Don Juan
von
Léon Bloy
DON JUAN durchwanderte die Straßen der kleinen deutschen Stadt. Es war
Abend. Durch die Offenen Türen einer Kirche sah er die Kerzen auf dem
Altar brennen und hörte die klaren Stimmen der Mönche, die Gott zur
Stunde der Komplet lobten ...
Sicut erat in principio et nunc et semper, ... Die Wellen der
ambrosianischen Melodie stiegen an und verklangen. Die Feier war
beendet.
Die Gläubigen liefen um Don Juan herum auseinander, der seinen
Spaziergang fortsetzte. Vor ihm liefen die jungen Mädchen dahin, ihre
Gebetbücher fest an die Brust gedrückt; neugierig betrachteten sie
seinen großen Hut mit den Federn, die sich darauf wiegten, seinen
Überwurf mit dem rot-seidenen Kragen, seine weiten Hosen und seinen
Säbel, der klingend auf die Pflastersteine schlug.
Schaut nur! ein Spanier flüsterten sie, lachten kurz, entwichen in die Gassen und verschwanden bald hinter dunklen Türen.
Don Juan fand keine Gelegenheit mit ihnen zu sprechen. Er blieb allein.
Der Kirchenplatz leerte sich und die Straßen wurden menschenleer. Nur
zuletzt eilte noch eine alte Frau nach Hause, die lange vor dem Altar
unserer Lieben Frau gebetet hatte.
Ganz allein gelassen, begann Don Juan zu fluchen und zu schimpfen. Er
schritt dahin, die Stadt durchwühlend, und sein Degen schlug dabei
immer zorniger auf das Pflaster.
Er klopfte an alle erleuchteten Fenster und beschwor alle Weiblichkeit,
die ihn seine Phantasie in der Ferne der Straßen sehen machte. Aber Don
Juan fand keine Frau, die er in die Arme hätte schließen können und die
Stadt wurde dunkel und alle Glocken schlugen Mitternacht.
Schließlich gewahrte er einen Lichtschimmer. Er näherte sich rasch und kam vor einem. vergitterten Fenster zu stehen.
Über dem Fenster brannte eine Lampe; hinter dem Gitter war eine Frau.
Sie war schön. Don Juan hatte inmitten der Straße angehalten und seinen
riesigen Hut abgenommen. Er grüßte mit einer so tiefen Verneigung, daß
die Federn den Boden kehrten und sagte:
Sehr geehrte Dame, erlauben Sie, daß ich mich in ihrem Hause ausruhe.
Ich bin ein Fremder, ein Reisender und muß mich erholen. Die Frau
antwortete nicht. Im Schein des flackernden Lichtes schien es Don Juan,
als lächle sie.
Da begann er, ihr seine Zärtlichkeit nachdrücklicher zu erklären und
ihr den glühenden Schatz seiner Liebe zu versprechen. Sie aber
antwortete nicht, sondern fuhr fort zu lächeln.
Vor Leidenschaft trunken, warf Don Juan sich gegen die Türe. Doch sie
war verschlossen. Er schrie gegen das Gitter, doch die Frau erwiderte
nicht. Da begann er, sie zu beleidigen und zu beschimpfen und nannte
sie bei allen schimpflichen Namen und unreinen Worten, mit welchen
seine Gedanken erfüllt waren.
Doch die Frau entgegnete nichts, sondern lächelte nur.
Da begann Don Juan auf sie zu fluchen und er beschwor dazu alle Kräfte
der Hölle und alles Übel der Dämonen gegen sie. Sie aber schwieg. Da
fluchte Don Juan noch mehr.
Er verfluchte sie beim hl. Erzengel M.Michael, beim hl. Johannes dem
Täufer, bei den hl. Aposteln und schließlich sogar bei der Mutter
Gottes selbst.
Da erzitterte die Lampe und eine hohe Flamme schoß auf. In ihrem Schein
erkannte Don Juan, daß hinter dem Gitter nur ein Bild, und keine Frau
war, - das Bild einer Frau - der einzigen reinen und heiligen unter
allen Frauen, - das Bild der Mutter Gottes!
Mit einer Gotteslästerung schwankte Don Juan davon.
Noch in seiner Sterbestunde und unter dem fürchterlichen Zwang
derselben, bereute er nichts. Er erinnerte sich auch an nichts,
ausgenommen an eines, das in ihm aufstieg,-begleitet von unendlicher
Pein. Er erinnerte sich jener Nacht, da er zu Ihr wie zu eine Dirne
gesprochen hatte, zu Ihr, die auf Ihren Armen den Heiland und Richter
der Welt getragen hatte.
(Übersetzt aus "Journal de Léon Bloy" - Le Mendian ingrat, Paris 1956, S.305/6 von Günther Mevec)
|