BUCHBESPRECHUNG
I Millenari:
"Wir klagen an"
Zwanzig römische Prälaten über die dunklen Seiten des Vatikans
Berlin 1999, Aufbau-Verlag, 3. Aufl. - Titel der Originalausgabe "Via
col vento in Vaticano; übers. von L.Schröder, E. Hansen, A. Thoma, B.
Frerichs, B. Neeb, D. Zerbst, A. Jonuleit-Schneider.
Die einzelnen Kapitel von "Wir klagen an" sind anonym von zwanzig
verschiedenen Prälaten der 'Konzilskirche' geschrieben worden. Sie sind
mit diesen Enthüllungen an die Öffentlichkeit gegangen, damit die
dargestellten Mißstände und Skandale durch diese Veröffentlichung
allgemein bekannt werden sollten, die sonst vertuscht worden wären. Das
Pamphlet erschien in dem antiklerikalen Verlag Kaos Edizioni, weil kein
sog. 'kath.' Verlag es gewagt hätte, dieses Dokument zu publizieren.
(Inzwischen wurde die Identität eines der Autoren festgestellt, der mit
erheblichen Attacken seitens des Vatikans bedacht wird.) Wir stellen
dieses Buch, welches bei seinem Erscheinen in Italien zum Bestseller
emporschnellte und auch in Frankreich für viel Furore und Aufregung
sorgte, nicht des-wegen vor, weil die aufgedeckten Skandale unsere
kirchlichen Bemühungen direkt tangieren wür-den, sondern um zu zeigen,
daß der "Fisch nicht nur am Kopf anfängt, (theologich) zu stinken",
sondern daß er dort auch beginnt, (institutionell) zu verrotten.
E. Heller
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Obwohl eine Klage bei der Rota drohte, hat es es eine Gruppe von
Insidern, Prälaten im Vatikan, ge-wagt, einen Ruf nach Reformen in den
obersten Rängen der kirchlichen Verwaltung laut werden zu lassen.
Besonders wird die Karrieresucht des Klerus mit ihren zahllosen
Intrigen angeprangert. So verhinderte z.B. eine regelrechte
Verschwörung 1974 die Veröffentlichung eines Dossiers, das Paul VI. die
Abschaffung vieler Mißbräuche empfehlen sollte. Zu den Machenschaften
zählte auch die Reduzierung der Autorität Johannes Pauls II. durch
Reisen, die ihn vom Ort des Geschehens in Rom fortführen, und
triumphale Massenbegegnungen, die manchen Kurienkardinälen und ihren
Günstlin-gen Gelegenheit boten, wichtige Positionen in der Verwaltung
ohne Kontrolle an sich zu reißen. Be-sonders unter Wojtyla gelang es
immer mehr Ausländern, besonders polnischen Kleriker, ohne die
erforderliche Qualifikation mit Hilfe gewisser Monsignori schnell
Karriere zu machen. Johannes Paul II. wird regelrecht vorgeworfen, ein
Duckmäuser zu sein, der es nicht wage, die schlimmsten Postenjäger zu
entlassen. An verschiedenen Vorkommnissen wird gezeigt, wie schädlich
auch das jetzt praktizierte Verfahren bei den Bischofsernennungen sei.
Meist ernenne Johannes Paul II. den in einem manipulierten
Auswahlverfahren auf der Liste zuerst Angeführten, ohne sich näher über
ihn informiert zu haben.
Obwohl vor dem Vatikanum II tadellose Kardinäle die Kurie leiteten,
stand es doch bereits unter Pius XII. nicht überall zum besten.
Mißtrauisch geworden, auch gegenüber seinem Prostaatssekretär Montini,
bediente er sich eines Geheimagenten, der ihn 1954 informierte,
daß Montini Priester des Untergrunds in der UdSSR an die
Kommunisten verraten hatte.
Obzwar die Autoren nicht die Wiedereinführung der alten Liturgie
verlangen, trauern sie ihr nach und geben einen Umriß über den
Hauptschuldigen, den mit den Freimaurern zusammenarbeitenden Bugnini.
Wenn diese auch schon zu Beginn des zwanzigsten Jarhunderts mit der
Unterwanderung begonnen hätten, traten sie doch erst nach Johannes
XXIII hervor. So spielten sie bei den Besprechungen über das Konklave
nach dessen Tod bereits eine maßgebliche Rolle, welche die Wahl
Montinis beeinflußte; sie beteiligten sich unter seinem Pontifikat an
den Finanzskandalen Sindonas, Calvis und Genossen. Am Tage der
Eröffnung des Konklaves nach Montinis Tod war auf den Titelseiten der
Zeitungen ein Interview mit Kardinal Siri zu lesen, das er aber nie
gegeben hatte. Da es heikle Themen, die ihn unbeliebt machen mußten,
enthielt, trugen so die Freimaurer dazu bei, daß dieser tieffromme,
hochgebildete, der Tradition verbundene Papabile nicht gewählt wurde.
Die letzten Kapitel enthalten Beschwerden über die Ungerechtigkeiten,
welche die Bediensteten des Vatikans ausgesetzt seien: der Vorgesetzte
sei allmächtig, der Untergebene müßte sich von ihm programmieren und
umprogrammieren lassen, von Demokratie und Menschenrechten sei
nichts zu spüren, und die Pensionäre leben in vollständiger Isolation;
auch gäbe es für die im Dienste des Vatikans stehenden Priester keinen
Arbeitnehmerverband.
Anschließend wird über Johannes Paul II. geurteilt, er lebe, statt die
Mißbräuche abzuschaffen, in einem golden Käfig und lasse immer mehr
andere regieren.
Das Buch ist interessant und konnte ein Bestseller werden, doch muß man
annehmen, daß es genau so wie das 1984 erschienene Buch David YeIlow
über den mysteriösen Tod Johannes Pauls I. und die Finanzskandale im
Vatikan der siebziger Jahre bald in Vergessenheit geraten wird.
Eugen Golla |