"EIN KIND IST UNS GEBOREN,
EIN SOHN IST UNS GESCHENKT"
von
H. H. Dr. Felix Jeker
Wir leben scheinbar in einem sehr kinderfreundlichen Zeitalter; viel
wird von Staat und Gesellschaft für das Kind getan, daß es eine schöne
bequeme Jugend verbringen kann, daß es eine gute Schulung erhält, daß
es gut genährt wird. Man schaue sich in einschlägigen Geschäften die
Unmenge der verschiedensten Spielsachen an, die angeboten werden, oder
die reichhaltige Auswahl von Kinderkleidern. Fast jedes Restaurant
bietet heutzutage Kindermenüs an, welche selbstverständlich auf
speziellen Kinder-Hochsitzen eingenommen werden können. Landauf, landab
werden immer mehr neue Schulhäuser und Kindergärten errichtet, Radio
und Fernsehen bringen täglich Sendungen für Kinder. Und zu Recht: Nie
ist die Volkswut größer, als wenn irgendwo ein Kind entführt,
mißbraucht und ermordet wird. Die Ohnmacht von unzähligen Eltern ruft
nach strengster Bestrafung des Unholds und des Mörders.
Diese Kinderfreundlichkeit existiert aber nur scheinbar, sie ist
oberflächlich und unvollkommen. Nie, zu keiner Zeit in der
Weltgeschichte werden soviel Kinder umgebracht, bevor sie das Licht der
Welt erblicken können. Das sogenannte katholische Polen, wo angeblich
89% der Bevölkerung religiös praktizieren, hat eine der höchsten
Abtreibungsziffern der Welt. Wenn die Mutter über das Leben des
werdenden Kindes entscheiden kann, wird das als Fortschritt in der
Emanzipation der Frau gepriesen. So stehen andere Länder,
kommunistische wie nicht-kommunistische, mit bedenklichen Zahlen da,
sei es nun die Sowjetunion oder China, die U.S.A. oder Frankreich,
Deutschland und Österreich. Die Menschheit ist auch in diesem Bereich
pervers geworden: In einer schweizer Stadt befindet sich ein
Frauenspital. Dort wercenunter dem gleichen Dach tagtäglich
Abtreibungen durchgeführt, andererseits aber auch Forschungen
betrieben, um neues Leben im Reagenzglas zu zeugen. Frankreich war
jahrzehntelang das Land, welches den Eltern für jedes Kind Prämien
ausrichtete, so daß ein Vater von zehn Kindern wegen des Broterwerbs
nicht mehr arbeiten brauchte. Ja, in der Zeit des Zweiten Weltkrieges
wurden die sog. 'Engelmacherinnen' noch mit dem Tode bestraft. Heute
kann eine werdende Mutter in Frankreich zur Abtreibungsklinik gehen,
als wäre es ein Gang zum Friseur.
Entsetzlich war die Lage des Kindes auch in früheren Zeiten, z.B. im
Altertum. In Sparta bestimmte sogar ein Gesetz, daß kein Kind
großgezogen werden durfte, welches nicht vorher von einer herz- und
gefühlslosen staatlichen Behörde geprüft war, ob es zum Leben stark
genug sei. In Athen wurden neugeborene Kinder in solchem Maße
ausgesetzt, daß es ein eigenes Gewerbe für Frauen gab, die das traurige
Geschäft besorgten. Im alten Rom legte man das Kind dem Vater zu Füßen.
Hob dieser es auf, war es zum Leben anerkannt, ließ er es liegen, mußte
es sterben.
Kurzum, damals wie heute, trotz angeblicher Achtung vor dem Leben,
trolz scheinbarer Kinderfreundlichkeit ist das werdende Kind den Launen
und Gefühlen der Erwachsenen schutzlos ausgeliefert. Und dieses
Ausgeliefertsein auf Leben oder Tod ist deshalb möglich, weil sich das
Kind nicht wehren kann, keinen Anwalt und keine Polizei anrufen kann,
damit seine Interessen wahrgenommen werden.
Es ist ganz gut, wenn man das welthistorisch entscheidende Ereignis der
Geburt JESU in Bethlehem sieht, welches sich gegen Ende des Jahres 4
vor unserer Zeitrechnung zugetragen hat, als die Geburt eines wehr- und
machtlosen Menschenkindes. Wenn Fürstenkinder und Kronprinzen geboren
werden, macht die Welt viel Aufhebens. Bei JESUS CHRISTUS nahm die Welt
vorerst keine Hotiz. Die ersten, die Sein Kommen in die Welt
beachteten, waren nebst der himmlischen Heerschar der Engel die Hirten
auf dem Feld - und die Tiere, also Geschöpfe ohne Bildung und
besonderes Wissen und Ansehen... Analphabeten. Maria und Joseph
stammten zwar von dem Davidischen Königshaus ab, aber schon ihre
Vorfahren waren verarmt. Und deshalb handelte es sich bei Maria und
Joseph um Leute, die in bescheidenen Verhältnissen lebten, um die sich
die Zeitgenossen nicht besonders kümmerten.
Israel erwartete das Kommen eines großen und mächtigen Messias, welcher
einer mächtigen Herrscher-Nation Anführer sein sollte. Gott wählte aber
einen gegenteiligen Weg. Er kam in die Welt als das unscheinbarste,
schwächste, rechtloseste und ohnmächtigste Geschöpf: als Kleinkind. Und
wie schwach dieses Geschöpf war, kam Tage später zum Ausdruck: Die
Weisen aus dem Morgenlande, welche zur Erkenntnis gelangt waren, daß
das Neugeborene der erwartete König sein solle, und welche ihm deshalb
die nötige Ehre erweisen wollten, provozierten den Herodes, daß er dem
göttlichen Kind nach dem Leben trachtete. Aus rein menschlicher Sicht
wäre es ihm beinahe gelungen, seinen Anschlag erfolgreich
durchzuführen. Für diesen König, für Gott mußten eine große Zahl von
Kleinkindern sterben, zu einem Zeitpunkt, da noch niemand JESUS von
Nazareth gekannt hat.
Daß mit der Niederkunft Gottes als Kleinkind der Erlöser der Welt
geboren wurde und dies das welthistorische Ereignis wurde, bringen die
feierlichen Worte im römischen Martyrologium zum Ausdruck:
"Im Jahre von der Erschaffung der Welt, als am Anfang Gott Himmel und Erde schuf,
5199 - von der Sintflut im Jahre 2957,
von der Geburt Abrahams im Jahre 2015,
von Moses und dem Auszug des Volkes Israel aus Aegypten im Jahre 1510,
von der Salbung Davids zum König im Jahre 1032,
in der 65. Woche nach der Prophetie Daniels,
in der 194. Olympiade,
im Jahre 752 nach der Gründung der Stadt Rom,
im 42. Jahre der Herrschaft des Kaisers Octavian Augustus, als der ganze Erdkreis im Frieden geeint war,
im sechsten Erdzeitalter, wurde JESUS CHRISTUS, Ewiger Gott und Sohn
des ewigen Vaters, welcher durch seine Ankunft die Welt heiligen will,
empfangen vom Hl. Geist, nach Ablauf von neun Monaten nach der
Empfängnis, in Bethlehem im Lande Juda GEBOREN aus Maria, der Jungfrau,
und wurde Mensch!"
So armselig und schwach das neugeborene Kind auch war, so bedroht sein
Leben von Anfang an, er hat der Menschheit das gebracht, was kein noch
so mächtiger Kaiser mit ungeheuren Heerscharen fertiggebracht hat, was
eine noch so weltumspannende Volksbewegung zustande gebracht hat.
Dieses kleine Kind als der ewige Gott hat uns allen das gebracht, was
unser Dasein, unser Leben überhaupt erst sinnvoll macht: es hat uns den
Weg gewiesen zum ewigen Leben!
Betrachten wir die übrigen Weltreligionen, haben sicher alle in ihren
Lehren manch Beachtliches und Bemerkenswertes zu bieten. Alle lehren
z.B., daß nach dem Leben auf dieser Welt ein besseres Jenseits erwartet
werden darf, auf welche Weise dies auch immer geschehen mag. Aber keine
Religion hat in ihren Lehren auch nur Ansätze dazu, daß Gott selbst auf
diese Welt kommt, Mensch wird und sein Menschsein beginnt wie jedes
Menschenwesen, als kleines Kind, welches fähig ist, die Menschheit vom
ewigen Verderben zu erretten, und welches diese Fähigkeit unter Beweis
gestellt hat durch den Tod am Kreuz und die glorreiche Auferstehung!
An Weihnachten feiern wir nicht allein nur die Geburt Jesu, wir feiern
auch unseren Geburtstag zu einem neuen übernatürlichen und ewigen
Leben. Durch das göteliche Kind in der Krippe im Stall zu Bethlehem
sind nicht allein Maria und Joseph beschenkt worden, auch nicht nur die
Hirten auf dem Felde, sondern jeder von uns, die gesamte Menschheit.
Weihnachten soll uns jedes Jahr daran erinnern, daß wir ein Geschenk
erhalten haben von Ewigkeitswert. Und jedes hilflose kleine Kind soll
uns daran erinnern, daß Gott selbst auf diese Weise sein Erlösungswerk
angefangen hat. Indem wir uns das vor Augen halten, können wir den
Anfang machen zu wahrer Kinderfreundlichkeit: "Wer ein solches Kind in
meinem Namen aufnimmt, nimmt mich auf!" (Matth. 18,5)
Ich wünsche allen Lesern ein Gott gesegnetes Weihnachten!
(sig.:) Kpl. Felix Jeker
|