54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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400 JAHRE LEPANTO
 
400 JAHRE LEPANTO

Zum Rosenkranzfest am 1. Oktober


von
Heinrich Storm, München

Der 7. Oktober 1571 ist ein wahrhaft denkwürdiger Tag: An ihm jährt sich zum 400. Mal die berühmte Seeschlacht von Lepanto, die Schlacht, in der das christliche Abendland unter dem Beistand der hl. Jungfrau siegreich den Ansturm des unter dem türkischen Halbmond vereinigten islamischen Orients zurückschlug. Da die Bedeutung dieses Ereignisses heute oft verkannt oder absichtlich heruntergespielt wird, scheint es zunächst angebracht, wenigstens in groben Zügen die Entstehung der Situation, die dann 1571 zu dem gewaltigen Zusammenstoß zwischen Kreuz und Halbmond führte, darzustellen.

Nachdem im Früh- und Hochmittelalter der erste Ansturm des Islams unter den Arabern am Widerstand des byzantinischen Reiches, mehr als einmal an den Mauern Konstantinopels gescheitert war, erwuchs den Mohammedanern seit dem 14.Jahrhundert im türkischen Stamm der Osmanen eine neue Vormacht, die ihre gesamten Kräfte straff zusammenfaßte. In rascher Folge unterwarfen die Osmanen den christlichen Orient, und im Jahre 1453 schließlich fiel Konstantinopel, das "2.Rom", das nun türkische Hauptstadt wurde. Doch damit nicht genug, richtete sich der türkische Vorstoß jetzt gegen Ungarn, das nach der Katastrophe von Mohács (1526) zum größten Teil dem türkischen Großreich einverleibt wurde. Für nahezu 200 Jahre sollte der Ruf "Die Türken vor Wien!" zum Schrecken des Abendlandes werden.

Der beinahe unüberwindlichen osmanischen Landmacht gesellte sich nun im 16. Jahrhundert eine immer stärker werdende Seemacht hinzu, die im zunehmenden Maße die Küsten Westeuropas bedrohte. Angesichts dieser unmittelbaren Lebensgefahr befand sich das Abendland im traurigen Zustand der durch die "Reformation" Luthers ausgelösten geistigen Zerrissenheit, und statt der so notwendigen gemeinsamen Gegenaktion schwächten sich die zwei mächtigsten christlichen Staaten, Frankreich und Habsburg-Spanien, durch Kriege gegenseitig, ja, gegen die drohende Übermacht Spaniens trafen die Franzosen sogar Geheimabsprachen mit den Türken. So braucht es niemanden zu verwundern, daß diese vor allem zur See immer aggressiver wurden. 1565 griffen sie Malta, die Schlüsselstellung zum westlichen Mittelmeer, an, die von den Johannitern noch einmal heldenhaft verteidigt werden konnte. Trotzdem mußte spätestens jetzt jedem der Ernst der Lage klar werden.

Das Verdienst aber, die Bedeutung dieses historischen Augenblicks in ihrer vollen Tragweite erkannt zu haben, gebührt allein Papst Pius V. Seitdem Michele Ghislieri 1566, unter dem Einfluß des heiligen Karl Borromäus, zum Papst gewählt worden war, wurde er nicht müde, den von allen Seiten bedrängten katholischen Glauben zu verteidigen und ihm neuen Ruhm zu verschaffen, sei es im Kampfe gegen die Laxisten in den eigenen Reihen, gegen die Ketzer oder gegen die Ungläubigen. Anders als bei den meisten Fürsten seiner Zeit war in ihm noch der Geist der Kreuzzüge lebendig; er sah den Gegensatz zwischen den Türken einerseits und dem Abendland andererseits nicht unter rein machtpolitischen Gesichtspunkten, sondern erkannte, daß es hier um die Entscheidung zwischen Halbmond und Kreuz, zwischen Glauben und Unglauben ging. Daher wurde er nicht müde, die christlichen Fürsten Europas zum gemeinsamen Kampf gegen die muselmanische Großmacht aufzufordern. Bereits unmittelbar nach seiner Amtsübernahme hatte er einen flammenden Appell an die Staaten Europas, insbesondere an Spanien, zur Unterstützung des bedrohten Malta gerichtet.

Doch schien es zunächst so, als sollte trotz allem der Ruf des großen Papstes ungehört verhallen. Erst als im Jahre 1570 auch das venezianische Zypern, die östlichste Bastion der Christen im Mittelmeer, Gegenstand eines türkischen Angriffs von See her wurde, nahmen die Verhandlungen zwischen dem Papst der Republik San Marco und Spanien greifbare Formen an. Wenn sie arn 25.Mai 1571 ihren Abschluß in der Heiligen Liga fanden, so war das wiederum in allererster Linie Pius V. zu verdanken: Er war es gewesen, der die auseinanderstrebenden Interessen der Verbündeten immer wieder auf das große Ziel richtete und sich gelegentlich auch nicht scheute, mit einem Machtspruch die Streitigkeiten ihrer Botschafter zu beenden. Er leistete außerdem einen nicht geringen Beitrag zu den Kosten des Unternehmens, sei es durch Mittel des Kirchenstaates, sei es durch Steuern und Abgaben aus dem kirchlichen Vermögen der beteiligten Länder. Schließlich rüstete er auch noch eine kleinere Flotte unter dem Befehl des Marc Antonio Colonna aus.

Neben ihm zeichnete sich jedoch auch der spanische König Philipp II. aus, der seinen Ehrentitel "Katholische Majestät" rechtfertigte, als er im Frühjahr 1571 dem Papst schrieb, daß die Interessen der Kirche die seinen überstiegen, und daß er das Schicksal seines Königreiches des Papstes Gebeten und dem Schutz Gottes anvertraue. Ohne die Unterstützung durch den damals mächtigsten Fürsten Europas hätte die Sache der Christenheit niemals Aussicht auf Erfolg gehabt.

Wichtiger als alle äußeren Machtmittel und Interessen jedoch war für das Zustandekommen des christlichen Bündnisses das flehentliche Gebet der gesamten Kirche, der ihr oberster Leiter auf Erden, der Papst, ein leuchtendes und heiligmäßiges Vorbild gab. Es wird von Pius V. berichtet, daß er sich in den schwierigsten Phasen der Verhandlungen zwischen Spanien und Venedig, wenn wieder einmal selbstsüchtige politische Interessen das gesamte Unternehmen zu gefährden schienen, tagelang von allen Amtsgeschäften fernhielt, um sich ausschließlich dem Gebet zu widmen. Als er das mühevolle Unternehmen schließlich doch zu einem guten Ausgang geführt hatte, war er weit davon entfernt, sich selbst irgendein Verdienst zususchreiben. Statdessen ließ er ganz Rom Dank abstatten durch Prozessionen und vierzigstündige Gebete. Der Name "Heilige Liga", den sich die Bündnispartner Spanien, Venedig und der Papst gaben, zeigt noch einmal deutlich die reinen Absichten Pius V.: Nicht um Machtpositionen im Mittelmeer für einzelne katholische Staaten ging es, noch um eine Erweiterung des Einflusses des Heiligen Stuhles, wie leichtfertige Kritiker argwöhnten, sondern um die Verteidigung des Christentums gegen die Ungläubigen, um den Erhalt christlicher Staaten und einer christlichen Kultur überhaupt. Wie anders hätte der Papst sonst von Anfang an jene Siegeszuversicht ausstrahlen können, die nichts anderes war als der Ausdruck des Vertrauens auf die Hilfe Gottes zu einer gerechten Sache. Daher versprach er schon im Sommer 1571 den Gesandten, die ihm im Auftrag Don Juan d'Austrias für dessen Ernennung zum Oberbefehlshaber der christlichen Flotte dankten, mit Sicherheit den Triumph "von seiten Gottes".

Don Juan d'Austria, Sohn Kaiser Karls V. und Halbbruder Philipps II., mit erst 24 Jahren nun schon Führer einer so bedeutenden Streitmacht, war von ähnlichem Geist beseelt wie der Heilige Vater. Obwohl seine militärischen Erfahrungen sich auf die Niederschlagung des Maurenaufstandes in Spanien beschränkten, waren seine Siegeszuversicht und sein Kampfeseifer groß. Am 15.September stach er mit der christlichen Flotte von Messina aus in See. Von dort aus schrieb er in einem letzten Bericht: "Der Feind ist stärker als wir an Zahl seiner Schiffe, aber nicht, so glaube ich, was die Kampftüchtigkeit der Schiffe oder Männer angeht. So breche ich, so Gott will, heute Nacht mit Kurs auf Korfu auf und fahre von dort aus, je nachdem, was ich höre, weiter. Ich habe 208 Galeeren, 26 000 Mann und 24 Schiffe. Ich vertraue auf den Herrn, daß er uns den Sieg schenken wird, wenn wir auf den Feind stoßen."

Auf Korfu hatten die Türken nur allzu deutliche Zeichen ihrer Anwesenheit hinterlassen. Jedoch war der Anblick zerstörter Kirchen und Altäre, zerbrochener Kruzifixe und zu Zielscheiben mißbrauchter Heiligenbilder eher dazu geeignet, die Soldaten und Seeleute der Liga mit heiligem Zorn und umso größerer Kampfbereitschaft, als mit Schrecken zu erfüllen. Noch größer wurde der Ingrimm auf der gesamten Flotte, als die Nachricht vom Fall der letzten zypriotischen Festung, Famagusta, eintraf, und sich gleichzeitig die Kunde von den dort verübten bestialischen Greueltaten der Türken verbreitete.

Inzwischen stieg das Gebet der ganzen Christenheit um den Sieg der Flotte zum Himmel empor. In Rom steigerte der Papst, soweit das noch möglich war, seine Gebets- und Bußübungen und hielt die Kardinäle, Priester und das ganze christliche Volk zu gleichem Tun an. Er vertraute fest auf die Macht des Gebetes, insbesondere des Rosenkranzgebetes. Am 7.Oktober 1571 hielten die Rosenkranzbruderschaften in Rom und in der ganzen Christenheit ihre Prozessionen ab und flehten zur Gottesmutter um den Sieg.

Am Morgen des gleichen 7.Oktobers, eines Sonntags, ließ Don Juan auf der ganzen Flotte die heilige Messe lesen. Man befand sich inzwischen am Eingang des Golfes von Lepanto, der heute Golf von Patras heißt. Als kurz darauf die aus dem Hafen von Lepanto aussegelnde türkische Flotte gesichtet wurde, war Don Juan über das Ende der langen Wartezeit so glücklich, daß er mit zwei Edelleuten einen Freudentanz auf dem Waffenplatz des Flaggschiffes vollführte. Nachdem er letzte, wohlüberlegte Anweisungen zum Kampf gegeben hatte, feuerte er seine spanischen Soldaten noch einmal, das Kreuz in den Händen, an: "Kinder, zum Tode sind wir fertig und bereit. Uns, wills der Himmel, gehört der Sieg. Streitet im Namen des Herrn, damit der Feind nicht frage: wo blieb euer Gott? Kämpft in Seinem Namen, und euer Ruhm wird unsterblich sein, ob nun Sieg oder Tod euer Los sei." Die Wirkung dieser Worte war unbeschreiblich: Schon vor dem ersten Schuß brach ein wahrer Siegestaumel unter den christlichen Soldaten aus. Während sich nun auf der türkischen Flotte die Soldaten durch lautes Kampfgeschrei anfeuerten, kehrte bei den Christen noch einmal tiefe Stille ein: Don Juan fiel auf einem erhöhten Platz seiner Galeere, für alle sichtbar, vor dem Kruzifix nieder und bat ein letztes Mal den Herrn um Hilfe, seinem Beispiel folgten sämtliche Offiziere und Mannschaften auf den übrigen Schiffen. Dann begann die lange und blutige Schlacht, in der zahllose Taten von unerhörter Tapferkeit vollbracht wurden. Der späte Nachmittag schließlich sah die Flotte der Heiligen Liga als vollständigen Sieger: Der größte Teil der gegnerischen Schiffe wurde entweder versenkt oder erobert, ein großer Teil der türkischen Streitkräfte fiel oder geriet in Gefangenschaft, während die Sieger zu ihrer großen Freude 20 000 christliche Rudersklaven befreien konnten. Alles in allem hätte der Triumph der Heiligen Liga kaum vollständiger ausfallen können.
In Rom saß am Nachmittag der Schlacht der Papst gerade mit seinem Schatzmeister bei der Arbeit. Plötzlich stand er auf, öffnete das Fenster und schien eine Weile entfernten Geräuschen zu lauschen. Nach einer Weile schloß er das Fenster wieder und entließ den Schatzmeister mit den Worten: "Gott sei mit euch, es ist keine Zeit für Geschäfte, sondern um Gott zu danken, denn in diesem Augenblick ist unsere Flotte siegreich." Darauf fiel er vor dem Kreuz nieder, um zu beten. Der Schatzmeister, nicht wenig beeindruckt, notierte sich sofort Tag und Stunde dieses Vorfalls.

Als schließlich, lange danach, die Nachricht von dem glänzenden Sieg die Hauptstädte Europas erreichte, war der Jubel riesig. Welche Erleichterung und welches Aufatmen durch das ganze christliche Europa ging, faßt der spanische Dichter Cervantes, Teilnehmer an der Schlacht, in der er schwer verwundet wurde, zusammen, wenn er sie begeistert "das glorreichste Ereignis, das die Vergangenheit oder die Gegenwart sah, oder die Zukunft sehen wird" nennt. Den Siegern wurden in ihren Heimatstädten großartige Empfänge und Ehrungen zuteil Pius V. selbst ließ für den päpstlichen Admiral Colonna einen Triumphzug nach antikem Muster aufführen, daneben gewährte er aber auch den Verwundeten der Schlacht reiche Unterstützung.

Doch bei allem irdischen Jubel wurde nicht vergessen, wem man letztlich den Sieg zu verdanken hatte. Daher fanden in allen katholischen Ländern noch einmal feierliche Dankgottesdienste und Prozessionen statt, es gab wohl kaum eine Kathedrale, in der nicht zum Gedenken dieses Tages das Te Deum angestimmt wurde. Insbesondere wurde der Macht des Rosenkranzgebetes, d.h. der Fürbitte der hl.Jungfrau, der Sieg zugeschrieben. In vielen Kirchen wurden seitdem Altäre errichtet für "Maria della Vitoria" (Maria vom Sieg), und unter ein Gemälde der Schlacht, das in Venedig hängt, ließ Papst Pius V. die Worte setzen: "Non virtus, non arma, non duces, sed Maria Rosarii victores nos fecit." (Nicht Tapferkeit, nicht Waffen noch Feldherrn, sondern Maria vom Rosenkranz hat uns zu Siegern gemacht.) Zum Dank an die Gottesmutter setzte er auf den Tag der Schlacht ein neues Fest für "Unsere Liebe Frau vom Siege" ein. Sein Nachfolger, Gregor XIII., änderte den Namen dieses Festes in "Fest U.L.Frau vom Rosenkranz" um und ließ es am jeweils 1.Sonntag im Oktober feiern. Als im Jahre 1716, offenbar wiederum durch die Macht des Rosenkranzgebetes, ein entscheidender Sieg über die Türken durch den Prinzen Eugen errungen wurde, dehnte Papst Klemens XI. das Fest auf die ganze Kirche aus.

Der heilige Papst Pius V. überlebte den Sieg, an dem er einen solch entscheidenden Anteil hatte, nicht lange. Als er im Frühjahr 1572 merkte, daß sein Tod nahe war, ermahnte er sein Gefolge noch einmal, nicht von dem von ihm so glühend verfochtenen Werke abzulassen: "Ihr werdet nicht leicht jemanden finden, den stärker danach verlangt, die Widersacher des christlichen Glaubens und des Kreuzes auszurotten; aber Er, der aus diesen Steinen die Nachkommenschaft Adams zu erwecken vermag, kann Euch einen besseren und stärkeren Führer schenken. Die Heilige Liga hat ein großes Werk begonnen. (...) Aber beim Blute Jesu Christi beschwöre ich Euch ... so schnell wie möglich einen eifrigen Nachfolger zu wählen und die Wahl nicht nur nach weltlichen Gesichtspunkten zu treffen. Das Jahr ist schon weit fortgeschritten; was getan werden muß, muß bald getan werden; und wenn dieses Jahr ohne eine bemerkenswerte Aktion vorübergeht, wird das Feuer in den Menschen erlöschen und Unsere Arbeit und der große Sieg werden fruchtlos sein." Die Hoffnungen des großen Papstes haben sich leider nicht erfüllt. Denn obwohl sein Nachfolger, Gregor XIII. sich mit Eifer für die Fortsetzung des Kampfes einsetzte, war die Seele der Heiligen Liga mit Pius V. ins Grab gestiegen. Durch Eifersucht und kleinlichen Hader zerfiel das Bündnis nach und nach. Man hat daher oft versucht den Sieg von Lepanto als einen fruchtlosen und unnützen Sieg hinzustellen. Doch übersehen solche Kritiker, daß die Heilige Liga ihr primäres Ziel, nämlich die Abwehr der unmittelbaren Gefahr, glänzend erfüllt hat: Niemals sind die Türken nach Lepanto so gefährlich für das gesamte Abendland gewesen, als sie es vorher waren.

Für uns Christen hat dieses Ereignis jedoch eine viel tiefergehende Bedeutung. Suleiman der Prächtige, der größte der osmanischen Sultane, soll einmal über Pius V. gesagt haben: "Ich fürchte mehr die Gebete dieses Papstes als alle Truppen des Kaisers." Aus diesen Worten eines heidnischen Fürsten können wir mehr lernen als aus allen noch so detaillierten Schlachtberichten: Lepanto bleibt ein ewiges Mahnmal für die Macht des Gebetes. Vertrauen wir daher auf die Macht des Rosenkranzgebetes, auf daß auch uns nicht Tapferkeit, Waffen oder Feldherrn, sondern Maria, die Rosenkranzkönigin, zu Siegern mache!

(Wertvolle Anregungen zu diesem Beitrag entnahm der Verfasser vor allem dem Buch "Don Juan d'Austria"von Charles Petrie sowie dem Artikel "400 Jahre" in der Zeitschrift "Betendes Volk", Nr.3, Jg.20.)

 
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