54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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Ausgabe Nr. 4 Monat April 2004
Offener Brief an H.H. Bischof M. Pivaruns


Ausgabe Nr. 5 Monat Juni 2004
Papst Leo d.Gr.: Predigt über das Pfingstfest (Sermo LXXVI)


Ausgabe Nr. 6 Monat Juli 2004
Eberhard Heller: Der Fall Y. Yurchik: Aufnahme in die röm.-kath. Kirche?


Ausgabe Nr. 8 Monat Oktober 2004
Open Letter to most Reverend Bishop M. Pivarunas


Ausgabe Nr. 7 Monat Dezember 2005
In memoriam Frau Dr. Elisabeth Gerstner


Ausgabe Nr. 1 Monat April 1971
Zur Promulgation der Neuen Messe


Ausgabe Nr. 1 Monat Februar 2003
Über das Papsttum der Römischen Bischöfe


Ausgabe Nr. 4 Monat April 2003
La silla apostólica ocupada


Ausgabe Nr. 11 Monat December 2003
The Apostolic See Occupied


Ausgabe Nr. 5 Monat September 2002
Über das Papsttum der Römischen Bischöfe


Ausgabe Nr. 5 Monat September 2002
Der Apostolische Stuhl


Ausgabe Nr. 8 Monat December 2002
Le Siège apostolique < occupé >


Ausgabe Nr. 8 Monat December 2002
La sede apostolica


Ausgabe Nr. 2 Monat Juni 2000
RECHTFERTIGUNG EINER KÜNFTIGEN PAPSTWAHL


Ausgabe Nr. 3 Monat August 2000
¡VIVA EL CHRISTO REY! - STATIONEN EINER REISE DURCH MEXIKO -


Ausgabe Nr. 6 Monat Dezember 2000
Zum Problem einer möglichen Papstwahl


Ausgabe Nr. 7 Monat März 2001
Korrektur zu: Zum Problem einer möglichen Papstwahl


Ausgabe Nr. 6 Monat Februar 1999
DER HL. CYRILLUS VON JERUSALEM


Ausgabe Nr. 1 Monat April 1993
Mitteilungen der Redaktion


Ausgabe Nr. 4 Monat November 1996
VERSINKT DER KATHOLISCHE WIDERSTAND IM SEKTIERERTUM?


Ausgabe Nr. 4 Monat November 1996
VERSINKT DER KATHOLISCHE WIDERSTAND... (Anmerkungen)


Ausgabe Nr. 3 Monat Oktober 1995
NACHRICHTEN, NACHRICHTEN, NACHRICHTEN


Ausgabe Nr. 4 Monat Dezember 1995
NUR NOCH AUSLAUFMODELL?


Ausgabe Nr. 4 Monat Dezember 1995
DER HL. MARTIN


Ausgabe Nr. 3 Monat September 1994
HABEMUS PAPAM?


Ausgabe Nr. 4 Monat Mai 2006
Leserbriefe zu dem Beitrag Am Scheideweg


Ausgabe Nr. 1 Monat Mai 1991
PREDIGT ÜBER DAS PFINGSTFEST


Ausgabe Nr. 5 Monat Dezember 1990
DER HL. DAMASUS PAPST UND BEKENNER, + 384


Ausgabe Nr. 3 Monat Sept./Okt. 1987
DER HEILIGE KLEMENS VON ROM, PAPST UND MÄRTYRER


Ausgabe Nr. 5 Monat Januar 1987
LUTHER ALS KIRCHENVATER


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DIE MACHT HINTER ECONES THRON


Ausgabe Nr. 3 Monat August 1975
DIE HEILIGENFESTE DER KIRCHE


Ausgabe Nr. 1 Monat Mai 1975
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Ausgabe Nr. 2 Monat Juni 1975
DIE HEILIGENFESTE DER KIRCHE


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DIE HEILIGENFESTE DER KIRCHE


Ausgabe Nr. 5 Monat Dezember 1975
NACHRICHTEN, NACHRICHEN, NACHRICHEN


Ausgabe Nr. 12 Monat März 1975
DIE UNGÜLTIGKEIT DER NEUEN MESSE VON ANFANG AN, Fortsetzung


Ausgabe Nr. 3 Monat Mai 2007
Ratzinger und die heidnischen Sexual-Götter, Forts.


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Der hl. Ambrosius


Ausgabe Nr. 6 Monat September 1973
VOLKSSPRACHE IN DER LITURGIE?


Ausgabe Nr. 7 Monat Oktober 1973
Das Vater unser


Ausgabe Nr. 12 Monat März 2008
Apostasía y Confusión


Ausgabe Nr. 3 Monat Sptember 2011
Antwort auf einen Angriff gegen den Sedisvakantismus


Ausgabe Nr. 1 Monat Februar 2021
Hyopstatische Union


Ausgabe Nr. 4 Monat August 2023
Einige Gedanken zu einer möglichen Papstwahl


Über das Papsttum der Römischen Bischöfe
 
Über das Papsttum der Römischen Bischöfe,
die Eigenart des Apostolischen Stuhles
und eine Kirche ohne Papst


von
Prof. Dr. Diether Wendland

V. Fortsetzung

6. Kapitel: Der "römische Petrus" und sein Nachfolger in der apostolischen Römischen Kirche, der Bischof zu Rom.

Es führte kein gerader Weg vom "galiläischen Petrus" über den "jerusalemischen" und "antiochenischen" zum "römischen"; vielmehr handelt es sich um gefahrvolle Umwege (was seinen Sinn hat), wie dies auch beim Apostel Paulus der Fall gewesen ist (dieser wußte auch, wer ihn so oft daran gehindert hat, den Weg nach Rom zu beschreiten (cf. Röm 1,13), der ihm von Christus gewiesen wurde). Rom verdaute alle Religionen der Völker ziemlich mühelos wie ein großer Magen, wenn man nicht die "Staats- und Stadt-Götter des 'Heiligen Rom'" ablehnte oder gar beleidigte; denn diese besaßen, so glaubte man, über die Stadt und das Reich eine mächtige "Schutzfunktion". Die Römer waren, obwohl Heiden, dennoch ein "religiöses Volk" und ihre Senatoren und Konsulen sogar unglaublich abergläubisch. Altes Heidentum und finsterer Aberglaube gehören zusammen, genau so wie neues Heidentum und 'moderne Aufklärung', die auch nur geistige Finsternis ist. Dies scheinen heutzutage die angeblich 'Gebildeten' wohl vergessen zu haben?!

Unter dem "römischen Petrus" kontrahierte (verdichtete sich) die Kirche Jesu-Christi im Blute ihrer Märtyrer zur apostolischen Ecclesia Romana, die man mit Recht auch als "petrinische Kirche" bezeichnet hat, obwohl sie zwei Gründer hatte, die ihr Leben für Christus und somit auch für sie hingaben. Die Ecclesia Romana besaß als einzige zwei spirituelle Häupter, aber nur ein sichtbares Oberhaupt, das jedoch zugleich der Stellvertreter (vicarius) Christi war, was der Apostel Paulus nie gewesen ist, aber auch kein anderer Apostel. Wie blind muß man damals im 'politischen Rom' gewesen sein, diese Religionsgemeinschaft für eine jüdische Sekte zu halten, obwohl sie von den eingefleischten Juden wie die Pest gehaßt und gemieden, ja sogar beim römischen Magistrat angeschwärzt wurde. Dies alles darf man doch nicht geflissentlich 'übersehen', wenn man sich über den Anfang der Ecclesia Romana realistische Gedanken zu machen beginnt. Nur das "Senfkorn des Himmelreichs", von dem Christus sprach (Mt 13,21), ist unsichtbar, solange es noch nicht 'wie zu einem Baum' geworden ist und dann sogar von Historikern entdeckt werden kann.

Als der Apostel Simon Petrus endgültig seinen Wohn- und Amtssitz im heidnischen Rom begründete (sedem constituit), war Christus, der Herr der Kirche, sicherlich auf unsichtbare Weise "bei ihm", um ihn zu leiten und zu stärken. Denn damals herrschte in Rom der auch in seiner Familie mordende "göttliche Kaiser Nero" (54-68), schauerlichen Angedenkens! Der römische Senat aber kroch vor ihm in würdeloser Unterwürfigkeit auf dem Bauche, wie Tacitus berichtet (Annalen 13-16). Der "römische Petrus" war mit seiner kleinen 'römischen Herde' wirklich nicht zu beneiden und stand, rein weltlich betrachtet, auf verlorenem Posten und dies insbesondere als der einzige Träger der schon erwähnten drei Gewalten, die im Wesen des Papsttums und seiner Machtfülle liegen: Schlüsselgewalt, Primatialgewalt und oberste Hirtengewalt. Deshalb stellt sich die Frage: Hat in Rom der Apostel Petrus von diesen drei Gewalten Gebrauch gemacht? Wir wissen es nicht. Aber wahrscheinlich nicht und dies ließe sich leicht erklären, wenn man voraussetzt, daß er dazu keine Gelegenheit gehabt hat und weil das bereits im Jahre 64 von Morden heimgesuchte Rom zum größten Teil in Flammen stand. Daraufhin jedoch brach die erste Christenverfolgung in einem größeren Umfang aus. Die Ecclesia Romana kämpfte um ihr nacktes Überleben. Diese ist gemeint mit der von Gott und Christus "mit-auserwählten Gemeinde in Babylon", wo sich auch der Evangelist Markus befand, der Apostel-Schüler von Simon Petrus. (1 Petr 5,13) - Der erste, von dem wir wissen, daß er vom Papsttum in seiner Macht Gebrauch gemacht hat, ist der Römische Bischof "Klemens I". (ca. 88-97), ein Römer, der die Apostel Petrus und Paulus noch gekannt hat. Von den drei Vorhergegangenen (antecessores) sind nur die Namen bekannt. Doch schon der erste Römische Bischof, Linus, der auf Simon-Petrus folgte, war weder ein Apostel noch ein Jünger Jesu-Christi, wie dieser bereits erwähnte Matthias, der durch Loswerfen zum zwölften Apostel bestimmt und so durch ein "Gottesurteil" 'erwählt' worden war.

Der den Christen in die Schuhe geschobene Brand Roms 1) und die nachfolgenden schauerlichen Massaker an ihnen (der Geschichtsschreiber Tacitus spricht von einer 'ungeheueren (=schrecklichen) Menge', was gar nicht so übertrieben ist in Ansehung der Einwohnerzahl dieser Metropole) konnten die Ecclesia Romana dennoch nicht vernichten, obwohl auch ihre beiden geistlichen Häupter umgebracht worden waren. Es wüteten hier aber nicht "die Pforten der Hölle", wie manche irrigerweise annehmen, sondern es tobte sich aus ein 'göttlicher Caesar' mit seinen Schergen und seinem An-hang. Man sollte auch böse Dinge und Vorgänge in der richtigen Relation sehen und sie nicht verwirren, weil sonst so manches nicht mehr erklärt werden kann. Auch katholische Christen sollten sich immer daran erinnern, daß zuerst Christus, der einzige "gute Hirt", verfolgt wurde, unsäglich gelitten hat und schließlich umgebracht worden ist ... bevor Er von den Toten auferstand. Sollte es Seiner Kirche etwa anders ergehen? Das nächste Unheil drohte bereits mit dem Despoten Domitian (81-96), der ebenfalls ermordet wurde, mit angestiftet von seiner Frau.

Es ist leicht, von einem 'Petrusamt' oder auch 'Papstamt' zu reden, wenn nicht gewußt wird, was das petrinische Dienstamt (munus) ist und was  es  alles beinhaltet, das in diesen Worten überhaupt nicht zum Ausdruck kommt. Im übrigen hängt dieses 'Amt' ohne die Kirche Jesu Christi, in der es existiert, in der Luft. Außerdem kann nicht alles, was dem Apostel Simon-Petrus von Christus verheißen und dann auch verliehen wurde, auf seinen Nachfolger einfachhin übertragen werden; denn dieser ist weder ein von Christus 'erwählter' noch vom Heiligen Geiste 'inspirierter' Apostel. Was aber ist er dann, wenn nicht dies? Ist er etwa als Bischof ein altrömischer 'pontifex maximus', der auch 'pontifeces minores' (Unterpriester) als Hilfskräfte unter sich hat? Es gibt heute noch Leute, vor allem Konservative und Traditionalisten, die so etwas immer noch glauben, weil sie ständig hören, daß ein Papst 'pontifiziere' oder den 'Pontifikat' ausübe (auch wenn dieses nur ein paar Tage gedauert hat). Im alten Rom war der "pontifex maximus" der Vorsteher einer heidnischen "Priester-kaste", welche verschiedene Zwecke hatte und was die Römer von den Etruskern übernommen hatten; denn dies erwies sich als sehr praktisch für das 'Heilige Rom' und den Staat. Die Bezeichnung "pontifex maximus" bezog sich auf eine Machtposition und war nicht bloß ein Titel, wie dieser später unverständlicherweise sogar Päpsten zugelegt wurde. Sollte der päpstliche Titel "Summus Pontifex" nicht mehr genügt haben?? Es läßt sich nicht mehr feststellen, wann dies und wer damit angefangen hat. Ähnlich verhält es sich auch mit der titulatorischen Anrede "Sanctissime Pater", was schon zu großen Mißverständnissen geführt hat. Man sollte sich realistisch und nüchtern auf die natürlichen und übernatürlichen Ursprünge des Papsttums besinnen, wofür es nichts Vergleichbares in der Welt gibt.

Mit den Aposteln Petrus und Paulus in Rom und ihren Schüler-Jüngern begann ein neuer Abschnitt in der Kirchengeschichte, auch wenn diese sich künftig zum großen Teil nur noch in Privathäusern und in unterirdischen Katakomben abspielen wird. Zudem wird der "römische Petrus" sicherlich nicht die Gefährlichkeit der römischen Situation mit ihrem aufkommenden Kaiserkult verkannt haben, der im radikalen Widerspruch zum Christentum in seinem Wesen und in seiner Universalität steht. Außerdem konnten alle römischen Christgläubigen jederzeit damit rechnen, daß ihr geistliches Oberhaupt plötzlich eines schnellen und unnatürlichen Todes sterben könnte, um die Plebs von Rom mit einem makabren Schauspiel 'zu beruhigen'. Denn in Rom 'gährte' es, nachdem schon das 'Kaiserlein' Caligula (37-41) dem Wahnsinn verfallen war. Es versteht sich doch von selbst, daß der "römische Petrus" für den Fall der Fälle Vorsorge treffen mußte. Es fragt sich nur, wie dies geschehen sein könnte? Etwa auf ähnliche Weise wie der Jünger Matthias zum zwölften Apostel bestellt wurde oder etwa wie der Apostel Paulus zwei von seinen Schülern zu Bischöfen bestellt hat? Beides erscheint uns höchst unwahrscheinlich. Vermutlich und viel eher wird der Apostel Petrus im Vollbesitz seiner geistlichen "potestas ordinaria" auf ähnliche Weise gehandelt haben wie Christus bei der Verleihung der obersten Hirtengewalt an ihn, die weder eine Auswahl noch eine Wahl war. M.a.W.: er selbst hat seinen Nachfolger bestimmt, und zwar unter Zeugen, und ihn zugleich Christus, dem Herrn der Kirche, anvertraut. Dieser Akt wird sich niemals mehr wiederholen, weil kein Bischof einen anderen Bischof zum Träger des Papsttums machen oder kreieren kann. Denn Macht und Gewalt des Papsttums kann nur durch Christus verliehen werden, von niemandem sonst. Seither sind die Römischen Bischöfe Nachfolger Petri, des "römischen Petrus", im Primat und somit Träger des Papsttums in der Kirche Jesu Christi - insofern sie nicht Häretiker und Apostaten sind. Solche geistig und geistlich "toten Glieder" der Kirche können weder Papst sein noch Papst werden. Christus verleiht Häretikern und Apostaten weder die Schlüsselgewalt noch die Primatialgewalt noch die oberste Hirtengewalt. Erst als sich Simon-Petrus von seinem falschen Messiasglauben bekehrt hatte, der in Cäsarea Philippi offenkundig wurde, verlieh im Christus die oberste Hirtengewalt und machte ihn zu seinem Stellvertreter in Seiner Kirche - nach der Auferstehung. Dies war auch eine Voraussetzung für die Sendung des heiligen Geistes durch den Vater und den Sohn, wodurch die Apostel, "die neuen Zwölf", auch persönlich inspiriert wurden (inspiratio divina seu supernaturalis). Eine solche aber kommt den Römischen Bischöfen als den Trägern des Papsttums nicht zu, denn sie sind keine Apostel. Darum sind auch der römische Primat und Episkopat nur faktisch, nicht jedoch notwendig eins. Der "römische Petrus" selbst ist eben kein Römischer Bischof im eigentlichen Sinne. Der erste war Linus, ein Mann, der schon vom hl. Paulus in seinem zweiten Brief an Timotheus erwähnt wurde (4,21).

Der Primat des "römischen Petrus", den nur die Römischen Bischöfe 'erben', bezieht sich auf die "Ecclesia universalis", so daß sich der Primat des "römischen Papstes" ebenfalls auf dieselbe bezieht, nicht jedoch auf die Kirche oder das Bistum von Rom, eine Teilkirche. Deshalb kann man den "römischen Papst" auch als den "episcopus episcoporum" bezeichnen, was einen guten Sinn ergibt. Denn der Episkopat als solcher ist keine Institution (Einrichtung) Christi, sondern nur der Apostel. Und deshalb sind die Bischöfe auch keine Nachfolger der Apostel, sondern sie traten nur an ihre Stelle in der von Christus gewollten "apostolischen Kirche", die "auf dem Fundament der Apostel und Propheten (des NT!) aufgebaut" wurde (Eph 2,20). Der Satz des hl. Cyprian, des Bischofs von Karthago (gest. 258), "ubi Episcopus ibi Ecclesia (Jesu Christi)" war und ist ein Irrtum. Vermutlich hatte diesen Eiferer sein überflüssiger Streit mit Papst Stephan I. (254-257) wegen des 'Ketzertaufstreites' (theologisch) ziemlich verwirrt. Nur die Nachfolge im Primat ist, wie der Primat selbst, göttlicher Institution. Nur der Römische Bischof oder der Bischof zu Rom kann als alleiniger Nachfolger Petri im Primat einen berechtigten Anspruch auf die Primatialgewalt und die oberste Hirtengewalt in der Kirche erheben. Kein anderer Bischof ist dazu befugt, selbst wenn er ein kirchlicher Patriarch wäre.

Der "römische Petrus" hat in seiner Person durch sein beständiges Nachfolgen Christi, des Herrn der Kirche,  und infolge seines Märtyrertodes 2) den Primat auch als Erbe auf die (von ihm und dem Apostel Paulus gegründete) Römische Kirche übertragen. Darum ist der Primat des Römischen Bischofs kein ursprünglicher, wie manche annehmen, sondern ein durch den "römischen Petrus" vermittelter. M.a.W.: das Papsttum der Römischen Bischöfe ist ein durch den Apostel Petrus vermitteltes Macht- und Herrschafts-Phänomen, das die schon erwähnten drei Gewalten enthält und sich auf die ganze Kirche Jesu-Christi bezieht. Auf diese Weise ist es zu einem Wesens-Element derselben geworden. Sehr wahrscheinlich hat der "römische Petrus", da er nicht ständig in Rom anwesend war, den Presbyter Linus zuerst zum Bischof 'geweiht' und dann später bestimmt, daß nur er sein Nachfolger sein soll, wenn ihn auf irgendeine Weise der Tod ereilt, mit dem schließlich zu rechnen war. Rom war nicht Antiochien oder Korinth. In Jerusalem aber hatte er bereits die Gefahr des Todes zu spüren bekommen. Man muß eine religiöse Sache (res religiosa) auch einmal in ihrer zeitlichen Entwicklung betrachten, vor allem die Nachfolge (successio) Petri im Primat (in primatu), nicht jedoch irgendwelche 'Nachfolger', die an seine Stelle traten (zeitlich und äußerlich betrachtet). Es gab im Laufe der Zeit schon genug Päpste, die keine waren, d.h. die mitnichten Träger des Papst-tums gewesen sind. Deshalb ist auch die Aufstellung einer 'Papstliste' eine zweifelhafte Angelegenheit, die man in der Tat nicht zu ernst nehmen sollte. Das Papsttum und seine Verwirklichung wird nicht durch zeitliche Kategorien bestimmt, da es nicht weltlichen Ursprungs ist. Deshalb ist die Primatialgewalt auch nicht usurpierbar, sondern ggf. nur mißbrauchbar (z.B. durch Simonie oder Selbstbereicherung u. dgl.).

Der mit dem Papsttum sachlich identische Primat ist kein kirchliches Oberhirtenamt, sondern das oberste Hirtenamt in der Kirche und eine wahre Herrschergewalt, ein heiliger (sakraler) Prinzipat (principatus sacer) - aber unter (nicht: mit) Christus, dem höchsten Herrn und königlichen Haupt der Kirche. Dieser Prinzipat ist keine unumschränkte Macht und Gewalt wie der "principatus civilis" der römischen Kaiser, der auch als "dominatus" bezeichnet wird. Man darf diese beiden Prinzipate nicht miteinander verwechseln, da ihre Bedeutung eine verschiedene ist. Schon das wahnsinnige 'Kaiserlein' Caligula hatte den echten römischen Prinzipat in Mißkredit gebracht, als es sich den Titel "dominus et deus" (Herr und Gott) zulegte. Damals war Simon-Petrus noch nicht in Rom, wo es aber bereits zugewanderte 'Judenchristen' gab, vielleicht sogar einige 'Heidenchristen' (die den Einzug Jesu-Christi in Jerusalem miterlebt hatten (cf. Joh 12,20 f.)).
 
Der sich zum sakralen (geistlichen) Prinzipat ausweitende Primat fügt der Hirtengewalt, die eine bischöfliche ist, etwas hinzu, das als Jurisdiktionsgewalt 3) oder Regierungsgewalt bezeichnet wird; in ihm kommt der Apostolat und Primat Petri zur Vollendung und woran die anderen Apostel, eben weil sie 'erwählte' Apostel sind, einzeln partizipieren (teilhaben). Nur darf man hier nicht vergessen, daß die Apostel keine Bischöfe waren und somit Apostolat und Episkopat nicht dasselbe sind; sie sind real verschieden und können deshalb auch auseinanderfallen. Der Episkopat trat an die Stelle des ursprünglichen Apostolates der von Christus unmittelbar 'erwählten' Apostel und ist nur eine Institution der Apostel, nicht jedoch eine Einrichtung Jesu Christi. Zum Hauptträger des Episkopates aber wurde durch den "römischen Petrus" der Römische Bischof als der einzige Erbe und Träger des Primates. Die anderen Träger des Episkopates sind nur 'Diözesanbischöfe', also Bischöfe von größeren oder kleineren Diözesen oder Bistümern; sie stehen als Bischöfe in der Einheit mit dem Römischen Bischof oder Bischof zu (nicht: von) Rom und sind ihm, dem Primat-Träger, durchaus untergeordnet. Dadurch jedoch bilden sie eine ganzheitliche "hierarchia iurisdictionis" 4) in der gesellschaftlichen Einheit der Kirche, die nur im uneigentlichen Sinne ein 'Organismus' ist; denn ihre getauften und religionsmündigen Glieder sind freie Personen, die über sich selbst verfügen und sich untereinander zu einer Glaubens-Gemeinschaft freiwillig verbunden haben. Kein religionsmündiger Mensch kann gezwungen werden, ein Glied der Kirche zu werden.

Es sollte deutlicher unterschieden werden zwischen der Nachfolge Petri, des Primatträgers, selbst und der Art der Nachfolge, die eine Tat des Apostels Petrus (im Zusammenwirken mit dem Apostel Paulus) durch die Gründung der Römischen Kirche oder der Kirche zu Rom gewesen ist, wohin ihn Christus und der Heilige Geist letztendlich geführt haben. Das war ein langer Weg zum Ziel, physisch und geistig, der in der Wüste von Peräa begann. Zudem hieß es bereits im Missionsbefehl des Auferstandenen: "Gehet hin und macht alle Völker zu Jüngern (aber nicht bloß im Glauben sondern), indem Ihr sie lehrt, (auch) alles zu halten, was ich euch aufgetragen habe." (Mt 28,19.20.). Dazu aber bedarf es vor allem einer wirklichen Macht- und Herrschafts-ausübung (exercitatio effectiva), die über eine bloße Hirtensorge (cura) priesterlicher Natur weit hinausgeht und in einer obersten Hirten- und Regierungsgewalt zum Ausdruck kommt. Diese Macht und Gewalt hat manche Ähnlichkeit mit einer 'sakralen königlichen Herrschaft', die heutzutage kaum noch verstanden wird - im Gegensatz zu einem weltlichen Königtum, auch wenn dieses sich hochmütig für ein 'von Gottes Gnaden' hält. (Hier sollte man sich auch einmal erinnern an die Antworten Christi auf die unvernünftigen und überheblichen Rangstreitigkeiten der Apostel, als diese noch wenig 'erleuchtet' waren.)

Als Apostel konnte der "römische Petrus" seinem Nachfolger (successor) im Primat nicht alle ihm gegebenen Vorzüge und Vollmachten vererben, da jener nur Römischer Bischof oder Bischof zu Rom war. Auch diesem Bischof fehlten vor allem zwei Wesensmerkmale:

1.) die Unmittelbarkeit der Sendung durch Jesus-Christus selbst und die damit verbundene Macht, Wundertaten selbständig zu vollbringen, auch zum Zeugnis seiner göttlichen Sendung, und

2.) die Inspiration durch den Heiligen Geist zum Zwecke der persönlichen Infallibilität (Unfehlbarkeit und Untäuschbarkeit) im Lehren und bei Lehrentscheidungen (Dogmen) in Glaubens- und Sitten-Sachen zum Wohle der ganzen Kirche und aller ihrer (getauften) Glieder.  

Schon der Apostel Paulus hatte bei den hektischen Korinthern Grund genug für jene Klage: "Sind etwa alle Apostel? Alle Propheten? Alle Lehrer? - Haben etwa alle Wunderkräfte, alle die Gabe zu heilen? Reden alle in Zungen? Sind alle Ausleger?". So verhält es sich in Wahrheit überhaupt nicht. Denn "Gott hat die einzelnen in der Kirche bestimmt: erstlich zu Aposteln, zweitens zu Propheten, drittens zu Lehrern (...)" (1 Kor 12,29.30.28). Es ist kein Zufall, daß sich der erste autoritative Brief des Papstes Klemens I. (88-97) an die Korinther richtete wegen übelster Zustände in der Leitung ihrer 'Großgemeinde'. (Die griechische Hafenstadt Korinth war immer schon berüchtigt.)

Die einzelnen Bischöfe, die in der apostolischen Kirche an die Stelle der Apostel traten, besaßen und besitzen keine persönliche Infallibilität in Glaubens- und Sitten-sachen, obwohl sie die Träger der "lehrenden Kirche" oder des "kirchlichen Lehramtes" sind und nur der Episkopat berechtigt ist, den spezifisch christlichen Glauben autoritativ (verbindlich) zu lehren, zu erklären und auszulegen - nicht jedoch die Priester; denn diese predigen oder verkündigen ihn nur; darum kann auch kein Priester Richter in Glaubensfragen sein! Wenn ein Priester einen Bischof berechtigterweise als Häretiker oder Apostaten bezeichnet, dann tut er dies nicht als Richter, sondern als verantwortungsbewußter Christ, um andere aufzuklären oder zu warnen.

Nur der Träger des Primates mit seiner Ausweitung zum geistlichen Prinzipat kann der Inhaber des Apostolischen Stuhles in der apostolischen Ecclesia Romana sein, der uralten "mater et magistra omnium ecclesiarum" (Mutter und Lehrmeisterin aller 'Teil'-kirchen), die sich wie Teile in einem Ganzen verhalten, in dessen Mitte der auferstandene Christus lebt und auf unsichtbare Weise unser Heil wirkt. Der Apostolische Stuhl mit seiner 'Cathedra S. Petri' ist wohl der geheimnisvollste Thron (Herrschersitz) in der Welt, da er göttlichen Ursprungs und durch den "römischen Petrus" vermittelt ist. Dieser 'Stuhl' sollte nicht verwechselt, aber auch nicht identifiziert werden mit dem "römischen Stuhl" in der katholischen Kirche, der nur ein politischer Begriff ist wie z.B. Vatikan oder Kirchenstaat. Man sollte auch die Schreibweise nicht ständig ändern, weil so etwas nur Verwirrungen stiftet. Unterscheidungen sind notwendig und beileibe keine Spitzfindigkeiten. Das liturgische Fest "Petri Stuhlfeier zu Rom" (18. Jan.) bezog und bezieht sich auf den Apostolischen Stuhl, nicht auf den 'römischen'. Aber das weiß man ja heute ja auch nicht mehr.

Anmerkungen:
1) Dies geschah auch durch übelste Verleumdungen von seiten der Juden, die eine starke Gruppe bildeten und sogar Privilegien genossen... Die Feuersbrunst hatte zwei Ursachen,
1.  eine zufällige wegen der leichten Entzündbarkeit der verschachtelten Häuser aus Holz und der engen, verwinkelten Straßen (das waren häßliche Distrikte und Armenviertel); und
2. durch Brandlegung auf Veranlassung des 'göttlichen Nero' in seiner Abwesenheit und deren Ausbreitung man falsch kalkuliert hatte. Denn Nero wollte nur die häßlichen und schmutzigen Viertel beseitigen und dort in seinem Größenwahn eine 'neue Stadt' errichten mit Tempeln und Vergnügungsstätten etc. Das war bekannt. Jetzt aber brauchte er einen 'Sündenbock', auf den er die Schuld abwälzen konnte. Die Hetzjagd auf Christen begann, deren Anderssein ja schon lange beargwöhnt wurde, nicht bloß vom Pöbel.
2) Es bewahrheitete sich die Prophetie Christi, des Auferstandenen: "Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: als du Jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingest, wohin du wolltest; bist du aber alt geworden, wirst du deine Hände ausstrecken (an einem Kreuz der Römer) und ein anderer wird dich gürten und dich hinführen, wohin du nicht willst." (Joh 21,18)
3)  Diese Gewalt (potestas) ist eine hierarchische, da sie nur den Gliedern einer Hierarchie zukommt, die eine Ordnungs-Einheit (unitas ordinaria) ist. Diese Gewalt darf man nicht verwechseln mit der "potestas iudiciaria", der bloß richterlichen Gewalt von Richtern einer Gerichtsbarkeit in der Kirche.
4) Es ist mehr als abwegig, die "Jurisdiktionshierarchie" für ein 'Kirchenregiment' zu halten oder als ein solches zu bezeichnen. Denn in dieser Hierarchie (= 'heiligen (sakralen) Herrschaft und Regierung') sind der apostolische Primat und der römische Episkopat nicht kirchlichen, sondern göttlichen Rechts.
Das Hierarchische als solches ist eine Ordnungs-Form und meint eine gegliederte Über- und Unterordnung von Personen in einem lebendigen Wesens-Ganzen - der reine Gegensatz zu einer Gleichgeordnetheit. Es ist 'heilig' im Sinne von etwas Unantastbarem in der menschlichen Gesellschaft. Nur die Perversion der 'Massengesellschaft' zerstört es, indem sie alle ihre Glieder 'gleichmacht' oder 'gleichwalzt'. Alles 'Demokratische' ist von Grund auf anti-hierarchisch. Ohne die hierarchische Ordnung aber zerfällt die notwendige und heilsame Autorität, die in ihrem Wesen eine gesellschaftliche Machtvollkommenheit (potestas socialis perfecta) ist. Die höchste Autorität jedoch ist gleichbedeutend mit dem Primat in der Ecclesia universalis (der einen und allgemeinen Kirche) - im Gegensatz zu einer 'ecclesia particularis', einer Teilkirche oder Diözese. Davon hinwiederum unterscheidet sich die 'Ecclesia universa', die 'Gesamtkirche', deren Gegensatz die 'Einzelkirche', die  'ecclesia singularis' ist. Es ist notwendig, dies alles zu unterscheiden, weil man sonst die Kirche zu einem vorstaatlichen und internationalen "Gesellschaftsbrei" macht.
Es ist auch notwendig, klar zu unterscheiden zwischen - einerseits - der hierarchischen Kirche selbst, die eine Gründung Jesu-Christi und somit eine geordnete "societas perfecta sui generis suique iuris" ist, und - anderseits - der Hierarchie in der Kirche, die ein "sacer principatus" ist. Außerdem gibt es ( und was man nicht geflissentlich 'übersehen' darf) eine Partizipation der (gebildeten) Laien am hierarischen Apostolat der Kirche. Dieses war im Lauf der Zeit durch hochmütige Hierarchen (wie bei den alten Juden) unterdrückt und fast vernichtet worden. Erst Pius XII. (1939-1958) war bestrebt, diesem Zustand ein Ende zu machen. Darum der Haß nicht weniger Kleriker, der sog. 'Klerikalisten', die sich sogar als Traditionalisten ausgaben, auf diesen als Aristokrat beschimpften Papst. Für die gebildete Laienschaft waren die Klerikalisten im Priesterrock geradezu ein Greuel.
(Fortsetzung folgt)

* *** *
Zitat:

Der langgewohnte Verzicht darauf, den Glauben zur Einsicht zu bringen, ist eine der tiefsten Wurzeln der sogenannten Krise, in der wir stehen. Unsere ganze Anstrengung muß daher unter Beachtung der Zeichen darauf ausgehen, das Wissen darüber zu befördern, wann man nur meint und wünscht, wann man hofft, wann man glaubt und wann man in Wahrheit weiß.
(+) Dr. Hans Gliwitzky  (in: EINSICHT,  1. Jahrgang, Nr. 12, S. 37)
 
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