54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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Die Irrtümer des Johannes Rothkranz
 
Die Irrtümer des Johannes Rothkranz

von
Christian Jerrentrup

Johannes Rothkranz hat sich in einem Beitrag in der Zeitschrift "Kyrie eleison" (Januar-März 2003, S. 79-128) auch zum Thema "Fichtes freimaurerische Aufklärungsphilosophie" geäußert (ebd., S. 83-93). Ich sehe mich gezwungen, einige der darin enthaltenen historischen Fehler zu korrigieren, und erlaube mir am Schluß eine Anmerkung zur philosophischen Systematik.

I. HISTORISCH

a) Fichte und die Freimaurerei

Rothkranz behauptet:
"Fichte [ist] bereits nach kurzer Zeit aus der Loge wieder ausgetreten. [...] [E]r war als deutscher Patriot lediglich mit dem politischen Internationalismus der Maurerei nicht einverstanden" (ebd., S. 88). Rothkranz gibt für diesen Grund von Fichtes Logenaustritt keine Quellen an.

Richtig ist:
Fichte trat am 4. Juli 1800 aus der Loge aus ("J.G. Fichte-Gesamtausgabe" der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, hrsg. von Reinhard Lauth und Hans Gliwitzky, Stuttgart-Bad Cannstatt 1962 ff., III, 4, S. 271). Der Grund läßt sich eindeutig benennen: "Fichte [hatte] späterhin versucht [...], die Wissenschaftslehre in die Logen einzuführen, und [war] darüber mit ihnen zerfallen" ("J.G. Fichte im Gespräch", hrsg. von Erich Fuchs, Stuttgart-Bad Cannstatt 1978 ff., Band 4, S. 337 f.) – Fichte wollte die Loge zum Werkzeug der Wissenschaftslehre machen, was die Vernichtung der Idee der Freimaurerei zur Folge gehabt hätte. Die Loge durchschaute das sofort: "Feßler hob nun sein Haupt empor und zeigte den Abgrund, an den Fichte's Wissenschaftslehre die Brüder hätte führen können." ("Gespräch", Band 6.2, S. 527). Die Folge ist bekannt: "[Bruder Fichte] band [die Maurerschürze] ab, steckte sie in die Tasche, und – kam nie wieder in eine [Loge]" (ebd.) – Rothkranzens Begründung eines "politischen Internationalismus" als Grund für Fichtes Logenaustritt erweist sich als pure Fabelei!

b) Fichte und der Atheismus

Rothkranz behauptet:
"[Man suchte Fichte] in Jena offiziell wegen 'Atheismus' (!!!) zu belangen". (ebd., S. 89). – "In dieser Hinsicht ist das Fichte' sche System wesentlich atheistisch." (Stöckl, Lehrbuch der Geschichte der Philosophie, Mainz 1870, von Rothkranz zustimmend zitiert, ebd., S. 92).

Richtig ist:
Fichte hatte in seiner Schrift "Über den Grund unseres Glaubens an eine göttliche Weltregierung" im Herbst 1798 in völliger Übereinstimmung mit der christlichen Lehre Gottes reine Geistigkeit gegen das empiristische Gottesbild verteidigt, das Gott zu einer besonderen (obersten) Substanz – und damit zu einem Teil der Natur – macht. Einen solchen "Gott" gebe es nicht ("unmöglich, und widersprechend", Akad.-Ausg. I, 5, S. 356). An der Existenz des transzendenten Gottes besteht hingegen kein Zweifel: "Es ist daher ein Misverständnis, zu sagen: es sey zweifelhaft, ob ein Gott sey, oder nicht. Es ist gar nicht zweifelhaft, sondern das gewisseste, was es gibt, ja der Grund aller anderen Gewißheit." (ebd., S. 355 f.). Das ist das klassische Argument des hl. Anselm in neuer Formulierung. Dieser Gott erschließt sich auch nicht durch "Demonstrationen" (ebd., S. 348), sondern durch das kategorische Sollen ("moralische WeltOrdnung", ebd., S. 354). Für Empiristen, die nur "Materie" und "Natur" kennen, ist diese Einsicht schlechterdings nicht nachvollziehbar. So behauptete die im November 1798 anonym erschienene Schrift "Schreiben eines Vaters an seinen studierenden Sohn über den Fichtischen und Forbergschen Atheismus" (Akad.-Ausg. I, 6, S. 121-138), Fichte sei Atheist (ebd., S. 129). Die Schrift täuscht vor, die Beschuldigung stamme aus dem evangelisch-theologischen Milieu. In Wirklichkeit geht sie auf den Kreis um den Berliner Aufklärer und Illumina-ten Friedrich Nicolai zurück, ist höchstwahrscheinlich von ihm selber verfaßt (ebd., S. 15-24). In Weimar wurde in der Folge die Entlassung Fichtes aus dem Lehramt vor allem von den Illuminaten Goethe und Voigt aktiv vorangetrieben und durch Herzog Karl August – ebenfalls Illuminat – am 29. März 1799 verfügt ("Gespräch", Band 2, S. 62 ff.). Der unberechtigte Atheismusvorwurf hielt sich jedoch mit unglaublicher Hartnäckigkeit. Das "Geschrey Fichte sey ein Atheist war allgemein, ich glaube daß es noch itzt Menschen giebt die auf diesen Glauben sterben" (Marie Johanne Fichte, Fichtes Gattin, im Jahre 1817, über Frühjahr 1799, ebd., S. 17). "Die Beschuldigung des Atheismus gegen ihn war bewußt vorgeschoben." ("Appellation an das Publikum. Dokumente zum Atheismusstreit", hrsg. von Werner Röhr, Leipzig 1987, S. 494). "Mit dem historisch eingebürgerten Namen 'Atheismusstreit' ist diese Auseinandersetzung einseitig und ungenau bezeichnet, in einer Weise, die ihr Wesen verdeckt und die der verfolgenden Reaktion nur genehm sein konnte" (ebd., S. 491). Unter "Reaktion" sind genau die o.g. Illuminatenkreise zu verstehen. Aus dem "Schreiben eines Vaters ..." haben dann alle Autoren der historischen Kompendien, Enzyklopädien und populären Einführungen abgeschrieben und nachgeplappert. Die Fichte-Forschung hat die Sache in der Akademie-Ausgabe endgültig richtiggestellt – für den, der sich informieren will. Alle anderen – z.B. Johannes Rothkranz – betreiben weiterhin Illuminatenpropaganda.

c) Fichte chronologisch

Rothkranz behauptet:
"Auch daß er seine skeptizistische Philosophie nach dem Austritt aus der Loge sogar noch weiter radikalisierte, so daß man ihn in Jena offiziell wegen 'Atheismus' (!!!) zu belangen suchte, woraufhin er schleunigst nach Berlin flüchten mußte, hat uns Dr. Heller noch nie enthüllt" (ebd., S. 88 f.)

Richtig ist:
Fichte trat am 4. Juli 1800 in Berlin aus der Loge aus (Akad.-Ausg. III, 4, S. 271), die Atheismusanklage gegen den noch in Jena weilenden Fichte wurde am 27. Dezember 1798 erhoben ("Gespräch", Bd. 6.1, S. 316), die Übersiedlung Fichtes von Jena nach Berlin begann am 3. Juli 1799 (Akad.-Ausg. III, 3, S. 390). – Also nach seinem Logenaustritt in Berlin im Juli 1800 wird Fichte in Jena 1798 angeklagt (!), um dann von dort nach Berlin überzusiedeln (!!). – Arbeitet Rothkranz in einer beschützenden Werkstätte?

II. ZUR PHILOSOPHISCHEN SYSTEMATIK

Wenn Philosophiehistoriker des 19. oder 20. Jahrhunderts in Unkenntnis des genauen Sachverhalts behaupten, das "Fichte'sche System [sei] wesentlich atheistisch" (Stöckl, zit.nach Rothkranz, ebd., S. 92) – dann Friede ihrer Asche. Wenn Rothkranz diesen Unfug im Jahre 2003 immer noch daherplappert, ist er unentschuldbar, weil er sich informieren könnte und es trotzdem nicht tut: informieren in der großen Fichte-Akademie-Ausgabe und den Begleitpublikationen, in den systematischen Schriften von Gueroult, Lauth, Pareyson und Widmann, den Monograhien von Janke, den Einführungen von Baumanns und Jacobs, den Festschriften und Tagungsberichten, den Fichte-Studien und nicht zuletzt den instruktiven Einleitungen der Meiner-Ausgaben der Philosophischen Bibliothek.

Was für eine Philosophie man wähle, hängt eben davon ab, was für ein Mensch man charakterlich ist. Den Menschen Rothkranz und seine Gewissenlosigkeit in punkto "Fichte" haben wir bereits kennengelernt. Eine Kritik dessen, was er als "Fichte'sche Philosophie" dem Leser zumutet, erübrigt sich. Der ernsthafte Leser kann sich bei o.g. Autoren zuverlässig informieren. Rothkranz  kann man nur raten, sich in seine "zeitlos gültige aristotelisch-thomistische Philosophie" (S. 83) zu vertiefen und im übrigen von Fichte und der Wissenschaftslehre die Finger zu lassen.

Unbekanntes aus dem Fichte-Nachlaß

– Magister Johannes zum Abschluß seiner Freimaurer-Aufklärungs-Studien gewidmet –

"Dieser Mann hatte durch ein seltenes Naturspiel die bekannte Oefnung nicht da, wo sie andere haben, sondern im Gesichte, gerade an der Stelle, wo bei den gewöhnlichen Menschen der Mund ist, auch konnte ein gewöhnlicher Kenner, ausgenommen in dem Falle, da sie sich eröfnete oder schloß, diese Oefnung für einen wirklichen Mund halten. Dabei war dieser Mann beinahe sein ganzes Leben hindurch mit einem hartnäkigem Durchlaufe, und orgiösem Stuhlgange behaftet, so daß er auch jetzo, nachdem alle übrigen sich erleichtert hatten, noch immer fortfuhr, eine ungeheure Menge von Anekdoten auf die sich gestaltende und zusammenziehende Masse zu verrichten. Plözlich erblikte dieser in ihr die Gestalt einer Oefnung, die er für seines seeligen Freundes wiederum belebten Mund hielt, und hörte aus derselben Töne hervorgehen, die er als die Worte vernahm: laßt uns nun die Denkfreiheit weiter verbreiten. Entzükt fiel er darüber her, und wuchs in einem langen Kusse, und in einer untrennbaren Umarmung fest damit zusammen. Es war allerdings des seeligen Gestalt, ganz so, wie sie bei seinem Erdenleben gewesen, die sich immer deutlicher entwikelte, aber er war verkehrt erwacht, und es war keinesweges der vordere Mund, den der Freund so inbrünstig küßte. — Indessen dehnten und rekten sich die zwei fest umschlungnen Heroen aus über das ganze Land, die Umrisse ihrer Glieder verschwanden, so wie sie selbst, und es blieb an ihrer Stelle bloß eine liebliche Aufklärung übrig." (Akad.-Ausg. II, 5, S. 451)
 
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