DER HL. FRANZ VON BORGIA
von
Eugen Golla
Seiner Herkunft und sozialen Umgebung nach schien Franz von Borgia
nicht dazu bestimmt, einst ein Heiliger zu werden. Die Allmacht und
Barmherzigkeit Gottes vermag aber auch auf krummen Linien gerade zu
schreiben und den Urenkel des berüchtigten Alexander VI. zur Ehre der
Altäre zu erheben. Am 28. Okt. 151 o war Franz in Gandia geboren
worden. Sein Großvater Juan, der zweite Herzog von Gandia, der
verhätschelte Lieblingssohn des Papstes, führte wie dieser ein
lasterhaftes Leben. Wenig über 20 Jahre alt wurde er auf
geheimnisumwitterte Weise ermordet, was den alten Papst tief
erschütterte. Sein unter dem Eindruck des Schmerzes gefaßter Vorsatz,
sein Leben zu ändern, hielt allerdings nicht lange an.
Der Vater unseres Franz von Borgia, Juan, der dritte Herzog von Gandia,
war Herr über einen in der Provinz Valencia gelegenen Landstrich, in
dem mehr als 3000 Vasallenfamilien wohnten und dessen üppige, an das
nahe Afrika erinnernde Vegetation reiche Ernten, besonders an
Südfrüchten, hervorbrachte. Durch seine Heirat mit einer Enkelin des
Königs Ferdinand des Katholischen war er sogar mit dem spanischen
Herrscherhaus verwandt.
Zwei Frauen waren es, die auf seinen ältesten Sohn Franz, der für eine
sorgfältige religiöse Erziehung sehr empfänglich war, einen großen
Einfluß ausübten: seine Großmutter väterlicherseits sowie deren Tochter
Isabella, die beide in das Klarissinnenkloster zu Gambia eingetreten
waren und gleichsam die berüchtigte Familie im christlichen Sinne
erneuerten.
Mit zehn Jahren verlor Franz seine Mutter. Die darauffolgenden Jahre
erhielt er eine sorgfältige Erziehung im Hause seines Onkels, des
Erzbischofs von Saragossa. 1527 wurde dem jungen Edelmann eine große
Ehre zuteil, da er in den Hofdienst Karls V. sowie seiner Gattin
Isabella berufen wurde. Franz besaß viele Eigenschaften, die für einen
Kavalier erwünscht waren: ein gewandtes Benehmen, Geschick im
ritterlichen Sport und Begabung für die Musik. Kein Wunder, daß er, der
zudem trotz des Zusammenlebens mit so manchen heuchlerischen und
verdorbenen Höflingen die ihm von Kindheit an eingepflanzte
Sittenreinheit bewahrt hatte, beim Herrscherpaar in hoher Gunst stand.
Nachdem er, gerade 19 Jahre alt, eine Hofdame, die Portugiesin Eleonora
de Castro, geheiratet hatte, übertrug ihm Karl V. verschiedene
Vertrauensämter. Auch wurde er der Freund des Thronerben, des kleinen
Prinzen Philipp. Nach einer schweren Erkrankung faßte er den Entschluß,
monatlich zu beichten und zu kommunizieren, was damals noch eine
Seltenheit war.
1539 starb Spaniens Königin. Als Kammerherr war Franz gemäß den
damaligen Sitten verpflichtet, den Sarg von Toledo nach Granada zu
geleiten und dabei unter Aufdeckung des Leichnams zu bestätigen, daß es
sich bei der Toten um Donna Isabella von Portugal handeln würde. Der
Anblick des einst so anmutigen Antlitzes, das nun schon in Verwesung
überging, erschütterte ihn nicht nur, sondern intensivierte seine
religiösen Gefühle durch die Erkenntnis der Eitelkeit alles Irdischen
derart, daß ihn - einen Mann, der mitten im Leben stand - das Verlangen
überkam, der Welt zu entsagen. Aber noch sollte dieser Wunsch nicht in
Erfüllung gehen. Vielmehr ernannte ihn sein König bald danach zum
Vizekönig von Katalonien, denn diese schwer zu verwaltende Grenzprovinz
benötigte einen tüchtigen Regenten. Und Franz leistete das, was von ihm
erwartet wurde. So verbesserte er die Getreideversorgung, ergriff
Maßnahmen gegen die Mißstände in der Kirche, vor allem in den Klöstern.
Besondere Verdienste erwarb er sich in der Justizverwaltung, indem er
mit großer Strenge gegen das Räuber- und Banditenunwesen vorging.
Als 1543 sein Vater starb, folgte er ihm als Herzog von Gandia nach,
was zur Folge hatte, daß er sämtliche Ämter bei Hofe abgab, um die
Verwaltung seines umfangreichen Besitzes zu übernehmen. Hier lag ihm
besonders die religiöse Betreuung der neubekehrten Mauren am Herzen,
wobei er sich nicht damit begnügte, nur ein Dominikanerkloster zu
errichten. Vielmehr stiftete er auf den Rat des hl. Ignatius, mit dem
er seit Jahren in Briefwechsel stand und dessen Exerzitien er bereits
in Barcelona kennengelernt hatte, ein Jesuitenkolleg in Gandia. Es war
dies das erste Kolleg, an welchem nicht nur Ordensmitglieder, sondern
auch Auswärtige und junge Mauren studierten.
1546 traf ihn ein schwerer Verlust: der Tod seiner Frau. Sie hatte ihm
in ihrer Ehe acht Kinder geschenkt. Nun wurde ihm bewußt, daß ihn der
Herr zu noch etwas anderem bestimmt hatte als zu einem spanischen
Granden, daß nämlich an ihn derselbe Ruf erging, den einst der Heiland
an den reichen Jüngling gerichtet hatte. Er verrichtete wiederum die
ignatianischen Exerzitien; diesmal unter der Leitung eines der
bedeutendsten Mitglieder der neuen Gesellschaft, des Petrus Faber, der
später heiliggesprochen wurde. Danach legte er das Gelübde ab, Mitglied
der Gesellschaft Jesu zu werden. Bereits am 9. Oktober desselben Jahres
entsprach der General der Gesellschaft seinem Wunsch, jedoch mit der
Auflage, diesen Schritt vorerst geheimzuhalten und das Herzogtum weiter
zu verwalten, bis sein ältester Sohn das erforderliche Alter erreicht
haben würde, um die Regierung Gandias übernehmen zu können und Karl V.
der Verzichtserklärung zugestimmt habe. Neben den Regierungsgeschäften
unterzog sich Franz nun auch noch dem Studium der Theologie, das er mit
der Promotion abschloß. Doch drängten sich immer noch höfische
Verpflichtungen dazwischen, so als ihn der Kronprinz Philipp zu seinem
Majordomus ernennen wollte.
Um ihm den Eintritt in den neuen Stand zu erleichtern, erlaubte ihm der
Papst schon 1548, vor nur wenigen Zeugen die Profeß in Gandia
abzulegen. Er trat auch danach noch als Fürst in weltlicher Kleidung
auf, in Wirklichkeit lebte er aber schon als Ordensmann ganz im Sinne
der von ihm so geliebten Mystik und Askese, wie er sie besonders bei
seinem früheren Umgang mit Franziskanern kennengelernt hatte. Ignatius
fand sich daher veranlaßt, ihm zu befehlen, die Gebetszeiten auf die
Hälfte zu reduzieren und das häufige Geißeln und beständige Fasten
aufzugeben. Als er 155o von Karl V. die Genehmigung erhalten hatte, auf
das Herzogtum zu verzichten, wollte ihn der Papst - für den Verlust
dieser Würde - in den Kardinalsrang erheben. Als Franz davon erfuhr,
floh er in das baskische Städtchen Onate, wo er am 31. Mai 1551 zum
Priester geweiht wurde. Für die andächtige Teilnahme an der
Primizmesse, die wegen der Anwesenheit von 12000 Personen im Freien
abgehalten werden mußte, verlieh der Papst einen vollkommenen Ablaß.
In den folgenden Jahren, als Borgia als einfacher Priester durch
Spanien zog und hauptsächlich als Prediger auftrat, versuchten Papst
und Kaiser nochmals, ihn für die Kardinalswürde vorzuschlagen.
Schließlich glaubte sich Franz verpflichtet, den Kardinalshut
anzunehmen. Da begab sich Ignatius persönlich zum Papst und setzte ihm
auseinander, daß es weitaus besser sei, wenn gerade der ehemalige
Herzog als einfacher Jesuit zur Ehre Gottes wirken könne. 1554 wurde
Franz zum Generalkommissar der Gesellschaft Jesu für Spanien und
Portugal ernannt, in welcher Funktion er viel zur Ausbreitung des
Ordens auf der iberischen Halbinsel beitrug. Damals besuchte er auch
einige Male Karl V. in der Einsamkeit des Hieronymiten-Klosters von St.
Just, wohin er sich zurückgezogen hatte. Wenn er auch beim Tode des
vormaligen Kaisers nicht zugegen sein konnte, durfte er doch wenigstens
zu Valladolid die Leichenrede halten.
In den Jahren seiner Tätigkeit als Wanderprediger wurde Franz auch das
Opfer einer Verleumdung, die ihn nicht nur in Ungnade bei König Philipp
fallen ließ, sondern ihn sogar in Gefahr brachte, vor dem
Inquisitionsgericht zu erscheinen. Es erschien nämlich im Buchhandel
ein Werk, das mit dem Namen Borgia als Autor versehen war und das neben
einigen seiner eigenen Schriften auch andere Abhandlungen enthielt,
welche die spanische Inquisition auf den Index gesetzt hatte. Der
Vorwurf konnte aber entkräftet und die Sache geklärt werden. Auch in
der Gesellschaft Jesu mußte er so manche Demütigung, Unzufriedenheit,
Kritik und Ablehnung erdulden. So warfen ihm manche vor, er sei zu
unnachgiebig, andere wiederum zu milde und zu duldhaft. Es sei hier
aber erwähnt, daß keine Geringere als die hl. Theresa von Avila ihn
sehr schätzte.
Als der Nachfolger des hl. Ignatius, Laynez, auf dem Konzil zu Trient
weilte, wurde Franz Generalvikar und somit Stellvertreter des
Ordensgenerals. Nach dessen Ableben wurde er im Alter von 55 Jahren am
2. Juli 1565 trotz seines Sträubens zu dessen Nachfolger ernannt: zum
dritten Ordensgeneral. In sein Tagebuch trug er unter dem Datum seiner
Wahl ein: "Dies meae crucis." ("Der Tag meines Kreuzes.") Längst hatte
der in seinen jungen Jahren korpulent wirkende Mann das Aussehen eines
hageren Asketen, so daß - wie ein Hagiograph bemerkte - "aus einem
Sancho Panza ein Don Quijote wurde". Dazu litt er an Gicht und an einer
Magenerweiterung.
Aus der Gesellschaft Jesu war in den ersten 25 Jahren ihres Bestehens
ein Orden von Weltgeltung entstanden. Franz von Borgia entwickelte in
den sieben Jahren seines Generalates eine staunenswerte Aktivität, so
daß er den Namen eines zweiten Ordensgründers verdient hat. So wurden
unter seiner Führung den 18 schon bestehenden Provinzen drei weitere
hinzugefügt: Polen, Peru und Mexiko. Ferner errichtete er Kollegien in
Frankreich, Flandern, Böhmen, Deutschland und Tirol. Im gleichen Jahr,
in dem Franz zum Ordensgeneral gewählt worden war, hatte auch Pius V.
den päpstlichen Thron bestiegen. Von Anfang an arbeiteten beide eng
zusammen, besonders auf dem Gebiete des Missionswesens. So gehen auf
Franz von Borgia die ersten Anfänge der Propaganda zurück, indem er
anläßlich einer Audienz eine Kongregation für die Bekehrung der Heiden
anregte. Es war ein bedeutender Fortschritt auf dem Gebiete der
Missionierung, daß Pius V. Wert auf eine gründliche Betreuung der
Neubekehrten legte. Anstelle von Wanderpredigern, die sich vielfach
damit begnügten, eine möglichst große Anzahl zu taufen, sollte nun die
ständige Seelsorge, wenn auch in noch so kleinen Gemeinden, treten. In
diesem Sinne schrieb Franz: "Wo auch die Unsrigen sein mögen, sollen
sie doch ihre erste Sorge den bereits gewonnenen Christen zuwenden,
sich bemühen, sie im Glauben zu erhalten und ihrem Seelenheil zu
nützen. Erst dann sollen sie auf die Bekehrung der übrigen, noch nicht
Getauften ihr Augenmerk richten, aber dabei mit Klugheit vorgehen und
nicht mehr auf sich nehmen, als sie leisten können. Sie mögen es nicht
als Gewinn erachten, bald da bald dort herumzuziehen, um Heiden zu
bekehren, die sie dann nicht beaufsichtigen können, vielmehr sollen sie
nach und nach vorangehen und das bereits Gewonnene befestigen, denn wie
ich den Unsrigen gesagt habe, ist es der Wille Seiner Heiligkeit, daß
man nicht mehr taufe, als sich im Glauben erhalten lassen."
Nicht minder sorgte er sich auch um eine gute Ausbildung des
Ordensnachwuchses. So eröffnete er in Rom das berühmte Noviziat Sankt
Andreas auf dem Quirinal, welches als einen der ersten Zöglinge den
berühmten Jugendpatron, den polnischen Heiligen Stanislaus Kostka
aufnahm, der allerdings schon kurz danach, erst 18-jährig, starb.
Ebenso förderte er das Römische Kolleg, aus welchem sich die
Jesuitenuniversität Gregoriana entwickelte. Während Borgias Generalat
wurde auch der Grundstein für die römische Hauptkirche der Jesuiten, il
Gesú, gelegt, wobei er einen bestimmenden Einfluß auf die bauliche
Gestaltung dieses Gotteshauses, welches gleichsam das Muster für den
barocken Jesuitenstil abgab, ausübte.
Pius V. war Franz von Borgia und der Gesellschaft Jesu wohlwollend
gesinnt. Dennoch zählte auch er zu den Päpsten, die diesen Orden
mittels Eingriffe in seine Verfassung den übrigen anpassen wollte. Es
handelte sich hauptsächlich um die Auferlegung des Chorgebetes und die
Änderung der Gelübdeablegung, also um Eingriffe, die letztlich die
Gründungsidee des Ignatius in ihrem Wesen betrafen, und sie im Falle
einer Änderung aufgehoben hätte. Zwar wurde auf Anordnung des Papstes
nun im römischen Profeßhaus das Chorgebet eingeführt, doch hob schon
wenige Jahre später der Nachfolger von Pius V. diese Verfügung wieder
auf. Nicht unerwähnt soll auch der mutige und aufopfernde Einsatz
Franz' und seiner Mitbrüder anläßlich einer furchtbaren pestartigen
Seuche in Rom bleiben.
Im Jahre 1571 übertrug der Papst Franz von Borgia eine
Gesandschaftsreise nach Spanien, Portugal und Frankreich. Ihr
eigentlicher Zweck war, diese Staaten um Hilfe im Kampf gegen den Islam
zu bewegen. Obwohl leidend, kam Franz von Borgia dem Ersuchen des
Papstes nach. Auf der Rückreise über die Alpen verschlechterte sich
aber der Gesundheitszustand des Ordensgenerals derart, daß er zwei Tage
nach seiner Ankunft in der Ewigen Stadt am 1. Okt. 1572 im Alter von 62
Jahren starb. Er war der letzte aus der Familie Borgia, der weltweite
und geschichtliche Bedeutung erlangt hat. Interessant ist noch, daß
einer der Hauptvertreter der europäischen Barockliteratur, Calderón de
la Barca, von diesem großen Führer der neu erwachten katholischen
Reformbewegung derart fasziniert war, daß er das Schauspiel "El gran
duque de Gandia" verfaßte.
Die Gebeine ruhen in der Jesuitenkirche von Madrid. 1624 wurde Franz
unter die Seligen aufgenommen, seine Heiligsprechung erfolgte im Jahre
1671. Seit 1688 feiert die Kirche sein Fest am 10. Oktober. Aus einem
Mitglied des Hochadels war ein demütiger, sich durch Bußstrenge und
Gebetseifer auszeichnender Ordensmann geworden. In diesem Sinne betet
auch die Kirche an seinem Festtag: "Herr Jesus Christus, Du Vorbild und
Lohn wahrer Demut, wir bitten Dich: wie du den hl. Franz im Verschmähen
irdischer Ehre zu Deinem glorreichen Nachfolger gemacht hast, so laß
diese Nachfolge und diese Herrlichkeit auch unser Anteil sein."
Benützte Literatur:
1. Artikel über Franz von Borgia in: Koch, Ludwig: "Jesuitenlexikon" Paderborn 1934
2. "Vies des Saints" Bd. 10, Paris 1952
3. Wetzer und Weite: "Kirchenlexikon" Freiburg 1886
4. Karrer, Otto v.: "Der hl. Franz von Borgia" Frbg. 1921
5. Pastor, Ludwig v.: "Geschichte der Päpste" Bd.6 u. 8, Frbg 1928
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