DAS LEID
von H.H. Pfr. Alois Aßmayr
III. Fortsetzung
Kreuz und Leid sind die natürlichen Folgen der Sünde, sie haben aber auch Strafcharakter. Das sind freilich recht unangenehme Eigenschaften-. Der Herr hat aber in Seiner Güte in Kreuz und Leid Werte hineingelegt, die wir nicht hoch genug schätzen können. Einer dieser Werte ist der Sühnewert, worüber ich im letzten Artikel (vgl. "Einsicht" VI(7)278 ff) geschrieben habe. In Kreuz und Leid sind aber noch andere große Werte verborgen. Einer davon ist der Verdienstwert. Durch Leiden können wir das Kostbarste verdienen, das wir im irdischen Leben brauchen und welches sich für die Ewigkeit auswirkt: Gnade!
Ohne Gnade können wir ja nicht in den Himmel gelangen. Wie ja allen bekannt ist oder bekannt sein sollte, gibt es die helfende und die heiligmachende Gnade. Die helfende Gnade brauchen wir, um die heiligmachende Gnade zu erlangen, sie zu bewahren und zu vermehren. Zudem benötigen wir die helfende Gnade, um das Gute tun und das Böse meiden zu können, was allerdings, genau genommen, schon mit der schon genannten Wirkung verbunden ist. Vom Besitz der heiligmachenden Gnade und von ihrem Ausmaß hängt aber unser ewiges Glück und der Grad des ewigen Glückes im Himmel ab. Da wir durch Leiden mit entsprechender Gesinnung uns diese Gnaden verdienen können, neben dem damit verbundenen Sühnewert, ist es selbstverständlich, daß der Herr gerade Seinen engsten Freunden davon reichlich zugeteilt hat und immer noch zuteilt. Nur so kann sie dann der Herr in der Ewigkeit erst recht reichlich belohnen, ihnen eine um so größere Herrlichkeit und ihnen ein um so größeres Glück zuteilen. So aber können die Freunde des Herren auch um so mehr Menschen vom ewigen Verderben retten. Den Inhalt dieser Worte und ihre Tragweite werden wir wohl erst in der Ewigkeit richtig verstehen und einschätzen können, sonst würden wir uns auf dieser Welt geradezu um Kreuz und Leid reißen wie z.B. Maria de Vallees und viele andere. Dazu macht uns aber nur die helfende Gnade im außergewöhnlichen Auamaße fähig.
Ich denke da an Jesus, Maria und die Apostel. Wohl brauchten sie sich um Leiden nicht zu reißen. Sie wurden ihnen in dieser Welt im reichen Ausmaße zugeteilt. Mir schwebt dann ganz besonders der Apostel Paulus vor Augen, von dem wir verhältnismäßig viel wissen, was bei den anderen nicht der Fall ist. Paulus ist zunächst, ohne es nur zu ahnen, einen vollkommenen Irrweg gegangen. Helfende Gnade war es, die ihn das erkennen ließ und ihm die Kraft gab, umzukehren und einen Weg zu gehen, der mit Kreuzen und Leiden nur so übersät war. Denken wir nur, was er von seinen Landsleuten und auf den Missionsreisen zu leiden und durchzumachen hatte um Jesu willen. Trotzdem war er nie verbittert oder mutlos, ja er war sogar noch voller Freude. All das war die Wirkung der helfenden Gnade.
Selbstverständlich sind Kreuz und Leid nicht die einzige Möglichkeit, sich Gnaden zu verdienen. Die wichtigsten Quellen der Gnade sind und bleiben die Sakramente, die aber heute vielen Gläubigen leider nicht mehr zur Verfügung stehen. Dann sind aber auch an das Gebet und die guten Werke viele Gnaden gebunden, helfende und heiligmachende. (Für sie ist allerdings die rechte Absicht, und wenn es sich um heiligmachende Gnade handelt, auch der Stand der heiligmachenden Gnade erforderlich. Was man noch überhaupt nicht hat, kann ja auch nicht vermehrt werden. Die heiligmachende Gnade kann nur durch die Taufe, bei ihrem Verlust durch das Sakrament der Buße, bei der Unmöglichkeit zu beichten durch die Krankenölung und als letzte Möglichkeit, durch vollkommene Reue erworben werden.) Trotz dieser Gnadenquellen können wir, richtig ertragen, Leiden als Gnadenquellen kaum überschätzen.
Leiden geben uns Gelegenheit, reichlich für den Himmel zu verdienen, aber auch die Möglichkeit, dem Herrn unsere Dankbarkeit, Liebe und Treue zu beweisen. Schöne und liebe Worte kann auch der Schmeichler, Heuchler und Schmarotzer sagen, ja auch der Feind, wenn er einen dranbekommen will. Ich denke hier z.B. an die Makkabäer, aber auch an die ehrlose, feige Hinterlist, mit der die Engländer im Jahre 1945 im Lienzer Raum die Kosaken entwaffnet haben, um sie dann mühelos vernichten zu können. Die Geschichte berichtet uns zahlreiche ähnliche Fälle. Selbst Rom hat gegen Kardinal Slypii und Kardinal Mindszenty ähnlich gehandelt. Wer zu solchen ehrlosen Schandtaten fähig ist, ist es auch zu andern. Mehr zu sagen fürchte ich mich zwar nicht, schäme mich aber wegen der Betroffenen. Mir hat diese Handlungsweise eine Wunde geschlagen, die unheilbar ist. Taten sprechen oft eine andere Sprache als Worte.
Eine Sprache, die mit ihren Taten übereinstimmte, haben die Martyrer gesprochen, aber auch viele Christen heute in den kommunistischen Ländern. Was heute Christen in Littauen, Rußland, China und in anderen Ländern für ihre Liebe und Treue zum Herrn willig leiden, ist nur zum Teil bekannt, kaum jedoch das Ausmaß und die Brutalität, mit der sie gequält werden. Einen guten Einblick darüber gewährt das Büchlein von R. Wurmbrand: "Gefoltert für Christus." 14 Jahre hat dieser Glaubensheld in rumänischen Gefängnissen verbracht. Er weiß Bescheid. Auch das Buch von Sergei Kourakov: "Vergib mir Natascha" gibt uns Aufschluß, und zwar von seiten der Verfolger. War doch Kourakov auch ein Saulus, aus dem dann allerdings ein Paulus geworden ist und dem auf abenteuerliche Weise als Matrose die Flucht nach Kanada gelungen ist. Freilich hat ihm die Flucht beinahe das Leben gekostet. Seine Flucht, Bekehrung und seine Vorträge haben ihm dann doch noch das Leben gekostet. Mit 21 Jahren hat man ihnerschossen aufgefunden. Zum Glück hatte er aber das Buch schon vollendet. Wir können ihm dafür dankbar sein.
Verfolgungszeiten sind in der Kirche auch immer Heldenzeiten gewesen. Da kommt die Liebe und Treue der Gläubigen zu Christus so richtig zum Vorschein, macht Eindruck, auch bei den Verfolgern, so, daß viele und gerade die edelsten sich angezogen fühlen und sich dem Christentum anschließen. Aber auch Verbrecher haben unter diesem Eindruck ihr Leben gründlich geändert, sich auch dem Christentum angeschlossen und das harte Leben mit den Christen geteilt. Ein leichtes, laues, feiges und opferscheues Christentum ist in den Verfolgungszeiten einfach unmöglich. Da muß man seinen Glauben offen bekennen, oder verleugnen und somit mit Gott brechen. Es ist wohl gut so. Nichts schadet der Kirche mehr als Lauheit, die sehr ansteckend wirkt.
Ruhige und friedliche Zeiten haben dem Christentum, der Kirche nie auf die Länge gut getan. Man braucht nur die Schrift des hl. Cyprian: "Über die Gefallenen" und "Über die Haltung der Jungfrauen" zu lesen. Als einmal in Nord-Afrika beinahe 40 Jahre keine Christenverfolgung stattfand, breitete sich das Christentum wohl stark aus, sank aber das wahre christliche Leben derart, daß es sich von dem der Heiden vielfach nicht mehr arg unterschied. Gläubige, Priester und Bischöfe ließen ihren Leidenschaften immer mehr die Zügel schießen so, daß dann in der nächsten Christenverfolgung unter Kaiser Decius um das Jahr 250 viele den Glauben verleugneten. Cyprian selber fiel im Jahre 258 der Christenverfolgung zum Opfer - als Bischof von Khartago.
Die gleiche Erfahrung, die Cyprian einst in Khartago gemacht hat, machen wir mit unserem heutigen Christentum in der freien Welt. Es ist faul bis in die Spitze. Man muß schon sagen: je weiter man nach oben kommt, um so fauler. Wie viele Priester und Bischöfe haben wir denn noch, die nicht dem Progressismus huldigen? Progressismus ist ja gar nichts anderes als ein gesteigerter Modernismus, und der ist gleichzusetzen mit dem Pseudo-Rationalismus, (der die wirkliche Offenbarung Gottes leugnet. Anm.d.Red.).All diese Ismen sind aber nur ein Deckname für Freimaurertum. Ich wundere mich nur grad so, daß selbst ältere geistliche Herren dagegen so wenig Widerstand leisten, ja vielfach mit Begeisterung mittun. Dabei aber haben wir einst alle diesen darin enthaltenen Irrtümern und Irrlehren feierlich abgeschworen und den wahren Glauben mit einem Eide bekräftigt. Sind alle diese Eide - bis zum Eide des Papstes - aufgehoben worden, damit nicht alle als Meineidige offen da stehen? Schon vor der Diakonatsweihe mußten wir das Tridentinische Glaubensbekenntnis ablegen, womit ein Eid für immer verbunden war. Dazu kam dann noch der Antimodernisteneid. Der Papst hatte bei seinem Regierungsantritt noch einen eigenen Eid zu leisten. Wohl kann man diese Eide aufheben, nie aber den Inhalt derselben. W~em aber diese Eide im Wege sind, dem wird erst recht der Inhalt dieser Eide im Wege sein. Was wir von diesen Leuten zu halten haben, ist nicht schwer zu sagen, vielleicht aber gefährlich. Jedenfalls müssen wir darauf gefaßt sein, daß diese Leute bei gegebener Zeit die besten Mitarbeiter der kommunistischen Partei sein werden. Von einem Bekennermut oder gar Martyrergeist kann bei ihnen keine Rede sein.
Ich möchte heute einmal nicht mehr sagen. Ich glaube, so schon genug gesagt zu haben. Das will aber nicht bedeuten, daß ich schon alles gesagt habe, erst recht nicht, daß ich in Zukunft schweigen werde.
Es grüßt alle Leser und Freunde recht herzlich und segnet sie
Biberwier, am 7. März 1977 Alois Aßmayr, Pfarrer
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