DECLINING CHURCH" (ZERFALLSKIRCHE)
von Dr. Joachim May
Betr.: USA: "Deutlich treten die Verfallserscheinungen innerhalb des Klerus zutage. Zwischen 1965 und 1975 ist die Zahl der Ordensangehörigen erheblich gesunken. Die Zahl der Nonnen von I80.000 auf 135.000, die Zahl der (nicht ordinierten) Ordensbrüder von 12.3oo auf 8.600, ein Umstand, der vor allem die Lehrkörper der katholischen Schulen aushöhlt. 1965 waren noch fast 49.00 junge Studenten in Priesterseminaren inskribiert, im Schuljahr 1972 waren es nur 23.5oo. Von 56.712 Priestern (davon über 2o.ooo Ordenspriestern) werden etwa 2.5oo Priester jährlich ihrer Berufung untreu. Zwischen 1963 und 1968 haben 7.137 Priester um Laisierung angesucht, 5.652 solcher Ansuchen wurden genehmigt. Dabei war die Zahl der dispensierten Ordenspriester erheblich höher als jene der Diözesanpriester (etwa 4.000 gegenüber 3.000). - Die Scheidungsrate der Katholiken hat fast schon die amerikanische Durchschnittsrate erreicht, derzufolge jede vierte Ehe in den USA geschieden wird. Nur 2o Prozent der geschiedenen Katholiken heiraten nicht mehr, 80 Prozent hingegen gehen eine neue Ehebindung ein . . . 1971 glaubten noch 56 Prozent aller Priester an die Unfehlbarkeit des Papstes. Einer Gallupbefragung von 85o Priestern 1967 (!) zufolge, glauben 52 Prozent aller Befragten, daß es dem einzelnen Priester überlassen bleiben sollte, zu heiraten oder nicht zu heiraten. 77 Prozent der Priester unter 4o Jahren sind für die freie Wahl für oder gegen den Zölibat, aber auch 36 Prozent der Priester über Vierzig befürworten die persönliche Entscheidung. Das Wort von der 'declining church' ist für den heutigen Zustand der katholischen Kirche in Amerika nicht übertrieben . . . " (DIE FURCHE Nr. 8/24. 2. 1978). Dazu einige weitere Zahlen. "In den Vereinigten Staaten von Nordamerika haben von 1966 bis 1972 ca. lo.000 Priester ihr Amt niedergelegt . . . Bei den amtlichen Zahlen, die gelegentlich veröffentlicht werden, ist zu bedenken, daß sie gewöhnlich nur jene Priester erfassen, die ein amtliches Laisierungsverfahren durchlaufen, nicht jene, die ohne amtliche Zurückversetzung in den Laienstand die Gläubigen verlassen haben. 1974 wurde berichtet, in den letzten sieben Jahren hätten sich insgesamt etwa 3o.ooo bis 4o.ooo Priester von ihrem Amt getrennt...." (G. May, Priester und priesterliche Lebensform in der Kirchenkrise der Gegenwart, Wien 19 77). Kein Kenner der Szene wird annehmen, daß sich die Situation seither verbessert habe. Besser i s t nur eines geworden: Man verschweigt die negativen Bilanzen mehr als früher. Daß die Verhältnisse in den USA nur symptomatisch sind, läßt sich leicht belegen. Im Erzbistum Paderborn ging die Zahl der Kirchenbesucher von 842.000 im Jahre 1968 auf 612.000 im Jahre 1976 zurück, was einer Reduktion von 27,31 Prozent entspricht. In der Diözese Limburg verringerte sich die Zahl der sonntäglichen Gottesdienstbesucher von 34 Prozent (1967) auf 22 Prozent (1977). In Frankfurt und Wiesbaden lag die Zahl 1977 bei 12 bis 13 Prozent (DT 11.7.1978). "Natürlich" sind daran der böse Zeitgeist und andere Globalfaktoren schuld. Wer so denkt, versäumt es, die Gründe für diese Verluste bei sich, also den zahlreichen Reformen, besonders der der Liturgie, zu suchen. Das Spiel "Immer ist ein anderer (sind andere) schuld" verhindert Einsicht und Umkehr - im privaten Leben wie in der Kirche. |