54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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DIE, DIE WEINT - UNSERE LIEBE FRAU VON LA SALETTE, Vorspann
 
LEON BLOY

CELLE QUI PLEURE - NOTRE DAME DE LA SALETTE

DIE, DIE WEINT - UNSERE LIEBE FRAU VON LA SALETTE




aus dem Französischen übersetzt von BERTHA DIEHL

(nach der Ausgabe des Mercure de France, Paris 1927)

herausgegeben vom

Freundeskreis e.V. der UNA VOCE - Gruppe Maria

München 1983





Vorwort des Herausgebers


"Niemand führe euch irre auf irgendeine Weise. Denn zuvor muß der Abfall kommen und offenbar werden der Mensch der Gesetzlosigkeit, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, der 'sich über alles erhebt, was Gott heißt' oder Gottesverehrung, so daß er sich in das Haus Gottes setzt und sich für Gott ausgibt." (2 Thess. 1,3 f.)


Als wir Weihnachten 1979 mit der Veröffentlichung von Leon Bloys eindringlichem Buch über La Salette, das in unserer Zeitschrift zum ersten Mal (!) in deutscher Übersetzung erschien, begannen, geschah es in der Absicht, den Lesern Gelegenheit zu geben, gleichsam von einem übernatürlichen Standpunkt aus, mit den tränengefüllten Augen der Mutter Gottes auf unsere Zeit voller Glaubensnot herabblicken zu können. Unser weitgehend mit theologisch-dogmatischen Argumenten geführter Kirchenkampf gegen eine Hierarchie, die den Glauben verloren und verraten hatte und ihn von den okkupierten hierarchischen Positionen 'amtlich' verfälschte, sollte so durch die warnende, tränenerstickte Stimme der hl. Jungfrau unterstützt und auf eine andere Weise erklärt und verständlich gemacht werden. Die Herzen der Stolzen sollten gerührt werden. Diese Erzsünde, die die wirkliche Verbreitung der himmlischen Warnung seit 1846 verhindert oder sie auf das Niveau eines Wochenendhoroskop herabgezogen hatte und durch die der erhabene Ort der Erscheinung in einen Andenkenladen verwandelt worden war, hatte sich auch unter denen breit gemacht, die angeblich gegen die zerstörerischen Reformen im Gefolge des II. Vatikanums angetreten waren. Vielfach konnte (und kann) man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Abneigung gegen die Reformen nicht so sehr in übergroßer Glaubensüberzeugung, sondern vielmehr in dem Hang wurzelt, den alten, wohl gehüteten und gehätschelten Fehleinstellungen treu zu bleiben. Doch am Heilsegoismus, an der Selbstgerechtigkeit, an der Überheblichkeit, an der Unwahrhaftigkeit - die alle wirklichen Probleme verdrängt, die blind macht gegen die eigenen Sünden -, an der doppelten Moral, an dem Parteidenken - das das Ringen der Kirche zu einem politischen Wahlkampf degradierte -, besonders aber am Stolz, am Stolz der Kleriker ist die alte Kirche weitgehend zerbrochen.

Wer hat nun in unseren, vorgeblich der wahren Tradition verpflichteten Kreisen die Stimme vernommen, die in La Salette so eindringlich mahnte? Wo sind die hochherzigen Seelen, die ohne Schielen nach dem eigenen Geldbeutel den Glauben an Gott durch ihr L e b e n so überzeugend aufleuchten lassen, daß sie dadurch andere zu Gott hinführen? Wo ist die Demut, die Einsicht in begangene Fehler erzeugt, wo der Seelenhirt, der nicht zur "Kloake der Unreinigkeit" geworden ist?

Das vorliegende Buch richtet sich an die wenigen, die in aller Armseligkeit helfen wollen, die Tränen der Trauernden von La Salette zu trocknen. Mein Dank gilt in besonderer Weise Frau Bertha Diehl, die in dem hohen Alter von fast 80 Jahren die Mühe der Übersetzung übernahm, und Frau Lotte Melier, unserer früheren, inzwischen verstorbenen Schriftführerin, die ihre Freundin gewinnen konnte, Leon Bloys schwierigen Text ins Deutsche zu übertragen.

München, 5.11.1983

Im Namen des Freundeskreises e.V. der Una voce - Gruppe Maria

(sig.:) E. Heller

***


... Die kleinen Kinder unter sieben werden von einem Zittern ergriffen werden und in den Händen der Bersonen sterben, die sie halten, ... die andern werden durch Hunger Buße tun ... Die Jahreszeiten werden geändert sein ... (Worte der heiligen Jungfrau)


(Widmung :)

An Pierre Ternier
Chefingenieur der Bergwerksinnung
Professor an der Bergwerksschule


Dieses Buch muß wohl Ihnen gewidmet werden, lieber Freund, denn ohne Sie würde es nicht bestehen. Ich hatte den Plan dazu vor 27 Jahren aufgegeben und endlich nicht mehr daran gedacht, da ich ihn für unausführbar hielt.

Unsere liebe Frau vom Mitleid schluchste immerzu auf dem Berg, und ich hörte sie nicht mehr. Sie befahl, daß ich durch Sie wieder dazu ermuntert würde. Wir sind uns auf eine so wunderbare Weise begegnet. Seit 30 Jahren erwarteten Sie einen, der Ihnen von La Salette spräche. Ich erwartete, daß mir gegeben würde, in angemessener Weise davon zu sprechen.

Es geschah schließlich eines Tages - es ist noch nicht lange her - daß Sie einige Seiten in einem meiner Bücher gelesen hatten, worin ich mich bemüht hatte, unsere liebe Frau von La Salette zu verherrlichen. Es schien Ihnen, daß ich wohl der Schriftsteller sein könnte, den Sie erhofft hatten. Wir lernten uns also kennen, und Ihr Eindruck, weit davon, sich zu ändern, verstärkte sich.

Was konnte ich, ermutigt durch Sie und in Ihnen einen Gesandten Mariens sehend, Besseres tun als gehorchen? Aber es kostete mich deshalb nicht weniger, den Schwierigkeiten, Bitternissen, die mit einem solchen Gegenstand verbunden sind, die Stirn zu bieten.

La Salette ist noch nach sechzig Jahren die Quelle des Widerspruchs, wovon in der hl. Schrift geschrieben ist - und die es lieben, sind dazu berufen zu leiden.

"Laßt sie zu meinem ganzen Volk gelangen", hatte die Muttergottes zu den Hirtenkindern gesagt, nachdem sie ihnen die Große Botschaft verkündet hatte. Also sage ich zu Ihnen: Lassen Sie mein Buch zu den Armen gelangen. Sie verstehen mich gut. Ich rede von jener leidenden Herde, an die niemand denkt und mit der niemand Mitleid hat: den Großmütigen, die die Wahrheit nicht kennen, den schönen, unsteten Seelen, die eine Unterkunft für den Tag brauchten ... "Mich erbarmt des Volkes", sagte Jesus. Habt Mitleid mit jener Herde, die vor Durst stirbt am Ufer der Flüsse des Paradieses.

Maria Geburt, 8. Sept. 1907

Leon Bloy

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Erklärung des Verfassers

In meiner Eigenschaft als Katholik erkläre ich, daß ich mich gänzlich der Lehre der Kirche, den Regeln und Entscheidungen des Heiligen Stuhles unterwerfe, besonders bezüglich der Dekrete der Oberhirten Urbans VII. und Benedikts XIV., die eine Heiligsprechung betreffen.

Wenn es mir unterläuft, beim Sprechen von den beiden Hirtenkindern die Worte heilige oder Heiligkeit zu verwenden, so geschieht dies nur in einem bedingten Sinne wegen der Mangelhaftigkeit unserer Sprache und des Fehlens von Worten, die meinen Gedanken vollkommener ausdrücken könnten.

Im voraus stelle ich den strengen und absoluten Sinn in Abrede; denn keiner kann heilig genannt werden, sofern ihn die Kirche nicht offiziell als solchen erklärt hat.

Leon Bloy

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Taceat mulier ...! (Es schweige die Frau ...!)

Ich habe gerade eine fürchterliche Predigt gegen den Materialismus und Naturalismus, die gegen die übernatürliche Offenbarung sind, über mich ergehen lassen. Alle philosophischen Gemeinplätze aus dem Seminar sind vor dem unbeweglichen Allerheiligsten vorbeigezogen.' Ach, ich war zur Kirche gekommen wie ein Bettler voller Bitten. Dieser Abgrund leerer Worte hat sie verschlungen, und meine Seele ist in einem schlechten Schlaf versunken wie ihn Geschwätz verursacht. Das ist es also, was diese Prediger, die lange erzogen und mit soviel Sorgfalt in der Verachtung der Warnungen von La Salette ausgebildet worden sind, im Angesicht des Feindes sich ausdenken konnten - am Vorabend schrecklichen Verfalls!

Welche planmäßige Verbildung oder welchen Mangel an Glauben muß man nicht voraussetzen, daß solche Priester in solch großer Zahl dahin gelangten, nicht mehr zu wissen, daß Glaube und Gehorsam das Grundvermögen des Menschen sind, daß man folglich Apostel braucht und nicht Redner, Zeugen und nicht Angeber. Es ist jetzt nicht an der Zeit, zu beweisen, daß Gott ist - die Stunde schlägt, das Leben für Jesus Christus hinzugeben.

Aber jedermann verweigert es Ihm mit Entschiedenheit. Nicht diesem! Eher einem Teufel! Zwar haben die Christen aufgehört, an den Teufel zu glauben. Versucht doch einmal, mit der Autorität des Evangeliums verständlich zu machen, daß der Reichtum ein Fluch sei, daß es unmöglich ist, Gott und der Welt zu dienen, daß die Feste oder Bazare - angeblich der Wohltätigkeit - den Brand entzündeten, und daß die hübschen Frommen, die dort eine letzte, wahrhaft höllische Folter suchen, Dienerinnen des Teufels sind, sehr aufmerksame, und sie wurden belohnt, wie es sich ziemt. Das wird nicht zuviel an endgültiger Veränderung sein-verursacht durch das, was man übereingekommen ist, ungenau Tod zu nennen -, wenn man plötzlich entdeckt unter einem Geschrei, das den Schoß der Ewigkeit durchbricht, bis zu welchem Punkt auch die treuesten unter uns Menschen ohne Glauben gewesen sein werden.

"Wenn Frankreich, beschmutzt vom Kopf bis zu den Füßen", sagte Melanie, "durch die Geißeln der göttlichen Gerechtigkeit gereinigt sein wird, wird Gott ihm einen Mann schenken, aber einen freien Mann, um es zu regieren. Es wird dann gefügig sein, fast vernichtet."

Man müßte mit einer seltenen Dummheit begabt sein, einen solchen Mann unter den Rindviechern von Wallfahrern oder katholischen Kongreßteilnehmern zu suchen. Ach, ich erinnere mich an diese lärmenden Menschenmengen am Tag nach dem Krieg (18)73 genau.

Die Hintern brannten noch von dem deutschen Fußtritt. Man sprach nur davon, zu Gott zurückzukehren. Man drängte sich in den katholischen Zirkeln, um das gute Wort von Mgs. Mermillod zu hören, der erzählte, was er für Jesus Christus gelitten hatte, oder das ökumenische Gestammel von M. de Mun. Man' hing hingerissen am Grafen von Chambord, den man für den von den Prophezeihungen verheißenen großen Monarchen hielt, und dessen gesetzwidriger Schmierbauch alles retten sollte. Man stürzte sich auf die Wallfahrten, wobei man freiheitliche Lieder sang. Man gelobte die Errichtung eines Heiligtums zum Göttlichen Herzen, auf dessen Mauern diese hilfreichen Worte zu lesen waren "Das büßende und fromme Gallien"; und jeder brachte seinen Stein herbei, denn dies war ein nationales Gelübde, das danach eigenartigerweise vergessen wurde. Was noch? die Augustinerpatres von der Himmelfahrt gründeten den erfolgreichen "Pilger" und das einträgliche "Croise". Zur unwiderruflichen Entwürdigung christlichen Denkens und Fühlens. Ein wenig später baute man auf dem festen Misthaufen der Herzen eine berühmte Bank, die den allgemeinen Wohlstand auffangen sollte und für immer die niederträchtige Konkurrenz der Söhne Israels vernichten sollte. Diesen Massenaufstand der katholischen Wollstrümpfe nannte man großartig einen Kreuzzug und erhielt am Ende einen berühmt gebliebenen "Krach".

Der Gehorsam gegenüber der Mutter Gottes, die heute vor 60 Jahren eigens kam, um ihren Willen zu bekunden, war das einzige Mittel, dessen man sich nicht bediente. Und doch hätte man glauben können, daß dies ganz einfach sei. Die Herrscherin des Weltalls bemühte sich, wenn ich es zu sagen wage, wie die Milchstraße sich bemühen würde, wenn dieses unberechenbare Geschöpf, erschreckt durch die Bosheit der Menschen, sich in dem dunkelblauen Himmel hinkniete. Sie bemühte sich, um uns weinend die große Botschaft von der Ungeheuerlichkeit unserer Gefahr zu bringen. Sprechend, wie nur die Dreifaltigkeit sprechen kann, erklärte diese Botschafterin das Herannahen von Strafen und Katastrophen und sagte, was zu tun sei, um nicht umzukommen; denn die von ihr gemachten Aussprüche waren - nach ihren ersten Worten - Drohungen:

"Wenn mein Volk sich nicht unterwerfen will, bin ich gezwungen, den Arm meines Sohnes fallen zu lassen."

Ich wiederhole es, was ist einfacher, als sich zu demütigen und zu gehorchen? Man hat genau das Gegenteil getan. Maria hatte den 7. Tag >ind die Achtung des Namens ihres Sohnes verlangt. Sie wollte, daß die Kirchengebote beobachtet würden, und daß während der Fastenzeit ihre Kinder nicht 'wie die Hunde' in die Metzgerei liefen. Sie hatte jedem, der beiden Hirtenkinder, besonders Melanie, ein Geheimnis von Leben und Tod anvertraut, das ihren ausdrücklichen Wunsch wiedergab - seither durch Pius IX. und Leo XIII. anerkannt -, daß man es zu ihrem ganzen Volk gelangen lasse; von einer bestimmten Zeit ab. Endlich hatte sie in französisch die Regel für einen religiösen Orden gegeben: "die Apostel der letzten Zeit" ... "die wahren Jünger des lebendigen Gottes, der im Himmel herrscht: die wahren Nachahmer des menschgewordenen Christus; meine Kinder, meine wahren Ergebenen; die mir gegeben wurden, damit ich sie zu meinem göttlichen Sohn führe; jene, die ich sozusagen auf meinen Armen trage, jene, die von meinem Geist gelebt haben; die Apostel der letzten Zeiten, die treuen Jünger Jesu Christi, die in der Verachtung der Welt und ihrer selbst gelebt haben, in Armut und Demut, in Schweigen, Gebet und Abtötung, in Keuschheit und der Verbindung mit Gott, in Leid und unbekannt in der Welt. Es ist Zeit, daß sie beginnen und die Erde erhellen. Denn es ist die Zeit der Zeiten."

Sechzig Jahre sind verflossen. Man ist irdischer, gottloser, ungehorsamer geworden und "hündischer". Aber scheint es nicht, daß dieser unfaßbare Mißerfolg, dieses ungeheure und zugleich anbetungswürdige Scheitern der Herrin des Paradieses nach nichts aussieht, wenn man an den unverzeihlichen Hohn denkt, der an die Stelle des Gehorsams trat?

Man arbeitete immer mehr am Sonntag, und hauptsächlich ließ man die Armen sonntags arbeiten. Die Gotteslästerung wurde zur männlichen Sprache, selbst für die Frauen, ein Zeichen von Kraft und Unabhängigkeit wie der Tabak und Alkohol. Man bemühte sich "Hund" zu sein, Hundesöhne, und selbst Neffe vom Schwein, zu allen Zeiten des Jahres, und diese Bemühungen waren sehr erfolgreich. Die Worte Mariens, von denen sie wünschte, sie möchten zu ihrem ganzen Volk gelangen, in Tibet genauso wie in Feuerland, als auch im Isèrebezirk, gelangten merklich nicht weiter als bis zum Fuß des Berges. Was die Apostel der letzten Zeiten betrifft, man hat sie durch priesterliche Suppenhändler ersetzt, die die Pilger zu schätzen wußten.

Diese angeblichen Missionare wurden zum unerklärlichen Hohn dessen, wovon gesprochen werden muß. Der absolute Ungehorsam ist ein unbegreiflicher Zustand so lange, wie sich die Idee des Hohns dem Geiste nicht darbietet. Der erste Sündenfall muß nicht durch einen förmlichen Ungehorsam bestimmt worden sein, sondern durch einen höhnischen Gehorsam, von dem wir uns keine Vorstellung machen können, und, weil ein Abgrund dem Abgrund zuruft, wurde die Strafe - wenigstens dem Anschein nach - der endlose Hohn, die biblische 'Subsannation': "Seht Adam, der uns gleich geworden ist ..."

Die sogenannten Missionare von La Salette, unschuldig vielleicht infolge ihrer Blödigkeit und Niedrigkeit des Herzens - aber welch schreckliche Unschuld! - wurden, ich wiederhole es, eine lächerliche Einrichtung seitens der diözesanen Autorität, dem ausdrücklichen Befehl entgegengestellt, dem es auszuweichen galt. Die hl. Jungfrau hatte Apostel verlangt. Man gab ihr Herbergswärter. Sie hatte wahrhafte Jünger Jesu Christi verlangt, die die Welt und sich selbst gering achteten. Man setzte priesterliche Geschäftsleute ein, fromme Buchhalter, beauftragt, Werte zu schaffen. Aus der Forderung, hinzugehen und die Welt zu erhellen, machte man die Anweisung für Reklame und die für die Treibjagd auf Pilger.

Nach der Ausfegung dieser Söldnettruppen I9o2 fuhren die an ihrer Stelleeingesetzten Kapläne nur mit der Verpflegung und der Beherbergung einfach fort. Sie setzten auch den täglichen, stets gleichbleibenden Wunderbericht fort, erweitert um eine "sulpiciennische" Ermahnung, einige vernünftige Tugenden zu üben, ohne dabei häufig den Rat auszulassen, gewissen übertriebenen oder lügenhaften Veröffentlichungen zu mißtrauen wie dem geschriebenen Zeugnis der beiden Hirtenkinder, die die von der hl. Jungfrau erwählten Anwesenden, Hörer und wahren Botschafter waren, bestimmt, ihre Nachrichten und Drohungen zu verbreiten, und die bis zu ihrem letzten Tag nicht aufgehört hatten - vor allem Melanie - gegen die priesterliche Pflichtvergessenheit und die abscheuliche Geschäftemacherei zu protestieren, die man auf dem Berg praktizierte.

Das Verbrechen, das ungeheure, wahrhaft erschreckende Verbrechen dieser Leute, bestand darin, die Himmelskönigin geknebelt zu haben; ihr - wie irgendein Schriftsteller früher schrieb - mit erschreckender Gewalt den Mund versiegelt zu haben.

Es ist schwer, sich eine solche jammervolle Bitte - ich sage nicht, sich vorzustellen, sondern - zu begreifen: "Seit der Zeit, wo ich für euch leide, seit 1900 Jahren, geleite ich die Sieben Schmerzen, deren Hirtin ich bin, in den Bergen, die sieben Schäflein des Heiligen Geistes, die eines Tages die Welt abweiden sollen.

Wenn ich will, daß mein Sohn euch nicht verläßt, bin ich damit beladen, unaufhörlich zu beten. Was kann ich für euch tun, das ich nicht schon getan hätte? Ich bin Ägypten und das Rote Meer, ich bin die Wüste und das Manna; ich bin der sehr schöne Weinstock, aber ich bin zugleich auch der göttliche Durst und die Lanze, die das Herz des Retters durchbohrten. Ich bin die unendlich schmerzhafte Geißelung, ich bin die Dornenkrone und die Nägel und vor allem das Kreuz - sehr herb, wo die Freude des Menschen entsteht. Die zwei Arme meines Sohnes wurden dort angeheftet, aber es brauchte nur einer davon, um euch zu zerschmettern, und ich kann diesen kaum zurückhalten, so schwer ist er ... Ach meine Kinder, daß ihr euch doch bekehrtet!"

Männer sind aufgestanden, die auf dem Haupt die Mitra und in den Händen den Hirtenstab der Herde Christi trugen. Und diese Männer haben zu unserer lieben Frau gesagt:

"Genug jetzt, nicht wahr? Die Frau schweige in der Kirche! Wir sind die Bischöfe, die Lehrer, und wir brauchen niemand, nicht einmal Personen, die in Gott sind. Wir sind übrigens die Freunde des Cäsars, und wir wollen keinen Aufruhr unter den Leuten. Eure Drohungen regen uns nicht im Geringsten auf, und eure kleinen Hirten werden von uns selbst im Alter nur Verachtung, Verleumdung, Spott, Verfolgung erhalten, Elend, Verbannung und schließlich Vergessenheit."

Das vorliegende Werk soll in irgend einer Art so hoffe ich, - wenn dafür noch Zeit ist - die gemeine Gotteslästerung dieser Kaiphasse und Judasse wiedergutmachen, die seit sechzig Jahren andauert, das schönste Reich der Welt zuzerstören.

Paris-Montmartre, im Februar 1907
 
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