54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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1. Kann man die römisch-katholische Kirche verlassen?
2. Eine allumfassende moderne Irrlehre: Der Hominismus - die Vergöttlichung des Menschen
3. Tuet dies zu meinem Gedächtnis (Lk. 22,19)
4. Interview: Fragen an die Journalistin und Bestsellerautorin Birgit Kelle (40)
5. Demografischer Niedergang und das Aussterben der Deutschen
6. Ich habe die Welt als ein Ganzes betrachtet
7. Buchbesprechungen
8. Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste
9. Mein Herz gehört mir
10. Patientenverfügung für Katholiken
11. Vorsorgliche Willensbekundung in Bezug auf medizinische Behandlung und Pflege
12. Hinweis auf die Gründung eines Gebetskreises im Raum München
13. NACHRICHTEN, NACHRICHTEN, NACHRICHTEN...
14. Mitteilungen der Redaktion
Patientenverfügung für Katholiken
 
Patientenverfügung für Katholiken

(aus: "Mitteilungsblatt für den deutschen Sprachraum" Nov. 2011, Nr. 394, S. 40 ff. )

Mittlerweile hat das Wort Patientenverfügung eine bemerkenswerte Bekanntheit und Bedeutung erlangt. Schließlich hat auch der Gesetzgeber 2009 Rahmenbedingungen für die Patientenverfügung geschaffen. So kommt es, dass im Internet, im Buchhandel oder bei Versicherern Formulare zur Patientenverfügung angeboten werden, die dem Verfügenden die Möglichkeit bieten, Verhaltensregeln für Ärzte in Situationen zu bestimmen, in denen der Verfügende selbst keine Entscheidungen mehr treffen kann.

Im Folgenden wollen wir die Patientenverfügung erläutern, auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen (§ 1901 a ff. BGB) eingehen und die Notwendigkeit einer Patientenverfügung für Katholiken darlegen.

Was ist eine Patientenverfügung?

Unter einer Patientenverfügung versteht man die schriftliche Willensbekundung eines einwilligungsfähigen Volljährigen zu medizinischen Maßnahmen in einer noch nicht eingetretenen Krankheitssituation. In der Patientenverfügung soll also eine Behandlungsentscheidung im Voraus getroffen werden: für den Fall eines erst später eintretenden Krankheitszustandes, in dem der Betroffene seinen Willen nicht mehr selbst zum Ausdruck bringen kann. Der Patient kann mittels der Patientenverfügung darüber entscheiden, ob eine Behandlung gänzlich unterlassen oder in einer bestimmten Situation nicht fortgesetzt werden soll. Der Patientenwille ist für den behandelnden Arzt verbindlich.

Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung

Abzugrenzen ist die Patientenverfügung von der Vorsorgevollmacht (§§ 1896 Abs. 2 und 1901c Satz 2 BGB) und der Betreuungsverfügung (§ 1901c Satz 1 BGB). Mit der Vorsorgevollmacht kann der Vollmachtgeber eine Person seines Vertrauens dazu ermächtigen, seine Angelegenheiten für den Fall zu vertreten, dass er selbst dazu nicht mehr in der Lage ist. Neben der Gesundheitssorge können hier auch Wohnungsangelegenheiten oder Vertretungen gegenüber Behörden und Banken geregelt werden.

Mit der Betreuungsverfügung besteht die Möglichkeit, Wünsche im Hinblick auf die Person eines gerichtlich bestellten Betreuers und die inhaltliche Wahrnehmung der Betreuung zu äußern.

Gesetzliche Rahmenbedingungen


Die Patientenverfügung muss die medizinischen Maßnahmen hinreichend bestimmen. Unklare Vorausverfügungen sind nicht verbindlich. Unter "medizinischen Maßnahmen" sind dabei Untersuchungen, Heilbehandlungen und ärztliche Eingriffe zu verstehen. Es genügt beispielsweise nicht, Sätze wie "Ich lehne Apparate und Schläuche ab" zu formulieren. Es soll aus der Patientenverfügung klar hervorgehen, in welcher Situation man welche Behandlung wünscht oder ablehnt.

Der Verfasser einer Patientenverfügung muss volljährig sein und zum Zeitpunkt der Erstellung in der Lage sein, die Bedeutung und Tragweite der Patientenverfügung zu erfassen und seinen Willen fehlerfrei zu bilden. Die Patientenverfügung ist schriftlich zu er-stellen. Nicht erforderlich ist in Deutschland eine notarielle Beurkundung. Der Schriftform genügen dabei Muster einer vorformulierten Patientenverfügung, bei denen der Verfügende lediglich noch ankreuzen muss, welche Behandlung er wünscht oder ablehnt.

Die Patientenverfügung bleibt so lange verbindlich, bis sie mündlich oder schriftlich widerrufen wird. Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden.

Anwendung der Patientenverfügung

Sofern nun eine Patientenverfügung erlassen ist, stellt sich die Frage, wie sie zur Anwendung kommt.
Zunächst ist natürlich dafür zu sorgen, dass die Patientenverfügung vorgefunden wird und die behandelnden Personen davon Kenntnis haben. Es empfiehlt sich, nahe Angehörige und den Hausarzt darüber zu informieren, dass man eine Patientenverfügung erstellt hat, und diesen Personen eine Kopie der Patientenverfügung auszuhändigen.

Auch eine Patientenverfügung kann unmöglich alle Krankheitsverläufe im Voraus re-geln. Trotz Patientenverfügung kommt es vor, dass in einer konkreten Situation Unklarheit herrscht. Dann muss der "mutmaßliche" Patientenwille ermittelt werden. Bei Unklarheiten ist es dann die Aufgabe des Betreuers oder Bevollmächtigten, den mutmaßlichen Patientenwillen herauszufinden. Zusammen mit dem Arzt hat er zu prüfen, welche medizinische Maßnahme bei unklarer Patientenverfügung zu treffen ist.

Es empfiehlt sich daher, mit der Patientenverfügung auch eine Vorsorgevollmacht zu erteilen, damit eine bevollmächtigte Vertrauensperson zusammen mit dem behandelnden Arzt den mutmaßlichen Willen des Patienten herausfindet, falls die Verfügung nicht auf die Behandlungssituation anzuwenden ist.

Bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens sind frühere schriftliche und mündliche Äußerungen des Patienten heranzuziehen sowie seine religiösen und persönlichen Wertvorstellungen zu beachten.

Braucht man eine Patientenverfügung?
Weshalb ist das Erlassen einer Patientenverfügung in unseren Tagen erforderlich?


Über die Jahrhunderte hinweg war das ärztliche und pflegerische Berufsethos von dem Gedanken gekennzeichnet, dass der Arzt aufgrund seiner medizinischen Kenntnisse bes-ser als der betroffene Patient entscheiden könne, was gut für den Patienten ist. Der Patient konnte also darauf vertrauen, dass der Arzt jederzeit Maßnahmen ergreifen wird, die das Leben bewahren und den Tod hinauszögern. Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmungsrecht des Patienten spielten entweder keine oder eine nur sehr untergeordnete Rolle. Die Situation hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert.

Aufgrund richterlicher Entscheidungen und Stellungnahmen der Ärzteschaft wurde der Patientenwille in den Vordergrund gestellt. So wird in § 1901b BGB geregelt, wie in Behandlungssituationen zu verfahren ist, falls keine Patientenverfügung oder "nur eine unwirksame Patientenverfügung vorliegt. In Fällen, in denen der Patient sich zur weiteren Behandlung nicht mehr äußern kann, kann der Arzt zusammen mit dem Betreuer oder Bevollmächtigten entscheiden, welche ärztlichen Maßnahmen im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten anzuwenden sind. Bei der Feststellung des Patientenwillens oder seines mutmaßlichen Willens soll dann nahen Angehörigen oder sonstigen Vertrauenspersonen die Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden. Es besteht dann jedoch die Möglichkeit, dass die gesetzlich bestellten Betreuer oder nahen Angehörigen nicht dieselben religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen wie der Patient besitzen und deshalb den Patientenwillen missdeuten oder falsch auslegen. Aus dieser Überlegung heraus ist es nützlich und erforderlich, eine Patientenverfügung zusammen mit einer Vorsorgevollmacht zu erstellen.

Zum Selbstbestimmungsrecht des Patienten

Heutzutage stehen viele medikamentöse und technische Mittel zur Verfügung, um das Leben zu erhalten oder zu verlängern. Durch den medizinischen Fortschritt kommt es jedoch zur Sorge und Befürchtung vieler Menschen, in Zeiten schwerer Krankheit bei dieser Art von Behandlung einer "Apparatemedizin" ausgeliefert zu sein, die den eigenen weltanschaulichen Vorstellungen des Sterbens entgegensteht.

Von seiten des Arztes muss jede medizinische Handlung indiziert ("angezeigt") sein. Aufgrund des ärztlichen Wissens und der ärztlichen Erfahrung entscheidet der Arzt, welche Maßnahme angezeigt ist, um ein bestimmtes Behandlungsziel zu erreichen. In Analogie zum hippokratischen Ethos 1) orientiert sich das ärztliche Handeln daran, dass der erwartete Nutzen den möglichen Schaden am Patienten überwiegt. Die Durchführung der medizinischen Maßnahme setzt aber die Einwilligung des Patienten voraus. Das ergibt sich aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Ein Patient darf nicht gegen seinen Willen behandelt werden. Dies betrifft auch das Ergreifen oder Fortsetzen lebenserhaltender Maßnahmen.

Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten bedeutet andererseits nicht, dass ein Anspruch auf eine Maßnahme besteht, die entweder für den Arzt nicht indiziert oder gar verboten ist, wie zum Beispiel in Deutschland die aktive Sterbehilfe.

Ethisch problematisch ist die Frage, inwieweit es moralisch erlaubt sein kann, lebenserhaltende Maßnahmen mittels einer Patientenverfügung verbindlich abzulehnen. Aus christlicher Sicht besteht kein uneingeschränktes Selbstbestimmungsrecht des Menschen. Das menschliche Leben ist in allen seinen Phasen von Gott abhängig. Das christliche Verständnis von "Schicksal" gründet auf dem Glauben an Gottes Vorsehung.

Gott, der die Liebe ist, lenkt das menschliche Leben und ordnet die Lebensereignisse so, dass sie dem Menschen dienen, damit er Gott findet und das ewige Ziel erreicht. Der Mensch kann nicht über sich selbst in dem Sinne verfügen, dass er Gottes Fügungen übergeht. (Als Grundprinzip gilt, dass der Mensch die verhältnismäßigen Mittel zur Erhaltung seiner Gesundheit anwenden muss, z.B. die Gewährleistung der Ernährung als Grundelement menschlichen Lebens).

Ist der Sterbeprozess absehbar, so ist die Patientenverfügung ein sehr gutes Mittel, um den behandelnden Ärzten zu verdeutlichen, dass man zum Sterben bereit ist und nicht jede technisch mögliche Maßnahme nutzen möchte, um das Sterben hinauszuzögern. Diese Behandlungsbegrenzung im Rahmen des Sterbeprozesses ist mit dem christlichen Glauben vereinbar.

Nach derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen gibt es aber keine Reichweitenbegrenzung einer Patientenverfügung. Eine Patientenverfügung gilt demzufolge nicht nur für den Sterbeprozess, sondern für jeden Fall, in dem ein Mensch nicht mehr selbst einwilligungsfähig ist. Dies bedeutet, dass lebensverlängernde oder lebenserhaltende Maßnahmen unabhängig vom Krankheitsstadium und der Prognose verweigert werden können. Eine schwere chronische Krankheit, z.B. Demenz oder Wachkoma, wird rein menschlich betrachtet oft als "unwertes Leben" angesehen. Durch das Unterlassen lebenserhalten-der Maßnahmen, z.B. der Ernährung, kann das "unwerte Leben" beendet werden. Aus christlicher Sicht gibt es jedoch kein "unwertes Leben", sondern gerade das Leiden hat in Jesus Christus sühnenden Wert erhalten und kann das entscheidende Mittel sein, um die Seele zu retten.

Nach derzeitiger Gesetzeslage kann eine Patientenverfügung bedauerlicherweise dazu dienen, den Arzt zu solch "passiver" Sterbehilfe bei chronischer Krankheit zu verpflichten und diese im Rahmen der Patientenautonomie zu rechtfertigen. Dies ist sicher der Hauptgrund, warum Paientenverfügungen durchaus kritisch betrachtet werden.

Als Katholiken haben wir mittels einer Patientenverfügung aber die Möglichkeit, unsere christlichen Vorstellungen klar zu formulieren. Im Rahmen des Selbstbestimmungsrechtes können wir so unsere Behandlungswünsche nach katholischen Maßstäben verbindlich machen. Aus diesem Grunde empfehlen wir Ihnen, eine Patientenverfügung zu er-stellen.

Die Ärztevereinigung St. Lukas e.V. hat eine Mustervorlage einer Patientenverfügung konzipiert(…). Das Dokument kann auch von der Webseite der Ärztevereinigung (www.kathmed.de) heruntergeladen oder bestellt werden (Ärztevereinigung St. Lukas e.V., Postfach 10 01 29, 45001 Essen).

Anmerkung:

1) Der sog. "Hippokratische Eid" wird heutzutage nicht mehr geschworen.
 
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