Der hl. Anton-Maria Claret y Clara
von
Eugen Golla
Kurz vor der Besetzung Spaniens durch Napoleon am 23. Dezember 1807
wurde den Eheleuten Johannes Claret und Josefine Clara, die in
bescheidenen Verhältnissen in Sallent/Katalonien lebten, das
fünfte von elf Kindern geboren, ein Sohn, der in der Taufe den Namen
Anton erhielt. Er sollte ausersehen sein, einst ein großer Heiliger zu
werden. Der Vater, von Beruf Weber, war auf die Mitarbeit seiner
heranwachsenden Kinder angewiesen, und das traf auch auf Anton zu, der
seit seiner frühesten Kindheit eine außergewähnliche Frömmigkeit
zeigte. Mit sechszehn Jahren schickte ihn sein Vater nach Barcelona,
damit er sich im Webereihandwerk vervollkommnen sollte. Dort benütze
Anton seine Freizeit dazu, um am Abend Latein und Französisch zu
studieren, aber auch um die Buchdruckerkunst zu erlernen. Sein
Verlangen, Gott als Priester dienen zu können, erfüllt sich, als er
1829 in das Priesterseminar zu Vich eintreten konnte, wo er sich mit
Jaime Balmes befreundete, der später zu den Wegbereitern einer
erneuerten Philosophie in Spanien gehörte. Nachdem er 1835 zum Priester
geweiht wurde, setzte er, obwohl er in seiner Heimatpfarrei ein
Benefizium erhalten hatte, seine theologischen Studien bis 1839 fort.
Immer noch im Unklaren über seine eigentliche Berufung begab er sich
nach Rom, um in das Noviziat bei der Gesellschaft Jesu einzutreten.
Doch sein Wunsch, Missionar zu werden, ging nicht in Erfüllung: er
wurde krank und mußte nach Spanien zurückkehren, wobei ihm der
Jesuitengeneral Roothaan erklärte, Gott wolle, daß er in seine Heimat
zurückkehre, wo ihn auch eine schwere Arbeit erwarten würde.
Nach kurzem Wirken als Kaplan in Viladrau und Gerona berief ihn sein
Bischof nach Vich, wo sich zeigte, daß er eine große Begabung als
Prediger besaß. Seine einfachen, aber mit religiöser Inbrunst
vorgetragenen Predigten verschafften ihm begeisterte Zuhörer. Nebenbei
begann er mit der schriftstellerischen Tätigkeit, die - von unzähligen
Broschüren abgesehen - schließlich mehr als 150 Bücher aufwies. Die
erste Abhandlung, welche ihn sogleich berühmt machte, war das 1843
erschienene Erbauungsbuch "Rechter und sicherer Weg, um in den Himmel
zu gelangen". Es erlebtemehr als 200 Auflagen.
Seine eifrige pastorale Tätigkeit brachte ihm allerdings auch viel Haß
ein: bisweilen unterbrach sogar Wutgeschrei seine Predigten. Einmal
wurde er, als er auf der Kanzel stand, mit einer Organge beworfen, auch
bedrohten ihn Briganten. Er entschloß sich daher im Jahre 1848,
Katalonien zu verlassen, um über ein Jahr als Missionar auf den
Kanarischen Inseln zu arbeiten. Nach seiner Rückkehr nach Spanien
gründete er zu Vich zusammen mit fünf weiteren Priestern eine neue
Kongregation, nämlich die der "Söhne des Unbefleckten Herzens Mariae",
den späteren Claretinerorden. Wenige Wochen danach erfuhr er, daß Papst
Pius IX. ihn auf Vorschlag der Königin Isabella II. zum Erzbischof von
Santiago de Cuba in der Karibik ernannt hatte. Am Tag seiner
Bischofsweihe, dem 6. Oktober 1850, fügte er seinem Taufnamen Anton
noch den Vornamen Maria bei, "denn" - wie er in seiner Autobiographie
schreibt - "Maria ist meine Mutter, meine Beschützerin, meine Herrin
und nach Jesus mein alles."
Nach einer mehrwöchigen Fahrt über den Atlantischen Ozean, die er dazu
benützte, an Bord des Schiffes eine Mission abzuhalten, fand er in
seiner neuen Diözese sehr ungünstige kirchliche Verhältnisse vor: Nicht
nur, daß arger Priestermangel herrschte, hinzu kam, daß die Seelsorger
auch mittellos und unzureichend ausgebildet waren. Umgehend reformierte
daher Bischof Anton die Priesterausbildung seiner Erzdiözese. Er
veranstaltete Kurse im Seminar, hielt Exerzitien ab und erreichte durch
verschiedene Einsparungen, daß die lebensnotwendigen Einkünfte seinem
Klerus gesichert blieben. Ebenso übernahm er die Fastenpredigten und
begann mit der Visitation der einzelnen Pfarreien. Vor Ablauf der
ersten beiden Jahre hatte er bereits knapp 10 000 Bücher und
Broschüren, 83 500 Heiligenbilder, 20 665 Rosenkränze und 8 397
Medaillen verteilt.
Auf seinen Reisen, die er zu Fuß oder zu Pferd machte, scheute er keine
Strapazen, denn er war sehr genügsam. Er durchquerte Sümpfe und
Hochwasser tragende Flüsse. Hervorragendes leistete er während einer
Choleraepidemie, die allein in Santiago de Cuba innerhalb von drei
Monaten 2734 Opfer forderte. Zweimal täglich besuchte er die Spitäler,
hörte Beichte, tröstete, und verteilte Almosen. Aber auch für die
Lösung der schweren sozialen Probleme Kubas zeigte er großes Interesse.
So nahm der den Kampf sowohl gegen den Analphabetismus als auch gegen
die Diskriminierung der Ehen zwischen Weißen und Schwarzen auf. Er
versuchte auch, in der Landwirtschaft neue Bebauungsmethoden
einzuführen, welche die materiellen Grundlagen der Familien sichern
sollten. Es war deshalb kein Wunder,wenn ihm diese Bemühungen manch
bittere Feindschaft eintrugen, denn damals herrschte in Kuba, das zu
Spanien gehörte, noch die Sklaverei. Das hatte zur Folge, daß viele
Grundbesitzer ihn als ihren Gegner ansahen und ihn als
(Sozial)Revolutionär verschrieen. Aber er erwarb sich die Feindschaft
jener Kreise, die ein freies Kuba wünschten und ihn daher als
spanischen Eindringling ablehnten. Es blieb jedoch nicht nur bei
Protesten und Verleumdungen: fünfzehn Attentate wurden auf ihn
unternommen. Als er am Abend des 1. Februar 1856 die Kirche von Holguin
verließ, erhielt er einen Messerstich in seine linke Wange, der sie
derart zerfleischte, daß der Erzbischof in Lebensgefahr schwebte. Als
sie auffallend schnell verheilte, wurde das als ein Wunder angesehen.
Am 18. März 1857 erhielt er von der Königin Isabella den Auftrag, nach
Madrid zurückzukehren. Er dachte, es handle sich um Vorwürfe wegen
seiner apostolischen Tätigkeit. Die Königin erklärte ihm aber, daß sie
sich ihn zu ihrem Beichtvater erwählt habe. Schweren Herzens stimmte er
der Ernennung unter der Bedingung zu, daß es ihm gestattet sei, sein
einfaches Leben auch in seinem neuen Amt beibehalten zu dürfen. Bis zum
Jahre 1860, in welchem er den Titel eines Erzbischofs von Trajanopolis
erhielt, verwaltete er noch weiter seine Diözese auf Kuba.
Sein neues Amt gab ihm Gelegenheit, immer offen mit der Königin zu
sprechen. Dieser kleine, kräftig gebaute, narbenbedeckte Mann, dessen
feurige Augen auch vor Zorn sprühen konnten, erwarb sich durch seinen
heiligmäßigen Lebenswandel bei Hofe so großes Ansehen, daß es ihm
möglich war, auch viel für das Wohl der Kirche zu erreichen. Nicht nur,
daß er als Begleiter Isabellas auf ihren Reisen durch Spanien reichlich
Gelegenheit erhielt, zu predigen, sondern er nahm auch Einfluß auf die
Ernennung neuer Bischöfe. In den neun Jahren, in denen er an der Spitze
der Verwaltung des Escorials stand, ließ er nicht nur das berühmte
Kloster restaurieren und modernisieren, sondern baute es auch zu einem
Mittelpunkt theologischer Studien aus.
Claret förderte auch die Re-Katholisierung Spaniens, die nach den
verheerenden Bürgerkriegen mit dem Konkordat von 1851 begonnen hatte.
Indem er vor einer sozialen Revolution warnte, war ihm wenigstens ein
teilweiser Erfolg beschieden, das korrupte Leben am Hof mit
christlichem Geist zu erfüllen. So ist es u.a. seinem Einfluß zu
verdanken, daß die aus Staatsraison geschlossene Ehe Isabellas mit
ihrem Cousin saniert wurde. Er vermied es jedoch strikt, sich in
eigentlich politische Fragen einzumischen. Nur als sich die Königin
1865 aus opportunistischen Gründen entschloß, das neu entstandene,
freimaurerische Königreich Italien anzuerkennen, dessen ausgemchtes
Ziel es war, sich den Kirchenstaat einzuverleiben, verließ er den Hof,
um sich zu Pius IX. zu begeben, auf dessen Rat er aber wieder nach
Spanien zurückkehrte.
Es darf nicht verwundern, daß Erzbischof Claret - ähnlich wie auf Kuba
- wegen seines vielfältigen Engagements unversöhnlichen Feindschaften,
ja Haß ausgesetzt war. Nicht nur, daß man ihn in Bühnenstücken
verspottete und beleidigende Karrikaturen von ihm verbreitete, man
schreckte auch nicht davor zurück, ihn zu verleumden: er unterhalte
u.a. verbotene Beziehungen zur Königin, wurde verbreitete.
Als Königin Isabella 1868 durch eine Revolution vom Thron gestürzt
wurde, folgte er der königlichen Familie ins Exil, zuerst nach Pau,
dann nach Paris, wo er sogleich seine seelsorgerische Arbeit wieder
aufnahm und Exerzitien abhielt. Besonders nahm er sich der
spanischen Emigraten an. 1869 begab er sich nach Rom, wo er am 8.
Dezember desselben Jahres an der Eröffnung des Vatikani-schen Konzils
teilnahm und sich als eifriger Verteidiger der päpstlichen
Unfehlbarkeit erwies. Am 23. Juli 1870 verließ er, schwer erkrankt, die
Ewige Stadt, um sich zu seinen Missionaren zu begeben, die wegen des
Umsturzes nach Prades in den französischen Ostpyrenäen ins Exil
gegangen waren. Die spanische Revolutionsregierung gönnte Anton Maria
Claret auch im Ausland keine Ruhe: ihre Botschaft ersuchte die
französischen Behörden, ihn zu internieren. Claret hatte daher vor,
nach Rom zurückzukehren. Aber wegen seines schlechten
Gesundheitszustandes zog er es zunächst vor, einstweilen im
Zisterzienserkloster Fonfroide bei Narbonne zu verbleiben. Sein
Gesundheitszustand verschlimmerte sich jedoch zusehens. Über seine
Krankheit beklagte er sich jedoch niemals. Immer betend, verschied er
dort am 24. Oktober 1870. Seine sterblichen Überreste wurden zunächst
in der Klosterkirche von Fontfroide beigesetzt und erst 1897 nach Vich
übertragen.
Der heroische Diener Gottes wurde von Pius XI. bereits am 25. Februar
1934 seliggesprochen; die Heiligsprechung erfolgte 1950 durch Pius XII.
in Anwesenheit einer großen Anzahl von Gläubigen aus allen Teilen der
Welt. Die Kirche feiert das Fest des hl. Anton Maria Claret am 24.
Oktober.
Man schreibt dem hl. Anton Maria Claret Wunder zu. Er hatte u.a.
Erscheinungen Christi und der Jungfrau Maria. Außerdem geschahen auf
seine Frübitte Krankenheilungen. Er selbst berichtet in seiner
Autobiographie: "Am 26. August 1861 beim Gebet in der Rosenkranzkirche
in der Granja gegen abends sieben Uhr gewährte mir der Herr die große
Gnade, die heiligen Gestalten unaufgelöst und somit das allerhl.
Altarssakrament ständig in meinem Inneren beherbergen zu dürfen." Pater
Maximilian M. Maron, ein Claretiner in Würzburg, berichtet in diesem
Zusammenhang von einer 1949 stattgefundenen Hierognosie (Erkennung von
Reliquien, Weihen und Segnungen): als er Therese Neuman im ekstatischen
Zustand das Reliquiar seines heiligen Ordensvaters Claret berühren
ließ, rief sie voll Bewunderung: "O, oh, der hat auch immer den Heiland
bei sich gehabt!"
Der hl. Anton Maria Claret hat in seinen zahlreichen Schriften nie um
unbedingte Originalität gerungen, er wollte einfach der geistliche
Leher seines Volkes sein, ein Apostel für alle Stände. Er unterschied
folgende Stufen der Gottesliebe:
1. Jede läßliche Sünde meiden und
fürchten, so klein sie auch sein mag, mehr als jedes Übel
und sogar den Tod selbst.
2. Gott sein ganzes Herz schenken.
3. Sich blind von Gott führen und leiten lassen und treu Seinen Eingebungen folgen.
4. In sämtlichen Handlungen kein anderes Ziel haben als Gottes Wohlgefallen.
5. In Stille und aus Liebe zu Gott die täglichen Widersprüche erdulden.
6. Im glühenden Verlangen seufzen nach Gott und der Vereinigung mit Ihm.
7. Sich treu verhalten bei Abwesenheit des Geliebten und mit Demut und Geduld den Entzug der Gnade ertragen.
8. In Demut alle Prüfungen leiden, die Gott schickt und die gesamte
Zeit, die Er die Seele in Pein halten will, Seiner Majestät die Treue
halten.
9. Ohne Unterlaß im Inneren der Seele Gedanken und Herz Gott zuwenden.
10. Stets und in allem das tun, was am vollkommensten und Gott am wohlgefälligsten ist.
11. Ein großes Verlangen tragen, für Gott zu leiden, in allem
Mißgeschick Gottes Gnade sehen und sie mit Liebe und Freude annehmen.
12. Ganz auf seinen eigenen Willen verzichten, um allein Gottes Willen herrschen zu lassen.
Seine Ordensgründung entwickelte sich zu seinen Lebzeiten nur langsam.
Denn dem erst zwei Jahre zuvor von Rom approbierten Orden schadte die
Revolution von 1868 in seiner Ausbreitung sehr; denn die sechs Häuser
in Spanien mußten schließen, einer der Patres wurde sogar getötet.
Während des spanischen Bürgerkriegs von 1936-39 wurde die Belegschaft
des Claretiner-Seminars in Barbastro/Nordspanien gefangengesetzt und
mit dem Tode bedroht. Da die Seminaristen nicht bereit waren, gegen
Franco zu kämpfen und ihren Glauben zu verleugnen, erlitten sie
zwischen dem 13. und 15. August 1936 den Tod durch Erschießen, wobei
ihre letzten Worte jeweils waren: "Es lebe Christus der König!" Von
diesen 51 Blutzeugen waren die meisten Theologiestudenten unter 25
Jahren.
* * *
Quellenangabe:
Carr, Raymond: "Spain 1808-1975", Oxford 1982. - "Dictionnaire de Spiritualité", Bd. 2, Paris 1953.
"Vies des Saint", Bd. 10, Paris 1952. - "Spanische Märtyrer (Barbastro)", DER FELS, Dez. 1992, S. 278 f.
Steiner, Johannes: "Theres Neumann von Konnersreuth", München 1968.
- "Anton Maria Claret" in: Bibliotheca Sanctorum, Bd. 2, Rom 1962. |