.)/(6) .Wir werden noch im Kapitel über die musikalische Beurteilung der Übersetzungen darauf zurückkommen müssen, daß die Sprache etwas mehr ist als bloße Buchstabensetzerei: nämlich eine Symphonie von unaussprechlicher Schönheit und Tiefe.

Hiermit kommen wir auch zur zweiten Sache, dem gesprochenen Worte Christi. Welchen Wohlklang mußte Seine Stimme nur aufweisen! Wenn wir bedenken, daß ER, als das ewige WORT, alles mit einem Worte erschaffen hat, dann gewinnen wir einen, wenn auch unserer allseitigen Beschränktheit entsprechenden Einblick in die Macht des Wortes des Gottmenschen. Wie machtlos dem gegenüber erscheinen die Worte der Menschen, welche glauben, daß erst ihre Anhäufung der Sprache Gewicht verleiht! Dies zeigt sich erst recht im geschriebenen Wort, welches in gewissen Dingen das Gesprochene nie, oder nur äußerst unvollkommen, oft irreführend, ersetzen kann. Das geschriebene Wort ist nämlich einer Partitur gleichzustellen, die uns sehr viel sagt, aber bei weitem nicht alles. Es ist die Aufgabe des vorführenden Künstlers in den Geist des Geschriebenen einzudringen. Darin äußert sich seine Kunst, wie weit ihm das gelingt. Der Leser wird nun schon leicht einsehen, warum die heilige Kirche das Wort Gottes nur von Gott geweihten Personen (und das auch nur noch unter ganz gewissen Bedingungen) lesen läßt. "Die menschliche Stimme erkennen wir fast unfehlbar aus einem Tongewirr heraus und auch die Stimmen verschiedener Menschen lassen sich in Bälde oder sosort unterscheiden. Diese Eigenschaft beruht auf strukturellen Verschiedenheiten im Bau des Stimmorgans"(7), und noch anderen Ursachen, welche die spezifische individuelle Klangfarbe beeinflussen können. (Wir werden bei der Betonung noch darauf zu sprechen kommen.) Toscanini widmete sein ganzes Leben dem Studium von Beethoven, um ihn zu dirigieren können. Wie muß erst recht da der Priester sein ganzes Leben ausopfern, um das Wort Gottes verkündigen zu können. Von Christus könnte wohl der Teufel am besten eine Rede halten, venn er es wollte, kann aber mit keinem Worte Christus predigen! Es genügt nämlich nicht, nur in den Bereich des Natürlichen einzudringen. Da wir es beim Worte Gottes in erster Linie mit der Übernatur zu tun haben, muß der Vortragende fähig sein, in diese einzudringen, soweit es ihm von Gott gestattet wird. Daß dies ohne eine äußerste Herzensreinheit, oder wenigstens einer aufrichtigen Sehnsucht nach ihr, nicht möglich ist, sollte allen begreiflich sein. Analog verhält es sich auf allen Gebieten der darstellenden Künste. So sagt Michelangelo im Gespräch mit dem Portugiesen Franzisko de Hollanda: "Ein gutes Gemälde ist nichts anderes als ein Abglanz der Vollkommenheiten der Werke Gottes und eine Nachahmung seines Malens; eine Musik und eine Melodie schließlich, die nur ein vornehmer Geist, und auch dieser nur mit Anstrengung auszudenken vermag. Darum ist ein solches Malen so selten, daß (fast) niemand es ausführen noch begreifen kann. Das verehrungswürdige Antlitz des Heilands einigermaßen annehmbar wiederzugeben, ist ein so schwieriges Unternehmen, daß es nicht genügt, wenn ein Maler ein großer und kundiger Meister ist. Vielmehr bin ich der Ansicht auch sein Lebenswandel müsse rein und womöglich heilig sein, damit der Heilige Geist seine Gedanken lenke. ( . . . ) Geistliche und weltliche Würdenträger sollten daher nur die besten Künstler in ihren Reichen und Gebieten die Milde und Demut des Erlösers oder die Reinheit der Jungfrau Maria nebst den Heiligen malen lassen. (...) Schlecht gemalte Bilder zerstreuen und vernichten die Andacht, wenigstens bei solchen, welche nur wenig davon besitzen, während Bilder, welche mit frommem Sinne gemalt sind, sogar die weniger Frommen und zur Andacht geneigten zu andächtiger Betrachtung und zu Tränen bewegen und mit ihrem ernsten Ausdrucke Ehrfurcht und Scheu einflößen."(8)

Mehr als ein Gemälde sagt das Wort, weshalb ihm die größte Aufmerksamkeit zu widmen ist. Das Gegenteil aber sindet statt: ein jeder glaubt, geeignet zu sein über göttliche Dinge zu reden. (Sie zu malen, das wagen nur wenige!) Die Ursache liegt darin, daß die meisten Menschen wenig oder nichts Religiöses erleben, ja man könnte sagen, je weniger sie erleben, um so mehr sprechen sie darüber, so oder so für oder gegen!"Allmächtiger im Walde", ruft Beethoven aus, "ich bin selig, glücklich im Wald: jeder Baum spricht durch dich. 0 Gott, welche Herrlichkeit! In einer solchen Waldgegend, in den Höhen ist Ruhe, Ruhe ihm zu dienen. Ist es doch, als ob jeder Baum zu mir spräche auf dem Lande: heilige, heilig! Im Walde Entzücken! Wer kann alles ausdrücken!

Wenn ich dann und wann versuche, meinen aufgeregten Gefühlen in Tönen eine Form zu geben - ach, dann sinde ich mich schrecklich getäuscht: ich werfe mein besudeltes Blatt voll Verdruß auf die Erde und bin fest überzeugt, daß kein Erdgeborener je die himmlischen Bilder, die seiner aufgeregten Phantasie in glücklicher Stunde vorschwebten, durch Töne, Farbe oder Meißel darzustellen im Stande sein wird.

Was ist das alles gegen den großen Tonmeister oben - oben - oben - und mit recht allerhöchst, wo hier unten nur Spott damit getrieben wird - die Zwerglein allerhöchst!? Wenn ich am Abend den Himmel staunend betrachte und das Heer der ewig in seinen Grenzen sich schwingenden Lichtkörper, Sonnen oder Erden genannt, dann schwingt sich mein Geist über diese so viel Millionen entfernten Gestirne hin zur Urquelle, aus welcher alles Erschaffene strömt und aus welcher ewig neue Schöpfungen entströmen werden.

Ja, von oben muß es kommen, das, was das Herz treffen soll; sonst sinds nur Noten, Körper ohne Geist. Was ist Körper ohne Geist? Dreck oder Erde. Der Geist soll sich aus der Erde erheben, worin auf eine gewisse Zeit der Götterfunke gebannt ist, und ähnlich dem Acker, dem der Landsmann köstlichen Samen anvertraut, soll er aufblühen und viele Früchte tragen und also vervielfältigt hinauf zur Quelle emporstreben, woraus er geflossen ist. Denn nur durch beharrliches Wirken mit den verliehenen Kräften verehrt das Geschöpf den Schöpfer und Erhalter der unendlichen Natur - Höheres giebt es nichts, als der Gottheit sich mehr als andere Menschen nähern und von hier aus die Strahlen der Gottheit unter das Menschengeschlecht verbreiten. "(9)

Musik und Gesang erweist sich als die schöpferische Höchstleistung des Menschen. Nie dürfen wir aber vergessen, daß das gesprochene Wort ihre erste Stufe bildet. Welches war wohl das erste Wort, welches aus dem Munde des ersten Menschen erklang? Erklang, also klangvoll war! War es nicht VATER? Eine ehrfurchtsvolle, anbetende Symphonie, die allein von dem "Vater unser" unseres Heilandes übertroffen wurde!

Wenn wir betonen mußten, daß das Wort Gottes, wenn es vorgetragen wird, sich aus dem Erlebnis gestalten muß, ist hiermit klar gesagt, daß beide Gebiete aus welchen es stammt, das Übernatürliche und Natürliche, voll erfaßt werden müssen, soweit es für einen Menschen überhaupt erreichbar ist. Für den Priester mehr als für den Dichter und Tondichter gelten die mahnenden Worte des tschechischen Literaturkritikers Salda: "Seid aufrichtig bis auf das äußerste, und lüget dort nichts vor, wo ihr nichts erlebt. Wenn ihr nicht religiös denkt, wenn ihr nicht religiös lebenskräftig schafft, dann sprechet keinen Buchstaben von diesen Worten aus, sonst würdet ihr nur die religiöse Fäulnis vermehren, die sowieso schon so groß i s t , daß nicht nur die Erde, sondern bereits auch der Himmel von ihr angegriffen ist!"(lo)

Es schaudert einem förmlich wenn man so manche gelehrte Bibelkritik in die Hand bekommt, aber noch mehr, wenn man einen Vortrag aus diesem Gebiete hört! Welch ein Gerassel und Geprassel von leeren Worten! Wie oft nur wird da das Wort mißbraucht, was noch abscheulicher ist: das Wort Gottes; ja der Name Gottes selbst!

"Einmal im Jahre", erzählt eine chasichsche Parabel, "zu einer bestimmten Stunde, pflegten die vier größten Heiligkeiten zusammenzukommen. Das war am Versöhnungstage, wenn der Hohepriester nach dem allerheiligsten Orte kam und da den Namen Gottes aussprach. Und da dieser Augenblick unermeßlich heilig und fruchtbar war, war er zugleich der gefährlichste, sowohl für den Hohenpriester, als auch für das gesamte Volk Israel. - Wenn in diesem Augenblick dem Hohenpriester - was Gott verhüten möge - ein sündiger oder fremder Gedanke gekommen wäre, so wäre die Welt vernichtet worden.

Jeder Ort, an dem ein Mensch den Blick zum Himmel erhebt, ist dem Allerheiligsten des Tempels gleich. Jeder Mensch, den Gott nach seiner Gestalt geschaffen hat, ist wie ein Hoherpriester, jeder Tag des Menschenlebens ist ein Versöhnungstag und jedes Wort, das ein Mensch aufrichtig ausspricht, ist wie der Name Gottes. Darum zieht jede Sünde und jedes Vergehen eines Menschen den Sturz der Welt nach sich."(11) Das mag vielen etwas überspitzt vorkommen, aber schlägt uns in Anbetracht des weltweiten Mißbrauches des Wortes, nicht das Gewissen? Ist es nicht unser Ich, welches aus allen unseren Reden hervorklingt? Gerade dieses müssen wir aber vergessen, wenn wir das Wort Gottes erfassen wollen.

(Fortsetzung solgt)

ANMERKUNGEN:

(1) Luk. 1,26-38.
(2) Luk. 2,8-14.
(3) Joh. 21,25.
(4) Mark. 24,27.
(5) Apostg. 2,1-4.
(6) Heinrich Seuse, Deutsche mystische Schristen, Kap.9,S.242, Patmos, Düsseldorf 1966.
(7) Dr. Seb. Killermann, Stimme und Sprache, S.55, Pustet, 19lo(Sammlung Kirchenmusik).
(8) zitiert bei Joseph Schnitzer, Savonarola 11,834. Ernst Reinhard, München 1924.
(9) Beethovens Denkmal im Wort, von Richard Benz, S. 75ff, Piper, München.
(10) F.X. Salda, Studie o umenÌ a basnÌcÌch, S.35, Melantrich, Prag.
(11) Thieberger, Jüdisches Fest, Jüdischer Brauch. S.19/', Chasichsche Parabel An-ski.
 
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