BRIEF AN DIE REDAKTION
Am 24. Januar 1983
Otto Braun Rektor a. D.
Löbelstraße 26
6602 Dudweiler
Herrn
Dr. Eberhard Heller
Anna-Dandler-Straße 5/II
8000 München 60
Sehr geehrter Herr Dr. Heller!
Erst heute kann ich auf Ihre Zeilen vom 18. 11. 82. zurückkommen. Das
hat seine guten Gründe in hiesigen wichtigen Geschehnissen.
Zunächst: Auch Ihre nachträglichen Ausführungen zu Ihrer zweiten
Einwendung in der Einsicht machen deutlich, daß ursprünglich und
letztendlich es doch der Econer Spaltpilz war, der, wenn auch schon ab
1974, ursächlich durch Econes Verhalten bedingt, Ihr von da an
unabhängiges Bemühen um Weihen auslöste, das in seinem Ergebnis die
Verwirrung der Gläubigen steigerte.
Wie ich zu den Weihen grundsätzlich stehe, sagte Ihnen bereits mein
Schreiben vom 07.08.1982. Sie sind zwar gültig, aber unerlaubt, dazu
Ausdruck mangelnden Gottvertrauens, da sie sicherlich nicht von dem
unbedingten Glauben an Christi Zusicherungen: 'Die Pforten der Hölle
werden sie nicht überwinden!' und 'Ich bin bei Euch alle Tage bis ans
Ende der Zeiten!' zeugen, sondern von kleingläubigem menschlichem
Klügeln und Berechnen.
Überdies stellen, wie auch Sie erkennen, die Weihen die Kirche als
Rechtskörper nicht wieder her. Ohne rechtmäßiges Oberhaupt wird sie das
auch nie werden können, und die in so außergewöhnlicher Zerstreuung
lebenden allerkleinst gewordenen Herden werden sich begnügen müssen mit
dem eigentlichen Haupt: mit Christus. Er und seine Weisungen sind mehr,
als ein irdisches Oberhaupt sein könnte und geben könnte! Wir sind auf
die unmittelbare ChristusVerbundenheit angewiesen und müssen uns daher
zuversichtlicher, stärkergläubig und uneEschütterlichem Vertrauen an
ihn anklammern.
Außerdem erschweren die Weihen das Zusammenkommen der
überlieferungtreuen Gläubigen. Denn ihre Gruppen haben sich um die
vermehrt, die den Weihen ablehnend gegenüberstehen: sie haben die
Verwirrung gesteigert, die Aufspaltungen vermehrt. Die Entwicklung
schreitet mit zunehmender Sektenbildung verschiedener Abarten in einer
dem Conventus entgegengesetzten Richtung fort, weil der Consensus
schwindet zugunsten mannigfaltiger einander entgegengesetzter
Eigenbröteleien. Nur wenn von diesen abgegangen wird hin auf die
Wahrheit des einen überlieferten wahren Glaubens und seiner
überlieferten Ausdrucksformen, kann der Consensus wieder zunehmen und
nur auf diesem Wege auch der Convent näherrücken, ja, schließlich
möglich werden! Nicht anders!
Und das muß für alle traditionalistischen Gruppen bedeuten, ihren
bisherigen Weg gewissenhaft und unerbittlich zu untersuchen mit dem
Blick auf das eine Ziel und den Kurs auf dieses einzusteuern! Der
Fortgang des Zerspaltens muß unbedingt unterbunden werden durch
Unterlassen aller noch so gut gemeinten, aber dennoch falschen, weil
spalterischen Eigenwilligkeiten. Nur der Verzicht auf diese, die Abkehr
von ihnen und der gottvertrauende Mut zum Dienen (Demut!) können eine
Einheit in Überlieferungtreue wiederherstellen. Sonst bleibt ein
Konsensus genau so unmöglich wie ein Konventus und die
Wiederherstellung der Kirche als Rechtskörper durch die Weihe von noch
so vielen 'Bischöfen'. Ergebnis eines Konventes könnte bestenfalls eine
'traditionalistische Ökumene' sein, nicht aber die katholische Kirche!
Mit freundlichem Gruß:
(sig.:) Otto Braun
ANTWORT AUF VORSTEHENDEN BRIEF
München, 28.2.83
Sehr geehrter Herr Braun!
Haben Sie herzlichen Dank für Ihren Brief und die Erlaubnis, ihn zu
veröffentlichen, wodurch Sie mir Gelegenheit geben, Ihre Zeilen wegen
bestimmter Punkte von allgemeinem Interesse wiederum offen zu
beantworten.
Was vorab Mgr. Lefebvres (bzw. Econes) vermeintliche spalterische
Mitschuld hinsichtlich der Bischofsweihen angeht, die er nach Ihrer
Meinung dadurch auf sich geladen hat, daß er die Führung der Gläubigen
nicht übernommen hat, was wiederum Ihrer Meinung nach die erfolgten
Bischofsweihen ausgelöst hat - um Hirten zu haben -, so darf ich Ihnen
sagen, daß Sie diese Angelegenheit sehr verkürzt sehen. Es ging uns
primär nicht darum, ad hoc, gleichsam als Ersatz für M. Lefebvre, einen
Oberhirten nur für eine bestimmte Gruppe zu haben, sondern um die
Sicherung der apostolischen Sukzession, die in Gefahr war. Hätte Mgr.
Lefebvre auch die Führung über die einzelnen Gruppen übernommen, wäre
damit das Problem der Sukzession nicht gelöst gewesen. Aber genau
dieses Ziel haben wir unabhängig von Econes Verhalten verfolgt. Wenn
Sie die tatsächlich erfolgten Bischofsweihen zur Sicherung der apost.
Sukzession als die "Verwirrung der Gläubigen" steigernd beurteilen,
dann müssen Sie in diesem Punkt zumindest Mgr. Lefebvre - der sein
angebliches Vorhaben, Bischöfe zu weihen, nur als Repressalie gegenüber
'Rom' benutzte - und seine Mannen freisprechen. Eine andere Sache ist
dagegen Econes Weigerung, sich verbindlich für die Gläubigen zu
erklären.
Zum Problem der Erlaubtheit der Bischofsweihen, die Sie bestreiten,
verweise ich auf die Erklärungen von Mgr. Carmona (EINSICHT XII,4 vom
Dez. 1982, S.134 f.) und auf meine eigenen Ausführungen (EINSICHT XII,3
vom Okt. 1982, S.103). Diesen Argumenten kann ich nur noch erläuternd
hinzufügen, daß die Weihen nicht isoliert gesehen werden dürfen,
sondern im Zusammenhang einer von den Beteiligten intendierten
umfassenden Restituierung der Kirche, wobei man wegen der unmittelbaren
Gefahr für die apostolische Sukzession handeln mußte und deswegen davon
ausgehen konnte, daß ein zukünftiges Oberhaupt der Kirche die Weihen
auch formell bestätigen würde.
Der Vorwurf, daß diese Weihen Ausdruck mangelnden Gottvertrauens seien,
kann heißen: die jeweils Beteiligten hatten kein Gottvertrauen, oder
die Handlungen als solche sind Ausdruck dieses Mangels; d.h. sie waren
konkret verfrüht oder überflüssig. Da Sie keinen der Bischöfe und der
anderen Beteiligten persönlich kennen, also grundsätzlich auch nicht
über deren Motive zu urteilen vermögen, kann Ihr Vorwurf des mangelnden
Gottvertrauens nur den Handlungen als solchen gelten. Gestatten Sie,
daß ich dazu etwas weiter aushole.
Es ist bestimmt nicht leicht zu verstehen, daß Christus die Leitung und
Weiterführung der von Ihm gestifteten Kirche(bis zu Seiner Wiederkunft)
unter Mitwirkung des Hl. Geistes Menschen anvertraut hat, die durch die
Erbsünde belastet sind! Und wer die Kirchengeschichte ein wenig nur
kennt, weiß, wie gerade der Weg zu Christus durch die schauderhaften
Ärgernisse Seiner Amtsträger behindert wurde. Aber dennoch sind die
Amtsträger durch Christus - im Vertrauen auf Ihn und in der Verheißung
auf die Mitwirkung des Hl. Geistes - aufgefordert, Seinem Willen gemäß
zu handien, d.h. die von Ihm gestiftete Heilsinstitution, die Kirche,
durch die Zeiten hindurch zu verwalten und zu bewahren - im Wissen um
seine Mithilfe ("Ich bin bei Euch alle Tage bis ans Ende der Zeiten.").
Aus Gottvertrauen heraus handeln heißt also nicht, passiv zu bleiben,
sondern im Wissen um Seine Unterstützung den (prinzipiellen) Willen
Gottes in der konkreten Situation zu verwirklichen.
Ich glaube nicht, daß wir in der Beurteilung des religiösen Chaos sehr
verschieden denken. Die Deposition der Okkupanten auf der Cathedra
Petri und die damit verbundene Neuwahl eines rechtmäßigen Papstes und
die Sicherung der apostolischen Sukzession sind und waren einige der
wichtigsten Ziele, die es im Hinblick auf den Fortbestand der Kirche zu
erreichen galt und noch gilt. Als sich die Möglichkeit für die
Realisierung eines dieser Ziele bot, hat man im Vertrauen auf Gott
gehandelt. - Als Mgr. Lefebvre in den 7oiger Jahren von vielen Seiten
aufgefordert wurde, an einen bischöflichen Nachfolger für sein Seminar
zu denken, hat niemand von mangelndem Gottvertrauen und "kleingläubigem
menschlichen Klügeln und Berechnen" geredet. Oder würden Sie die von P.
Barbara apostrophierten Bischofsweihen des hl. Athanasius - ich habe
bisher für diese Weihen allerdings noch keinen historischen Beleg
gefunden - auch als Ausdruck kleingläubiger Einstellung bezeichnen?
Selbst der Herausgeber von FORTES IN FIDE, P. Barbara wollte sich zum
Bischof weihen lassen, wie er vor sechs Zeugen Mitte Juni 198o in
München verlauten ließ. Ich weiß nicht, ob Sie geehrter Herr Braun,
nicht Gottvertrauen mit Fatalismus verwechseln?
Daß die Bischofsweihen von sich aus die Kirche als Rechtskörper nicht
wiederherstellen, haben wir immer betont. D.h. aber nicht, daß diese
Restituierung der Kirche mit einem legitimen Oberhaupt nicht
grundsätzlich möglich und nicht ins Auge gefaßt worden ist. Wie diese
geschehen könnte, haben wir bereits gesagt. Solange nicht alle
Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen, ausgeschöpft sind, ist jeder
verpflichtet, daran mitzuwirken, besonders die neuen Bischöfe. Ich kann
in dieser Hinsicht nur das unterstreichen, was mir vor kurzem eine
Leserin geschrieben hat: "Ich kann auch die - an sich sehr ehrenwerten
Bemühungen von Excellenz Thuc nicht akzeptieren, solange Excellenz und
seine Mitarbeiter sich nicht dazu aufschwingen können oder wollen,
endlich den Prozeß der Deposition - Erklärung gegen den sogenannten
Papst anzugehen. Man kann nicht einerseits im Widerstand Bischöfe
weihen, ohne andererseits letzte, juristische Konsequenzen zu ziehen."
Nur: diese Schritte erfordern sorgfältigste theologische und
organisatorische Überlegungen und Maßnahmen. Sie irren, wenn Sie
meinen, daß das Ergebnis eines Konvents "bestenfalls eine
'traditionalistische Ökumene' sein" könnte. Der von einem Konvent
gewählte Papst wäre legitimes Oberhaupt, der die Kirche auch als
juridischen Körper wieder herzustellen hätte.
Unverständlich ist mir Ihre Auffassung, daß durch die Bischofsweihen
"das Zusammenkommen" erschwert worden sein sollte. Das Gegenteil ist
der Fall. Endlich haben die Gläubigen und die Priester Autoritäten,
denen sie sich unterstellen können - solange kein legitimes Oberhaupt
gewählt ist, selbstverständlich nur vorläufig und aus primär pastoralen
Gründen. Ich weiß nicht, ob Sie die Bemühungen kennen, die in den
früheren Jahren häufiger unternommen wurden, zunächst einmal die
Kleriker unter einen Hutzu bekommen. Das scheiterte regelmäßig an dem
Mangel zur Kooperation und wegen des Fehlens der oberhirtlichen
Autorität. Daß es eine ganze Reihe von Priestern gibt, die sich in
diesem gesetzlosen Chaos inzwischen 'häuslich' eingerichtet haben und
nun angesichts der Möglichkeit, die hierarchische Ordnung wieder
herzustellen, um ihre Domänen und 'Goldminen' fürchten, weiß ich. Aber
dadurch zeigen sie gerade, daß es ihnen nicht um die Kirche, sondern
nur um ihre Privatinteressen (sprich: Macht) geht, und daß sie in
Gefahr sind, Sektierer zu werden. Für all diese Kleriker wird wohl in
Zukunft die Stunde der Wahrheit kommen, in der sie zeigen müssen,
welcher Sache ihr angebliches Engagement gilt.
Das gemeinsame Ziel kann nur die Wiederherstellung des Glaubens und der
Kirche sein. Wir haben uns bemüht zu zeigen, wie das geschehen könnte.
Und wir haben unter erheblichen Opfern das getan, was uns möglich war.
Ich wäre Ihnen, sehr geehrter Herr Braun, dankbar, wenn auch Sie einmal
die zur Bewältigung der anstehenden Krise ins Auge gefaßten Maßnahmen
darlegen würden, die in Ihrem Brief nur ganz allgemein angedeutet sind.
Hoffentlich tragen diese Zeilen zur Klärung der Problematik bei, damit
der von Ihnen angesprochene Consensus innerhalb der Gläubigen
wiedergefunden wird. Man kann nur zu Gott beten, daß Er uns erleuchtet
und die Demut schenkt, für Seine Sache und zum Heil der Seelen
gemeinsam zu streiten.
Mit ergebenen Grüßen
(sig.:) E. Heller
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