DAS HERZ JESU, DAS TREUESTE HERZ
von
H.H. Pfarrer Alois Aßmayr
Wir nennen das Herz Jesu - in der Herz-Jesu-Litanei - den "Abgrund
aller Tugenden". Jesus besitzt wirklich alle Tugenden und zwar im
höchsten Ausmaß. Wir wissen aus eigener Erfahrung, daß jede Tugend viel
Opfer und Anstrengung erfordert. Eine der schwierigsten Tugenden ist
sicher die Treue - darum ist sie so selten zu finden, um so mehr dafür
die Treulosigkeit. Warum? Weil die Treue sich gerade erst in den
schwierigsten Lagen zeigen kann und sich darin bewähren muß. Oft kostet
sie das Leben, nicht selten in ganz schmerzlicher Weise. Ich denke da
besonders an die vielen Märtyrer, die Jesus trotz eines ungeheuer
qualvollen Todes die Treue gehalten haben.
Doch das treueste Herz ist das Herz Jesu. Um die Menschheit von der
Knechtschaft des Satans zu befreien, ihr die Wahrheit wieder zu bringen
und um ihr alle Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie braucht, um
den schweren Weg ins ewige Glück im Himmel gehen zu können, ist Er in
die Welt gekommen. Unsägliche Opfer und Leiden hat Ihn das gekostet.
Ist schon das Leben eines gewöhnlichen Menschen heute eher alles andere
als angenehm, so war dies erst recht der Fall in der damaligen Zeit.
Das ganze Leben Jesu war ein hartes Opferleben, von Anfang bis Ende.
Ich möchte das Leben des Heilandes, von dem wir in Wirklichkeit ja nur
wenig wissen, übergehen und nur das Ende desselben etwas
veranschaulichen, an dem sich alles zugespitzt hat.
Was mag Jesus am Ölberg durchgemacht haben, daß Er Blut geschwitzt hat?
Jesus war in Seinem Leben ganz Mensch wie wir und wohl noch
empfindlicher gegen den Schmerz als wir. Die Gottheit hat Ihn nur
gestützt, besonders in Seinem Leiden, um so länger und schmerzlicher
leiden zu können. Und erst der Tod hat diese beendet, zu einem
Zeitpunkt, der vom Vater dazu bestimmt war.
Wie Jesus selbst begnadeten Seelen mitteilte , hat das, was Er am
Ölberg durchgemacht hat, alle nachfolgenden Leiden weit übertroffen.
Nur die Gottheit hat es verhindert, das Jesus nicht schon dort
gestorben ist . Die fürchterlichste Todesangst bringt es nicht so weit,
daß das Herz so arbeitet, daß es die Blutadern sprengt und das
ausfließende Blut sich mit dem Körperschweiß vermischt und nieder
rinnt. Das hält kein gewöhnliches Menschenherz aus, ohne vorher den Tod
zu bringen. Von keinem Märtyrer wird uns so etwas berichtet, und was
haben viele von ihnen unter den Foltern durchgemacht!
Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünden der ganzen Welt vom
Anfang bis zum Ende auf sich zu nehmen und zu büßen. Und nun sieht Er
das fürchterliche Meer der grausigsten menschlichen Verbrechen und
Sünden. Wer die Geschichte der Menschheit auch nur ein wenig kennt und
weiß, was in der heutigen Welt vor sich geht, bekommt eine ganz kleine
Ahnung von der Größe dieses grausigen Meeres. Wer sieht nicht dieses
Sodoma und Gomorrha in der heutigen Christenheit, auch unter den
Katholiken? Wer kennt nicht die zahllosen Kindermorde? Alle diese
Verbrechen und Sünden soll nun Jesus büßen als ob Er sie begangen
hätte. Zugleich sieht Jesus aber auch, was Er dafür zu leiden hat.
Davor schreckt die Menschheit Jesu mindestens genau so zurück wie wir
alle.
Jesus sieht aber auch, welchen 'Dank' Er von Menschen erntet: Undank,
Lauheit, Gleichgültigkeit, ja sogar Haß; nur wenige sind es, die Ihm
herzlichen Dank entgegen bringen. Der Satan hat jedenfalls das
Möglichste getan, um dem Herrn die Erlösung der Menschheit zu
verleiden. Doch Jesus hält stand. Er liefert sich freiwillig Seinen
Feinden aus, zeigt ihnen aber noch, daß sie Ihm nichts anhaben könnten,
wenn Er wollte.
Was Jesus bei der Gefangennahme, auf dem Wege nach Jerusalem und in
Jerusalem selbst gelitten hat, können wir uns nur schwer vorstellen.
Besser können wir wohl ahnen, was der Herr bei der Geißelung und der
Dornenkrönung gelitten hat. Ist schon das Nackt-dastehen-müssen - und
das vor einer neugierigen, frivolen Menge - eine harte Buße für jeden
Menschen, der noch ein wenig Schamgefühl hat, so erst recht für den
schamhaftesten aller Menschen, Jesus. Aber dazu kommt noch die
fürchterlich schmerzliche und entehrende Geißelung.
Vielleicht noch schmerzlicher und demütigender war die darauf folgende
Dornen-Krönung: Nackt, der ganze Körper eine Wunde, von der Fußsohle
bis zum Scheitel, kaum noch irgend ein Stückchen Haut, macht man Ihn
zum Spott-König. Ein alter Stuhl, vielleicht mit Schrerben und spitzen
Steinchen bestreut, ist der Thron, ein schmutziger Soldatenmantel der
Königsmantel, ein Schilfrohr das Zepter, eine Dornenkrone (oder
Dornenhut) die Königskrone, die man Ihm fest auf den Kopf drückt. So
wird der gegeißelte Herr als König verspottet 'verehrt', angespieen und
geschlagen. Wie weh tut schon ein Nadelstich in den Kopf, und wie weh
müssen dann die vielen und langen Dornen getan haben. Dazu noch der
beißende Spott, der unter Umständen weher tun kann als ein körperlicher
Schmerz!
Als solchen Spott-König führt man Ihn zu Pilatus, der selber
erschrickt, wie Er diesen Jesus sieht - und Pilatus war schon an etwas
gewöhnt: "Ecce homo!" So muß Jesus vor Pilatus und der aufgehetzten,
frohlockenden Menge dastehen, die kein Erbarmen kennt und noch den
schmählichen, ehrlosen und unsagbar schmerzlichen Kreuzestod des
Heilandes fordert, der ihnen nur Gutes getan hatte. So sieht der Dank
der Welt aus!
Von dem, was Jesus auf dem Wege nach Golgotha gelitten hat, wissen wir
nur wenig. Wie wehe das schwere Kreuz auf der hautlosen Schulter getan
hat, wie mühsam der entkräftete Herr sich weiter schleppte und daher
dreimal zu Falle kam und wie er von der begleitenden Menschenmenge
verhöhnt, verspottet und als Betrüger beschimpft wurde, können wir uns
schon eher vorstellen, und auch, was Seine Mutter und Seine treuen
Freunde gelitten haben mußten.
Welche Qual Jesus bei der Kreuzigung und am Kreuze ausgestanden hat,
davon können wir uns leichter ein Bild machen. Nicht um Jesus zu
schonen, als Er auf dem Kreuzwege zu erliegen drohte, zwang man Simon
von Cyrene, Ihm das Kreuz tragen zu helfen, sondern um Ihn noch
lebendig kreuzigen zu können. Als nun Jesus endlich ganz erschöpft auf
Golgotha angekommen und das Kreuz hergerichtet war, nahm man Ihm wieder
die Kleider ab. Da diese, an den Wunden angeklebt waren, riß man
dadurch die Wunden auf, was einen ungeheuren Schmerz verursachte. Grob
stieß man den Herr auf das Kreuz, band Hände und Füße fest, nagelte sie
fest, wobei man Hände und Füße aus den Gelenken riß. Wie weh das alles
tat! Hierauf stellte man das Kreuz auf und nun hing der Herr drei
Stunden lang mit dem ganzen Körpergewicht an den grausamen Nägeln, von
Wundfieber und entsetzlichen Schmerzen geschüttelt. Dabei wird Er von
Seinen Feinden aufs Gemeinste verhöhnt, beschimpft und verspottet.
Was aber tut der Herr? Er bittet beim Vater für Seine Peiniger und
Spötter, tröstet Seine Freunde, uns schenkt Er Seine Mutter und dem
reumütigen Schacher den Himmel. Kein Wort der Ungeduld, noch weniger
des Zornes oder gar der Rache. Alles tut Er aus Liebe zur ganzen
Menschheit, um jedem die Möglichkeit zu geben, in den Himmel zu kommen,
wohl wissend, daß aber für. viele alles umsonst ist und ebenso wissend,
welchen Dank Er von den allermeisten Menschen bekommen wird. Jesus hat
uns also die Treue gehalten unter den schwierigsten Umständen, bis zum
letzten Atemzuge am Kreuz.
Müßten wir nicht aufs tiefste ergriffen werden von einer solchen Treue
des Herrn uns undankbaren und treulosen Menschen gegenüber und voll
Bewunderung, Dankbarkeit und Vertrauen zu Ihm aufblicken!
Wie aber schaut unsere Treue Ihm gegenüber aus, dessen Treue wir alles
verdanken? Bei der Taufe, als uns der Herr als Seine Kinder annahm,
haben wir Ihm Treue versprochen, sie bei der Erstkommunion erneuer, bei
der Firmung haben wir Ihm erst recht die Treue geschworen, und ich als
Priester noch einmal in besonderer Weise. Wie oft haben wir unsere
Treue gebrochen! Jede bewußte und überlegte Sünde war ja ein
Treuebruch. Und zu welchen Opfern sind wir für die Treue zu Jesus
bereit? Tief beschämt müssen wir unsere Treulosigkeit bekennen und
herzliche Abbitte leisten. Wir sehen, wie leicht es ist , Treue zu
versprechen, wie schwer es aber sein kann, treu zu sein bis in den Tod.
Wir durchleben eine Zeit, in der es immer schwerer wird, auch dem Herrn
die Treue zu halten. Wir brauchen aber immer noch lange nicht solche
oder ähnliche Opfer zu bringen, wie sie der Herr für uns gebracht hat.
Selbstverständlich müssen wir auch Menschen die Treue halten, die aber
nie mit der zu Christus in Widerspruch stehen darf.
O treuestes Herz Jesu, erbarme Dich unser und komm unserer Armseligkeit zu Hilfe, damit auch wir Dir die Treue halten können.
Biberwier, am 22. Juni 1979.
Alois Aßmayr Pfarrer |