54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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Ausgabe Nr. 4 Monat April 2004
Offener Brief an H.H. Bischof M. Pivaruns


Ausgabe Nr. 5 Monat Juni 2004
Papst Leo d.Gr.: Predigt über das Pfingstfest (Sermo LXXVI)


Ausgabe Nr. 6 Monat Juli 2004
Eberhard Heller: Der Fall Y. Yurchik: Aufnahme in die röm.-kath. Kirche?


Ausgabe Nr. 8 Monat Oktober 2004
Open Letter to most Reverend Bishop M. Pivarunas


Ausgabe Nr. 7 Monat Dezember 2005
In memoriam Frau Dr. Elisabeth Gerstner


Ausgabe Nr. 1 Monat April 1971
Zur Promulgation der Neuen Messe


Ausgabe Nr. 1 Monat Februar 2003
Über das Papsttum der Römischen Bischöfe


Ausgabe Nr. 4 Monat April 2003
La silla apostólica ocupada


Ausgabe Nr. 11 Monat December 2003
The Apostolic See Occupied


Ausgabe Nr. 5 Monat September 2002
Über das Papsttum der Römischen Bischöfe


Ausgabe Nr. 5 Monat September 2002
Der Apostolische Stuhl


Ausgabe Nr. 8 Monat December 2002
Le Siège apostolique < occupé >


Ausgabe Nr. 8 Monat December 2002
La sede apostolica


Ausgabe Nr. 2 Monat Juni 2000
RECHTFERTIGUNG EINER KÜNFTIGEN PAPSTWAHL


Ausgabe Nr. 3 Monat August 2000
¡VIVA EL CHRISTO REY! - STATIONEN EINER REISE DURCH MEXIKO -


Ausgabe Nr. 6 Monat Dezember 2000
Zum Problem einer möglichen Papstwahl


Ausgabe Nr. 7 Monat März 2001
Korrektur zu: Zum Problem einer möglichen Papstwahl


Ausgabe Nr. 6 Monat Februar 1999
DER HL. CYRILLUS VON JERUSALEM


Ausgabe Nr. 1 Monat April 1993
Mitteilungen der Redaktion


Ausgabe Nr. 4 Monat November 1996
VERSINKT DER KATHOLISCHE WIDERSTAND IM SEKTIERERTUM?


Ausgabe Nr. 4 Monat November 1996
VERSINKT DER KATHOLISCHE WIDERSTAND... (Anmerkungen)


Ausgabe Nr. 3 Monat Oktober 1995
NACHRICHTEN, NACHRICHTEN, NACHRICHTEN


Ausgabe Nr. 4 Monat Dezember 1995
NUR NOCH AUSLAUFMODELL?


Ausgabe Nr. 4 Monat Dezember 1995
DER HL. MARTIN


Ausgabe Nr. 3 Monat September 1994
HABEMUS PAPAM?


Ausgabe Nr. 4 Monat Mai 2006
Leserbriefe zu dem Beitrag Am Scheideweg


Ausgabe Nr. 1 Monat Mai 1991
PREDIGT ÜBER DAS PFINGSTFEST


Ausgabe Nr. 5 Monat Dezember 1990
DER HL. DAMASUS PAPST UND BEKENNER, + 384


Ausgabe Nr. 3 Monat Sept./Okt. 1987
DER HEILIGE KLEMENS VON ROM, PAPST UND MÄRTYRER


Ausgabe Nr. 5 Monat Januar 1987
LUTHER ALS KIRCHENVATER


Ausgabe Nr. 2 Monat Juli 1983
DIE MACHT HINTER ECONES THRON


Ausgabe Nr. 3 Monat August 1975
DIE HEILIGENFESTE DER KIRCHE


Ausgabe Nr. 1 Monat Mai 1975
DIE HEILIGENFESTE DER KIRCHE


Ausgabe Nr. 2 Monat Juni 1975
DIE HEILIGENFESTE DER KIRCHE


Ausgabe Nr. 4 Monat Oktober 1975
DIE HEILIGENFESTE DER KIRCHE


Ausgabe Nr. 5 Monat Dezember 1975
NACHRICHTEN, NACHRICHEN, NACHRICHEN


Ausgabe Nr. 12 Monat März 1975
DIE UNGÜLTIGKEIT DER NEUEN MESSE VON ANFANG AN, Fortsetzung


Ausgabe Nr. 3 Monat Mai 2007
Ratzinger und die heidnischen Sexual-Götter, Forts.


Ausgabe Nr. 9 Monat Dezember 1972
Der hl. Ambrosius


Ausgabe Nr. 6 Monat September 1973
VOLKSSPRACHE IN DER LITURGIE?


Ausgabe Nr. 7 Monat Oktober 1973
Das Vater unser


Ausgabe Nr. 12 Monat März 2008
Apostasía y Confusión


Ausgabe Nr. 3 Monat Sptember 2011
Antwort auf einen Angriff gegen den Sedisvakantismus


Ausgabe Nr. 1 Monat Februar 2021
Hyopstatische Union


Ausgabe Nr. 4 Monat August 2023
Einige Gedanken zu einer möglichen Papstwahl


¡VIVA EL CHRISTO REY! - STATIONEN EINER REISE DURCH MEXIKO -
 
¡VIVA EL CHRISTO REY!
- STATIONEN EINER REISE DURCH MEXIKO -

von
Eberhard Heller

Der kirchliche Widerstand in Mexiko gegen die moderne "Revolution von oben" schöpfte und lebt auch heute noch aus der lebendigen Erinnerung an die Zeit der freimaurerischen Revolution in den 20iger Jahren, aus den Erfahrungen der religiösen Verfolgung jener Jahre, in denen viele Priester und Laien ihr Zeugnis für ihren Glauben mit dem Leben bezahlten, die mit dem Ruf "Es lebe Christus, der König!" starben. Die heutigen Nachfahren dieser Märtyrer stehen keinem Erschießungskommando gegenüber, keine Salven durchsieben sie, aber sie wissen, wofür sie leben, für wen sie einstehen: für Christus, für Christus, der wie selbstverständlich ihr Leben durchzieht und gestaltet!

Die Anreise

Nachdem ich aus Zeitgründen der Einladung zur Konsekration von Mgr. Dávila im Mai vergangenen Jahres nicht folgen konnte, aber auch, weil der Rahmen einer solchen Feierlichkeit für die weiteren Absichten, die ich mit einem Besuch in Mexiko verbinden wollte, denkbar ungeeignet gewesen wäre, starteten wir endlich Ende Februar dieses Jahres zu dritt - Herr Dr. Klominsky aus der Tschechischen Republik, Redakteur der Zeitschrift TRIDENT, mein Sohn Bernhard und ich - in jenes ausgedehnte Land, dessen Kirchenkampf entscheidend durch die theologischen Vorgaben eines Pater Saenz y Arriaga und die unerschrockene Persönlichkeit von Bischof Carmona geprägt worden war. Es sollte für mich die erste große Reise sein, die ich in Angelegenheiten unseres Kirchenkampfes unternahm und die mich in jenes Land führen sollte, aus dem wir u.a. als Gäste den liebenswerten Bischof Carmona, aus dem wir Bischof Zamora und Herrn Gonzalez Flores empfangen hatten, dessen Vater bei der 20iger Revolution als Führer der kath. Jugend für den Glauben sein Leben gelassen hatte und erschossen worden war..., dessen Bild unser Münchner Zentrum geziert hatte und welches wir dann wiedersehen sollten in einem Konferenzsaal in Guadalajara.

Eine ganze Reihe von Vorbereitungen mußte getroffen werden. Meine Frau hatte die Reise in Absprache mit Bischof Dávila gut organisiert, die Flugrouten festgelegt und die Abflugszeiten der mexikanischen Fluggesellschaft recherchiert, die Tickets besorgt. In den Wochen vor der Reise hatte ich mich auf der Fahrt zur Arbeit bemüht, noch einige Brocken Spanisch zu lernen, die verschiedenen Diskussionsthemen mußten festgelegt und durchdacht werden.

Voll innerer Spannung starteten wir unsere Reise am 19. Februar in der Früh: zunächst von München nach Frankfurt, wo wir die Maschine nach Mexiko bestiegen. Zwölf Stunden sollte die Flugzeit eigentlich betragen. Doch wegen starker Turbulenzen über dem Ozean mußte das Flugzeug einen Umweg über Island und Grönland nehmen. Unter uns, 10.000 Meter tiefer, breitete sich eine weiße Wüste aus, Schnee und Eis, gegliedert durch Kämme, Gebirge, Ebenen, zugefrorene Seen,  stundenlang über endlose Weiten. Über Kanada korrigierte der Pilot wieder die Route, die man auf einem Monitor verfolgen konnte. Jetzt ging es weiter in direkter südlicher Richtung. Wir überflogen die Vereinigten Staaten. Unter uns immer dieses gleichförmige Weiß, gelegentlich unterbrochen vom Mäander eines Flusses. Irgendwann verfärbte sich dieses Weiß in Grau, Graubraun, dazwischen später sogar einige Flecken grün. Es wurde Abend. Ich packte meinen Fotoapparat und das Lehrbuch für Spanisch weg, aus dem ich noch einige Lektionen wiederholt hatte. Endlich kreiste das Flugzeug über einem riesigen Lichtermeer, welches sich in der Ferne verlor: unter uns lag Mexiko City, Ciudad de Mexico: einschwenken auf die Landebahn, und schon rollte die Maschine aus. Wir kamen verspätet an, wir flogen mit Verspätung nach Acapulco weiter, wo uns am Flughafen Pater Martin und Herr Oskar erwarteten... bereits seit über drei Stunden. Nach einer kurzen Fahrt im Auto öffnete sich hinter einem Bergrücken plötzlich die Bucht von Acapulco, von dessen Ufer sich ein ungeheueres Lichtermeer bis hoch in die Berge erstreckte, hoch hinaus, wo die letzten Hütten der drei Millionen Einwohner der Stadt an den Fels geklebt sind. Der Anblick war überwältigend.

Als wir endlich im Hotel Quartier bezogen hatten, war es Mitternacht, nach einer Reise von über 23 Stunden... und draußen herrschten noch immer 27 °C, plus!... und das nach einem schier endlosen Flug über Eis und Schnee. In Acapulco gibt es nur eine Jahreszeit: Sommer - im Januar, dem 'kältesten' Monat, rechnet man mit einer Durchschnittstemperatur von 27 °C, im Juli von 29 °C. Daß Acapulco eine der bekanntesten Touristen- und Vergnüngsstädte Mexikos ist, bezeugte das Dröhnen der Disco-Musik bis weit in die Nacht...

Bischof Dávila

Für den nächsten Tag, einem Sonntag - war nach dem Besuch der Messe in der von Bischof Carmona erbauten Kirche "de la Divina Providencia" (zur Göttlichen Vorsehung) das Treffen mit Mgr. Dávila vorgesehen. Die Räumlichkeiten des Bischofs befinden sich hinter der Kirche. Die Begrüßung verlief zunächst recht förmlich, doch dann lockerte sich die Atmosphäre recht bald. Anfängliche Sprachbarrieren waren bald überwunden: der Bischof versteht etwas Englisch, ich konnte mit meinen kürzlich erworbenen Spanischkenntnissen operieren, ansonsten übersetzte Herr Oskar, der lange in Amerika gearbeitet hatte und stolz berichtete, auch schon die Gespräche zwischen den Bischöfen Pivarunas und Dávila gedolmetscht zu haben. Wir steckten die Themen ab, die wir behandeln wollten: eine neue "Erklärung" zum Wiederaufbau der Kirche (die Behandlung dieses Themas sollte in Hermosillo erfolgen), Reunierung der Gläubigen, Sektiertum der sog. Thuc-Bischöfe, Ko-operation in der Propaganda, Unterstützung, Studium im Seminar - und wir legten das Reiseprogramm für die kommende Woche fest, welches wir gemeinsam bewältigen wollten: Dos Caminos, Atlatlahuacan/Mor., Mexiko City, Tampico, Hermosillo und Guadalajara.

Was sich bei der ersten Begegnung bereits andeutete und sich dann im Laufe des weiteren Zusammenseins bestätigte: Bischof Dávila ist ein zurückhaltender, umsichtiger Priester, der seine Verantwortung für die Kleriker der Union Trento und die ihm anvertrauten Gläubigen sehr ernst nimmt.

Nach diesem ersten Gespräch zeigten uns Pater Martin, den wir wegen seiner Fahrkünste in dem turbulenten Verkehr von Acapulco einen "Schuhmacher segundo" nannten, und Herr Oskar, unsere Sprachstütze, die touristischen Attraktionen der Stadt.

Dos Caminos

Am nächsten Tag fuhr Bischof Dávila mit uns in das etwa 40 km von Acapulco gelegene 1000-Seelen-Dorf Dos Caminos, dessen Einwohner sich in der überwiegenden Mehrheit - ca. 80% - zum wahren Glauben bekennen, weswegen die schöne alte Dorfkirche der Union als Pfarrkirche übergeben wurde. Pater Martin, der vor seinem Theologiestudium Taxifahrer war, schleuste uns wie tagszuvor geschickt durch das Straßen- und Verkehrschaos. Etwas außerhalb der Stadt gab es noch einen kurzen Halt... und eine herzliche Begrüßung mit einer Familie, die dort einen Obstladen betreibt. Mitten in einer Reihe solcher Obstgeschäfte befindet sich eine offene Kapelle, die von den Priestern in Acapulco mit betreut wird. Wie uns Pater Martin berichtete, befinden sich in den Vororten rund um Acapulco noch etliche solcher Kapellen, wo die Priester-Union ebenfalls die Seelsorge übernommen hat.

Debatte über die kirchliche Situation

Nach einer kurzen Begrüßung des Pfarrers von Dos Caminos besichtigten wir dessen barocke Kirche St. Jakob d.Apost. Eigentliches Ziel unserer Fahrt war aber der dort angesiedelte Schwesternkonvent, dessen Oberin, eine Amerikanerin, das erste intensivere Gespräch mit Bischof Dávila dolmetschen sollte. Die Aufnahme bei den Schwestern in den bescheidenen Räumlichkeiten war überaus herzlich: Ein "Willkommen" in deutscher Sprache prangte uns auf einer Schultafel entgegen. Während mein Sohn sich um die Problem-Kinder bemühte, die von den Schwestern betreut werden, entwickelte sich zwischen Bischof Dávila , Herrn Dr. Klominsky und mir ein sehr offenes und sachliches Gespräch über die allgemeine kirchliche Situation und die von mir vorgetragenen Anliegen. Sprachbarrieren - und damit verbunden: Verständigungsprobleme - tauchten nicht auf: Schwester Maria sprach ein ausgezeichnetes "Englisch" und übersetzte flüssig ins Spanische. Für mich etwas überraschend war die Unbefangenheit, mit der sich Bischof Dávila auf die vorgetragenen Probleme und Vorstellungen einließ, die ihm aber zugleich auch die Freiheit der Distanz ermöglichte. Hier nun die Themen, die wir besprochen haben:

- Reunierung der weltweit zerstreuten Gemeinden und Gläubigen - die diesbezüglichen Bemühungen von Bischof Carmona sollten unbedingt fortgeführt werden. Ich vertrat die Auffassung, daß diese Aufgabe ein Bischof übernehmen sollte, der sich ausschließlich diesem Anliegen, welches enorme Anforderungen an die betreffende Person und deren Kommunikations- und Integrationsfähigkeit stellen würde, widmen sollte. Meiner Meinung nach wäre es gut, wenn ein solcher Bischof aus der Umgebung von Mgr. Carmona käme, der an dessen Bemühungen und Intentionen am besten anknüpfen könne. Für Bischof Dávila, der zum Zeitpunkt des Gespräches gerade einmal ein dreiviertel Jahr sein Amt ausübte, war es sicherlich neu und überraschend, daß an ihn und die von ihm vertretene mexikanische Priesterunion die Forderung nach Verantwortlichkeit für die Gesamtkirche gestellt wurde. Für ihn war es aber kein Problem, die Dringlichkeit und Wichtigkeit der Reunierung anzuerkennen, ohne die es - auch nach seiner Meinung - zu einer sektiererischen Zerspaltung des Widerstandes der rechtgläubigen Katholiken kommen würde. Auch in Mexiko gäbe es neben der Union Trento andere sedisvakantistische Gruppierungen, die nicht mit dieser zusammenarbeiten würden. Solche Anliegen müßten aber in einem größeren Rahmen behandelt werden.  
- In diesem Zusammenhang kamen wir auf ein Thema zu sprechen, deren Behandlung auch in Mexiko ansteht, nur hat es dort nicht die gleiche Dringlichkeit wie bei uns: die Unterwanderung durch sektiererische sog. Thuc-Bischöfe (d.s. Bischöfe - oder sogenannte -, die in irgendeiner Sukzessionslinie zu Mgr. Ngô-dinh-Thuc stehen und schon deshalb meinen, als rechtgläubige Bischöfe legitimiert zu sein). Als nach der Weihe von Bischof G. des Lauriers die Rede auf die weiteren, von Mgr. Ngô-dinh-Thuc geweihten Bischöfe kam, war die Meinung von Mgr. G.des Lauriers, sie zu ignorieren. Das war falsch: inzwischen ist durch diese - die sog. oder wirklichen Thuc-Bischöfen - ein sektiererischer Sumpf angelegt worden, in dem es von geweihten oder nicht-geweihten oder vielleicht-geweihten Klerikern, klerikalen Betrügern und Scharlatanen nur so wimmelt (ich denke da u.a. an Herrn Roux, den man in Frankreich nur noch Bischof Tartüff nennt). Diesen Sumpf gälte es auszutrocknen; denn der wahre Widerstand ist in Gefahr, in diesen mit hineingezogen zu werden, weil die Priester, unsere Priester! und die verantwortlichen Laien für die Meßzentren nicht die genügende Sorgfalt bei der Kooperation mit unbekannten Klerikern bisher haben walten lassen. Ich berichtete über unsere Anstrengungen, insbesondere von den Bemühungen Herrn Jerrentrups, durch genaues Verfolgen der jeweiligen Sukzession die "Spreu vom Weizen zu trennen", d.h. zu eruieren, ob ein Kleriker gültig, zweifelhaft oder direkt ungültig geweiht wurde und ob er rechtgläubige oder sektiererische Intentionen verfolge. Solche Kleriker würden auch in Mexiko auftreten, berichtete Bischof Dávila. Aber sie hätten bisher noch kein Patentrezept, diesen Personen zu begegnen. Es wurde vereinbart, daß wir der Union Trento unser bisheriges Material zur Verfügung stellen und daß wir uns gegenseitig informieren wollen, um Einschleusungen zu vermeiden.
- Propaganda für den Glauben: um eine Zersplitterung der doch begrenzten Leistungsfähigkeit zu vermeiden, wurde eine bessere Abstimmung bei der Bearbeitung neuer Themen, die Kooperation der verschiedenen Publikationsorgane und der Austausch von wichtigen Beiträgen vereinbart.
- Im Verlauf unseres Gespräches wurde von mir auch die Frage nach einer finanziellen Unterstützung der PRIESTERUNION TRENTO und ihren Bemühungen im Glaubenskampf gestellt. Eine Antwort wollte Bischof Dávila erst nach der Konferenz in Hermosillo geben, nachdem er mit seinen Konfraters gesprochen habe.
- Das Studium im Priesterseminar in Hermosillo wurde angesprochen, die Behandlung dieses Themas aber auf den Besuch im Seminar verschoben.
- Annahme von Meßstipendien aus Europa: hier signalisierte Bischof Dávila Interesse, zumal er - wie er später sagte - zusichern könne, daß die bestellten hl. Messen recht schnell gelesen werden könnten.

Weiterhin galten meine Fragen auch der Situation der UNION in Mexiko. Und hier erfuhr ich von Bischof Dávila, daß er auch Sorgen habe..., daß er sich dieser Aufgaben zunächst annehmen und sie Schritt für Schritt zu einem Ergebnis führen müsse. Die Priesterunion Trento müsse sich weiter konsolidieren und den Aufbau neuer Gemeinden vorantreiben. Er könne sich unter Vernachlässigung seiner eigenen 'Hausaufgaben' nicht Problemen widmen, die ihn und die UNION vorerst überfordern würden.

Während des Chorgebetes machten wir noch einen Rundgang durch den Ort, um dann mit Schwester Maria und einer amerikanischen Mitschwester im alten Ford Transit des Convents nach Acapulco zurückzufahren: am nächsten Tag wollten wir zusammen mit Bischof Dávila in diesem Auto quer durch die Sierra Madre del Sur - ein Gebirge, welches sich östlich von Acapulco bis zu einer Höhe von über 3000 m aufbaut - nach Mexiko City fahren.

Unterwegs nach Mexiko City

Die beiden Schwestern wechselten sich bei der eintönigen, stundenlangen Fahrt über den kürzlich eröffneten Highway ab, der sich von der Pazifikküste durch eine herbe, einförmige, verdorrte Hochgebirgslandschaft zieht, hier und da unterbrochen oder akzentuiert von graugrünen Stangenkakteen. Es war heiß, die Luft trocken. Wir Europäer wurden von Schwester Maria darauf aufmerksam ge-macht zu trinken, viel zu trinken, ansonsten werde man krank. Die Schwestern hatten vorgesorgt: Trinkwasser hatten wir genug mitgenommen. (Das normale Wasser in Mexiko ist ungenießbar; man benutzt zum Trinken und zum Kochen eigens aufbereitetes Wasser.) Während der Fahrt machte uns Bischof Dávila auf verschiedene Dörfer aufmerksam, in denen Priester der UNION oder andere, die sich ihr angegliedert hatten, ihr Seelsorgeamt ausüben.

Der alte Ford tat seine Dienste. Gelegentlich mußten die beiden Schwestern jedoch beweisen, daß sie nicht nur den Rosenkranz in den Händen halten konnten, sondern auch wußten, wie man mit einem Schraubschlüssel umgeht. Und dann geschah etwas bewegendes: bei einer kurzen Rast an einer Tankstelle mitten in der Gebirgsödenei wurden Bischof Dávila und die Schwestern ganz unerwartet von einem Soldaten angesprochen, der hier auf Wache stand. Wie sich herausstellte, gehörte er zu den Traditionalisten und hatte bei der Renovierung der Kirche von Dos Caminos mitgearbeitet.

Es war schon fast dunkel, als wir vor den Toren von Mexiko City die mächtige Kirche von Atlatlahuacan aus dem Jahre 1530 erblickten, die eher einer Festung glich - 1530, das waren gerade einmal knapp 40 Jahre nach der Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus! An das eigentliche Kirchengebäude waren ein Kreuzgang und mehrere Wohnräume angegliedert, und dieser imposante Komplex war weiträumig mit einer Wehrmauer umgeben. Die Union Trento, der diese Kirche vom Staat überlassen worden war, weil die Mehrheit der Stadtgemeinde sich für den tradierten Glauben entschieden hatte, muß nun  - mit staatlichen Mitteln zwar! - die Kirche renovieren und dabei den kunsthistorischen Dekor freilegen... d.h. Bischof Dávila darf sich nun auch noch mit der Geschichte der sakralen Kunst seines Landes vertraut machen!

Spät abends gelangten wir nach Mexiko City: ein Häusermeer, in dem über 23 Millionen Menschen leben (sollen). Die Stadt wächst stetig, immer mehr Slamsiedlungen gliedern sich ein, weil die Landflucht sehr groß ist. Während Bischof Dávila bei Bekannten übernachtete, waren Herr Klominsky, Bernhard und ich in einem Hotel in der Nähe der Kathedrale, direkt im Zentrum untergebracht, und dort herrschte Ruhe. Am nächsten Morgen besichtigten wir zusammen die Kathedrale, deren Niveau sich abgesenkt hat, nun aber wieder angehoben werden soll, den berühmten Zocal, den größten Stadtplatz der Welt, die Straßen in der Umgebung des Domes, in denen ein ungewöhnlich reges Markttreiben herrschte. Auffallend war die Omnipräsenz des Militärs, das in seinen kugelsicheren Westen vor sich hin schwitzte. Die Schwestern brachten uns danach zum Flughafen, wo Bischof Dávila bereits auf uns wartete.

Tampico

Weiter ging's nach Tampico an der Karibikküste. Der Flug dorthin galt einzig und alleine dem Besuch unserer alten Freundin und Mitstreiterin Frau Gloria Riestra. Von einer ihrer Freundinnen wurden wir am Flughafen abgeholt. Mit Frau Riestra, der großen Dichterin und Schriftstellerin, die wie kaum jemand religiöse Erlebnisse, Erfahrungen, Hoffnungen und Gefühle sprachlich verdichten kann, verbinden mich über 20 Jahre Kooperation in unserem Kirchenkampf: eisernes Durchhalten, Bangen, Enttäuschungen, aber auch Momente der Freude. Sie, die ehemalige Sekretärin eines Bischofs, war lange Zeit die Beraterin von Bischof Carmona und die Seele der Zeitschrift TRENTO, deren Redaktion nun Pater Pérez übernommen hat. Nach den Jahren des Brief- und Telephonkontaktes war dieser Besuch nun die erste unmittelbare Begegnung. Ich hatte mich auf eine etwas ältere Dame über 70 eingestellt, die wegen ihrer Krankheit in mehrerer Hinsicht auf Rücksichtnahme angewiesen sein würde...und mich gründlich verkalkuliert! Geistige Frische, Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer verbunden mit einem ungebrochenen Willen, an der Lösung der kirchlichen Probleme auch in der Zukunft mitzuarbeiten, traten uns entgegen.

Das einzige Thema unserer englisch geführten Debatte bildete das Problem der Wiederherstellung der Kirche. Frau Riestra ging gleich in medias res: Papstwahl, wie ich mir diese vorstellen würde. Erst als mein Sohn mich darauf aufmerksam machte, daß ich dieser Frage dauernd ausweichen würde, trug ich meine Meinung zu diesem Problem und seiner Lösung vor: eine Papstwahl könne nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit dem Problem der Restituierung der Kirche als Heilsinstitution gesehen werden. Die Debatte über die grundlegende Konstitution der Kirche sei noch nicht zu Ende geführt worden, ebensowenig die Diskussion über eine damit verbundene Papstwahl, wobei in diesem Zusammenhang auch die praktische Durchführung und die Bedingungen dazu erst theoretisch erörtert, d.h. aus den prinzipiellen Möglichkeiten dazu abgeleitet werden müßten. Weil diese Diskussion noch nicht zu Ende geführt worden wäre, seien bisher alle Versuche einer Papstwahl kläglich gescheitert. Die Abenteuer eines Herrn Bawden, die Wahl von Linus II. hätten unserer Sache nicht nur geschadet, sondern sie vor allem lächerlich gemacht. All diese Überlegungen, die den großen Enthusiasmus etwas bremsten, taten aber der Freude dieses Abends und der Debatte keinen Abbruch, und auch Herr Dr. Klominsky und mein Sohn wurden von dieser Spontaneität angesteckt. Sie werde ihren großen Freundes- und Bekanntenkreis mobilisieren, um zum 'großen Gefecht' zu blasen, versprach uns Frau Riestra. Zum Abschied dieses unvergeßlichen Abends schenkte sie uns noch ihre letzthin erschienene Gedichtsanthologie.

Hermosillo

Es war wiederum spät geworden an diesem Abend. Am nächsten Morgen mußten wir sehr früh aus den Betten, um unsere Reise fortzusetzen. D.h. wir mußten erst zurück nach Mexiko City fliegen - weil der inner-mexikanische Flugverkehr sternförmig von dort zentral organisiert ist -, um nach Hermosillo weiterzufliegen. Direktflüge von einer Stadt zur anderen gibt es nur wenige. Auf dem Flug nach Hermosillo merkten wir, daß Mexiko ein wirklich großer Staat ist. Wenn man von Cancun an der Karibik, dem südöstlichsten Punkt, nach Tijuana im äußersten Nordwesten, an der Grenze zu den USA, fliegen wollte, müßte man drei Zeitzonen überqueren. Bis Hermosillo, unserem nächsten Ziel im Norden von Mexiko, in der Sonora, waren es ca. 2000 km und 'nur' zwei Zeitzonen. Nach gut drei Stunden Flug hatten wir unser Ziel erreicht. Am Flughafen wurden wir vom Seminarleiter, Pater Francisco, Pater Luis, Herrn Lopez, dem Rektor einer Privatschule, dem Lehrer für Philoso-phie am Seminar und Herrn Martin Gonzales, der uns dolmetschen sollte, empfangen. Im Gegensatz zu Tampico, wo es so schwül war, daß ich mich fast in Wasserdampf auflöste, ist das Klima in Hermosillo sehr trocken. Im Sommer, so berichteten später die Seminaristen, herrschen in dieser Gegend Temperaturen bis zu 45 °C. Die Stadt mit ihren 800 000 Einwohnern liegt in einer Landschaft, die mich an Szenen aus einem Wildwestfilm erinnerten. Die Häuser, meist im Bungalow-Stil gebaut, sind schachbrettartig durch Straßen gegliedert, die sich an den Felsen 'brechen', die plötzlich steil aus der Hochebene aufragen... und sieben Jahre hatte es hier nicht mehr geregnet!

Den Besuch in Hermosillo - wo die Priester-Union eine große Gemeinde betreut, die ihre eigene Pfarrkirche gebaut hat - und später im Priesterseminar, hatte Bischof Dávila besonders gut organisiert, sollte doch hier die Konferenz über eine von uns, d.h. von Fr. Krier, Herrn Jerrentrup und mir, im Konzept vorgelegte "Erklärung" stattfinden, durch die eine neue Plattform für die Reunie-rung der Gläubigen gefunden werden sollte. Selbst eine theologisch qualifizierte Dolmetscherin hatte er zu dieser Konferenz eingeladen: Frau Prof. Varela, die mehrere Jahre in Köln Musikwissenschaften studiert hatte. Zu dieser Konferenz waren auch Fr. Krier aus Modesto/USA und Pater Daniel Pérez aus Ciudad Juárez, an der Grenze zu den USA gelegen, wo er eine größere Gemeinde mit einer eigenen Pfarrkirche betreut, angereist. Fr. Krier hatten wir seit seinem letzten Besuch in Deutschland vor eineinhalb Jahren nicht mehr gesehen. Daß wir uns hier wieder treffen würden, wer hätte das gedacht! Mittlerweile hatte er sogar Spanisch gelernt. Pater Pérez war vor der Wahl von Bischof Dávila Oberer der Priesterunion gewesen und hatte davor lange Zeit das Priesterseminar geleitet.

Besuch im Seminar

Gegen Abend fuhren wir alle zusammen zum Seminar, welches eine halbe Autostunde außerhalb von Hermosillo mitten in dem kargen Land liegt. Hier draußen war die Dürre der letzten Jahre besonders zu spüren: die Vegetation vielfach abgestorben, die Erde trocken und hart. Staub wirbelte auf, als die Autos in die unbefestigte Straße einbogen, die schließlich zum Seminar führte. Diese verdorrte Natur bildete gleichsam den stärksten Kontrast zu dem überaus herzlichen Empfang, den die Seminaristen ihrem Bischof und uns Besuchern boten. Die achtzehn jungen Männer, die dort ihr Studium absolvieren und sich auf die Weihe vorbereiten, bilden eine gemischte Truppe aus allen Provinzen Mexikos. Die Ausbildung umfaßt nicht nur das reine Theologiestudium, welches in der Regel acht Semester dauert, sondern diesem vorgeschaltet ist noch ein Gymnasialjahr mit der Vermittlung eines komprimierten Lehrstoffes, da die Ausbildung an den öffentlichen Schulen in Mexiko anders verläuft als bei uns.

Die äußeren Bedingungen sind spartanisch: das Leben ist bescheiden. Soweit möglich versorgen sich die Seminaristen selbst. Sie sind in Stockbetten untergebracht, dem Leiter und den Lehrern werden Einzelbetten zugestanden. Diese Umstände bedeuten für jeden ein erhebliches Maß an Disziplin, Selbstbeschränkung und Rücksichtnahme... Tugenden, die sie später befähigen sollen, selbständig und auch einmal allein an der 'Front' zu stehen, sensibel für die Sorgen und Nöte der anderen. Das Studium wird begleitet von einer intensiven religiösen Betreuung: hl. Messe, Stundengebet und Lesungen; aber auch körperlicher Ertüchtigung - die Berge stehen gleichsam vor der Tür. Daneben erwerben die Seminaristen während ihres Studiums praktische Erfahrung in der Seelsorge. Einige geben in der Stadt den Kindern Religionsunterricht, bereiten die vielen Jungen und Mädchen auf die erste hl. Kommunion vor. Aber auch die besonderen Talente der einzelnen werden gefördert und eingesetzt. So hat z.B. einer der Seminaristen die Pläne für die zukünftige Seminarkapelle entworfen und die Bauzeichnungen erstellt - ich habe leider vergessen, mir davon Kopien geben zu lassen. Die Begegnung mit den jungen Leuten war für uns alle ausgesprochen erfrischend, besonders für meinen Sohn, der sich in diesem Kreis bald aufgehoben wußte. Wir lernten offene junge Menschen kennen, die hier ohne klerikalistische Verbiegungen zu selbständigen Persönlichkeiten und Priestern geformt werden.

An zwei Abenden haben wir mit ihnen in einer offenen und interessierten Atmosphäre diskutiert. Father Krier und ich konnten ihnen Auskünfte geben über unsere Erfahrungen, über die Zusammenarbeit mit S.E. Mgr. Ngô-dinh-Thuc, über die Konsekration der ersten Bischöfe - warum sie geheim durchgeführt wurden bzw. werden mußten, über die Entstehung der DECLARATIO von 1982, über die kirchliche Situation in Europa, über die Unterschiede der thomistischen und der Transzendentalphilosophie. Dabei erwies sich Fr. Krier neben Herrn Martin Gonzales als eifriger Dolmetscher. Um seine Latinos in Las Vegas zu betreuen, hatte er in den letzten Jahren Spanisch gelernt.

Nach dem derzeitigen Ausbildungsstand könnten von diesen 18 Seminaristen in den nächsten drei Jahren 12 zu Priestern geweiht werden, wie uns Bischof Dávila informierte.

Die Konferenz

Am nächsten Morgen fand in dem von Herrn Lopez geleiteten Gymnasium die bereits erwähnte Konferenz statt, in der über ein von Fr. Krier, Herrn Jerrentrup und mir entworfenes Thesenpapier beraten werden sollte, welches inhaltlich an die DECLARATIO von Mgr. Ngô-dinh-Thuc anknüpfte und diese hinsichtlich der Aufgaben einer Reunierung fortführte. Die spanische Übersetzung, die dankenswerterweise Frl. Maria Theresa Moser besorgt hatte, war den Teilnehmern  schon vorher durch Bischof Dávila zugeschickt worden. An dieser Konferenz nahmen teil: Bischof Dávila, Pater Pérez, P. Francisco Jimenez, der Seminarleiter, P. Luis, Spiritual des Seminars, Fr. Krier, Frau Prof. Varela, der Lehrer für Philosophie am Seminar - der Name ist mir leider entfallen -, Herr Lopez, Herr Dr. Klominsky und ich. Frau Varela, die einige Jahre in Köln studiert hatte und sehr gut Deutsch sprach, erwies sich als ausgezeichnete Dolmetscherin, die mein gedankliches Konstruieren, auch in schwierigen Passagen, rasch nachvollziehen und spanisch ausformulieren konnte. Das Thesenpapier wurde zügig beraten. Mißverständliche Termini in der vorgelegten spanischen Übersetzung waren bald ausgeräumt. Fr. Krier und ich hatten keinerlei Bedenken, gewünschte Änderungen zu akzeptieren, die in der Tat zur theologischen Präzisierung bzw. zum besseren Verständnis beitrugen. Über einige Passagen wurde auch kontrovers diskutiert. Es ging nicht so sehr um die sachliche Richtigkeit darin, sondern um die Möglichkeit der didaktischen Vermittlung, weshalb diese Aussagen für eine allseits anerkannte Plattform ungeeignet seien. Wegen der theologisch-kirchlichen Relevanz der umstrittenen Passage stimmte man endlich auch diesem Teil der Erklärung zu, wobei ich versprach, die Diskussion mit den angesprochenen Personen aufzunehmen, von denen befürchtet worden war, daß sie Verständnisschwierigkeiten haben würden.

Im weiteren Verlauf der Debatte konnten wir auch die Probleme der kirchlichen Situation in Europa ansprechen und besonders auf die Führungslosigkeit hier hinweisen, auf das mangelnde Engagement der meisten unserer traditionellen Kleriker, die sich nicht als Männer der Kirche, sondern eher als Privatpersonen darstellten, unfähig und unwillig zur Kooperation nicht nur mit den Laien, sondern auch untereinander. Eine Priestervereinigung wie die PRIESTERUNION TRENTO, die klar gegliedert sei, die ausgearbeitete Programme auch umsetzen würde, die intensive Seelsorge betreiben würde, gäbe es bei uns nicht. Dieses Verhalten würde mit der Zeit unweigerlich zum völligen Sektierertum, von welchem der Widerstand schon unterwandert sei, und zum bloßen Nischen-Christentum führen. Hier wurde überlegt, ob man eine gewisse Verantwortung für die Gläubigen in Europa übernehmen könne. Pater Pérez konnte sich das gut vorstellen: "Wir wurden von den Franziskanern und Dominikanern aus Europa missioniert, warum solle das nicht auch einmal in umgekehrter Richtung funktionieren." Wie eine solche Kooperation mit dem europäischen Klerikern aussehen könnte, wurde nicht mehr diskutiert.

Die finanzielle Unterstützung aus Europa - und darüber wurde auch offen gesprochen - werde Bischof Dávila folgendermaßen einsetzen: 60% für das Seminar, je 20% für die Wiederherstellung der kirchlichen Einheit und die religiöse Propaganda (Kooperation mit der Zeitschrift TRENTO, Austausch von Artikeln, Absprache der zu berarbeitenden Themen, Weitergabe von Informationen, insbesondere über Sektierer, Sonderschriften).

Bischof Dávila überlegte, ob er nicht einen seiner Kleriker zur weiteren Ausbildung nach Europa senden solle, damit er Kirchenmusik studieren und sich im gregorianischen Choral ausbilden lassen solle.

Erinnerungen an Mgr. Carmona

Während unseres Aufenthaltes in Hermosillo wurden wir von verschiedenen Familien zum Essen eingeladen, die schon lange zu den Katholiken gehören, die in Bischof Carmona auch ihre geistige Autorität gefunden hatten. Es wurde viel erzählt, von den Verhältnissen in Europa im Unterschied zu denen in Mexiko - was wir davon bereits gesehen hatten... und immer wieder kamen wir dann auch auf Bischof Carmona zu sprechen - egal, ob hier in Hermosillo und später auch in Guadalajara. Er hat nicht nur seine Seminaristen zu Priestern geformt, sondern auch den Gläubigen landesweit jenes Gottvertrauen geschenkt, das sie all die vielen Unzulänglichkeiten ertragen ließ und noch läßt. Er hat sie - so meine ich - eher durch seine eigene tiefe Religiosität und persönliche Wärme gewonnen, durch seine eigene feste Überzeugung, die ihm dann auch das Vermitteln schwieriger Sachverhalte erleichterte, als durch bloße theologische Spekulation. Er hat ihnen Zuversicht eingeflößt, indem er sich ihrer persönlichen Anliegen annahm. Auch wenn er häufiger Opfer seiner eigenen Vertrauensseligkeit wurde und - das muß man gerechterweise auch sagen - fehlerhafte Personalentscheidungen getroffen hat, so überwogen doch seine persönliche Unmittelbarkeit, seine Unerschrockenheit und Furchtlosigkeit, auch bei massiven Drohungen gegenüber seinem Leben, seine mittragende und mitleidende Güte, die auch sein Gesicht prägten. Dies waren die entscheidenden Momente, durch die er in Mexiko den Widerstand maßgeblich aufgebaut und gestützt hat. Für mich persönlich besonders einprägsam waren seine Augen, die eine ungeheuere Geduld ausstrahlten. Ich habe sie in Mexiko häufiger gesehen, bei den Kirchenbesuchern, bei Arbeitern auf dem Land, bei jenem Soldaten, der an einer Tankstelle Posten stand, Augen voll Wehmut, die hoffend viel Leid ertragen können, die stumm am Gewissen der anderen hängen bleiben, ohne anzuklagen... Einmal  begegnete ich ihnen bei einer Bettlerin am Strand von Acapulco, wo wir nach einem Gespräch mit Bischof Dávila hingegangen waren. Wir brauchten ein wenig Ruhe. Ich hatte ihr etwas Geld gegeben, doch sie blieb stehen, hielt die Hand weiter auf und schaute mich stumm an. Ich versuchte ihr klar zu machen, daß ich ihr doch schon etwas gegeben hätte... ihr trauriger Blick blieb unverändert an mir hängen... Stunden später stellte ich fest, daß mich ihre Augen immer noch ansahen, und ich fühlte Scham, kleinlich gewesen zu sein.


Guadalajara

Es hieß Abschied nehmen von Hermosillo, von Fr. Krier, von Pater Pérez, Frau Varela, von Martin, der sich mit Bernhard angefreundet hatte, von den Patres Francisco und Luis, Abschied nehmen auch von den vielen Kindern, denen ein Seminarist Unterricht im Schatten der Kirche erteilt hatte. Unsere nächste Station war Guadalajara. Der Flug dorthin war angenehm, zunächst ging es entlang der Pazifikküste: rechts das tiefblaue Meer, das sich an dem felsigen Strand brach, links das Land, braun bis ocker, verbrannt, verdorrt. Wenn man diese Landstriche sieht, kann man die Landflucht verstehen, die die Zentren wie Mexiko City und auch die Außenbezirke von Guadalajara ausufern lassen, ihnen Elendsviertel bescheren, wo sich ein Slum an den anderen reiht.

Wir wurden vom Flughafen abgeholt und gut untergebracht. Guadalajara liegt auf einer Hochebene, ca. 1500 m hoch. Man kann es eine schöne Stadt nennen. Ich gewann den Eindruck, als ob Guadalajara das eigentlich Zentrum des religiösen Widerstandes in Mexiko sei, wo die Sedisvakantisten fünf Meßzentren besitzen. Nachmittags wurde dann noch eifrig in einem kleinen Kreis von Personen diskutiert, die sich besonders im Kirchenkampf engagiert und ausgezeichnet hatten. In diesem Kreis präsentierte Bischof Dávila auch die Entwürfe für die neue Seminarkapelle. Fragen, die uns gestellt wurden, galten sehr gezielt den kirchlichen Verhältnissen in Europa. Man wollte die Möglichkeit einer Kooperation mit den dortigen Klerikern sondieren. Leider konnte ich solchen Planspielen wenig Nahrung bieten, denn den Klerus in Deutschland mußte ich mit "independent" (unabhängig) eher zurückhaltend beschreiben. Ich war etwas erstaunt, daß es in Guadalajara, welches eine sehr entscheidende Rolle während der Freimaurer-Revolution in den 20iger Jahren gespielt hatte, wo es sogar eine katholische Untergrund-Universiät gegeben hatte, durch die das intellektuelle katholische Mexiko geprägt worden war, kein eigenes publizistisches Organ gab.

In Guadalajara machten wir auch die Erfahrung, daß Religion und Geld durchaus zusammengehen können, daß das eine zur Unterstützung und Durchführung des anderen großzügig eingesetzt wird... eine Symbiose, die bei uns fast undenkbar erscheint: entweder Religion oder davon separiert: Geld. Sicherlich gibt es unter den sog. Traditionalisten bei uns auch Personen, die Geld haben, aber die setzen es nicht ein für religiöse Zwecke. Mein Sohn machte mich gleich zu Beginn der Debatte darauf aufmerksam, daß unsere Gesprächspartner Personen mit nicht unerheblichen finanziellen Mitteln sein müßten - er hatte ein Gespür dafür schon als Schüler entwickelt, stammten doch etliche  seiner ehemaligen Klassenkameraden aus wohlhabenden, ja reichen Familien.

Es wurde schon langsam dunkel, als wir die Sitzung beendeten und uns durch den Abendverkehr quälten, um noch ein Zentrum etwas außerhalb der Stadt zu besichtigen. Der Besuch dort wurde für mich zu einem großartigen, unverhofften Erlebnis. Nach einer halben Stunde Fahrt gelangten wir schließlich zu einem breiten Hügel, der von einer Kirche und einem kompletten Kulturzentrum (Konferenzsaal, Bibliothek, Exerzitienhaus mit klosterartigen Zellen, kleines Museum für sakrale mexikanische Kunst) gekrönt war. Über Treppen, die terassenförmig in das felsige Gelände eingeschnitten waren und von Blumen überrankt wurden, gelangte man auf den Vorplatz vor der Kirche, wo sich an diesem Abend schon eine recht vornehme Gesellschaft versammelt hatte... zu einer Hochzeitsmesse. Und während wir in dem Konferenzsaal, der wie ein Amphitheater angelegt war, das Bild von dem als Martyrer geltenden Gonzales Flores entdeckten, welches auch in unserem alten Münchener Meßzentrum gehangen hatte, und von der Bibliothek aus noch einen wunderbaren Ausblick auf das Lichtermeer der 6-Millionen Stadt genossen, erklang aus der offenen Kirche nebenan Mozarts "Krönungsmesse". Es war für mich wie ein Widerhall aus längst vergessenen, untergegangenen Zeiten, welcher hier den Sprung zurück in die Wirklichkeit wagte... in Mexiko! Das gesamte Zentrum war von der Familie unseres Gastgebers und deren Freunden errichtet und der Priesterunion Trento zur Betreuung übergeben worden.

Abschied

Am nächsten Morgen wurden wir zum Gottesdienst  in einem der Meßzentren in der Stadt abgeholt, dessen Ausstattung uns wieder an vergleichbare Einrichtungen in Europa erinnerte. Auffallend war für uns Europäer, daß neben dem obligatorischen Schriftenstand auch eine Suppenküche in der Eingangshalle aufgebaut war, um die Armen und Bettler zu versorgen. Bischof Dávila zelebrierte ein Pontifikalamt, wobei er Pater Martin, der uns so gut durch Acapulco gelotst hatte, als neuen Kaplan für Guadalajara vorstellte, während der bisherige Geistliche, P. Merardo Loya, nach Acapulco versetzt werden sollte.  (N.b. indem die Priester die Pfarrstellen häufiger wechseln, vermeiden sie einen höchst schädlichen Personenkult, das Entstehen der berüchtigten 'Priesteranbetungsvereine'.) Es gab ein kurzes Wiedersehen mit P. Martin, danach hieß es Abschied nehmen von Bischof Dávila, mit dem wir gut eine Woche unterwegs durch Mexiko gewesen waren. Wir konnten in dieser Zeit eine Menge Probleme besprechen. Er hat uns mit vielen Personen bekannt gemacht, die alle mit-helfen wollen, diese geistig-religiöse und kirchliche Krise zu bewältigen. Wir haben wieder etwas von dem erfahren, was das katholische Leben auch früher vor dem Konzil für uns ausmachte: Eingebundensein des Religiösen in den Alltag, Gläubige, die mit ihrer Religion leben, Gläubige, die wirkliche Gemeinden bilden... und nicht elitäre Nischensteher sind wie bei uns... einfach ein bißchen Kirchen-Normalität.

Nach einem Besuch in einem Vorort von Guadalajara, wo wir noch mexikanisches Kunsthandwerk kennenlernten, flogen wir nach Mexiko City und von dort über Nacht nach Deutschland zurück. Müde, etwas ausgelaugt kamen wir an, aber - Gott sei Dank - wohlbehalten. Mexiko, die Priesterunion Trento mit ihrem Bischof Dávila, Frau Riestra, Pater Pérez und all die vielen Freunde, die Seminaristen, die Kinder von Hermosillo, die erarbeiteten Konzepte zur Fortführung unseres Kirchenkampfes, das gewonnene - und hoffentlich auch: geschenkte - Vertrauen... all das bleibt in unseren Herzen, und auch die Beziehung zu diesen Personen bleibt, um - wenn es Gottes Wille ist - mit ihnen am Wiederaufbau der Kirche zusammenzuarbeiten.

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Für Ihre eventuellen Kontakte die folgende Adressen:

Oberer der Priesterunion Trento: H.H. Bischof Martín Dávila Gándara
José Valdez Arévalo # 29
Acapulco, Gro. - Mexiko
Tel.: 0052-74-821362, Fax: 0052-74-834632, e-mail: obmdavila@latinmail.com

Rektor des Priesterseminars: H.H. Prbro. Francisco Jímenez
Banómichi 242, Col. López Portillo
C.P. 83104 Hermosillo, Sonora - Mexiko
Tel.: 0052-62-586380, Fax: 0052- 62-149088

Redaktion der Zeitschrift TRENTO: H.H. Prbro. Daniel A. Pérez Gómez
Calle Peral # 553 Sur, Col. Insurgentes
C.P. 82150 Cd. Juárez, Chih.
Tel.: 0052-16-152539, Fax: 0052-16-134562


 
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