54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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1. Zur Fastenzeit: Worte der Ermahnung
2. Ist die Religionsfreiheit ein Naturrecht?
3. In der 'Mitte' angekommen - Beliebigkeit als Prinzip
4. Deutscher Schulzwang - das (un)heimliche Erbe der Nazis
5. Krieg gegen St. Nikolaus geplant
6. Der liberale Kardinal Newman
7. Priester auf ewig
8. Rundschreiben PROVIDENTISSIMUS DEUS
8. Rundschreiben PROVIDENTISSIMUS DEUS - Fortsetzung
9. Hinweis auf einen Gedichtband:
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Zur Fastenzeit: Worte der Ermahnung
 
Zur Fastenzeit: Worte der Ermahnung

vom
hl. Franziskus

Im Namen des Vaters und Sohnes und Heiligen Geistes. Dies sind Worte hehrer Ermahnung unseres ehrwürdigen Vaters, des heiligen Franziskus, an alle Brüder.

Es sprach der Herr Jesus zu seinen Jüngern: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich. Hättet ihr mich erkannt, ihr hättet gewiß auch meinen Vater erkannt, und fortab werdet ihr ihn erkennen und habt ihn gesehen.« Spricht zu ihm Philippus: »Herr, zeig uns den Vater, und es ist uns genug.« Spricht zu ihm Jesus: »So lange Zeit bin ich bei euch, und ihr habt mich nicht erkannt? Philipp, wer mich sieht, sieht auch meinen Vater.« Der Vater bewohnt das unnahbare Licht, und Geist ist Gott, und Gott hat keiner je gesehen. Weil Gott Geist ist, deshalb kann er einzig von Geist gesehen werden; denn der Geist ist's, der lebendig macht, das Fleisch ist nichts nütze. Doch auch der Sohn wird darin, daß er dem Vater gleich ist, von keinem anders gesehen als der Vater, anders als der Heilige Geist: und alle, die den Herrn Jesus Christ nach der Menschheit sahen, und nach dem Geist und der Gottheit nicht sahen noch glaubten, er sei Gottes wahrer Sohn, sind verdammt. So auch jetzt: alle, die das Sakrament des Leibes Christi sehen, das durch die Worte des Herrn auf dem Altar von der Hand des Priesters in Form von Brot und Wein geweiht wird, und nach dem Geist und der Gottheit nicht sehen noch glauben, dies sei wahrhaftig der heiligste Leib und das Blut unsres Herrn Jesus Christ, sind verdammt nach dem Zeugnis des Höchsten selbst. Der spricht: »Dies ist mein Leib und mein Blut des Neuen Testaments« - und: »Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben.«

Der Geist des Herrn, der in seinen Getreuen wohnt, der ist es also, der den heiligsten Leib und das Blut des Herrn empfängt. Alle anderen, die von diesem Geist nichts haben und sich vermessen, ihn zu empfangen, essen und trinken sich das Gericht. Darum, ihr Menschenkinder, bis wann schweren Herzens? Warum erkennt ihr nicht die Wahrheit und glaubet an Gottes Sohn? Seht, täglich demütigt er sich wie damals, als er von den Königssitzen in den Schoß der Jungfrau trat: täglich kommt zu uns er selbst, demütig anzusehen; täglich steigt er vom Busen des Vaters hernieder auf den Altar in die Hände des Priesters. Und wie den heiligen Aposteln im wahren Fleisch, so zeigt er sich jetzt auch uns im geweihten Brot. Und wie sie mit dem Blick ihres Fleisches nur ein Fleisch ersahen, aber mit geistigen Augen schauend glaubten, er sei Gott der Herr, so auch wir: sehen wir Brot und Wein mit Körperaugen, so laßt uns sehen und fest glauben, sein heiligster Leib und Blut sei lebendig und wahr. Und solcher Art ist der Herr immer bei seinen Getreuen, wie er selber sagt: »Sieh, ich bin bei euch bis zur Erfüllung der Zeit.«

Es sprach der Herr zu Adam: »Von jedem Baum des Paradieses iß; aber vom Baum des Wissens um Gut und Böse sollst du nicht essen.« - Von jedem Baum des Paradieses also durfte Adam essen; denn solange er nicht gegen den Gehorsam trat, sündigte er nicht. Der nämlich ißt vom Baum des Wissens um Gutes, der sich seinen Willen zueignet und sich des Guten überhebt, das der Herr in ihm sagt und wirkt. Und so, durch Einflüsterung des Teufels und Übertretung des Gebots, bringt ihn der Apfel zum Wissen um Böses; daher gebührt sich's, daß er Strafe trage.

Es spricht der Herr im Evangelium: »Wer nicht auf alles verzichtet, was er besitzt, kann mein Jünger nicht sein. Und wer seine Seele zum Heil bringen will, wird sie verderben.« - Der Mensch verläßt alles, was er besitzt, und verdirbt seinen Körper, der sich selbst ganz zum Gehorsam in die Hände seines Vorgesetzten hingibt. Und was er auch tut oder sagt - wenn er weiß, daß es nicht gegen dessen Willen ist, und solang das gut ist, was er tut, ist es wahrer Gehorsam. Und wenn einmal der Untergebene Besseres und Nützlicheres für seine Seele sieht als das, was der Vorgesetzte ihm gebietet, bringe er willig das Seine Gott zum Opfer, was aber des Vorgesetzten ist, strebe er im Werk zu erfüllen. Denn dies ist der wahre und liebende Gehorsam, der Gott und den Nächsten befriedigt. Wenn jedoch der Vorgesetzte dem Untergebenen etwas wider seine Seele gebietet, gehorche der ihm zwar nicht, aber verlasse ihn auch nicht. Und wenn er von etwelchen deshalb Verfolgung zu ertragen hat, liebe er sie nur mehr um Gottes Willen. Denn wer eher Verfolgung erträgt, als von seinen Brüdern sich trennen will, verharrt fürwahr im vollkommenen Gehorsam, denn er setzt seine Seele ein für seine Brüder. Es gibt nämlich viele Mönche, die unter dem Vorwand, Besseres zu sehen als das, was ihre Vorgesetzten gebieten, hinter sich schauen und zu ihrem ausgespieenen Eigenwillen zurückkehren: die sind Totschläger und richten um ihres übeln Beispiels willen viele Seelen zugrunde.

»Ich bin nicht gekommen, bedient zu werden, sondern zu dienen«, spricht der Herr. Die, welche über andere gestellt sind, mögen sich so dieses Vorrangs rühmen, wie wenn ihnen die Fußwaschung ihrer Brüder zum Amt gegeben wäre. Und je mehr die Entziehung ihres Vorrangs sie ärgert als das Amt der Fußwaschung, desto mehr füllen sie sich den Beutel zum Schaden der Seele.

Gib acht, o Mensch, in welche Herrlichkeit dich Gott, der Herr gesetzt hat, denn er schuf und formte dich nach dem Bilde seines lieben Sohns im Körper und nach seinem Gleichnis im Geist. Und alle Geschöpfe, die unter dem Himmel sind, dienen auf ihre Art und kennen und gehorchen ihrem Schöpfer besser als du. Und auch die Dämonen haben ihn nicht gekreuzigt, aber du mit ihnen hast ihn gekreuzigt und kreuzigst ihn noch in deiner Lust an Lastern und Sünden. Wessen also darfst du dich rühmen? Denn wärst du so fein und weise, daß du alle Wissenschaft hättest und verständest alle Arten von Sprache zu dolmetschen und genau über die himmlischen Dinge zu forschen - in alledem kannst du dich nicht rühmen; denn ein Dämon wußte vom Himmlischen mehr und weiß jetzt vom Irdischen mehr als alle Menschen, mag auch einer gelebt haben, der Erkenntnis höchster Weisheit von Gott insbesondere empfing. Ingleichen auch, wärst du schöner und reicher denn alle und tätest du gar Wunder, daß du Dämonen zum Fliehen brächtest - alles dies ist dir entgegen und rührt nicht an dich, und gar nicht kannst du dich dabei rühmen. Aber in einem können wir uns rühmen, in unsern Gebrechen, und so schleppen wir täglich das heilige Kreuz unsres Herrn Jesus Christ. -

Geben wir acht, alle Brüder, auf den guten Hirten, der seine Schafe zu retten des Kreuzes Leiden ertrug. Die Schafe des Herrn sind ihm gefolgt in Trübsal und Verfolgung und Schmach, in Hunger und Durst, in Krankheit und Anfechtung und anderem sonst; und dafür haben sie vom Herrn das ewige Leben empfangen. So ist es große Scham für uns Knechte Gottes, daß die Heiligen Werke getan haben, und wir, wenn wir sie erzählen und predigen, davon Ehre und Ruhm ernten wollen.

Es spricht der Apostel: »Der Buchstabe tötet, der Geist aber belebt.« - Die sind tot vom Buchstaben, die bloß die Worte allein zu wissen begehren, damit sie unter den anderen für weiser gelten und großen Reichtum erwerben können, an Vettern und Freunde zu verschenken. Und die Geistlichen sind tot vom Buchstaben, die dem Geist des heiligen Buchstabens nicht folgen wollen, sondern mehr die Worte allein zu wissen und anderen auszulegen begehren. Und die sind belebt vom Geist des göttlichen Buchstabens, die jeden Buchstaben, den sie wissen und zu wissen begehren, nicht dem Körper zukommen lassen, sondern in Wort und Vorbild dem höchsten Herrgott erstatten, dem alles Gute gehört.

Es sagt der Apostel: »Keiner kann sprechen, Herr Jesus, außer im Heiligen Geist«, und: »Da ist niemand, der Gutes tue, niemand bis auf einen.« - Wenn also wer seinem Bruder das Gute neidet, das der Herr in ihm sagt und tut, gehört es zur Sünde der Lästerung; denn er beneidet den Höchsten selbst, der alles Gute sagt und tut.

Es spricht der Herr: »Liebet eure Feinde« usw. - Der nämlich liebt wahrlich seinen Feind, den das Unrecht nicht schmerzt, das der ihm tut; aber die Sünde seiner Seele brennt ihn in seinem Gefühle Gottes, und er zeigt ihm mit Werken Liebe.

Viele gibt es, die sündigend oder Unbill erfahrend oft den Feind oder Nächsten beschuldigen. Doch ist es nicht so: denn ein jeglicher hat den Feind in seiner Macht, den Körper nämlich, durch den er sündigt. Darum selig der Knecht, der diesen in seine Macht gegebenen Feind immer gefangen hält und weise vor ihm auf der Hut ist; denn solang er das tut, wird kein anderer Feind, ob sichtbar oder unsichtbar, ihm schaden. Dem Knecht Gottes darf kein Ding mißfallen außer der Sünde. Und welcher Art auch jemand sündigte - wenn der Knecht Gottes, nicht aus Liebe, sich deshalb erregt und erzürnt, bereichert er nur seine Schuld. Der Knecht Gottes, der nicht zürnt noch sich über irgend etwas erregt, lebt richtig ohne Eigentum. Und selig ist, wer sich nichts zurückbehält, wer, was des Kaisers ist, dem Kaiser wiedergibt, und was Gottes ist, Gott.

Also kann man den Knecht Gottes erkennen, ob er vom Geiste des Herrn hat: wenn daher, daß der Herr durch ihn etwas Gutes wirkt, sein Fleisch sich nicht überhebt - denn immer ist es jedem Gut entgegen - nein, wenn er sich dann in seinen eignen Augen nur gemeiner dünkt und geringer als alle anderen Menschen sich achtet.

Nicht kann der Knecht Gottes erkennen, wieviel Geduld und Demut er in sich habe, solang ihm das Seine zuteil wird. Kommt aber einmal die Zeit, wo ihm die, die ihm das Seine zu geben hätten, Widriges geben - so viel Geduld und Demut er dann hat, so viel hat er und nicht mehr.

»Selig die Armen im Geist, denn ihrer ist das Himmelreich.« - Viele gibt's, die in Gebet und Brevier vertieft viele Enthaltungen und Züchtigungen an ihrem Körper vollbringen, aber über ein einziges Wort, das wie Beleidigung ihres Körpers erscheint, oder über irgendein Ding, das man ihnen wegnimmt, empören sie sich gleich und kommen außer sich. Die sind nicht arm im Geist: denn wer wahrlich arm im Geist ist, haßt sich selbst und liebt die, die ihn auf den Backen schlagen.
»Selig die Friedfertigen, denn Gottes Kinder werden sie heißen.« - Die sind wahrhaftig friedfertig, die bei allem, was sie in dieser Welt leiden, aus Liebe zu unserem Herrn Jesus Christ in Geist und Körper Frieden halten.

»Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.« - Reinen Herzens sind, die das irdische verachten, das Himmlische suchen und nicht ablassen, Gott, den Herrn, den lebendigen und wahren, reinen Herzens und Geistes immer anzubeten und zu schauen.

Selig der Knecht, der nicht stolzer auf das Gute ist, das der Herr durch ihn sagt und wirkt, als auf das, was er durch einen andern sagt und wirkt. Es sündigt der Mensch, der lieber von seinem Nächsten empfangen als Gott dem Herrn etwas von sich geben will.

Selig der Mensch, der seinen Nächsten nach seiner Gebrechlichkeit in dem erträgt, was er von Ihm ertragen haben wollte, wenn er selbst in solchem Falle wäre.

Selig der Knecht, der all sein Gutes Gott dem Herrn wiedergibt; denn wer sich etwas zurückbehält, verbirgt bei sich das Geld seines Herrn, und was er zu haben glaubt, wird ihm genommen werden.

Selig der Knecht, der sich nicht besser dünkt, wenn die Menschen ihn preisen und erhöhen, als wenn man ihn für gemein, einfältig und verächtlich hält; denn wieviel ein Mensch vor Gott ist, soviel ist er und nicht mehr. Weh dem Ordensmann, der von anderen hoch gestellt ward und aus eignem Willen nicht herabsteigen mag. Und selig der Knecht, der nicht aus eignem Willen hoch gestellt wird und immer sich sehnt, unter den Füßen der andern zu sein.

Selig der Mönch, der keine Heiterkeit und Freude hat als die an den heiligsten Sprüchen und Werken Gottes und mit diesen die Menschen zur Liebe Gottes führt in Lust und Freude. Weh dem Mönch, der sich an müßigen und leeren Worten ergötzt und mit diesen die Menschen zum Lachen bringt.

Selig der Knecht, der nicht mit Hoffnung auf Lohn redet und nicht all das Seine kundtut und nicht rasch am Reden ist, sondern weise bedenkt, welche Rede und Antwort ihm gebührt. Weh dem Mönch, der das Gute, welches der Herr ihm weist, nicht in seinem Herzen festhält und anderen nicht im Handeln zeigt, sondern es mehr in Hoffnung auf Lohn mit Worten den Menschen zu zeigen begehrt. Der hat seinen Lohn dahin, und die Hörer ernten geringe Frucht.

Selig der Knecht, der Züchtigung, Anklage und Tadel so geduldig von irgendwem hinnimmt wie von sich selbst. Selig der Knecht, der einen Tadel sanft hinnimmt, schamhaft sich fügt, demütig beichtet und gern genugtut. Selig der Knecht, der nicht rasch ist, sich zu entschuldigen, und demütig Unglimpf und Tadel wegen einer Sünde erträgt, auch wo er keine Schuld hat.

Selig der Knecht, der so demütig im Kreise seiner Untergebenen erfunden wird, als wenn er im Kreise seiner Herren wäre. Selig der Knecht, der immer unter der Rute der Züchtigung bleibt. Treu ist der Knecht und klug, der, wo er auch Anstoß gibt, mit der Reue nicht säumt, innerlich durch Zerknirschung und äußerlich durch Beichte und tätige Genugtuung.

Selig der Knecht, der seinen Bruder ebenso liebt, wenn er krank ist und ihm nicht genugtun kann, wie wenn er gesund ist und ihm genugtun kann. Selig der Knecht, der seinen Bruder so lieben und fürchten würde, wenn er fern von ihm wäre, wie wenn er bei ihm wäre, und der hinter seinem Rücken nichts von ihm sagen würde, was er nicht auch in Liebe vor seinem Angesicht sagen könnte.

Selig der Knecht Gottes, der den Geistlichen Vertrauen zubringt, die recht nach der Norm der heiligen römischen Kirche leben. Und weh denen, die sie verachten! Mögen sie ja Sünder sein, doch darf keiner sie richten, weil er, der eine Herr, sie sich zum Gerichte vorbehält. Denn soviel größer als alle anderen ihr Amt ist, das sie am heiligen Leib und Blut unseres Herrn Jesus Christ haben, welchen nur sie empfangen und sie allein den andem darreichen, um so mehr Sünde haben die Sünder unter ihnen als die unter allen andern Menschen dieser Welt. -

Wo Liebe ist und Weisheit, ist weder Furcht noch Unwissenheit. Wo Geduld und Demut ist, da ist weder Zorn noch Erregung. Wo Armut mit Freude ist, da ist weder Gier noch Geiz. Wo Ruhe und Besinnung ist, ist weder Verwirrung noch Unrast. Wo Furcht des Herrn ist, seine Schwelle zu behüten, dort hat der Feind keinen Raum zum Eintritt. Wo Erbarmen und Unterscheidung ist, ist weder Übermaß noch Verhärtung. -
Selig der Knecht, der sich die Güter im Himmel häuft, die der Herr ihm weist, und sie nicht in Hoffnung auf Lohn den Menschen kundzutun begehrt; denn der Höchste selbst wird seine Werke kundtun, wenn es ihm gut dünkt.

Selig der Knecht, der die Geheimnisse Gottes des Herrn in seinem Herzen bewahrt.

(aus: "Franz von Assisi - Fioretti • Gebete • Ordensregeln • Testament • Briefe" übers. von Wolfram von den Steinen und Max Kirschstein, Zürich 1979, S. 55 ff.)
 
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