18. Dez. 2003
Sehr geehrter Herr Dr. Heller,
Dank für Ihren Brief, die Weihnachtswünsche und das St.-Benedikt-Buch,
das mich sehr anspricht. Wäre ich in der Lage, in einen Orden
einzutreten, dann würde immer meine Wahl auf O.S.B. fallen - ich habe
seit Kindertagen eine tiefe Sympathie für diese Art und Weise einer
Nachfolge Christi.
Im übrigen: Kirche ist, wo immer das alte, das "vorkonziliare" Brevier
gebetet wird. Es gibt genü-gend Antiquariate (z.B. Norbert Esser), die
zu Schleuderpreisen ältere Breviere abgeben. Wer das Stundengebet
pflegt -Laien, Berufstätige müssen sich vielleicht, zumindest
anfänglich, mit Vesper und Prim begnügen; Rentner können nichts
Heilsameres tun, als alle Horen zu feiern! - ist immer im Bannkreis des
Allerheiligsten, "hierarchisiert" sich in kaiser-, papst-,
priesterloser Zeit. Und dann: Alte Bücher lesen, je nach Begabung,
Anlage, Sympathie, Bildungsgrad - Scheeben, Guardini, Angelus Silesius,
Franz von Sales, Bonaventura, Fenelon ect. ect. ect.
Petrus bedeutet "Fels", Fels bedeutet Festigkeit, Unerschütterlichkeit,
Anti-Wankelmut
... Petrus bedeutet somit nicht unbedingt und allemal
"Papst", sondern auch: Petrus, der Apostel, kann uns auf andre
geheimnissvolle Weise beistehen, nicht nur am 29. Juni; und: wo immer
Glaubenstreue sind und beten, da ist Petrus (
...auch ohne 'Hierarchie',
ohne Papst
...).
Warum sehen Sie die Lage nicht in diesem Lichte? Warum wollen Sie, als
Laie (im kirchenrechtlichen Sinne), wie Sie unermüdlich versichern, die
Amtskirche wieder aufbauen? Dies kann nur Christus - durch ein Wunder
...
Warum beschränken wir uns nicht auf das, was, ohne überheblich oder
vermessen zu sein, wirklich in unserer Macht liegt? Auf Brvier,
Stundengebet, Lesung der Kirchenväter, der Mystiker, der katholischen
Dichter (von Dante bis Claudel) und auf die Errichtung von
Kindergärten, Leihbibliotheken, Schulen, wo es "glaubenstreu" zugeht?
Wir müssen endlich auch die immensen Chancen des "Sedisvakantismus" warhnehmen:
die Stunde des begnadeten Laien, die Stunde der "katholischen Aktion"
in einem ganz neuen, unvorhergesehenen Sinn - auch ohne irdische
Hierarchie, aber im dankbaren Bewußtsein, daß die himmlischen
Hierarchien unablässig sich uns zuneigen, uns mit Schutz und Zuspruch
beistehen.
Wann endlich schreiben Sie, weit berufener als ich, in diesem Sinne
einen Beitrag für die "Einsicht" - ich meine, dies wäre Ihr besonderer
Auftrag, Ihre Sternstunde.
Herzliche Grüße Ihres Gerd-Klaus Kaltenbrunner