Buchbesprechung Gerd-Klaus Kaltenbrunner: Abendland. Geheiligte Kultur - Geliebte Heimat.
HG. Michael K. Hageböck. Renovamen-Verlag Bad Schmiedeberg 2025. ISBN 978-3-95621-173-7. Preis 25.-Euro
In einer Zeit bedrohlicher Angriffe auf das Christentum, bedarf es wahrhaft katholischer Schriftsteller, die das verschüttete Erbe eines ewigen Europas wortgewaltig verlebendigen. Unbestritten war der vor 14 Jahren verstorbene Kulturphilosoph und Ideenhistoriker Gerd-Klaus Kaltenbrunner eine jener herausragenden Persönlichkeiten, in deren Geisteswelt sich universales historisches Wissen, sorgfältig dosierte Apologetik und sprachschöpferische Genialität auf das Glücklichste vereinten.
Dem Renovamen-Verlag gebührt das Verdienst, fünfunddreißig chronologisch geordnete und bisher nicht in Buchform erschienene Lebensbilder, deren Auswahl Michael K. Hageböck besorgte, in einer – auch äußerlich - sehr ansprechenden Edition vorzulegen. Ergänzt wird der Band durch 8 meisterhafte Essays. Das Werk umfasst mit Anmerkungen 514 Seiten.
Die Porträts, welche von Vergil, dem „Vater des Abendlandes“ über die „prophetissa teutonica“ Hildegard von Bingen, den Lichtmystiker Dante Alighieri, das „geistig-geistliche“ Wunderkind Anna Katharina Emmerick, den poeta naturaliter christianus Ludwig Dertleth, bis zu Romano Guardini und Amadeo von Silva-Tarouca reichen, eröffnen ein faszinierendes Panorama gläubiger Vielfalt. Ob Kaltenbrunner das christliche Ethos des benediktinischen Maßhaltens in allen Dingen, facettenreich schildert oder die herzhafte Frömmigkeit des Augustiner-Barfüßers Abraham a Santa Clara schalkhaft aufblitzen lässt, immer spürt der unbekannte Leser die autobiographische Verbundenheit des Autors mit seinen Gestalten. Fast absichtslos kommt dann hie und da Höchstpersönliches zur Sprache, ergänzt durch ein schier unerschöpfliches Background-Wissen und humorvolle Apercus. Unvergessen strahlt die Gestalt des Martyrers der Verschwiegenheit, Johannes von Nepomuk, auf. Aber auch glaubenstreue Priester wie der Alemanne Heinrich Hansjakob oder Anselm Schott, dessen Volksmessbuch legendäre Auflagen erlebte, werden gewürdigt. Gerd-Klaus Kaltenbrunner verlebendigt Hugo Ball, in seiner Eigenschaft als weitgehend unbekannten Mystikforscher und Verehrer des Geistesriesen und Konvertiten Joseph Görres kongenial. Den rheinfränkischen Propheten selbst, der Katholik und zugleich Volkstribun, Zeitdiagnostiker und Laientheologe war, zitiert Kaltenbrunner mit den Worten: „Der Mensch fußt mit tiefen Wurzeln in der Vergangenheit seines Daseins, und sie erstrecken sich weit unter ihrem Boden weg in uralte Zeit, aus der sie noch die unsichtbare Kraft ziehen. Das Volk, welches seine Vergangenheit von sich wirft, entblößt seine feinsten Lebensnerven allen Stürmen einer wetterwendischen Zukunft.“ (vgl. S. 284)
Die liebenswerte Eigenart des hochgeschätzten Essayisten Kaltenbrunner neben dem belegbaren geschichtlichen Faktenwissen, linguistische Erklärungen und Anekdotisches, ja nahezu spielerische Einfälle, gleichsam absichtslos in seine Texte einzustreuen, beglückt den gebildeten Leser, der die Souveränität des vielstimmig geführten Dialogs spürt. Herausragend unter den 8 beigefügten Essays empfindet die Rezensentin jenen, der vom „Genius des Abendlandes“ (1985!) handelt und der sich wider den Euro-Masochismus richtet. Ein Masochist - also ein durch Misshandlungen Erregter - einer, der Beleidigungen und Schlimmeres genießt, ist nicht nur individualpsychologisch denkbar und literaturfähig geworden. Es gibt zunehmend häufiger auch die kollektive Spielart dieser Perversion. Leider – so müssen wir feststellen, heutzutage unter Theologen, Soziologen, grünen und feministischen Akademikern und bis in die höchsten Regierungskreise. „Mit Beifall kann derjenige rechnen, der mit dem Gebaren eines gnadenlosen Staatsanwaltes zwei Jahrtausende Geschichte als ein einziges fortgesetztes Attentat auf die Menschheit anprangert.“ (S. 396) Kaltenbrunner spricht von „parasitären Verleumdern“ der abendländischen Kultur, die ein unverstandenes Erbe schmähen, die gestützt auf massenmediale Information dubiosen Sinnvermittlern huldigen. Faktenbasiert widerlegt er glänzend den euromasochistischen Pseudomoralismus und bescheinigt einer Kultur, die sich in Selbstkritik erschöpft, die durch die Negation ihrer Überlieferung ehrlos und unwahr wird, Dekadenz, ja letztlich den Untergang.
Beenden wollen wir die Würdigung dieses posthum erschienenen und ebenso wortgewaltig wie einsichtstief wider den Zeitgeist gerichteten hochaktuellen Bandes mit einem Blick auf das Kapitel „Ablassgewinn durch Lektüre“ in jenem Text der sich mit den Patronen der Bücherfreunde beschäftigt. Am 16. Dezember 1746 verfügte Papst Benedikt XIV. in der Bulle „Quemadmodum“, dass einer, der einen ganzen Monat hindurch täglich eine halbe oder wenigstens eine viertel Stunde dem innerlichen Gebet oder der Betrachtung sowie der andächtigen Lesung eines religiösen Schriftstellers obliegt, zu den allgemein üblichen Bedingungen einen vollkommenen Ablass gewinnen kann. Wer Gerd-Klaus Kaltenbrunner gekannt hat, sieht ihn vor sich im Geiste: wandelnd, betend, Ablass gewinnend, in den Händen ein Werk aus dem unerschöpflich reichen Schatz hagiographischer Literatur. Sein Wort gilt heute mehr denn je: „Wenn wir aus Lauheit, Feigheit oder schierem Stumpfsinn, die Heiligen nicht mehr nennen ...dann werden die steinernen Denkmale ...sie rühmen und uns beschämen.“ (S. 483)
Das posthum erschienene Werk : Abendland. Geheiligte Kultur-Geliebte Heimat sei dem glaubenstreuen aber auch dem vom unseligen Geist des Modernismus angehauchten Leser wärmstens mit jenen Worten empfohlen, die der Heilige Augustinus in einer existentiellen Krise zu hören vermeinte: tolle lege, tolle lege! Magdalena S. Gmehling
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