54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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1. Anmerkungen zur Fastenzeit 2009
2. Die Reinheit
3. Visionen über die Endzeit und den Antichrist
4. Dogmatische Konstitution Pastor aeternus
5. Der Präzedenzfall Talleyrand
6. Die Erfassung der Einheit (des Wesens) Gottes
7. Zum 150. Geburtstag des Wüstenheiligen Charles de Foucauld
8. Bedenke das Ende ... - Betrachtungen über den Tod
9. Von der Anarchie zur Imitatio Christi
10. Der verschollene Ruf der Mutter
11. Nachrichten, Nachrichten, Nachrichten
12. Mitteilungen der Redaktion
Anmerkungen zur Fastenzeit 2009
 
Anmerkungen zur Fastenzeit 2009

von
Eberhard Heller

So wie der Auferstehung des Herrn sein Leiden und Sterben vorausging, so ging dem kirchlichen Osterfest die Fastenzeit voraus, die sich seit Gregor d.Gr. an dem 40-tägigen Fasten des Herrn orientiert, das Ihn in die Wüste führte, nachdem Er vom Teufel vergeblich versucht worden war. Seit altersher wurde das Fasten begründet mit der teilnehmenden Trauer um den leidenden Heiland, mit der Notwendigkeit, unser Gebet dadurch zu unterstützen, um sich Gott als lebendige Opfergabe darzubieten. Wir sind also aufgefordert, uns an dem Verhalten Jesu auszurichten, um uns durch körperliche Askese und Zurückhaltung in den Stand zu versetzen, uns zu befähigen, unser Kreuz auf uns zu nehmen - wie Er seines auf sich nahm - , um Ihm nachzufolgen, schließlich auch, um mit Ihm aufzuerstehen in der Freude des Ostermorgens.

Die körperlichen Fastenübungen sind aber nicht Selbstzweck, sondern gleichsam Vorstufen bzw. Einübungen in eine geistige Zucht, auf die wir uns gerade heute erheben sollten, um die Geschehnisse unserer Tage zu verstehen und zu ertragen. Vielleicht gelingt es uns, deren heilsgeschichtliche Bedeutung zu erahnen. Ein solch geistiges "Fasten", d.h. die Konzentration auf wesentliche Momente, nach denen wir unser Leben gestalten sollen, ist um so angebrachter, als sich viele von uns durch heilssüchtiges Schielen korrumpiert haben, durch Entfalten eines Aktivismus, der nur heil-lose (d.i. ohne Heilsgnaden) Resultate bringen konnte. Das gilt für Laien, aber auch für Priester, die sich z.B. keine Rechenschaft geben oder gegeben haben für ihren Status in einer führer- und de facto autoritätslosen Kirchengemeinschaft.

Es dürfte inzwischen Klarheit darüber herrschen, in welcher Situation wir uns befinden und welche Probleme wir zu meistern haben: wir müssen diese Diaspora-Situation, d.i. die Vereinzelung der Gläubigen in einer gleichgültigen oder verständnislosen Umwelt, die uns immer weniger versteht, als eine wirkliche Herausforderung und Aufgabe annehmen, die uns Gott gestellt hat. Ihr zu entsprechen - mit dem Vertrauen auf sein Barmherzigkeit, daß Er uns nicht über unsere Kräfte versucht - bedeutet eine wesentlich intensivere Hingabe an die Gestaltung unseres religiösen Lebens als in Zeiten einer geregelten Kirchenführung. Denn ohne priesterliche Unterstützung, die uns bald immer mehr fehlen wird, werden wir nicht nur für uns selbst, für unsere eigene religiöse Bildung, sondern auch für die unserer Kinder Verantwortung übernehmen müssen. Uns sollte dabei bewußt sein und bleiben, daß sich an dieser geistig-geistlichen Situation nicht so schnell etwas ändern wird. Dr. Hugo Maria Kellner - einer der ersten Gläubigen, der das gesamte Ausmaß der sich anbahnenden Revolution bereits vor über 35 Jahren nüchtern einschätzte - beschrieb sie so:

"Diese [derzeitige] Apostasie ist dadurch bestimmt, daß sie nach der Erlösung des Menschen durch Christus geschieht. So ist sie nichts anderes als die Zurückweisung der erlösenden Gnaden, die dem gefallenen Menschen von Christus angeboten wurden, um ihn zu befähigen, Gottes Geboten zu gehorchen und seine Errettung im Himmel trotz seiner gefallenen Natur zu gewinnen. Dieser Typ der Apostasie von Gott ist nach den Worten des hl.Paulus (Hebr. 6:4-6) unumkehrbar. Diese Tatsache muß als wichtigste Überlegung in der Einschätzung unserer gegenwärtigen Situation gewertet werden, zumal sie jegliche Hoffnung darauf ausschließt, daß die gegenwärtige katholische Amtskirche wieder zur katholischen Rechtgläubigkeit zurückkehrt. Sie wird sich vielmehr dauernd der Apostasie von Gott anschließen, wie sie von der übrigen Menschheit außerhalb ihres Wirkungskreises schon praktiziert wird." (EINSICHT Nr. 6 vom Sept. 1971)

"Dies erklärt die Tatsache, daß niemals eine apostatische, protestantische Sekte (im Gegensatz zu den früheren christlichen Häresien) zum wahren katholischen Glauben zurückgekehrt ist." (EINSICHT Nr. 12 vom März 1973) D.h. wir können ausschließen, daß diese Konzils-'Kirche' sich als solche wieder zur Orthodoxie bekehrt, mag auch manchem das Verhalten von Ratzinger noch so konservativ oder restaurativ erscheinen.

"Unter solchen Umständen, welche klar den eschatologischen Charakter unserer Zeit kennzeichnen, kann das rechtmäßige Lehramt der Kirche nicht mehr als existierend angesehen werden. Völlig utopisch sind deswegen alle Hoffnungen, daß Fragen, die den wahren katholischen Glauben betreffen, wie sie bezüglich der von Kardinal Montini vor seiner Wahl zum Papst gemachten öffentlichen Äußerungen aufgeworfen wurden, durch behördliche Entscheidungen des "Lehramts der Kirche" rechtmäßig entschieden werden könnten. Dies macht klar, daß in der gegenwärtigen Notzeit die Fragen, was rechtgläubig katholisch ist, nur von den rechtgläubigen katholischen Christen selbst entschieden werden können und müssen, indem sie die altehrwürdigen, anerkannten Normen der katholischen Rechtgläubigkeit wie die Entscheidungen gültiger allgemeiner Konzilien, die Enzykliken der anerkannten rechtgläubigen Päpste, die Theologie des hl. Thomas von Aquin und auch alte Katechismen heranziehen. Glücklicherweise muß kaum eine wirklich strittige theologische Frage entschieden werden. Diese Beweisführung stimmt völlig mit Christi eigener Lehre überein: Für die Zeit, in der die Kirche voll funktionsfähig ist, behält Christus das letzte Urteil in Streitfragen der Kirche vor, wie aus Seinen Worten in Matth. 18:17 hervorgeht: "Hört er (der Schuldige) auch auf diese (eine Abordnung von Zeugen) nicht, so sag es der Kirche. Hört er aber selbst auf die Kirche nicht, so gelte er dir wie ein Heide und Zöllner." Aber Christus befiehlt dieses Vorgehen nicht für das Ende der Zeiten, wenn "falsche Propheten und falsche Christusse" in die Kirche eingefallen sind und sie untergraben haben. Für diese Zeit weist Er die Gläubigen an, ihr eigenes Urteilsvermögen zu gebrauchen, belehrt durch das Übel, das von den falschen Propheten und den falschen Christus verursacht wird, indem Er sagt: 'An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.' (Matth. 24:11, 24: 24, 7: 15)" (EINSICHT Nr. 5 vom Aug. 1971)

Diesem eigenen Urteilen sollte ein intensives Hinhören vorausgehen, ein Hinhören auf die vielschichtigen Entwicklungen um uns herum, die nicht alle nur negativ zu bewerten sind: bei etlichen Mitmenschen, die uns zunächst fremd erschienen, finden wir Zustimmung für unser offensives Eintreten für entscheidende Glaubenswahrheiten. So kann aus diesem Hin- bzw. Entgegenhören ein Verstehen, und aus dem Verstehen eventuell ein Mitfühlen und daraus wiederum ein Mittragen der gesitigen Nöte unserer Nächsten werden. Wir leben noch aus der Güte Gottes. Als Christus Petrus die Schlüsselgewalt übertrug, hat er ihn nicht gefragt, ob er alle seine Reden richtig interpretieren könne, die Paragraphen und alle Lehrsätze genauestens beachten wolle, nein, er fragt ihn dreimal, ob er – Petrus – ihn liebe. Mehr nicht! Wenn wir etwas vom Christentum begriffen haben, dann das, daß wir unser Leben aus dieses Zentrum heraus zu gestalten haben. Und wir sollten unsere Mitmenschen, besonders die, die unschuldig in dieses geistige Desaster hineingeschlittert sind, an der Güte Christi durch unsere Vermittlung teilhaben lassen.

 
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