"Auf, werde Licht, Jerusalem,
denn es kommt dein Licht und die Herrlichkeit
des Herrn geht auf über dir!" (Isaias 60,1)
von
H.H. Pfarrer Josef von Zieglauer
Das ist das Weihnachtsgeheimnis: "das Wort ist Fleisch geworden und hat
unter uns gewohnt". Wel-che Freude das Licht bringen kann, hat ein
Ordensmann aus der Zeit seines Wirkens in Skandinavien geschildert:
Die Menschen in den einsamen Siedlungen des Nordens erwarten den ersten
Sonnenaufgang nach monatelanger Finsternis gemeinsam im Freien. Wenn
dann plötzlich der Sonnenglanz den Horizont vergoldet und auf einmal
das gleißende Sonnenlicht sich über die ganze Landschaft ausbreitet, da
fallen sich diese Nordmenschen, die ja eher als kühl gelten, voll
dankbarer Freude in die Arme.
Das geschieht schon mit dem irdischen, sinnlich wahrnehmbaren Licht.
Aber es gibt auch Menschen mit blinden Augen, die das Tageslicht nie
gesehen haben, und doch kann ihnen ein Licht leuchten, das noch
wichtiger ist als das Augenlicht: es ist das Licht der
Verstandeserkenntnis, wodurch sie auch Zugang haben zu dieser Welt, und
sogar noch Wesentlicheren: denn wenn bei einem Menschen mit sehenden
Augen der Verstand geschädigt ist, reden wir ja von "geistiger
Umnachtung". So erkennen wir das Streben der Menschen nach Wahrheit!
Mit dem Weihnachtsgeschehen ist das Licht in die Welt gekommen, das
unserem geistigen Auge die Wahrheit offenbart. Mit dem
Weihnachtsgeheimnis wird uns auch bewußt, daß es Finsternis gibt in
dieser Welt, überall, wo die Wahrheit verdeckt, verdrängt, verbogen
wird. "Als tiefes Dunkel die Welt umgab, da kam o Herr, dein
Allmächtiges Wort."
Der Sohn Gottes ist das "Wort", das zeigt uns schon den wichtigsten
Zugang zur Wahrheit: die menschliche Fähigkeit, die eigenen Gedanken,
Erkenntnisse, Erfahrungen anderen mitteilen zu können! Nur weil wir
durch die Mutter, die Eltern und später durch andere Menschen belehrt,
in die Sachverhalte eingeführt werden, weitet sich unser Blick und die
Fähigkeit, diese Welt zu verstehen und zu gebrauchen. Ohne Mitteilung
kein Fortschritt in der Erkenntnis und in der Verfügung über diese
Welt! Das meiste, was wir wissen und wie wir urteilen, haben wir durch
Mitteilung erfahren.
Wenn Gott uns nach seinem "Bild und Gleichnis" erschaffen hat, ist es
nicht höchst einsichtig, daß Gott sich auch den Menschen geoffenbart
hat, zu ihnen gesprochen hat? Und ist all die Finsternis nicht diese,
weil der Mensch, in frevelhaftem Mißbrauch seiner Freiheit, durch die
Sünde und den Ungehorsam gegen Gott sich der göttlichen Offenbarung
verschlossen hat? Und wo die Wahrheit ausgeschlossen, da ist schon der
"Vater der Lüge", der Verführer. Die Gabe der Mitteilung, das erleben
wir aus tausendfacher Erfahrung, kann ebensogut mißbraucht werden als
Gabe der Irreführung, der "Manipulation", wie man heute gerne sagt, der
Vorspiegelung falscher Tatsachen, um andere zum eigenen Vorteil zu
mißbrauchen.
So zeigt uns die Heilsgeschichte, daß Gott im Paradiese den Menschen
angesprochen hat und zum Gehorsam verpflichtet hat, daß Gott ihn nach
dem Sündenfall dem Tode überlassen hat, und dem, was damit einhergeht:
der Plage, der Krankheit, der Angst und eben allem, was zum Verfall
führt!
Aber ebenfalls zeigt uns das Urevangelium, daß Gott dem Menschen die
Verheißung der Erlösung gegeben hat, den Sieg über die Lügenschlange in
der Frau und Ihrem Göttlichen Sproß. Die Propheten haben die Erwartung
des Heiles, des Erlösers aufrechterhalten und weiter ausgebaut. Und mit
Christus ist wieder Gott selber zu uns gekommen, um uns das Heil zu
bringen. "Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden den Menschen auf Erden,
die guten Willens sind". Und das Heil wird uns wunderbar greifbar
gezeigt im Erlöser, der arm und als wehrloses Kind auf der Welt
ankommt, hungrig nach unserer Liebe! Er wird geliebt, aber auch gehaßt
werden, je nach dem, ob die Menschen aus der Wahrheit sind oder der
Lüge. Er wird für die Wahrheit Zeugnis geben und sein Leben
opfern. Er wird den Tod besiegen durch Seine Auferstehung und allen,
die Ihm nachfolgen, Verzeihung und Ewiges Leben in Gott verschaffen. Er
ruft uns auf, aufzubrechen, in seiner Nachfolge den endgültigen Sieg zu
erringen.
Das ist der wahre Aufbruch, der jedem Menschen durch die von dem
Erlöser Jesus Christus gestiftete Kirche angeboten wird. Wer ihrem
Angebot Folge leistet, hat das Licht, das von Gott kommt.
Wieviele fragliche Aufbrüche sind den Menschen schon angeboten worden,
aber weil von fraglichen Menschen ersonnen, konnten sie nicht erfüllen,
was sie verheißen haben. Denken wir nur an die Romantik, die beim
langsamen Abflauen des christlichen Glaubens durch die Aufklärung, aber
immerhin noch christlich geprägte Werte mitgenommen hat, die Werte der
Liebe zum eigenen Volk, zu den Leistungen der Vorfahren, was im 4.
Gebot ja grundgelegt ist, und so das Erwachen der Vaterlands-liebe
erwirkt hat. Aber ohne nunmehr das Gottesgebot zu berücksichtigen,
wurde daraus der extreme Nationalismus und nationaler Größenwahn, Krieg
und Zerstörung.
Oder mit welchem Elan haben die roten Revolutionäre, eine utopische
Gleichschaltung vor Augen, sich zum zerstörerischen Haß gegen alle
bestehende Ordnung und Bevormundung hinreißen lassen.
Alles Irrlichter, die sich die Menschen bei ihrer Bemühung, dem Leben
einen Weg zu geben, selber ausgedacht haben, die wohl Bewegung erwirkt,
aber dann Enttäuschung gebracht haben.
Wenn wir heute, bei der Überfülle an unkontrollierbaren Mitteilungen
(Presse, Fernsehn, Internet usw.), bei der massiven Werbung und
Marktwirtschaft nachforschen, was ist es, was heute die Menschen in
Bewegung, ja in Sterß versetzt, dann werden wir immer weniger Werte als
vielmehr eine unerträgliche Reizüberflutung feststellen, die die
Menschen in ihrem Banne hält. Man spricht ja schon von einer
Massenverblödung.
Man versucht heute die "Religionen" (in der Mehrzahl) einzuspannen, um
wieder Wertbewußtsein zu ermöglichen, vergißt aber, daß das Wort
Religion "Bindung" bedeutet. Freilich haben auch andere Religionen
Bewegung und auch gewisse Konturen geschaffen. Aber nur solange auch
diese ihre Religion ernst genommen haben, solange sie sie für wahr
gehalten haben.
Aber es gibt - nur eine Wahrheit. So sagt Jesus "Wer nicht mit mir
sammelt, der zerstreut." Wenn heute bei aller scheinbaren Anerkennung
der Religionen so verbissen gegen jeden Glauben an verpflichtende
Wahrheiten agitiert wird, wenn Glaubenswahrheiten, Dogmen als der
größte Feind der menschlichen Freiheit hingestellt werden, als
Entmündiger der Menschheit, dann ist das eine Absage an Gottes
Offenbarung und das Angebot und die Auslieferung der Menschen an die
übergewaltigen, unkontrollierbaren Medienbetreiber, wo an erster Stelle
nur noch der Profit zählt.
Die kurze Gleichnisgeschichte soll das beleuchten:
Ein großer Werbefachmann möchte nach seinem Tode vom hl. Petrus die
Möglichkeit erhalten, zuerst nach "oben" und "unten" zu schauen, er
will ja 'nicht die Katze im Sack kaufen'. Gut, Petrus gibt ihm ein
Glas, durch das er schauen kann. Oben sieht er die Engel den Heiligen
Gott anbeten und Alleluja singen. Das ist nicht sein Fach. Dann blickt
er nach unten und sieht ein schönes Gastlokal mit den besten Getränken,
anziehender weiblicher Bedienung und allerlei Zeitvertreib. Ja, das
schon eher, sagt er, und Petrus: dein freier Wille, also bitte!
Unten aber ist der Empfang ganz anders, nämlich so, wie er uns aus den
Höllenschilderungen bekannt ist. Auf seinen heftigen Protest, er habe
ja etwas ganz anderes gesehen, erfährt er als Antwort: "Hast Du
vergessen, wie Werbung und Propaganda arbeiten?" Ja, der Himmel sagt
die Wahrheit, und nur, wer sie will, wird eingehen. Die Hölle aber ist
der Sitz des "Vaters der Lüge". Ihr geht es nicht um die Wahrheit,
sondern alle Reize werden aufgeboten, um die Menschen ihr dienstbar zu
machen.
Man kann nur das lieben, was man erkennt: und Gott hat sich uns
geoffenbart, so liebevoll und deutlich im Kind in der Krippe, geboren
aus der Jungfrau, ausgesetzt in der Welt, zum Opfer für alle Frevel,
deren sich die Menschen in ihrem ungeordenten Suchen schuldig gemacht
haben. Darum hören wir die Worte des hl. Papstes Leo d. Großen: "Darum
freue sich der Sünder, da er zur Bekehrung und Versöhnung eingeladen
ist, es fasse Mut der Heide, weil er zum wahren Leben gerufen ist, es
freue sich der Heilige, weil er sich der Siegespalme nähert". Amen
Spinges, 05.12. 2000 Josef v. Zieglauer, Pfr.
* * *
Der Autor ist Pfarrer in Spinges bei I - 39037 - Mühlbach / Südtirol,
wo er die Gemeinde seit dem Ausscheiden von H.H. Pfr. Pedevilla als
Seelsorger betreut. Hl. Messen: sonntags 6.30 und 9 Uhr, werktags 7.10
Uhr Rosenkranz: sonntags, samstags: 18 Uhr 30, Tel.: 0039-0472-849468. |