DER HL. PAPST LEO IX.
von
Eugen Golla
Bruno, der Sohn eines elsässischen Grafen, ist der bedeutendste in der
kurzen Reihe der Päpste, die aus Deutschland kamen. 1002 geboren,
besuchte er ab seinem 5. Lebensjahr die bischöfliche Schule in Toul,
während er seine Ferienzeit auf den Stammschlössern seines Geschlechtes
verbrachte, die mitten in den Wäldern der Vogesen gelegen waren, d.s.
die Schlösser Dagsburg und Egisheim. Nach seiner Studienzeit verspürte
er die Berufung zum Priestertum und wurde Mitglied des Klerus von Toul,
eines Bistums, welches trotz seiner Zugehörigkeit zum französischen
Kulturkreis Bestandteil des Deutschen Reiches war.
Der mit Bruno verwandte erste Kaiser aus dem fränkischen Geschlecht,
Konrad der Salier, verschaffte ihm eine Hofcharge, die Aussicht auf ein
deutsches Bistum bot, wobei sein Verlangen auf das ärmste zielte. Als
Io26 der Bischof seiner Heimatdiözese starb, verlangten Klerus und Volk
der Stadt den erst 24jährigen Bruno als Nachfolger. Er nahm diese Würde
an, zumal er sich bewußt war, daß Toul nicht zu den wohlhabenden
Bistümern gehörte.
Sein religiöser Eifer und seine Demut, die mit einem stattlichen
vornehmen Äußeren kontrastierte, erwarben dem jungen Kirchenfürsten die
Sympathie aller Gutgesinnten. Schon damals war seine Amtsführung durch
das Abhalten zahlreicher Synoden und Visitationen gekennzeichnet.
Bruno vernachlässigte aber auch sein religiöses Leben nicht: oft
verharrte er bis tief in die Nacht im Gebete. Auch widmete er einen
besonderen Kult dem Apostelfürsten Petrus und in jedem Jahr unternahm
er eine Pilgerfahrt nach Rom.
Seit etwa 200 Jahren war zur damaligen Zeit die Cathedra Petri mit
Schmutz und auch Schande bedeckt. Wenn auch manche Geschichtsschreiber
die Übel und die Mißstände übertrieben haben, so steht doch fest, daß
eine große Anzahl der Päpste dieser Zeit unwürdig war und das höchste
Amt der Christenheit zum Zankapfel der sich befehdenden römischen
Adelsgeschlechter herabgesunken war. Ja, es kam soweit, daß sogar
Frauen mit dem entsprechenden Ruf es verstanden, einen so großen
Einfluß auf die Papstwahl zu gewinnen, daß bisweilen ihre Geliebten und
ihre Söhne mit der Tiara gekrönt wurden.
Dies änderte sich, als Heinrich III., Konrads Sohn, die Reichsregierung
übernahm. Dieser Kaiser, der eine an Karl d.Gr. erinnernde Machtfülle
errang, erhielt von den Römern auch die Würde eines "Patritius
Romanus", d.h. eines Schutzherrn Roms, womit das Designationsrecht für
die Papsterhebung verbunden war. Zweimal hatte Kaiser Heinrich bereits
von diesem Recht Gebrauch gemacht und der Kirche zwei gute deutsche
Päpste geschenkt, die allerdings binnen kurzer Zeit starben. Im Jahre
1048 herrschte wieder Sedisvakanz.
Auf dem zum Ende dieses Jahres nach Worms einberufenen Reichstag wurde
Bischof Bruno einstimmig als der Fähigste zur Übernahme des Papstamtes
bezeichnet. Seit über 20 Jahren hatte er nun schon sein Bistum Toul
verwaltet. Im besten Mannesalter, mit dem Wissen seiner Zeit
ausgestattet, reich an praktischer Erfahrung, dazu durch ein
asketisches Leben und eine überstandene schwere Krankheit das Irdische
geringschätzend, schien er auch allen Erfordernissen zu entsprechen.
Drei Tage erbat sich Bischof Bruno Bedenkzeit. Während dieser Zeit
legte er unter Tränen ein öffentliches Sündenbekenntnis ab. Schließlich
erklärte er sich zur Annahme des Petrusamtes bereit, wenn sich Klerus
und Volk von Rom einhellig für ihn entscheiden würden. Am 2. Februar
Io49 stellte Eberhard, der Erzbischof von Trier, den Kandidaten des
Reichstages im Petersdom vor: widerstrebend ließ es Bruno geschehen.
Als aber die versammelte Menge ihm zujubelte, sah er darin die Stimme
Gottes und gab seinen Widerstand auf. Zu seinem Wahlspruch nahm er das
Psalmwort: "Von der Güte des Herrn ist der Erdkreis voll." Zu Ehren
seines großen Vorgängers Leo I. legte er sich dessen Namen bei und trat
als Leo IX. sein Pontifikat an.
Der neue Papst setzte sich sogleich mit aller Energie dafür ein, nicht
nur die in der Ewigen Stadt herrschende Verderbnis zu bekämpfen,
sondern die gesamte Kirche zu erneuern. Nur wenige Wochen nach seiner
Erwählung berief er daher schon eine Synode in den Lateran, auf der er
sein Hauptprogramm verkündete: den Kampf gegen die zwei großen
Gebrechen, an denen die Kirche litt: die Simonie und die
Unenthaltsamkeit des Klerus. In seiner Strenge hatte Leo ursprünglich
vor, das Problem der von Simonisten erteilten Weihen radikal zu lösen,
d.h. diese in ihrer Gesamtheit für illegitim zuerklären. Infolge des
Einwandes, daß dann die meisten Kirchen ihrer Priester beraubt sein
würden, ließ er es bei den unverschuldet simonistisch Geweihten mit der
Auflage einer Kirchenstrafe bewenden. Hinsichtlich der zahlreichen
Kleriker-Konkubinen bestimmte er, daß sie als Hörige dem Lateran
zugesprochen werden sollten.
Einer totalen Reform unterzog Papst Leo auch das Kardinalskollegium,
dem bisher fast nur die Aufgabe zugekommen war, dem Papst beim
Gottesdienst zu assistieren. Er bildete nun aus den Kardinalen den
obersten Senat der Kirche, der ihm bei der Regierung der Weltkirche zu
helfen und ihn zu beraten hatte. Da im stadtrömischen Klerus kaum
bedeutende Persönlichkeiten vorhanden waren, berief er hervorragende
Männer aus allen Ländern nach Rom. Dieser Führungsstil zwang ihn auch,
selbst viel auf Reisen zu sein. So war er auf den in Italien,
Frankreich und Deutschland abgehaltenen Synoden persönlich anwesend, so
daß er während seines fünfjährigen Pontifikates insgesamt nur wenige
Monate in Rom selbst weilte.
Während seiner Aufenthalte in den verschiedenen Städten betätigte sich
der Papst auch als Prediger, er konsekrierte Altäre und weihte neu
errichtete Klöster wie z.B. St. Emmeran zu Regensburg ein, wo er auch
den Bischof Wolfgang heiligsprach. Die 1050 in der Ewigen Stadt
abgehaltene Ostersynode mußte sich auch mit den ersten großen
Abendmahlstreitigkeiten - die zweiten haben ihre Ursache in der Lehre
der Reformation des 16. Jahrhunderts - befassen. Der französische
Theologe Berengar von Tours leugnete nicht allein die Transsubstantion,
sondern er bezeichnete die Eucharistie lediglich als Symbol des Leibes
und Blutes Christi. Berengar wurde zwar verurteilt, aber die Kirche
mußte sich noch jahrzehntelang mit dieser Häresie weiter
auseinandersetzen.
Zwar nahm Leo Hildebrand in seine Dienste, der ein Vierteljahrhundert
später als Papst Gregor VII. die Machtfülle des Kaisers über die Kirche
als unvereinbar mit der universellen Stellung des Papsttums bekämpfte.
Auch betonte Papst Leo immer wieder die Vorrangstellung und die Rechte
der Kirche. Dennoch stellte er sich prinzipiell nicht gegen die Rechte
der Laien innerhalb der Kirchenorganisation, so daß Papst und Kaiser
grundsätzlich in Harmonie zusammenwirken konnten.
Im Jahre 1053 ließ er sich in einen Krieg mit dem innerhalb weniger
Jahrzehnte mächtig gewordenen Normannenstaat ein, der die südlichen
Teile des Kirchenstaates bedrohte. Möglicherweise versagte der Kaiser
als Protektor Ecclesiae ihm die erbetene Unterstützung, weil er kurz
zuvor die Normannen mit ihren Gebieten belehnt hatte, vielleicht
mißfiel ihm aber auch die durch Leos Tatkraft rasch erfolgte
Machtentfaltung des Kirchenstaates. Nach der Niederlage des päpstlichen
Heeres geriet Papst Leo in milde Gefangenschaft. Schwer krank, auf
einer Sänfte getragen, durfte er im März 1054 nach Rom zurückkehren.
Aber es war ihm nur noch wenige Tage zu leben vergönnt. Am 19. April
starb er, gerade 52 Jahre alt. Es ist überliefert, daß er sein letztes
Gebet auf deutsch verrichtete.
Gemäß seinem Wunsch wurde er neben dem Altar des hl. Gregor d.Gr., am
Eingang der Peterskirche bestattet. Wunderheilungen an seinem Grabe
beschleunigten die Heiligsprechung, die 1087 Papst Viktor III. vornahm.
Nach dem Bau der neuen Basilika wurden die Reliquien in eine Urne unter
dem Altar der Heiligen Martial und Valeria übertragen. Der Name Leos
IX. ist auch verknüpft mit der Tragödie des großen morgenländischen
Schismas, dessen eigentlicher Urheber der Patriarch von Konstantinopel,
Michael Kerularios war. Als der intelligente, aber auch schroffe
päpstliche Legat Kard. Humbert die Bannbulle Kerularios und seiner
Anhänger am 16. Juli 1054 auf den Altar der Hagia Sophia niederlegte,
weilte zwar Leo nicht mehr unter den Lebenden, aber die Exkommunikation
war von ihm für den Fall der Weigerung bereits ausgesprochen gewesen.
Die Kirche feiert das Fest des hl. Papstes Leos IX. am 19. April.
Literatur:
Rogier u.a.: "Geschichte der Kirche" Bd.II, Einsiedeln 1971.
Seppelt, F.X.: "Geschichte der Päpste" Bd. 3, München 1956.
"Vies des Saints" Bd. 4, Artikel "Leo IX", Paris 1946. |