55. Jahrgang Nr. 2 / April 2025
Datenschutzerklärung | Zum Archiv | Suche




1. DIE AUFERSTEHUNG - EINE OSTERPREDIGT
2. ERLÖSER DES MENSCHEN?
3. JOHANNES PAUL II.
4. DER ABGRUNDTIEFE HASS
5. S. E. Erzbischof Marcel Lefebvre spricht - 33. Teil
6. ERKLÄRUNG
7. STELLUNGNAHME GEGEN DIE VORWÜRFE, DIE GEGEN DAS VON DER SAKA GEPLANTE SEMINAR GERICHTET SIND.
8. Um der Wahrheit willen
9. OFFENE FRAGEN AN H.H. PFARRER HANS MILCH
10. KEINE KOEXISTENZ!
11. DAS 4. GEBOT
12. EINIGE GEDANKEN ZUM PROBLEM DER STÄNDIGEN SEXUELLEN PROVOKATION
13. KATECHISMUS DER KATHOLISCHEN RELIGION
14. IM GEDENKEN AN...
15. DER MOLOCH VON HEUTE
16. POUR VOUS ET POUR TOUS - LE PROGRAMME DE JEAN-PAUL II
17. NACHRICHTEN, NACHRICHTEN, NACHRICHTEN
18. MITTEILUNGEN DER REDAKTION
EINIGE GEDANKEN ZUM PROBLEM DER STÄNDIGEN SEXUELLEN PROVOKATION
 
EINIGE GEDANKEN ZUM PROBLEM
DER STÄNDIGEN SEXUELLEN PROVOKATION



von
Eugen Golla


So überraschend es im ersten Augenblick sein mag, ich muß gestehen, daß sowohl die Ansicht von Herrn Dr. Grohnauer als auch die Gegenstimme des Herrn Schwörer auf dem Boden des Katholizismus stehen. Allerdings: Herrn Dr. Grohnauers Aufsatz ist ein dankenswerter Versuch, wie ein Katholik die sexuelle Reizüberflutung verkraften kann, ohne sich der Mittel der Askese zu bedienen. Diese, die in unzähligen Schriften der Kirche - am populärsten in der "Nachfolge Christi" - behandelt wird, vertritt Herr Schwörer.

Hierbei zeigt es sich aber, daß er die Askese nicht vom richtigen Blickwinkel aus betrachtet, weil er den Unterschied zwischen den Pflichten des Mönches (natürlich auch des Priesters) und des Laien nur in der Übernahme des Zölibats sieht - gewiß der einschneidendsten und auch am leichtesten zu umschreibenden Verpflichtung. Dadurch berücksichtigt er aber nicht das, was ja Herr Dr. Grohnauer in seiner Antwort deutlich hervorgehoben hat und ich für das wichtigste in meiner Argumentation halte: daß die mönchische Lebenshaltung auf eine intensivere Weise von der Askese d.h., vom Abgestorbensein für die Welt geprägt sein muß. Hierzu erhält der durch die Gelübde Verpflichtete, durch seine Weihe, das abgesonderte Leben und die Gebetsübungen besondere Gnaden, die es ihm ermöglichen sollen, den strengeren Weg, den Weg der Vollkommenheit, gehen zu können. Es wird somit in der Vielfalt der Situationen, in die das Leben den Menschen stellt, für ihn manches Sünde oder schwer sündhaft sein, was für den Laien keine oder nur eine leichte Sünde ist.

Die Moraltheologie anerkennt daher nicht nur den freien Willen des Menschen, sondern berücksichtigt auch seinen jeweils besonderen Charakter, die Situation, in der er sich befindet, und seinen Stand; aber darüber hinaus weiß sie auch Bescheid über die verschiedenartige Beurteilung der Sünde seitens des Beichtvaters. Im Gegensatz zur streng asketischen Auffassung gibt es sehr viele Fälle, bei denen Erlaubtheit oder Unerlaubtheit nicht ohne weiteres aus den Geboten abgelesen werden können. Aus dieser Haltung hat sich im 16. Jahrhundert der Probabilismus herausgebildet, nach dessen Lehre bei unlösbaren Zweifeln des Gewissens das Gesetz nicht verpflichtet, weil als erlaubt anzusehen ist, was nicht verboten ist. Ludwig von Pastor, ein Laie, aber ein Mann, dessen ganzes Leben in den Dienst der Kirche gestellt war, schreibt in seiner Geschichte der Päpste über den Probabilismus: "im ganzen zeigt die probabilistische Kasuistik einen menschenfreundlichen Zug, ein Streben, den Weg zum Himmel nicht enger zu machen, als man ihn machen muß, ein Verständnis für den Menschen, wie er nun einmal ist, und für die Schwierigkeiten, mit denen er im Leben zu ringen hat. Die nähere Anleitung zur Vollkommenheit des christlichen Lebens überläßt sie den Aszeten; aber eben dadurch, daß sie das Gebiet des streng Pflichtmäßigen genau umgrenzt, schafft sie Raum für den Aufschwung der Großmut und Liebe, die mehr tun will als das Pflichtmäßige." Nur um Mißverständnisse zu vermeiden,erwähne ich, daß sich der Probabilismus vom Laxismus, einem Moralsystem, das eine Handlung auch bei einer geringen Wahrscheinlichkeit für ihre Erlaubtheit noch für erlaubt hält und das kirchlich verurteilt ist, deutlich unterscheidet.

Betrachten wir nun das 6. Gebot! Seine lapidare Kürze zwingt uns direkt, die verschiedenen Lebensverhältnisse speziell zu regeln. Wo beginnt die Sünde, wo die schwere Verfehlung? Selbstverständlich ist mir bekannt, daß sich viele Sünden widerspruchlos einordnen lassen; eine Blütenlese solcher Verstöße gegen Gottes Gebote glaube ich mir ersparen zu können, denn bei dem Thema handelt es sich nur um Grenzfälle.

Totale Nacktheit ist auf jeden Fall Sünde, denn sie steht im Widerspruch zu Genesis 3,21, wie schon Herr Schwörer zitiert hat. - Aber schnoddrig gesprochen: Wo beginnt der sexuelle Reiz, d.h. sündhafte Entblößung? Als die Kleider der Damen bis zur Erde reichten, waren ein zierlicher Fuß - von den Waden gar nicht zu sprechen - Objekte des Eros; bei den verschleierten Orientalinnen die Augen. Es dürfte wohl als Axiom gelten können, daß die verborgenen Teile des Körpers in den Dienst der Sexualisierung gestellt werden. Und nun der Bikini! Ob die Trägerin ein schöner Anblick ist oder nicht, ist für unseren Problemkreis unwichtig. Aber das muß offen gesagt werden: Wären vor 5o-7o Jahren die Katholiken - oder die gesamte Christenheit - wie eine Phalanx zusammengestanden und hätten bis zum letzten für die Beibehaltung der Trennung der Geschlechter beim Baden gekämpft, dann wäre ihnen - vielleicht - wenigstens ein Teilerfolg gelungen. So aber ist das Familienbad ein nicht mehr wegzudenkender Teil unserer Zivilisation geworden - schon oder gerade auch für die Jugendlichen. Msgr. A. M. Rathgeber lehnt in seinem Buche "Wissen Sie Bescheid?" (Auflage v.1962) das Familienbad nicht ab, wenn er auch darauf hinweist, daß es zur Erstickung des natürlichen Schamgefühls beiträgt und besonders unter der reifenden Jugend vorzeitige Geschlechtserregung wecken kann.

Darf also der Katholik ohne in Gewissenskonflikte zu geraten, das Familienbad besuchen? Die Apostel und somit auch andere Christen besuchten im Römischen Reiche die öffentlichen Bäder. Angeblich soll nur unter den sittlich hochstehenden Kaisern die Geschlechtertrennung durchgeführt gewesen sein; Kulturhistoriker mögen sich bitte zu Wort melden!

Eins steht fest: Wer baden gehen will, dem kann man nicht als Rezept mitgeben, er möge wegschauen. Bitte nicht begaffen, aber auch nicht wegschauen! Dann lieber gleich vom Baden fernbleiben! Wie nutzlos wäre das Abwenden der Blicke vollends dann, wenn eines Tages die Mini-Röcke wieder große Mode werden sollten. Der Katholik soll gewiß nicht in den Erkenntnissen der Psychologie und Psychiatrie das letzte Heilmittel sehen; daß es aber so etwas wie Verklemmtsein gibt und daß ständige Schuldgefühle letztlich von Gott wegziehen können und dann ein Triumph Satans sind, gehört aber auch zu den Binsenwahrheiten.

Zu Recht sagt daher Herr Dr. Grohnauer, daß man ein Weib ohne Begehrlichkeit anschauen kann, wenn man das zu sehen gelernt hat. Der Katholik wird in unserer Zeit diese Aufgabe bewältigen müssen, ob er will oder nicht. Wenn wir so handeln, finden wir auch dann den rechten Weg für die Probleme Illustrierte, Schund, Reklame, Fernsehen u.s.w. Jedenfalls mit solch übertriebenen und pathetischen Formulierungen wie "zu begaffendes Material", "Zur Verfügungstellen der weiblichen Familienmitglieder", "Schaubedürfnisse" u.s.w. hat der Kritiker des Herrn Dr. Grohnauer keinen positiven Beitrag zur Bewältigung geleistet, vielmehr die Situation in einer verzerrten Perspektive dargestellt. Wie ein Skifahrer auf einem schneefreien Hang sich nicht so verhalten kann, als wäre er schneebedeckt, so können wir uns heute nicht so benehmen, als lebten wir noch im Victorianischen Zeitalter, das zweifellos besser erzogene - weil komplett angezogene - Menschen hervorbrachte, die aber deshalb nicht sittenreiner waren.

Ich möchte nicht abschließen, ohne noch besonders darauf hinzuweisen, daß mir nichts ferner liegt, als die asketische Auffassung herabzusetzen oder lächerlich zu machen. Im Gegenteil, sie ist und bleibt eine unserer kostbarsten Schätze. Aber in der Folgerichtigkeit, daß Jesus nicht von allen das Gleiche verlangt hat, gewährt die Kirche in Grenzfällen schwieriger Situationen und nach sorgfältiger Prüfung Erleichterungen; das heißt, es gibt auch eine Gewissensverantwortung und diese muß, als Wertmaßstab angelegt, nicht pharisäisch und ein Zeichen der Bequemlichkeit sein.
 
(c) 2004-2018 brainsquad.de