S.E. Erzbischof Marcel Lefebvre spricht - 33. Teil
Grundsätzliche Stellungnahme Erzbischof Marcel Lefebvres h
insichtlich der Neuen Messe und des Papstes
aus der Zeitschrift der Pnesterbruderschaft St. Pius X. "Fidehter", Nr. 13, Janner-Februar 1980
Herausgegeben vom Osterr. Sekretariat der Priesterbruderschaft St. Pius X., 1016 Wien
deutsche Übersetzung von Dr Ferdinand Steinhart
Erzbischof Lefebvre ersucht uns, eine Zusammenfassung der wesentlichen
Punkte semer m semen Schriften und Ansprachen zum Ausdruck gebrachten
Grundsatze betreffend jene beiden Probleme, die das Gewissen der der
Übeiliefenmg treu gebliebenen Katholiken beunruhigen, bekannt zu
machen: die Gültigkeit des Novus Ordo Missae und wann ein Papst sein
Amt zurecht innehat.
Im Lauf dieser letzten zehn Jahre habe ich des öfteren Gelegenheit
gehabt auf diese Fragen, die überaus schwerwiegend Mnd, zu antworten
Ich habe mich immer bemüht dem Geist der Kirche treu zu bleiben im
Einklang mit ihren theologischen Prinzipien die ihren Glauben
ausdrucken, und mit ihrer pastoralen Klugheit wie sie in
derMoraltheologie und in der Erfahrung aus ihrer Geschichte zum
Ausdruck kommt.
Ich glaube sagen zu können, daß ich hinsichtlich dieser Dinge nie meine
Ansichten geändert habe und daß diese Geisteshallung glücklicherweise
auch die der überwiegenden Mehrzahl der Priester und der Glaubigen ist,
die der unfehlbaren Überlieferung verbunden sind.
Es ist klar daß diese wenigen Zeilen nichtausreichen, um eine
erschöpfende Studie dieser Problemevorzunehmen. Vielmehr geht es hier
darum, die Schlußfolgerungen offenherzig so darzulegen, daß niemand
über die Zielsetzungen und den Geist der Priesterbruderschaft St Pius
X. im unklaren sein kann.
Zur Frage der Neuen Messe
Machen wir unverzüglich die widersinnige Vorstellung zunichte: "Wenn
die Neue Messe gültig ist, kann man also auch an ihr teilnehmen". Die
Kirche hat es immer verboten, an Messen von Schismatikern und
Häretikern teilzunehmen, selbst wenn diese Messen gültig sind. Es ist
klar, daß man nicht an saknlegischen Messen teilnehmen kann, noch an
Messen, die unseren Glauben gefährden.
Nun ist es leicht zu beweisen, daß die Neue Messe, so wie sie von der
Liturgiekommission formuliert wurde, mit allen vom Konzil offiziell
gegebenen Ermächtigungen, mit allen Erklärungen von Msgr Bugnin eine
unerklärliche Annäherung an die protestantische Theologie und den
protestantischen Kult zeigt.
Vor allem werden folgende fundamentale Dogmen bezüglich der hl. Messe
nicht mehr klar zum Ausdruck gebracht und finden sogar Widerspruch der
Priester ist der alleinige Diener am Altar, es hegt ein wahres Opfer
eine Opferhandlung vor das Schlachtopfer die Opfergabe ist Unser Herr
Jesus Christus selbst der mit Seinem Leib. Seinem Blut. Seiner Seele
und Seiner Gottheit unter den Gestalten des Brotes und des Weines
gegenwärtig ist, dieses Opfer ist ein Sühnopfer, das Opfer und das
Sakrament werden durch die Worte der Konsekration vollzogen und nicht
durch die Worte, die vorangehen oder nachfolgen.
Es genügt, einige der Neuerungen anzuführen, um sich von der Annäherung an den Protestantismus zu überzeugen:
den in einen Tisch ohne Altarstein umgewandelten Altar,
die Einführung, daß der Priester die Messe dem Volk zugewendet zelebriert,
die Konzelebration,
die Messe in der Landessprache, die Messe laut gelesen,
die Messe in zwei Teilen die Liturgie des Wortes und die der Eucharistie,
das profanierte Altargerät,
das gesäuerte Brot,
die Austeilung der Eucharistie durch Laien und die Handkommunion,
die Unterbringung des Allerheiligsten in der Wand,
die Vornahme der Lesungen durch Frauen,
die Spendung der Kommunion an Kranke durch Laien.
Es handelt sich hier um lauter Neuerungen, die kirchenamtlich
autorisiert sind. Man kann also ohne jede Übertreibung sagen, daß die
meisten dieser Messen sakrilegisch sind und daß sie den gesamten
Glauben verderben, indem sie ihn verkürzen. Die Entsakralisierung geht
so weit, daß diese Messe ihren übernatürlichen Charakter verliert, ihr
"Geheimnis des Glaubens", um nur mehr ein Akt einer natürlichen
Religion zu sein.
Diese Neuen Messen können nicht nur nicht Gegenstand einer
Verpflichtung sein, durch ihren Besuch die Sonntagspflicht zu erfüllen.
Man muß vielmehr auf sie die kanonischen Bestimmungen anwenden, die die
Kirche auf die "commumcatio in sacris" (Gemeinschaft im Gottesdienst)
mit den schismatischen orthodoxen und mit den protestantischen
Gottesdienstformen anzuwenden pflegt.
Ist dies gleichbedeutend damit, daß alle diese Messen ungültig sind? Es
ist nicht einzusehen, wie man das behaupten konnte, wenn die
wesentlichen Voraussetzungen für die Gültigkeit vorliegen, daß heißt
die Materie, die Form, die Intention und der gültig geweihte Priester.
Die Gebete des Offertoriums, des Kanons und der Kommunion des
Priesters, die die Konsekration umgeben, sind zur Unversehrtheit des
Opfers und des Sakramentes notwendig, aber nicht zu seiner Gültigkeit
Als Kardinal Mindszenty in seinem Gefängnis heimlich die Worte der
Konsekration über etwas Brot und Wein gesprochen hat, um sich vom Leib
und vom Blut Unseres Herrn Jesus Christus zu nähren, ohne von semen
Wächtern bemerkt zu werden, hat er sicherlich das Opfer und das
Sakrament vollzogen.
Es ist offenkundig, daß es in dem Maß immer weniger gültige Messen
gibt, als der Glaube der Priester verfällt und diese nicht mehr die
Intention haben, das zu tun, was die Kirche immer getan hat, denn die
Kirche kann diese ihre Intention nicht ändern. Die gegenwärtige
Ausbildung derer, die man heute Seminaristen nennt, bereitet sie nicht
darauf vor, gültige Messen zu vollziehen. Das Sühnopfer der Messe
darzubringen, ist nicht mehr die wesentliche Aufgabe des Priesters.
Nichts ist enttäuschender und trauriger als die Lektüre von Ansprachen
und amtlichen Mitteilungen der Bischöfe betreffend Berufungen oder
anläßlich einer Priesterweihe. Sie wissen nicht mehr, was der Priester
ist.
Um jedoch über die subjektive Schuld derer zu urteilen, die die Neue
Messe feiern und derer, die ihr beiwohnen, müssen wir die Regeln zur
Unterscheidung der Geister nach den Richtlinien der Moral- und der
Pastoraltheologie anwenden. Wir müssen immer als Seelenarzte handeln
und nicht als Richter und Henker, wie diejenigen zu tun versucht sind,
die von verbittertem Eifer und nicht vom wahren Eifer beseelt sind Wenn
sich doch die jungen Priester nur von den Worten des hl. Pius X. in
seiner ersten Enzyklika inspirieren ließen und von zahlreichen Texten
bekannter geistlicher Schriftsteller wie eines Dom Chautard in "Die
Seele allen Apostolat es", eines Garngou-Lagrange im zweiten Band der
"Christlichen Vollkommenheit und Kontemplation" oder eines Dom Marmion
m "Christus als Ideal des Mönches"!
Kommen wir zur zweiten nicht weniger wichtigen Frage!
"Haben wir wirklich einen Papst oder einen auf dem Stuhl Petri sitzenden Eindringling?"
Glücklich jene, die lebten und gestorben sind, ohne sich eine derartige
Frage stellen zu müssen! Man muß anerkennen, daß Papst Paul VI für das
Gewissen der Katholiken ein ernstes Problem darstellte und noch
darstellt. Ohne seine Schuld an der schrecklichen Zerstörung der Kirche
unter seinem Pontifikat zu suchen oder sie zu kennen, muß man doch
zugeben, daß er die Wirksamkeit der Ursachen dieser Zerstörung auf
allen Gebieten beschleunigt hat. Wie konnte ein Nachfolger Petri in so
kurzer Zeit der Kirche größeren Schaden zufügen als die Revolution von
1789? Man konnte sich das fragen.
Präzise Fakten wie die Unterzeichnung des Artikels VII der Instructio
zum Novus Ordo Missae und ebenso des Dokumentes über die
Religionsfreiheit sind skandalös und für manche Leute der Anlaß zu
behaupten, daß dieser Papst Häretiker und infolge der Tatsache seiner
Häresie nicht mehr Papst gewesen sei.
Die Folgen dieser Tatsache seien, daß die Mehrzahl der derzeitigen
Kardinäle nicht Kardinäle und daher unfähig seien, einen anderen Papst
zu wählen. Die Päpste Johannes Paul I. und Johannes Paul II. seien also
nicht legitim gewählt. Es sei also unzulässig, für einen Papst zu
beten, der kein Papst sei und mit jemandem zu verhandeln, der keinen
Rechtstitel habe, den Stuhl Petri einzunehmen.
Wie beim Problem der Ungültigkeit der Messe vereinfachen auch
diejenigen, die behaupten, daß es keinen Papst gäbe, zu sehr die
Probleme. Die Wirklichkeit ist viel komplexer.
Wenn man sich ernstlich mit der Frage befaßt, ob ein Papst häretisch
sein kann, sieht man, daß das Problem nicht so einfach ist, wie man
glauben wurde. Die sehr objektive Studie über diesen Gegenstand von
Plinio da Silveira zeigt, daß eine beträchtliche Anzahl von Theologen
der Ansicht ist, daß der Papst wohl als privater Lehrer häretisch sein
kann, nicht aber als Lehrer der Gesamtkirche. Man mußte also prüfen, in
welchem Maß Papst Paul VI. in diesen verschiedenen Fällen, in denen er
der Haresie nahe, wenn nicht gar häretische Texte unterzeichnet hat,
seine Unfehlbarkeit in Anspruch nehmen wollte.
Wir konnten nun sehen, daß Papst Paul VI in diesen beiden Fällen, wie
in vielen anderen, viel mehr als Liberaler handelte, als daß er sich
der Haresie zuwendete Denn sobald man ihm die Gefahr zeigte, der er
sich aussetzte, gestaltete er den Text dadurch widersprüchlich, daß er
eine Formel anfügte, die das Gegenteil dessen beinhaltete, was im
bisherigen Text behauptet wurde, oder dadurch daß er die ursprüngliche
Formel durch eine doppelsinnige ersetzte - das Charaktenstikum des
Liberalen, dessen Gedankengange seiner Natur nach zusammenhanglos sind.
Der Liberalismus Pauls VI., der auch von Kardinal Danielou, seinem
persönlichen Freund, zugegeben wird, genügt, um die Katastrophe seines
Pontifikates zu erklären. Besonders Papst Pius IX. hat viel über den
katholischen Liberalen gesprochen, den er als den Zerstörer der Kirche
betrachtete. Der katholische Liberale ist an Mensch mit zwei
Gesichtern, der in ständiger Widerspruchlichkeit lebt Er will Katholik
bleiben und ist von der Sucht besessen, der Welt zu gefallen Er
bekräftigt seinen Glauben, hat aber gleichzeitig Angst, zu dogmatisch
zu erscheinen, und handelt praktisch wie die Feinde des katholischen
Glaubens.
Kann ein Papst liberal sein und doch Papst bleiben? Die Kirche hat die
liberalen Katholiken immer streng getadelt. Sie hat sie aber nicht alle
exkommuniziert.
Auch hier müssen wir im Geist der Kirche verbleiben Wir müssen den
Liberalismus zurückweisen, woher immer er kommen möge, weil die Kirche
ihn immer scharf verurteilt hat, weil er im Gegensatz steht zum
Königtum Unseres Herrn und im besonderen zu Seinem Königtum auf Erden.
Machen die Entfernung der über 80 Jahre alten Kardinäle und die
geheimen Absprachen, die die beiden letzten Konklaven vorbereitet
haben, nicht die Wahl dieser Papste ungültig? Ungültig ware zuviel
behauptet, aber eventuell zweifelhaft Jedenfalls genügt die praktische
und einmütige nachträgliche Annahme der Wahl durch die Kardinale und
den römischen Klerus, um die Wahl gültig zu machen Das ist die Ansicht
der Theologen. Die Sichtbarkeit der Kirche ist für ihre Existenz zu
notwendig, als daß man annehmen könnte, Gott wurde sie für Jahrzehnte
aufheben.
Die Gedankengänge derer, die behaupten, es gebe derzeit keinen Papst,
wurden die Kirche m eme ausweglose Situation bringen. Wer wird uns
sagen, wo der zukünftige Papst ist! Wie wird er bestimmt werden können,
wenn es keine Kardinale mehr gibt! Dieser Geist ist ein schismatischer
Geist, zumindest bei der Mehrzahl der Glaubigen, die sich wahrhaft
schismatischen Sekten anschließen, wie jener von Palmar de Troya, jener
der Lateinischen Kirche von Toulouse etc.
Unsere Bruderschaft lehnt es entschieden ab, sich auf Erörterungen
dieser Art einzulassen Wir wollen mit Rom, mit dem Nachfolger Petri,
eng verbunden bleiben, aber wir weisen dessen Liberalismus aus Treue zu
seinen Vorgängern zurück. Wir scheuen uns nicht, es ihm in aller
Ehrfurcht, aber mit Festigkeit zu sagen, wie der hl Paulus es dem hl.
Petrus gegenüber getan hat.
Eben deshalb sind wir weit davon entfernt, uns zu weigern, für den
Papst zu beten, vielmehr verdoppeln wir unsere Gebete und unser Flehen,
daß der Heilige Geist ihm Licht und Kraft gebe, bei der Bekräftigung
und bei der Verteidigung des Glaubens Eben deshalb habe ich es auch nie
abgelehnt, mich aufsein Ersuchen oder auf Ersuchen seiner Beauftragten
nach Rom zu begeben. Die Wahrheit muß in Rom mehr als an welchem Ort
immer bekräftigt werden Sie gehört Gott, der sie triumphieren lassen
wird.
Folglich kann auch die Priesterbruderschaft St Pius X. mit allen ihren
Patres, ihren Brüdern, ihren Schwestern, ihren Oblaten, keine
Mitglieder in ihrer Mitte dulden, die es ablehnen, für den Papst zu
beten und die behaupten, daß alle Messen des Novus Ordo ungültig sind
Sicherlich leiden wir an der standigen Widersprüchlichkeit, die dann
besteht, alle liberalen Zielsetzungen des Zweiten Vatikanischen Konzils
zu loben und sich gleichzeitig zu bemühen, deren Auswirkungen zu
mildern. Gerade das muß uns anspornen zu beten und die Überlieferung
standhaft zu bewahren, aber ohne uns dazu verleiten zu lassen zugleich
zu behaupten, daß der Papst nicht Papst sei.
Daraus folgt, daß wir einen missionarischen Geist haben müssen, derja
der wahre Geist der Kirche ist, daß wir alles tun müssen fur das Reich
Unseres Herrn Jesus Christus nach der Devise unseres heiligen Patrons,
des hl PiusX. "Instaurare omnia in Christo" alles in Christus erneuern,
und daß wir, wie Unser Herr bei Seinem Leiden, alles ertragen müssen
fur das Heil der Seelen, für den Tnumpfh der Wahrheit.
"In hoc natus sum (Dazu bin ich geboren)", sagt Unser Herr zu Pilatus
"ut testimomum perhibeam veritati (um der Wahrheit Zeugnis zu geben)"
"Ich bin geboren, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen "
+ Marcel Lefebvre
8 November 1979
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