EINE PREDIGT
von
H.H. Pater Noel Barbara
aus: "Forts dans la Foi" Supplement Nr.58; übers. von Dr. Kurt Hiller
Wir bringen nachstehend eine Predigt, die H.H. Pater N. Barbara am
Sonntag, den 2. September 1979 in der Kapelle St. Michael von Tours
gehalten hat.
Wir werden morgen das Fest des hl. Pius X. feiern. Dieser Papst hat
sich, Ihr wißt es, meine Brüder, vor allem ausgezeichnet durch die
Verteidigung des katholischen Glaubens gegen die Modernisten.
Die Modernisten, die vorübergehend zu Boden geschmettert waren, oder
wie man es wenigstens annahm, haben sich offen eingenistet und fuhren
mit Unterstützung hoher kirchlicher Würdenträger mehr denn je fort, den
Glauben zu untergraben.
Seit dem II. Vatikanischen Konzil haben sie sich, dank dem
Einverständnis "zweier wurmstichiger Päpste", - um den Ausdruck der
Seherin von La Salette aufzugreifen - beinahe aller Schlüsselstellen
der hl. Kirche bemächtigt, so daß man den Titel eines Buches wieder
anführen kann: "Die besetzte Kirche".
Gott, Ihr wißt es, meine Brüder, verläßt seine Kirche nicht. Er hat
einen französischen Bischof, Monseigneur Lefebvre berufen, um, wie
einst der hl. Pius X. und unter seiner Schirmherrschaft den Kampf gegen
die gleichen Häretiker fortzusetzen.
Die Modernisten sind die größte Gefahr, die die Kirche jemals in ihrer
langen Geschichte gekannt hat. Eine mehr als fürchterliche Gefahr, die
mehr verborgen ist , denn die typische Eigenschaft dieser modernen
Häretiker ist die Heuchelei. Dies sind wahrhaftig, wie sie unser HERR
bezeichnet "Wölfe in Schafskleidern, die in den Schafstall eingedrungen
sind um die Herde zu stehlen, zu würgen und zu zerstören" (Joh. X,l0).
Erlaubt, daß ich Euch in Erinnerung rufe, was der hochwürdige Pater
Calmel, O.P. in seinem Vorwort des Katechismus von Pater Lemius
schrieb:
"Der klassische Häretiker, Arius, Nestorius, Luther, tut, selbst wenn
er einige Regungen verspürt, in der Kirche zu verbleiben, was nötig ist
, um ausgeschlossen zu werden: er bekämpft mit offenem Gesicht die
offenbarte Wahrheit, deren lebendiger Schatz durch die Kirche behütet
wird. Der Häretiker, oder vielmehr der modernistische Apostat, ein Abbe
Loisy, ein Pater Teilhard de Chardin, lehnt bewußt die gesamte Lehre
der Kirche ab, aber er hegt den Willen, in der Kirche zu bleiben, und
er ergreift die Mittel, die nötig sind, um darin zu bleiben: er
verschleiert, er täuscht, in der Hoffnung, sein Vorhaben, die Kirche
von innen her umzuwandeln zu Ende zu bringen, oder, wie der Jesuit
Teilhard de Chardin es ausdrückte, den Glauben zu berichtigen. Der
Modernist hat mit andern Häretikern dies gemein, daß er jede
christliche Offenbarung ablehnt. Aber, unter diesen Häretikern
präsentiert er vor allem den, der seine Ablehnung verschleiert. Der
Modernist ist , man kann es nicht genug betonen, zugleich ein Apostat
und ein Verräter."
Ja, meine Brüder, merkt es Euch gut, das Typische der Modemisten ist die Verschleierung, die Heuchelei, der Verrat.
Meine Brüder, ich spreche zu Euch heute Morgen von diesen Dingen, zum
ehrenden Gedenken an den hl. Pius X., aber auch um Euch Anhaltspunkte
zum Nachdenken zu geben, was die Nachrichten betrifft, die herumgehen
über die vorgesehenen "Abmachungen", die demnächst zwischen dem Vatikan
und Monseigneur Lefebvre geschlossen werden sollen. Nachrichten, die
eine törichte Hoffnung bei gewissen Traditionalisten hervorgerufen
haben, um wieder andere in eine wahrhafte Entmutigung zu stürzen. Was
ist nun richtig? Ich weiß absolut nicht Bescheid, weil ich nicht an den
Verhandlungen beteiligt bin; aber die einfache Reflexion unter der
Perspektive des Glaubens gibt mir Sicherheit. Ist tatsächlich eine
Übereinkunft zwischen dem jetzigen Vatikan und den Verteidigern des
Glaubens möglich? Ich glaube sagen zu können: nein. Weshalb? Aber ganz
einfach deshalb, weil es sich darum handelt, Dinge zuzugestehen, die
keinen Kompromiß erlauben.
Gewiß, in Verhandlungen, menschliche Verhältnisse betreffend, ich
spreche von Verhandlungen über private Vorteile, auf die die
gegnerischen Parteien ohne zu sündigen verzichten können, ist eine
Abmachung immer möglich, da sie nur vom guten Belieben beider Parteien
abhängt. Ein solches Abkommen ist um so leichter zu erreichen, je mehr
die Verhandlungsgegner bereit sind Konzessionen zu machen, das heißt,
ganz oder teilweise auf ihre eigenen Forderungen zu verzichten, um ganz
oder zum Teil die Forderungen des andern zu akzeptieren. Man erreicht
dann eine mittlere Lösung, die beide Parteien zufriedenstellt, weil
sie, sagen wir es nochmals, bereit sind, sowohl der eine, als auch der
andere, irgend etwas von ihren ersten Forderungen aufzugeben.
Diese Verständigungen, diese Übereinkünfte sind nur dann erlaubt,
wiederholen wir es noch einmal, insofern sie persönliche Güter
betreffen, die man ohne zu sündigen aufgeben kann. Andernfalls, wenn es
sich um Güter handelt, die uns nicht selbst gehören, wenn es sich um
Güter handelt, die uns nur dazu anvertraut sind, daß wir sie zwar zu
unserm Vorteil gebrauchen, aber auch, daß wir sie treu den folgenden
Generationen weitergeben, dann gibt es darüber keine auszuhandelnde
Übereinkunft. Nicht nur, daß wir solche Übereinkünfte ablehnen, sind
wir darüber hinaus verpflichtet, den ungerechten Angreifer
zurückzuschlagen, und die katholische Moral hat immer in solchen Fällen
das Recht der legitimen Verteidigung vorgesehen. Dieses moralische
Gesetz rechtfertigt, in extremen Fällen, und für höhere Werte, bis zum
Krieg zu gehen.
Beachtet wohl, meine Brüder, das, was ich soeben sagte, betrifft
menschliche Werte, betrifft die irdische Ordnung. Was ist nun von den
übernatürlichen Gütern zu sagen? Denn diese Werte verteidigen wir in
dem Konflikt, der gegenwärtig die Kirche spaltet.
Diese Güter gehören uns nicht. Sie gehören Gott und machen den Glaubensschatz aus.
Wir können es nicht oft genug betonen, daß wir nicht in den
katholischen Glaubenskampf eingetreten sind, um nur das Latein oder die
Gregorianik zu verteidigen. Was wir zuerst verteidigen, was wir vor
allem andern verteidigen, das ist das Fundament des Glaubens, das
heißt, die Wahrheiten, die Gott uns durch seinen Sohn gegeben hat und
die er seiner Kirche anvertraut hat, der Römisch Katholischen Kirche.
Wer begreift dem zufolge nicht, daß es auf dem Gebiet des Glaubens, der
der unsere ist, keine Abmachung oder mögliche Absprache gibt, es gibt
nicht einmal eine zu wünschende Übereinkunft, denn es gibt keine, und
es kann keine mögliche Konzession unsererseits geben. Es ist der
Heilige Geist selbst, der uns durch den heiligen Paulus darin bestärkt:
"Welche Vereinigung gibt es zwischen der Gerechtigkeit und der
Schlechtigkeit? Oder welche Verbindung zwischen dem Licht und der
Finsternis? Oder welche Übereinstimmung zwischen Christus und Belial?"
(II. Korinth. VI, 4-15). Jedoch, es gibt keine und kann keine geben,
wiederholen wir es nochmals, man kann die Wahrheit und den Irrtum nicht
vereinigen, aus dem guten und einfachen Grund, weil die Wahrheit
unduldsam ist . In keinerlei Weise, und aus keinerlei Grund kann die
Wahrheit mit dem Irrtum zusammen existieren. Der kleinste Irrtum, der
einer Wahrheit zugesellt wird, ergibt nicht eine schwächere Wahrheit,
sondern liefert einen neuen Irrtum.
Erinnern wir uns an das Beispiel unseres HERRN. Jedesmal, wenn es sich
um die Lehre handelte, hat unser göttlicher MEISTER weder eine
Übereinkunft, noch Absprache, noch einen Kompromiß irgend welcher Art
angestrebt oder getroffen. Er wußte nur zu gut, ER, die WAHRHEIT, daß
er ein "Zeichen, das Widerspruch erregt" ist. (Luk. 11,34) Auch hat er
uns angekündigt, "Denkt ihr daß ich gekommen bin, den Frieden auf die
Erde zu bringen? Nein, ich sage Euch, vielmehr Entzweiung". (Luk.
XII,51) Gemäß seinem Wort "der Mensch wird seine eigenen Hausgenossen
zu Feinden haben".(Math. X.35)
Betrachten wir nach seiner Lehre nun seine Beispiele, die Ankündigung
des Brot des Lebens, in der Synagoge von Kapharnaum, zum Beispiel.
Seine Zuhörer finden seine Lehre "hart", "unerträglich", und "zogen
sich zurück, indem sie nicht mehr mit ihm gingen". Was macht der
MEISTER? Schlägt er ihnen irgend ein Arrangement vor, irgend eine
Konzession, irgend ein Abkommen? Ihr wißt wohl, daß er dies nicht tut.
Und nicht nur, daß unser HERR gegen eine Absprache ist , wenn es sich
um die Lehre handelt, die das Wort des VATERS ist, das er den Menschen
gegebens sondern, wenn erforderlich, ist er dazu noch für die Trennung:
"Jesus sagt also zu den zwölfen: und ihr, wollt auch ihr weggehen?"
(Joh. VI, 61-68)
Ja, meine Brüder, seid wohl überzeugt davon, es gibt keine Abmachung,
die möglich wäre in der gegenwärtigen Krise, die uns in Gegensatz setzt
zu den sogenannten im Amt befindlichen Hirten, oder vielmehr, ja, es
gibt eine, die, die die hl. Kirche ihren Söhnen immer vorgeschlagen
hat, die, die ihr göttlicher Stifter vorgeschrieben hat, und an die ich
Euch soeben erinnert habe: "und ihr, wollt auch ihr weggehen?"
Die Gemeinschaft aller Hirten und aller Gläubigen wird in der Kirche
wieder hergestellt sein, wenn die Häretiker, die unsere Einheit
zerbrochen haben, sich aus unserer Mitte entfernt haben, oder, daraus
verjagt worden sind, wenn sie sich, wohlverstanden, nicht bekehren.
Was das praktische Vorgehen angeht, bitte ich, da sich sehr viele
Gläubige nicht die Mühe machen, sich über die unmittelbaren Dinge zu
erheben, folgendes zu beachten.
Nehmen wir an, irgend eine Übereinkunft würde trotzdem getroffen, und
daß wir aufgrund dieser Tatsache durch die im Amt befindlichen
"Autoritäten" anerkannt würden, die uns schließlich offiziell
"erlaubten", in den Kirchen das Experiment der Tradition zu machen.
Versetzen wir uns im Geiste in eine Kirche von Tours, nach Saint-
Etienne zum Beispiel. Ich feiere die hl. Messe zu der uns festgesetzten
Stunde und ihr nehmt daran teil . Mit welchen Hostien werde ich Euch
die Kommunion reichen? Mit denen, die aus der Eucharistie von Taize
stammen und die in dem kleinen Winkel in der Ecke abgestellt sind?
Nein! Sicherlich nicht, da wir diese falsche Messe nicht gelten lassen,
sondern mit Hostien, die während der wahren Messe konsekriert wurden.
Gut! Aber dann, was werde ich mit den in meiner Messe wirklich
konsekrierten Hostien machen, die nicht konsumiert worden sind? Sollte
man sie wegbringen? Sie mit den andern in dem kleinen Winkel in der
Ecke lassen, damit sie entweiht werden bei diesen Austeilungen in die
Hand, von Assistenten, die manchmal nicht einmal getauft sind?
Wir wollen noch weiter gehen.Unterstellen wir, was nicht anzunehmen ist
, daß alle diese praktischen Fragen gelöst würden zugunsten des
Glaubens und der gläubigen Ehrfurcht, die wir der Realpräsenz schulden.
Würdet ihr damit zufrieden sein? Ah! Wie, ihr akzeptiertet, öffentlich
an der wahren Messe teilnehmen zu können, während man neben Euch, Euren
unbekümmerten Brüdern nicht weniger öffentlich eine protestantische
"Eucharistie" servierte. Was mich betrifft, so glaubte ich im Stande
der Todsünde zu sein, wenn ich eine solche Sache akzeptierte und wenn
ich aufhörte, darum zu kämpfen, diesen Eindringling hinauszuwerfen.
Nein, meine Brüder, wiegen wir uns nicht in Illusionen, es gibt keine
mögliche Übereinkunft zwischen der wahren Messe der Kirche und der
neuen protestantischen Messe, nicht weniger als zwischen einer
legitimen Ehefrau und einer Maitresse. Ebenso, wie sowohl Friede, als
auch Verständnis und Liebe sich nicht in einem geteilten Haus
ausbreiten können, bevor nicht die Konkubine davon gejagt ist und die
rechtmäßige Ehefrau ihren Platz wieder einnimmt, von dem sie niemals
hätte abgesetzt werden dürfen. Ebenso werden sich sowohl Friede, als
auch Verständnis und Liebe von neuem in der hl. Kirche Gottes
ausbreiten an dem Tag, an dem sowohl die sogenannte neue Messe, die die
Messe zerstört, als auch der Ökumenismus, der das Dogma zerstört, als
auch die Kollegialität, die die Autorität von Petrus zerstört, als auch
alle Häresien, die die Besonderheit von Vatikanum II sind, aus der
Kirche gejagt sein werden.
Meine teuersten Brüder, Ihr wißt es, da alle Radios davon gesprochen
haben, man kündigt als unmittelbar bevorstehend den Abschluß eines
Protokolls der Übereinkunft zwischen den Kämpfern der Traditionalisten,
vertreten durch Monseigneur Lefebvre und dem "Vatikan" an. Um welche
Übereinkunft handelt es sich? Ich weiß es nicht. Aber was ich weiß,
oder vielmehr, was ich ahne, ist , daß beträchtliche Pressionen auf den
Prälaten aus Econe gemacht werden im Verlauf der Unterredungen, die
angesetzt sind.
Indem ich diese Predigt beendige, bitte ich Sie auch inständig, das
Gebet für Monseigneur Lefebvre zu verstärken. Möge ihn Gott erleuchten,
damit er alle Fallen leicht erkennt, die ihm gestellt sein werden, und
daß er ihn stützt, damit er fortfährt ohne zu straucheln den Glauben zu
bekennen.
Ja, beten wir, meine Brüder, und dann, bewahren wir Zuversicht. Mit der
Gnade Gottes wird der, den man den "Bischof aus Eisen" genannt hat,
nicht weichen. Er weiß besser als ich all1 das, was ich Euch soeben ins
Gedächtnis zurückgerufen habe, als daß wir uns vom Zweifel in sein Werk
ergreifen ließen. Seine vielfältigen Bitten an die im Amt befindlichen
"Autoritäten" sind nur, geben wir es zu, eine Rettungsstange, die er
ihnen in seiner Liebe hinstreckt, um sie dazu anzuhalten und ihnen zu
helfen, ihre Pflicht zu erfüllen. Denn diese "Autoritäten" können gar
nicht unwissend sein darüber, daß wir von ihnen nicht zu erbitten
haben, was wir in Wirklichkeit schon besitzen und zwar von Gott selbst.
Sie können auch darüber nicht unwissend sein, daß wir tatsächlich ihr
grünes Licht erwarteten, um uns autorisiert zu glauben, die der
Tradition entsprechenden Praktiken festzuhalten und wir durch diese
Tatsache als solcher an unserm guten Recht zweifelten. Daß wir darüber
hinaus deshalb zugeben würden, daß wir uns bis jetzt im Ungehorsam
befänden und wir alle die, die uns folgen, mit hineingezogen hätten.
Nein! Dies ist nicht möglich. Allein das Gegenteil zu denken, hieße für
mich, den Oberen von Econe zu beleidigen. Auch will ich, bis zum Beweis
des Gegenteils, in allen Demarchen von Monseigneur Lefebvre nur eine
Taktik sehen, sprechen wir es aus, eine Politik und nichts mehr. Aber,
sagt ihr mir, vergessen Sie das alte Sprichwort "Um mit dem Teufel zu
speisen, braucht man einen langen Löffel"? Nein, ich vergesse es nicht,
und deshalb ermahne ich Euch lebhaft, Eure Gebete für Monseigneur
Lefebvre zu verstärken.
Ich sagte es Euch, ich wiederhole es, indem ich den Glauben bekenne,
der ehrwürdige Prälat von Econe führt nur das Werk des hl. Pius X.
fort. Möge dieser große Papst, dessen Fest wir morgen begehen, ihm von
unserem HERRN durch unsere LIEBE FRAU dazu verhelfen, zu sein, wie er
selbst war, "erfüllt von göttlicher Weisheit und von apostolischem Mut
für die Verteidigung des katholischen Glaubens" (Gebet des hl. Pius X.)
und sogar, wenn nötig, unter Einsatz seines Lebens. Amen.
Die nächste Nummer der Zeitschrift "Fortes in Fide" wird
eine zweifache Studie veröffentlichen über die absolute Unmöglichkeit
einer traditionellen Interpretation von Vatikanum II. Sie wird zeigen,
daß nicht nur die Sache nicht möglich ist, sondern daß Monseigneur
Lefebvre selbst sich keinerlei Illusion macht über die unausführbare
Seite dieser Hypothese.
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