Beilage zu EINSICHT X(2) Juni 1980:
EINSICHT!!
von
Univ.-Prof. Dr.Dr. Reinhard Lauth
Herr Erren meldet sich mit einem neuen Flugblatt zu Wort, um seine
Einsichtslosigkeit erneut schlagend zu dokumentieren. Es wird deshalb
nötig, sich noch einmal mit ihm und seinesgleichen zu beschäftigen.
Die ungeheuerliche Verdächtigung meiner Person, ich wolle
freimaurerisches Gedankengut an die Stelle der katholischen Lehre
setzen, bezeichnet er spaßigerweise als Angebot einer geistigen
Auseinandersetzung an mich. Wir wollen doch einmal sehen, was es damit
auf sich hat.
Ich habe Herrn Erren in meinem vorhergehenden Artikel "Theologie!" vier
sachliche Fehler in einem einzigen Satz über Fichte angemerkt. Was tut
Herr Erren: er beklagt sich, daß ich ihm die Fehler nicht korrigiere,
sondern nur höhne, schwätze, ausfällig werde, angebe und flunkere
(alles seine Ausdrücke). Der Mann hat also folgende Vorstellung von
wissenschaftlicher Redlichkeit: Man schreibt erst auf gut Glück über
Sachen, von denen man rein gar nichts versteht, - in der Erwartung, daß
es einem andere Wissenschaftler dann schon in der Öffentlichkeit
korrigieren werden. Man sollte denken, daß für wissenschaftliche
Veröffentlichungen erhöht das achte Gebot gelte, damit die Menschheit
nicht in einer Flut von Falschinformationen untergeht. Nicht so nach
Herrn Erren - er schreibt erst einmal gewissenlos drauf los. Daß er
damit Unwahrheiten in die Welt setzt, kümmert ihn nicht.
In seinem neuerlichen Flugblatt offenbart er denn auch noch, woher er
seine Unkenntnisse hat, aus dem "Internationalen Freimaurerlexikon" von
Lennhoff-Posner, Wien-München 1932!! Das heißt, er bezieht sich auf
eine wissenschaftlich völlig überholte, vei ·ltete, lücken- und
fehlerhafte Information von vor über 5o Jahren, nicht aus dem
wissenschaftlichen, sondern aus dem weltanschaulichen Bereich. Wenn man
ihm seine Gehässigkeit heimzahlen wollte, müßte man nun ausrufen:
Professor Erren ist ein Freimaurer. Er infomiert und indoktriniert
seine katholischen Leser mit freimaurerischen, ganz offensichtlich
weltanschaulich einseitigen Darlegungen! Ich lasse das bei Seite und
bemerke nu folgendes: Wenn man sich wissenschaftlich verantwortlich zu
einer Frage äußern will, so muß man sich auf dem letzten
Informationsstand befinden. Andernfalls hat man das Recht verwirkt, in
einer solchen Sache noch weiter gehört zu werden.
So hebt jenes Freimaurer-Lexikon, auf das sich unsere katholischen
Christen verlassen sollen, laut Zitat (ich habe es nicht zur Hand, muß
mich aber angesichts der mangelnden wissenschaftlichen Zuverlässigkeit
des Herrn Erren mit einem Zweifel salvieren, ob er recht referiert hat)
mit den Worten an: "Wo F. als Freimaurer aufgenommen wurde, ist
unbekannt". Herr Erren hätte sich spielend leicht überzeugen können,
daß in der "J.G. Fichte-Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der
Wissenschaften", deren Mitherausgeber ich bin, dies längst
nachgewiesen, sowie auch zahlreiche andere Irrtümer berichtigt worden
sind. Offenbar kennt Herr Erren, der in Absatz 2 seines neuesten
Flugblatts Fichtes Religionslehre referiert, diese Ausgabe gar nicht.
Der von mir beanstandete Satz des Herrn Erren lautete: Fichte sei "1811
in die Berliner Loge Royal York eingetreten und später wegen
persönlicher Streitigkeiten dort wieder ausgetreten, aber Freimaurer
geblieben". Der Satz enthält, ganz genau gezählt, sechs
Unrichtigkeiten. Fichte ist
1. nicht 1811, sondern I800;
2. nicht in die "Berliner Loge Royal York", sondern in die Loge "Pythagoras zum flammenden Stern";
3. nicht eingetreten, sondern in ihr affiliiert worden;
4. nicht später (als 1811), sondern bereits im Juli 18ol aus dieser Loge ausgeschieden;
5. nicht wegen persönlicher Streitigkeiten, sondern weil Fichte aus der
Großloge Royal York ein Instrument seiner, mit der Freimaurerei, wie
man in Berlin richtig erkannte, unvereinbaren Wissenschaftslehre machen
wollte; und
6. nicht "Freimaurer geblieben" - denn jedenfalls ist seit diesem Zeitpunkt keine maurerische Betätigung Fichtes mehr bekannt.
Herr Erren erlaubt sich also in einem einzigen Satz sechs
Fehlinformationen, weil er offensichtlich die Sache, von der er
spricht, überhaupt nicht kennt. Jeder Leser, der nicht unter gänzlicher
Mißachtung des achten Gebots ("Du sollst nicht lügen!") ohne Rücksicht
auf die Wahrheit das lesen will, was er meint, wird also wissen, woran
er sich bei den Erren-freimaurerischen Informationen zu halten hat.
Auf den dicken Unsinn einzugehen, den Herr Erren dann seinen Lesern als
Religionsphilosophie Fichtes auftischt, wäre vergebene Mühe. Jeder
Kenner der Fichteschen Philosophie kann ihm bescheinigen, daß er sich
mit diesem abenteuerlichen Extrakt nur wissenschaftlich unmöglich
macht. Wenn jemand von Aristoteles berichtete, er habe der heidnischen
Göttern geopfert und dann das Histörchen wieder aufwärmt, er sei so in
die Geliebte Alexanders verliebt gewesen, daß er ihr gestattet habe,
auf ihm zu reiten - hätte er dann etwas zur Relevanz der
aristotelischen Philosophie gesagt? Und wenn er dann dem Aristoteles
Ansichten in die Schuhe schöbe, die ihm selbst seine ärgsten
wissenschaftlichen Gegner nicht unterstellt haben, weil sie über eine
solch offensichtliche Verdrehung der historischen Wahrheit errötet
wären - verdiente er es dann noch, daß man auf sein Blech einginge?
Mit welcher überheblichen Arroganz sich aber Herr Erren zum
Glaubensrichter aufspielt, zeigt der Absatz "Wurzel der Verirrung
Fichtes", in dem er glattweg den Aristotelismus zum allein vertretbaren
System unserer Kirche deklariert. Der größere und gewichtigere Teil
unserer Kirchenlehrer, der platonistisch dachte, befand sich auf einem
"Irrweg" - und das soll er sich nur von Herrn Erren ein für alle Mal
gesagt sein lassen, von Herrn Erren, der seine historischen Kenntnisse
so schön dokumentiert, daß er sechs sachliche Fehler in einem einzigen
Satze begeht.
Ich erkläre auf Grund dieser Sachlage, daß es unmöglich ist, mit Herrn
Erren wissenschaftlich über die angeschnittenen Punkte zu sprechen.
Wessen ganze Einsicht (Einsicht, Herr Erren!) aus veralteten
Freimaurerlexika stammt, kann hier nicht mitreden, sondern höchstens
"halbwegs unterrichtete Christen" (so schreibt Herr Erren - aber es
müßte heißen, für jede Überprüfung des Wahrheitsgehalts Unbefähigte)
mit freimaurerischen Ansichten indoktrinieren. *)
Der Grund aber, warum Herr Erren sich bei völliger Unkenntnis der Dinge
unbedingt mit Fichte beschäftigen muß, tritt in Punkt 4 seines neuesten
Flugblattes erneut hervor. Lauth muß nämlich verdächtigt werden, zu der
"eingeschlichenen oder untreu gewordenen oder abgeirrten Gruppe von
Laien" zu gehören, die "den überheblichen Beschluß faßte und in die Tat
umzusetzen begann, ein Priesterseminar zu gründen, das faktisch von
Laien geleitet und im Sinne einer fragwürdigen philosophischen
Grundhaltung geführt sein sollte" **) - nämlich so wird durch die
Zusammenstellung mit dem zuvor insinuiert, mit der von Fichte
vertretenen Philosophie indoktriniert werden sollte.
Herr Erren beweist damit erneut seine Gewissenlosigkeit in Punkto 8.
Gebot Er schließt sich unbedenklich der organisierten Hetze gegen mich
einerseits und gegen das geplante Priesterseminar in Feldafing
andererseits an. Ich habe schon einmal erklärt und wiederhole es noch
einmal, daß ich und die gesamte Gruppe der "Einsicht" (UNA VOCE GRUPPE
MARIENS) nichts mit dem Gründungsbeschluß zu tun haben, daß wir später
informiert wurden als viele andere und daß ich nie aufgefordert worden
bin, in diesem geplanten Seminar lehrtätig zu werden. Fichte hat also
mit dem neuen Seminar gar nichts zu tun. Dies soll den Gläubigen und
interessierten Theologiestudenten nur aufgeschwatzt werden, um sie in
die haeretische Richtung zu lenken.
Herr Erren schließt sein Flugblatt mit den seiner würdigen Worten: "Wir
haben nur eine Führung: die katholische Hierarchie. Aus dieser, und nur
aus dieser, suchen wir die Hirten, denen wir vertrauen." D.h. also, aus
den Bischöfen und Professoren der Reformkirche! Eben das sagen wir auch
- daß nämlich Herr Erren, Frau Gerstner, Econe und deren Hintermänner
uns schlußendlich zu diesen Hirten zurückführen wollen.
Man kann Herrn Erren wenigstens dafür dankbar sein, daß er das offen
bekennt. Ich möchte damit nicht jede Information von freimaurerischer
Seite verdächtig machen. Wir haben für unsere Akademie-Ausgabe von
Bayreuth und aus Österreich sehr wertvolle und vor der Nachprüfung
bewährte Auskünfte erhalten. Dieser Satz birgt ein ganzes Wespennest
weiterer historischer Unwahrheiten:
1. Die Gruppe, die das neue Seminar zu eröffnen beschloß, besteht nicht nur aus Laien,
2. Sie hat sich in keinerlei Organisation eingeschlichen,
3. das Seminar soll selbstverständlich von einem Bischef und Priestern allein geleitet werden,
4. Es liegt ganz bei dem Bischof und diesen Priestern, in welcher
philosophischen Grundhaltung sie das Seminar leiten werden - mir, der
ich inzwischen doch einiges von der Sache weiß, ist nicht bekannt, das
darüber irgend etwas beschlossen wäre. - "eingeschlichen, untreu
geworden, abgeirrt, überheblich, fragwürdig", das sind zu dieser
Fehlinformation die rhetorischen Mittelchen, den Gegner zu
diskreditieren! |