54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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1. Der hl. Paulus an die Thessolonicher über die Offenbarung des Antichrists
2. Buchbesprechung: Die Unterminierung der (katholischen) Kirche
3. DAS PROBLEM VON FREIHEIT UND FREIEM WILLEN
4. ZEITGEMÄSSE BETRACHTUNGEN
5. BRIEF AN EINE ZEITUNG
6. ÜBER DIE SELIGPREISUNGEN DER BERGPREDIGT
7. DIE HEILIGE KLARA
8. VON DER LIEBESPROBE
9. DIE HEILIGE ZAHL SIEBEN
10. NACHRICHTEN, NACHRICHTEN, NACHRICHTEN
11. Mitteilungen der Redaktion
ZEITGEMÄSSE BETRACHTUNGEN
 
ZEITGEMÄSSE BETRACHTUNGEN

von
Eberhard Heller


Es ist bekannt, daß Problembewältigungen in unserem Lager häufig an persönlichem Unvermögen oder Unzulänglichkeiten scheitern. Und da unserer Personaldecke recht dünn und darum wenig tragfähig ist, entstehen häufig Risse in ihr, die wegen allzu menschlicher Schwächen und Eitelkeiten schwer zu reparieren sind.

In diesen "Katalog der Probleme" gehört auch ein ganz bestimmte Art klerikalen Verhaltens. Die wenigsten Priester begreifen, daß sie - ausgestattet mit gewissen Vollmachten, die ihnen verliehen wurden im Auftrag der Kirche (als Heilsinstitution) - sie Autorität im Auftrag der Kirche ausüben (sollen), eine Autorität, die auch im öffentlichen Bereich wahrgenommen werden muß, weil die Kirche sichtbar ist bzw. sein soll und die Glieder der Kirche einen "Leib" bilden, der nicht nur ein mystischer ist, sondern in dieser Welt erscheinen soll als konkretes Sozialgebilde.

Ein Priester ist also ein Amtsträger der Kirche. In dieser Hinsicht kommt seiner Exsistenz und seinem Handeln öffentlicher Charakter zu. Ein katholischer Priester ist also nicht nur einfach Seelsorger, sondern nach außen Repräsentant der Kirche und ihrer Autorität, und nach seinem Handeln als Repräsentant wird er auch vornehmlich beurteilt.

Häufig werden die übertragenen Vollmachten jedoch als persönliche Privilegien  von Klerikern -besonders unter den jetzigen ungeordneten Verhältnissen - mißverstanden (etwa bloß zur Ausübung eines pastoralen Dienstes), Vollmachten jedoch, von denen sie instinktiv spüren, daß sie durch sie in besonderer Weise ausgezeichnet sind, was aber zu dem falschen Schluß verleitet, zu meinen, der Welt 'entrückt' zu sein: Das Schnöde den Schnöden.

Die richtige Auffassung, daß sie diesen Dienst legitim nur dann ausüben (dürfen), wenn sie sich als von der Kirche beauftragt sehen, hat deshalb konfuse Konturen bekommen, weil sich die wenigsten Kleriker darum kümmern, wo denn heute die Kirche ist, die ihnen solch ungeheure Vollmachten wie die Vergebung der Sünden, die Vollmacht Brot und Wein zu verwandeln, gegeben hat, wodurch ihnen in der Tat eine bestimmte Mittlerrolle zwischen Gott und den Gläubigen zufällt. Es entstehen nicht nur Probleme in der Einstellung zur Seelsorge und deren Durchführung, die der hl. Gregor der Große in seinen Patoralregeln trefflich markiert hat ), nein, viel schlimmer ist der sich ausbreitende sektiererische Geist, der in den Gläubigen nicht die Herde Christi sehen läßt, sondern ein Klientel. "Katholisch" bleibt in solchen Klerikerköpfen in der Tat ein aus dem griechischen entlehntes Fremdwort. Sie beschränken sich häufig darauf, "die Sakramente zu spenden" - dazu wurden sie ja auch geweiht, ihrer Meinung nach.

Vielfach sind diese Kleriker überfordert, wenn man sie bittet, ihren kirchlichen Standpunkt und mittels diesem auch ihre Amtsausübung zu bestimmen. Häufig werden solche Fragen, die mit Recht von den Gläubigen gestellt werden müssen, um die Spreu vom Weizen zu trennen, d.h. zu eruieren, ob es sich bei der betreffenden Person um einen katholischen Priester oder um einen sektiererischen "clerus vagans" handelt, als persönliche Provokation aufgefaßt. Und weil auch nicht einmal um die Berechtigung solcher Anfragen gewußt wird, wird solch kritischer Glaubensgenosse als arrogant abgestempelt. Und "schwups" haben wir neben der klerikalen Arroganz auch die Überheblichkeit der Laien ausgemacht. Fragen an einen Kleriker nach der Legitimität seines priesterlichen Handelns, nach seinem Kirchenverständnis werden von diesem am besten gar nicht erst beantwortet mit der Begründung, der Fragesteller sei ja "Laie".

Abgesehen davon, daß sich hier eine unverzeihliche Ignoranz über die heutige Situation der Kirche zeigt, eine Situation, in der es meines Erachtens die Pflicht eines jeden Klerikers ist, seinen Status und sein Handeln öffentlich zu rechtfertigen (um den Gläubigen die Gewißheit zu geben, daß sie, die Kleriker, im Dienst der wahren Kirche handeln), offenbart sich hier mit unüberhörbarer Deutlichkeit die intentionale Fehleinstellung eines solchen Klerikers, dessen Tätigkeit allein schon deshalb zum Scheitern verurteilt ist:  Er will nicht dienen, sondern herrschen.

Eigentlich sollte klar sein, daß dieses "non observiam" ("ich will nicht dienen", nämlich Gott nicht)  in seiner radikalsten Form zur heutigen Katastrophe geführt hat. Man muß ja "Bewahren der Tradition" nicht unbedingt als Fortführung von offensichtlichen Fehlern vergangener Epochen mißverstehen. Besonders unverständlich und schwer nachzuvollziehen, ist solche Haltung bei Priestern, die sich vorgeblich in den Widerstand gegen die Reformen des II. Vatikanums begeben haben. Eigentlich sollten doch zumindest sie sich über die tieferliegenden Gründe dieser "Revolution von oben" Gedanken gemacht und festgestellt haben, daß dieses "non observiam" zur schrecklichen Manipulation am Willen und Auftrag Christi geführt hat.

Naiverweise sollte man dann annehmen dürfen, daß sich an dieser Haltung etwas ändern müßte, wenn man das Gegenteil von dem erreichen will, was man zu recht ablehnt. Man müßte bereit sein zu dienen in Geduld, als Diener Christi, der sich vor falscher Bescheidenheit nicht in pastoralen Diensten versteckt, sondern sich seiner Verantwortung als Amtsträger und Repräsentant der Kirche bewußt ist. Aber obwohl Herr, hat Christus den Jüngern im Abendmahl die Füße gewaschen, also niedrigste Dienste an ihnen verrichtet, um den Seinen ein Beispiel zu geben, daß das Führen der Herde andererseits keine Grenzen in der Selbstlosigkeit kennt. Also dienen in Geduld... aus Demut und mit der Bereitschaft, auf die seelischen Nöte der Zeit zu hören und auf sie einzugehen, und hof-fen, daß Gott Seinen Segen schenkt. Dann dürften Zurückhaltung nicht mit Verschlossenheit, Kritik nicht mit Anmaßung und Offenheit nicht mit Anbiederung verwechselt werden.

Viele Laien begehen den unverzeihlichen Fehler, Kleriker generell zu hofieren und ihnen damit das Gefühl zu geben, das Tragen einer Soutane - Importware aus Frankreich - bedeute in sich schon Legitimation schlechthin. Es enthebe sie (die Priester) gleichsam der Pflicht, in Diskussionen zutreffende Argumente vorzutragen. Diese Art 'Schonung' sollten sich die Laien schnellstens abgewöhnen und lernen, auch gegenüber Klerikern wahrhaftig und gerecht zu sein.

Kleriker sollten sich gelegentlich wieder einmal fragen, warum sie überhaupt Priester geworden sind. Ich weiß, die Antwort ist klar: sie wurden berufen oder fühlten sich berufen... ja von wem? In der Tat, so einfach ist das nicht. Wenn Gott jemanden in Seinen Dienst beruft, dann tut Er es, um ihm hier auf Erden Gelegenheit zu geben, für Ihn in besonderer Weise zu streiten, um von ihm be-stimmte Aufgaben hic et nunc bewältigen zu lassen. Gott kennt kein Entschweben aus der Welt. Doch ob jung oder alt: Kampfspuren auf einer klerikalen Uniform sucht man meist vergebens. Gottes Anruf ist immer ein konkreter, ein unmittelbarer. Für die heutige Zeit gilt besonders: einen geistigen Kampf zu kämpfen. Wir haben, wie es der verstorbene Herr Dr. Disandro aus Argentinien so treffend formulierte, einen "semantischen Krieg" zu bestehen. Man kann nur hoffen, daß die Priester tatsächlich Gottes Ruf und nicht dem einer ehrgeizigen Mutter gefolgt sind.

Den jungen Klerikern kann man zugutehalten, daß sie schon in der Revolution heranwuchsen, d.h. daß sie die Kirche nicht mehr als intakte Heilsinstitution, als geistig-soziales System kennenlernten, sondern nur noch als Torso... der Restitution dringend bedürftig. Aus diesem unverschuldeten Defizit, aus diesem Mangel an Erfahrung ergeben sich sicherlich eine Menge Probleme. Aber egal, wo sie ihre priesterliche  Formation erhalten haben - abgesehen von einer Ausbildung in einer offenkundig sektiererischen Einrichtung -, sollten sie doch wissen, daß es in der christlichen Religion, um Heil und Unheil, um Leben und Tod, um die personale Beziehung zu Gott und der Vereinigung mit Ihm geht,  zu deren Verwirklichung Sein Sohn den Sühntod auf sich genommen hat, um uns zu erlösen, und er uns frei die Gnadenmittel schenkt, um mit Ihm zwar verborgen (hier auf Erden), aber real wieder in Verbindung treten zu können. Und ein junger Kleriker sollte auch mitbekommen haben, daß durch die "Revolution von oben", die sich im und nach dem II. Vatikanum durchgesetzt hat, die Lebensadern zu Gott zerschnitten wurden, d.h. daß es fast keine lebensspendenden, übernatürlichen Gnadenströme mehr gibt. Ohne sie aber zehrt die Welt - die Welt das ist mein Freund, meine Frau, mein Nachbar, mein Kind - geistig und moralisch aus - ohne Gott stirbt sie. Da von der sog. Konzils-'Kirche' kein Heilswirken mehr erwartet werden kann, liegt die Verantwortung für das Heil der Seelen der gesamten Menschheit - ich habe keinen Grund zu übertreiben! - bei den rechtgläubigen katholischen Geistlichen. Und es liegt an ihnen, zu retten, was sich noch retten läßt.                  

 
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